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Ein Wahrsager, ein Lehrling, der kein Lehrling ist, ein magischer Wunscherfüller und die Frage nach der richtigen Wahl. Was wie der Anfang eines Witzes klingt, sind die Zutaten für den zweiten Band der Reihe um Alex Verus. Und der hat es in sich. Doch kann er überzeugen?

Der erste Band der Reihe, Das Labyrinth von London, wurde im Oktober letzten Jahres von einem Kollegen besprochen und schnitt eher mittelmäßig ab. Um ehrlich zu sein, legte ich ihn ebenfalls mit einem eher gemischten Gefühl zur Seite, war aber neugierig genug darauf, wie es mit Alex und Luna weitergeht.

Story

Die Story beginnt fünf Monate nach den Geschehnissen von Das Labyrinth von London. Alex bildet Luna inzwischen aus und hilft ihr, ihren Fluch unter Kontrolle zu bekommen, sodass sie sich wieder Menschen nähern kann. Nachdem er die Sache um den Schicksalsweber lösen konnte, hat Alex beim Rat der Weißmagier einen Stein im Brett, und diese wollen ihn bei der Jagd auf ein gefährliches, magisches Wesen, einen Barghest, dabeihaben. Der Barghest ist allerdings bereits tot, getötet durch ein Ritual, das ihm die Magie entzogen hat. Da man dieses Ritual auch auf Menschen anwenden kann, beauftragt der Rat der Weißmagier Alex damit, herauszufinden, wer dahintersteckt. Obwohl er sich lieber aus den Streitereien zwischen Weißmagiern und Schwarzmagiern heraushält, kann er nicht zulassen, dass dieses Ritual in die falschen Hände fällt. Als dann auch noch Arachne, Alex’ spinnenhafte Freundin und beste Schneiderin ganz Londons, in das Visier derer gerät, die das Ritual anwenden sollen, stellt sich ihm nur noch eine Frage: Wie weit ist er bereit zu gehen, um seine Freunde zu schützen?

Dann ist da noch die Affenpfote: Ein mächtiges, altes Relikt, das bis zu vier Wünsche erfüllt. Wem es diese Wünsche erfüllt, sucht die Affenpfote sich selbst aus. Doch wie immer, wenn es um Wünsche geht, sollte man sehr genau wissen, was man sich wünscht.

Neue und alte Gesichter

Ein Katz-und-Maus-Spiel entspinnt sich, und als Leser, der die Geschichte stets durch Alex’ Augen präsentiert bekommt, ist man sich nie sicher, wem man trauen kann. Neue Charaktere sind undurchsichtig, und nicht alle scheinen zu sein, was sie zu sein vorgeben. Über bereits bekannte Charaktere erfährt man mehr, wodurch sie noch vielschichtiger werden. Man lernt sie ebenso besser kennen, wie man Menschen, denen man alltäglich begegnet, nach und nach besser kennenlernt. Benedict Jacka schafft es, bereits bekannte und neue Charaktere so miteinander zu verbinden, dass sie tatsächlich wirken, als lebten sie Seite an Seite in derselben Stadt. Ja, London ist groß, aber warum sollten die, die sich in denselben Kreisen bewegen – oder ihnen aus dem Weg zu gehen versuchen –, sich nicht hin und wieder begegnen?

Die Story ist verständlich und klug aufgebaut, wobei die Spannungskurve zum Ende hin stark ansteigt und im letzten Drittel nur wenige Momente zum Luftholen bleiben. Dennoch empfand ich das Tempo als angenehmer als beim letzten Band, der mir am Schluss sehr überstürzt vorkam.

Schreibstil

Zu Beginn wird kurz daran erinnert, über welche Kräfte Alex und Luna verfügen. Auch, wer sich nicht mehr an Starbreeze oder Arachne erinnert, bekommt eine kurze (Wieder-)Einführung zu den Charakteren und ihren Beziehungen zu Alex. Wenn Charaktere, vor allem Magier, die der Leser bereits im ersten Band kennenlernte, im Verlauf der Story wieder auftauchen, erklärt Alex unaufdringlich und kurz, wie er zu ihnen steht und warum. So wird dem Gedächtnis des Lesers auf die Sprünge geholfen, sollte es nötig sein. Als jemand, der oft mehrere Reihen durcheinander liest (manche Namen waren mir aus Das Labyrinth von London nicht mehr geläufig), fand ich das sehr hilfreich und dabei unaufdringlich; ein Aspekt, an dem viele andere Autoren noch arbeiten könnten.

Der Stil des Autors ist wunderbar lesbar, was nicht zuletzt daran liegt, dass er es schafft, die Charaktere vielschichtig und die Welt lebendig darzustellen. Das liegt nicht zuletzt am Humor, den er immer wieder einfließen lässt. Egal, ob es sich dabei um mehr oder weniger versteckte Seitenhiebe auf Harry Potter oder Twilight handelt: In Alex’ Laden in Soho sollte man als Nichtmagier besser nicht danach fragen, wie man nach Hogwarts kommt oder glitzernde Vampire findet. Zudem versteht es Benedict Jacka, gängige Klischees zu thematisieren und aufzubrechen. So geht er beispielsweise darauf ein, dass Magier immer in einem möglichst hohen Turm wohnen oder praktizieren; dass dies damit zu tun haben könnte, dass sie etwas zu kompensieren haben, ist nur eine seiner möglichen Erklärungen. Das häufig benutzte Klischee des Bösewichts, der einen ewig langen Monolog hält, nur um dem Helden genug Zeit zu verschaffen, um sich zu befreien und den Tag zu retten (für einschlägige Beispiele siehe diverse James Bond-Filme), wird ebenfalls zum Thema gemacht und auf kluge Art und Weise ins Lächerliche gezogen. Bei diesen und anderen das Geschehen kommentierenden Gelegenheiten wendet sich Alex direkt an den Leser.

Moralische Grauzone

Trotz all der Leichtigkeit und des Sarkasmus schafft Benedict Jacka dennoch, ernstere Themen anzusprechen. Die Frage, ob nichtmenschliche, magische Wesen weniger wert sind als Magier, bildet das Grundgerüst des Romans und wird bereits im ersten Kapitel angesprochen. Im letzten Drittel wird eine Seite eines Charakters in den Fokus gestellt, die dem Leser bis dahin möglicherweise nicht so deutlich war. Ist Mord als präventives Verteidigungsmittel in Ordnung? Ist Mord in Ordnung, um diejenigen zu schützen, die man liebt und die sich nicht selbst schützen können? Der Roman gibt darauf eine sehr deutliche Antwort.

Der Autor

Benedict Jacka, geboren 1981 in London, ist als Kind armenischer und australischer Eltern in der britischen Hauptstadt aufgewachsen. Mit 18 Jahren schrieb er erstmals Notizen für einen Roman nieder, aber erst 2012 wurde der Auftaktroman zur Alex-Verus-Serie Das Labyrinth von London im englischen Original als Fated veröffentlicht. Der zehnte Band der Reihe wird etwa zeitgleich mit der deutschen Übersetzung des dritten Bandes im Oktober dieses Jahres veröffentlicht werden.

Erscheinungsbild

Das Cover ist in hellblau gehalten, worauf die gelbe Schrift stark hervorsticht. Verziert ist es im Lettering-Style mit einem gelb-roten Auge in der oberen Hälfte. Zwei dezente Skizzen von Londoner Sehenswürdigkeiten komplettieren das Bild.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Blanvalet
  • Autor: Benedict Jacka
  • Erscheinungsdatum: 15. April 2019
  • Sprache: Deutsch (Aus dem Englischen übersetzt von Michelle Gyo)
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 384
  • ISBN: 978-3-7341-6169-8
  • Preis: 9,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Umschlaginnenseite ist vorne und hinten im Buch jeweils dieselbe Karte von London abgedruckt, die die wichtigsten Schauplätze abbildet. Die Karte ist vor allem in Gelb- und Grüntönen gehalten und die Orte sind entweder als schwarzweiße Skizzen eingezeichnet oder mit einem roten Punkt markiert.

Fazit

Die Geschichte ist mitreißend und spannend, die Charaktere sind vielschichtig gezeichnet und der Autor schafft es, Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit in unnachahmlicher Weise zu verbinden. Benedict Jacka wird gerne mit Ben Aaronovitch, dem Autor von Die Flüsse von London, verglichen, aber um ehrlich zu sein, übertrifft Jacka diesen bei weitem – alleine, was die Bindung des Lesers an die Hauptcharaktere betrifft. Ja, die Story hat ein paar logische Schwachpunkte, aber diese sind durchaus verschmerzbar und nehmen nicht von der Spannung. Nach Das Ritual von London kann ich es nicht erwarten, zu erfahren, wie die Geschichte um Alex, Luna und Arachne weitergeht.

 

Artikelbild: © Randomhouse, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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