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Unzählige Heldengeschichten blieben unerzählt und unerlebt, wenn es sie nicht gäbe: Spielleiter. Mit dieser Rolle verbunden sind eine Menge Arbeit und mindestens genauso viel Verantwortung. Beides ist hinnehmbar, handelt es sich doch um bekannte Nebenwirkungen – doch was passiert dann, wenn das Leiden eine größere Rolle einnimmt als das Leiten?

Was für den einen ein notgedrungenes Übel in Ermangelung eines Freiweilligen ist, ist für den anderen eine Berufung: die Rolle der Spielleitung. Wer sie einnimmt, stellt nicht nur die Spielwelt und ihre Bewohner in aller Lebendigkeit dar, sondern führt die Spieler wie auch deren Charaktere durch die Handlung hindurch. Wer spielleitet, ist Weltenbauer, Geschichtenerzähler und – zumindest manchmal – einsamer Träger von Verantwortung, Lasten und Pflichten.

Mit der Position des Spielleiters (SL) sind Negativaspekte verbunden, die auf Spielerseite nicht oder zumindest nicht in vollem Umfang registriert werden. Dabei könnten diese vielfältiger kaum sein: Sowohl die eigenen Erfahrungen der Autorin als auch die dreier befreundeter, langjähriger SL zeigen, wie immens und auch tiefgreifend die Belastungen sein können.

Für die geteilten Erfahrungen sowie den kreativen Austausch zum Thema geht an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle Mitwirkenden!

SL und ihre Probleme – eine Sammlung

Der nachfolgende Abschnitt führt Problemstellungen auf, die im Rahmen einer Tätigkeit als SL entstehen. Er ist nicht als Vorwurf an diejenigen zu verstehen, die lieber als Spieler aktiv sind, und soll keinesfalls glauben lassen, dass es nicht auch schwierige SL gibt. Die Liste basiert – wie oben beschrieben – auf eigenen Erfahrungen der Autorin sowie Berichten vertrauter SL. Zu Zwecken der Übersichtlichkeit wurde eine Dreiteilung der Probleme vorgenommen – hierzu sei angemerkt, dass eine Abgrenzung nicht immer erfolgen kann, da viele Probleme „überschwappen“.

An dieser Stelle sei gesagt, dass nicht alle Probleme in allen Gruppen auftreten. Auch gibt es sicherlich SL, die die einzelnen Punkte nicht als Belastung empfinden. Alles, was hier aufgelistet wird, stellt lediglich eine Erfahrungs- und Eindruckssammlung dar und soll niemandem den Mut zum Spielleiten nehmen.

Probleme jenseits des Spieltisches

Gespielt wird am Spieltisch. Die Vorbereitung jedoch erfolgt im Vorfeld und ist vor allem auf Seiten der Spielleitung zu sehen. Dass diese auf Spielerseite geringer ausfällt, ist kein Problem. Was jedoch übel aufstößt, ist der Umstand, dass viele Spieler glauben, dass es nicht nötig sei, sich außerhalb der Spielzeit mit ihrem Charakter oder der Runde zu befassen. Dies führt dazu, dass sie nicht vertraut mit den Fähigkeiten ihres Charakters sind und zudem Defizite in Bezug auf die Regeln aufweisen. Beides muss der SL nicht nur auffangen – er muss es ausgleichen. Dies geht zu Lasten seiner Frei- aber auch der Spielzeit.

Auch hinsichtlich der Terminplanung wird der Spielleitung oft mehr Organisationstalent abverlangt als den Spielern selbst. In diesem Zusammenhang ist die oft sehr umständliche Terminfindung unbefriedigend. Diese liegt oft darin begründet, dass jeder seine Hobbies anders priorisiert: Für den einen ist Rollenspiel demnach eine Leidenschaft, für den anderen ein netter Zeitvertreib wie andere auch. Beides ist in Ordnung, funktioniert gemischt in ein und derselben Gruppe jedoch nur bedingt.

Terminplanung ist oft schwer und ein geeignetes Mittel muss gefunden werden © scanrail

Kommt zu einer problematischen Terminfindung noch wiederkehrende Unpünktlichkeit auf Spielerseite dazu, ist Ärger vorprogrammiert: Während der/die SL die persönliche Freizeit der Vorbereitung des Spielabends geopfert und Arbeit, Familie sowie andere Hobbies so organisiert hat, dass alles parat steht, schaffen einige Spieler es nicht einmal, rechtzeitig aufzutauchen. Dies ist zwar auch den übrigen Spielern gegenüber anstrengend und respektlos, trifft aber vor allem die Spielleitung aufgrund der verbundenen Mehrarbeit hart.

Probleme am Spieltisch

Niemand kann sechs, sieben oder sogar acht Stunden am Stück hochkonzentriert bleiben. Es ist auch nicht tragisch, wenn eine Anekdote erzählt oder ein Blick auf das Handy geworfen wird. Wenn jedoch Smalltalk überhand nimmt und WhatsApp oder Candy Crush interessanter werden als das bespielte Abenteuer, ist das mehr als ärgerlich. Gleiches gilt mit humoristischen Anmerkungen und Scherzen. Sie tragen in Maßen zu einem erfreulichen Miteinander bei, können jedoch – zu oft auftretend – die Atmosphäre morden.

Schwierigkeiten entstehen auch dann, wenn die Spieler statt mit- vermehrt gegeneinander spielen. Hier können z. B. der Vergleich der Fähigkeiten oder Uneinigkeit über die Verteilung von Schätzen als Auslöser fungieren: Aus dem gemeinsamen Spiel wird ein Wettkampf. Das kann mal unterhaltsam sein, zerrt jedoch dauerhaft am Nervenkostüm des/der SL. Gleiches gilt für Unaufrichtigkeit auf Spielerseite durch beispielsweise die (unrechte) Modifikation von Würfelergebnissen oder Charakterwerten.

Ein weiterer Faktor, der das Spielleiten erschwert, sind Regeldiskussionen. Diese unterbrechen den Spielfluss und führen rasch zu Ärger. Die SL, die sich im Rahmen dieses Artikels geäußert haben, wünschen sich eine Besprechung von Regeldifferenzen nach der Runde. Im Geschehen selbst würden sie gerne Entscheidungsvollmacht genießen, um die Atmosphäre erhalten zu können. Der Spielfluss besitzt hier eine höhere Priorität als das korrekte Auslegen der Regeln.

Zum SL als Person

Der/die SL ist ein Mensch aus Fleisch und Blut. Es passiert, dass er/sie Dinge nah an sich heranlässt. Die oben benannten Problemstellungen sind primär allgemeiner Natur und beziehen sich nicht auf ihn/sie als Person, jedoch gibt es auch Aspekte, die genau dies tun. Sie stellen insoweit ein besonderes Problem dar, da sie zur emotionalen Belastung heranwachsen können. Als eine solche können sie mehr Schaden anrichten als nur einen Spielabend zu ruinieren.

Der/die SL wird oft als Dienstleister empfunden. Viele Spieler verfallen in eine „Bediene mich“-Mentalität und setzen sich, ohne selbst vorab Zeit oder Gedanken zu investieren, an den Spieltisch. Hier erwarten sie, unterhalten zu werden. Dies ist natürlich keinesfalls gerechtfertigt und nimmt dem/der SL Freude an dem Hobby. In direktem Zusammenhang steht das Problem, dass die Spielleitung oft als Gegenspieler empfunden wird. Ihr wird unterstellt, sie würde sich am Scheitern der Gruppe erfreuen – von Erfolgen wird sie ausgeschlossen. Hier klopfen sich SC wie Spieler auf die Schulter, während die Leitung vom anderen Ende des Tisches aus zusieht. Wird ihr nun auch noch Spielleiterwillkür vorgeworfen, ist das zurückbleibende Gefühl in der Magengegend keinesfalls ein gutes.

Oft wird SLs Willkür vorgeworfen, weil mangelnde Transparenz einer Entscheidung herrscht © ginasanders

Der/die SL wird darüber hinaus nicht selten zur Zielscheibe von Stichelleien. Dies geschieht vielfach nicht im bösen Sinne, jedoch kann es auf Dauer zur Belastung werden, und zwar vor allem dann, wenn auch die eigenen Ansprüche Druck auf die SL-Leistung ausüben – Ansprüche, denen der/die SL zumindest gefühlt nicht gerecht wird. Das Gefühl des Versagens verstärkt sich mit den Neckereien.

Des Weiteren genießt sie Spielleitung bzw. ihre Arbeit oft keinerlei Respekt. Die Namen ihrer erschaffenen Charaktere und Orte werden vergessen oder, schlimmer noch, verballhornt: manchmal auch dann, wenn die betroffenen NSC dominante Positionen innerhalb der Handlung einnehmen. Darüber hinaus werden seine mühevoll vorbereiteten Karten (on- wie auch offline) belächelt oder gar nicht beachtet. Vor allem auf der Online-Plattform Roll20, wo die Spieler eigene Schreib- und Zeichenrechte besitzen, kann das „Bekritzeln“ der Karten störend sein.

Ein Problem der zweiten Stufe ist, dass ein/eine SL mit der Zeit zum schlechteren Spieler avanciert. Dies kann passieren, da er/sie es zum einen durch seine Tätigkeit gewohnt ist, viel Redezeit für sich einzufordern, und zum anderen, weil der nagende „Ich kann das besser“-Gedanke gegenüber der neuen/anderen Spielleitung existiert.

Lösungsansätze – Oder: Wir spielen doch alle zusammen

Obige Problemstellungen zeigen, wie schnell das Phänomen „leiden statt leiten“ entsteht. Zu dessen Lösung gibt es leider kein ultimatives Rezept. Das bedeutet jedoch nicht, dass nicht an den Problemen gearbeitet werden kann – nein, es ist sogar für ein erfolgreiches Bestehen der Runde unabdingbar!

Folgende Umgangstipps, sowohl für Spieler als auch für die Spielleitung, können helfen, die Schwierigkeiten abzumildern oder sogar vollends zu beseitigen.

  • Einfach mal „Danke“ sagen
    Die Rolle der Spielleitung einzunehmen ist keine Pflicht. Niemand sollte als SL auftreten müssen; es ist ein elementarer Bereich des Hobbies Pen & Paper-Rollenspiel, welches demjenigen, der ihm nachgeht, (im Idealfall) Freude bereitet. Ein Kniefall seitens der Spieler ist demnach nicht nötig. Was jedoch nötig ist, ist die Anerkennung der (Vor-)Arbeit des/der SL und seiner Mühen. Eine solche sollte offen ausgesprochen werden, beispielsweise in Form eines „Dankeschöns“.
  • Auf ein Wort (oder zwei)
    Die Vorarbeit zu diesem Artikel hat der Autorin, die selbst als Spielerin unter den drei befragten SL agiert, eigenes Fehlverhalten aufgezeigt. Wie negativ dies auf SL-Seite aufschlägt, war ihr nicht bewusst. Aus dem offenen Dialog konnten jedoch Erkenntnisse gewonnen werden, die das zukünftige Spielen optimieren werden. Spricht der/die SL seine Probleme offen an, kann im Team daran gearbeitet werden. 
  • Geteiltes Leid ist halbes Leid
    Arbeitsteilung sorgt auch im Hobbybereich dafür, dass nicht ein Paar Schultern die Last allein trägt. Es bietet sich an, dass die Spielleitung ihre Spieler zu Mitarbeit verpflichtet. Ergänzend zu den charakterspezifischen Details kann sie ihre Spieler bitten, die Vor- und Nachbereitung der Abenteuer zu übernehmen. Auch Beschreibungen von Städten oder Landstrichen können durch Spieler vorbereitet und im entsprechenden Moment vorgetragen werden. Und warum sollte es nicht einen Terminverantwortlichen geben, der nicht hinter dem SL-Schirm sitzt?
  • Weg damit!
    Nicht immer kann das, was nicht passt, passend gemacht werden. Dies gilt für Termine und Regelgrundlagen, aber auch für das Verhalten von Mitspielern. Wenn eine Terminroutine (z. B. einmal im Monat) nicht umsetzbar ist, sollte ein anderes Intervall gewählt werden. Wenn ein Regelsystem zu komplex ist oder nur Kritik erntet, sollte ein Wechsel erwogen werden. Und wenn ein Spieler anhaltend dazu beiträgt, dass andere Spieler oder sogar der/die SL sich unwohl fühlen, sollte er aufgefordert werden, sein Verhalten zu ändern. Klappt das nicht, wäre der Ausschluss aus der Runde der nächste Schritt. Dies mag hart klingen, aber Rollenspiel ist ein Teamspiel, und jemand, der „querschießt“, wird auch beim Fußball des Platzes verwiesen.
Vor der Lösung steht stehts die Identifikation des eigentlichen Problems © SergeyNivens29

Fazit

Die Spielleitung hat es nicht immer leicht. Sie ist Opfer ihrer eigenen Ansprüche sowie der ihrer Spieler. Sie ist Zielscheibe von Sticheleien und Kritik. Die gesamte Verantwortung für das Gelingen eines Spielabends, so jedenfalls scheint es, liegt in ihren Händen. Die Arbeit, die sie leistet, erhält in den seltensten Fällen die Anerkennung und den Respekt, den sie verdient. Vor allem langjährige SL haben aus diesem Grund mit emotionalen Belastungen zu kämpfen, die eng mit ihrer Position verknüpft sind.

Nach erfolgreicher Identifikation häufiger oder besonders schwerwiegender Probleme, wie weiter oben erfolgt, lassen sich folgende Lösungsansätze finden: Kommunikation als Zeichen der Anerkennung und als Mittel zur Problemerfassung und -bewältigung stehen an erster Stelle. Sodann folgt die Teilung von Lasten und Pflichten und, wenn gar nichts mehr hilft, die Empfehlung, auch mal loszulassen.

Ohne eine/n SL gibt es keine Runde – ohne eine/n glücklichen SL gibt es keine glücklichen Spieler. Für einen erfolgreichen Spieltermin, der allen Beteiligten Spaß macht, ist es deshalb unabdingbar, die Bedürfnisse der Spielleitung zu berücksichtigen. Nicht immer jedoch ist es leicht, diese zu erkennen, da die Position am anderen Ende des Spieltisches einsam ist. Hier gilt es, wachsam, empathisch und hilfsbereit zu sein – damit die Würfel auch in Zukunft voller Enthusiasmus über den Spieltisch rollen.

Artikelbild: © prometeus © V.G. | depositphotos, Bearbeitung: Roger Lewin

2 Kommentare

  1. Schöner Artikel. Ich kämpfe auch immer mal wieder mit dem Ungleichgewicht zwischen der Zeit, die ich als Spielleiter abseits des Spielabends investieren muss, und der, die meine SpielerInnen investieren. Wenn die es nicht mal schaffen, zwischen den Abenteuern zu steigern, und das dann am Spieltisch „schnell“ noch nachholen, finde ich das … wenig wertschätzend mir gegenüber.
    Tja, aber was ist mir bei der letzten Spielrunde passiert, in der ich Spieler war? Ich hatte vergessen, zu steigern und musste das schnell noch nachholen. Die Regeln hatte ich mir auch nicht nochmal angeschaut. Es war das Ende einer langen Arbeitswoche und ich hatte dafür nach Feierabend einfach keinen Kopf mehr gehabt.
    Ich habe daraus gelernt: Die wichtigste Tugend für SpielerInnen und SpielleiterInnen gleichermaßen ist Gelassenheit… dicht gefolgt von Verständnis.

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