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In seinem Urban-Fantasy-Roman Das Labyrinth von London erzählt Benedict Jacka die Geschichte von Alex Verus, einem Magier und Ladenbesitzer aus London, der in die Zukunft sehen kann. Der Roman ist der Auftakt zu einer langen Reihe von Alex-Verus-Büchern, die bereits auf Englisch erscheinen sind.

„Ein Urban-Fantasy-Roman, der in London spielt? So etwas hat es ja noch nie gegeben!“, mag mancher Leser augenverdrehend mit Blick auf Das Labyrinth von London sagen. Daraufhin könnte man erwidern, dass die Reihe wohl doch etwas Besonderes haben muss, wenn bereits der zehnte Band auf Englisch in Vorbereitung ist. So oder so lohnt sich ein genauerer Blick auf den Roman von Benedict Jacka. Ist er innovativ oder abgedroschen?

Story

Alex Verus, der nicht wirklich so heißt, gehört das Arcana Emporium, ein Laden für magische und nicht-magische Waren aller Art in Camden, London. Er ist im Allgemeinen Magier und im Speziellen Hellseher. Dabei ist diese Fähigkeit nicht immer präzise, da Alex mehrere mögliche Versionen der Zukunft sieht. Sobald es zu viele verschiedene Möglichkeiten gibt, ist seine Fähigkeit weniger nützlich. Alex’ Freundin Luna hat geringere Fähigkeiten als Alex und ist noch neu in der Welt der Magier. Allerdings liegt ein alter Familienfluch auf ihr, der dafür sorgt, dass alles Unglück, was sie treffen würde, gebündelt an eine Person in ihrer Nähe übertragen wird. Dadurch ist sie zwar geschützt, jedoch verhindert der Fluch auch, dass sie eine enge Beziehung eingehen kann.

Den Rahmen für die Handlung von Das Labyrinth von London bildet der Konflikt zwischen Weiß- und Schwarzmagiern, wobei beide Seiten nicht unbedingt nur gut oder böse sind und (fast) jeder nur seinen eigenen Vorteil im Sinn hat. Der Autor verwendet hier keine abgedroschenen Klischees, was erfrischend ist. Nachdem Luna ein geheimnisvolles Artefakt gefunden und Alex gezeigt hat, wird dieser von einem Schwarzmagier angegriffen. Damit werden Alex und Luna unausweichlich in den Konflikt zwischen den beiden Parteien hineingezogen. Sowohl Schwarz- als auch

Karte aus dem Roman
Karte aus dem Roman

Weißmagier brauchen Alex’ Fähigkeiten, um ein uraltes Relikt zu öffnen, und alle wollen ihn anheuern. Als er auch noch mit seiner schmerzlichen Vergangenheit konfrontiert wird, ist er gezwungen, zu handeln.

Das Labyrinth von London wirkt in jeder Hinsicht wie ein klassischer „Auftaktroman“. Dem Leser wird sehr viel erklärt: wie Magie in dieser Welt funktioniert, wie die Machtverhältnisse in London und auf der Welt sind, welche persönlichen Beziehungen und Feindschaften der Protagonist pflegt und warum. Wer nicht schon weiß, dass die Alex-Verus-Reihe auf Englisch bereits neun Bände hat, würde trotzdem beim Lesen des Buches ahnen, dass noch einige Fortsetzungen geplant sind und Das Labyrinth von London dafür den Boden bereiten soll. Hier liegt auch ein Problem des Romans, denn bedingt durch die Kürze von Das Labyrinth von London und den Raum, den der Autor für den „Reihenauftakt“ verwendet, funktioniert das Buch nur schlecht als alleinstehendes Werk.

Die Hauptfähigkeit von Alex, das Hellsehen, ist literarisch ein zweischneidiges Schwert. Einerseits wird sie vom Protagonisten äußert kreativ eingesetzt. Beispielsweise wird Alex im Laufe des Romans gefangengenommen und in ein Zimmer eingesperrt. Statt nun aufzustehen und Fluchtmöglichkeiten zu erkunden, schließt er einfach die Augen und geht alle möglichen Zukunftsstränge durch. Was würde passieren, wenn er das Fenster einschlägt, wenn er die Tür öffnet und nach rechts bzw. nach links geht, wenn er um Hilfe ruft und so weiter. Auf diese Weise wird die Macht des Charakters deutlich, auch wenn er in direkten, schnörkellosen Konfrontationen den meisten anderen Magiern unterlegen ist. Gerade dieser Aspekt des Protagonisten sorgt für viel Lesevergnügen.

Andererseits hält Benedict Jacka oft die innere Logik seines Werkes nicht ganz durch. Mal nutzt Alex seine Fähigkeit sehr viel und wirkt nahezu unverwundbar, an anderen Stellen stellt er nur lapidar fest, dass die Zukunft nun zu kompliziert geworden ist und er keine nützlichen Informationen sehen kann. Das wirkt manchmal etwas willkürlich. Auch scheinen seine Feinde sehr häufig seine Fähigkeiten zu vergessen oder nicht genug darüber nachzudenken, dass gewisse Angriffe oder Aktionen auf jemanden, der in die Zukunft sehen kann, wohl kaum eine Wirkung haben. Das lässt die Geschichte manchmal etwas unrund wirken.

An Spannung mangelt es dem Roman nicht, es gibt zahlreiche actiongeladene Kämpfe, die alle beim Lesen durchweg Spaß machen, und auch die Handlung hat den einen oder anderen Twist zu bieten. Der Humor andererseits kommt in Das Labyrinth von London etwas zu kurz, obwohl das Buch nicht direkt in Anspruch nimmt, ein humoristischer Roman zu sein. Zwar macht Alex hin und wieder schon ironische Bemerkungen, und Benedict Jacka versteht es, skurrile und dadurch durchaus komische Situationen zu schaffen. Das könnte jedoch noch wesentlich häufiger passieren und wirkt auf den Leser wie eine verpasste Chance.

Die Charaktere handeln in der Regel glaubwürdig und folgen, im Gegensatz zum bereits erwähnten Hellsehen, der inneren Logik des Romans. Allerdings sind manche Motive etwas klischeehaft; der Leser bemerkt bereits auf den ersten fünfzig Seiten, dass Luna das Love Interest von Alex werden und dass der Fluch von Luna das obligatorische Hindernis für ihre Liebe darstellen wird. Dadurch wird einiges ziemlich vorhersehbar. Trotzdem sind die Charaktere sympathisch, und der Leser fiebert mit ihnen mit.

Schreibstil

Die Handlung von Das Labyrinth von London wird von Alex Verus geschildert, der sich auch oft direkt an den Leser wendet; Benedict Jacka wählt hier einen Ich-Erzähler. Wie bereits erwähnt, erklärt der Protagonist dem Leser auch die Welt, die Funktionsweise von Magie und die Machtverhältnisse. Dabei nutzt der Autor, wie nahezu alle anderen Urban-Fantasy-Romane, wie zum Beispiel die Dresden Files auch, den Charme der Großstadt, in diesem Falle London. Er verknüpft die Geschichte mit tatsächlich existierenden Handlungsorten und baut so Atmosphäre auf; keine neue oder innovative Idee, aber es funktioniert bei Das Labyrinth von London recht gut. Der Schreibstil ist durchgängig leicht lesbar und flüssig, und man kann im Laufe der Geschichte immer tiefer in den Verstand von Alex eintauchen und seine Handlungsweisen und Motive verstehen.

Der Autor

Benedict Jacka wurde 1981 geboren und ist halb Armenier und halb Australier. Er hat in vielen verschiedenen Städten und Ländern gelebt, jedoch zog es ihn immer wieder nach London zurück. Benedict Jacka hat in Cambridge Philosophie studiert und anschließend als Lehrer, Türsteher und Angestellter im öffentlichen Dienst gearbeitet, dabei das Schreiben jedoch nie aufgegeben. Seine Hobbys sind Skateboard fahren und Rollenspiele, sowohl als Pen&Paper als auch am Computer.

Mit 18 Jahren begann er mit der Arbeit an seinem Debütroman To be a ninja (Titel des Reprints: Ninja: The Beginning), der dann schließlich 2005 veröffentlicht wurde. 2012 erschien der erste Band der Alex-Verus-Reihe auf Englisch unter dem Titel Fated. Der zehnte Band der Reihe ist aktuell in Arbeit.

Erscheinungsbild

Das Cover von Das Labyrinth von London wirkt auf den ersten Blick etwas überladen, bei näherer Betrachtung wird jedoch klar, dass alle Details einen Zweck erfüllen. Die Hand mit dem roten Würfel verweist auf das Artefakt, welches Luna zu Beginn des Romans findet und die kleinen Zeichnungen nehmen Bezug auf London als Handlungsort. Das Cover weist eine leichte Ähnlichkeit zu anderen Covern aus dem Urban-Fantasy-Bereich auf, wie zum Beispiel zu Die Flüsse von London von Ben Aaronovitch (mit dem Benedict Jacka auch oft verglichen wird), ohne dass das Cover plump kopiert wirkt. Die Qualität des Drucks ist sehr gut und das Lesen fällt leicht. Mir ist kein einziger Grammatik- oder Rechtschreibfehler aufgefallen; das Lektorat ist hervorragend.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Blanvalet
  • Autor(en): Benedict Jacka
  • Erscheinungsdatum: Juli 2018
  • Sprache: Deutsch (Aus dem Englischen übersetzt von Michelle Gyo)
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 416 Seiten
  • ISBN: 978-3-7341-6165-0
  • Preis: 9,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Im Umschlag des Buches findet man eine hübsche Karte von London, auf der man die Handlungsorte des Romans sehen kann. Diese Karte kann man sich im Vorfeld auch bei Amazon anschauen. Ansonsten gibt es noch den beinahe obligatorischen Blick ins Buch bei Amazon.

Fazit

Benedict Jackas Das Labyrinth von London ist ein klassischer „Auftaktroman“ zu einer bald zehnbändigen Reihe. Der Autor verwendet viel Zeit darauf, die Welt, die Charaktere und die Machtverhältnisse zu erklären und legt so den Grundstein für folgende Romane. Dabei machen vor allem der Protagonist und seine magischen Fähigkeiten, die atmosphärischen Handlungsorte in London sowie die skurril-kreativen Ideen des Autors Spaß. Allerdings hat Das Labyrinth von London auch einige Schwächen; manchmal wird die innere Logik der Welt durchbrochen und die handelnden Charaktere sind gelegentlich etwas klischeehaft. Zudem hätte der Autor den Roman durchaus etwas humoristischer gestalten dürfen.

Wer einfach einen vergnüglichen Urban-Fantasy-Roman für zwischendurch sucht, der wird mit Das Labyrinth von London wahrscheinlich weniger zufrieden sein. Der Roman ist einfach zu kurz, um sowohl die Basis für eine lange Romanreihe zu bilden als auch für sich stehend den Leser zufriedenzustellen. Wer allerdings nach einer neuen Urban-Fantasy-Reihe Ausschau hält, auf die er sich langfristig einlassen möchte, dem kann man Das Labyrinth von London bedenkenlos empfehlen. Leider ist der zweite Teil auf Deutsch noch nicht angekündigt; wer daher nicht warten kann, müsste mit dem zweiten Teil Cursed auf Englisch weitermachen.

mit Tendenz nach oben

Artikelbild: Blanvalet Verlag, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

Über den Autor

David Gieges ist Sohn zweier Buchhändler und hat selbst diesen wunderbaren Beruf ergriffen. Wenig überraschend liebt er Literatur und ist über Tolkien, Perry Rhodan und Douglas Adams zur Phantastik gekommen. Er schätzt  möglichst komplizierte Brettspiele, Pen&Paper und alles, was nerdig ist. David lebt in Hamburg und schreibt neben Artikeln für die Teilzeithelden auch gerne Kurzgeschichten.

 

 

 

 

2 Kommentare

  1. „Allerdings sind manche Motive etwas klischeehaft; der Leser bemerkt bereits auf den ersten fünfzig Seiten, dass Luna das Love Interest von Alex werden und dass der Fluch von Luna das obligatorische Hindernis für ihre Liebe darstellen wird.“

    Hmm, ich rate dem Autor dieser Rezension ein paar mehr Bücher dieser Reihe zu lesen. Mit den beiden von ihm angenommenen Motiven liegt er nämlich falsch!

  2. Leider scheint es, wie ich aus der Rezension lese, als hätten die Übersetzer „Dark Mages“ als „Schwarzmagier“ und „Light Mages“ als „Weißmagier“ übersetzt. Wobei bei Benedict Jacka nicht die Art der angewandten Magie eine Unterscheidung zwischen „Light“ und „Dark Mages“ dient, sondern wie und wozu die Magie angewandt wird. Besser wäre eine genaue Übersetzung in „Lichte“ und „Dunkle“ Magier gewesen.

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