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Aktuell läuft die Vorbestelleraktion für die deutsche Version des Warhammer 40k-Rollenspiels Wrath & Glory. Dank englischer Version und deutschem Schnellstarter kann man sich auch jetzt schon einen Eindruck von dem System verschaffen. Wir haben unseren redaktionsinternen Unwahrscheinlichkeitsgenerator mit besonders heißem Tee gefüttert und einen Blick auf die Stochastik werfen lassen.

Viele Systeme verwenden stochastisch gesehen sehr einfache Mechanismen. Oder Mechanismen, die man bereits von anderer Stelle kennt, und die daher keiner neueren und näheren Betrachtung bedürfen. Aber immer mal wieder versuchen Systeme, das Rad neu zu erfinden, und entwickeln ihre eigenen Würfelsysteme.

Genau das tut Warhammer 40K: Wrath & Glory (ab jetzt nur noch W&G genannt). Das System zeigt zwar erhebliche Ähnlichkeiten zum von Shadowrun 4 verwendeten System – bei Shadowrun 5 kommen Obergrenzen für Erfolge hinzu, die W&G so nicht kennt –, unterscheidet sich aber an einigen Punkten auch signifikant von diesem. Grund genug für uns, mal einen genaueren Blick darauf zu werfen.

Dabei dient dieser Artikel nicht dazu, das komplette Regelsystem zu erfassen oder zu bewerten. Auch der Hintergrund interessiert uns hier gerade nicht. Einzig und allein die Würfel und wie diese im Kontext des Systems verwendet werden finden hier Beachtung.

Das Würfelsystem kurz erklärt

Bevor wir das System beurteilen, möchte ich es erst einmal kurz erklären, damit auch systemunkundige Leser wissen, worum es eigentlich geht.

Würfe bei W&G werden immer mit einer Anzahl an sechsseitigen Würfeln durchgeführt. Jede 4 oder 5 zählt als eine Ikone, jede 6 als erhabene Ikone, die zwei normale Ikonen wert ist. Ikonen ist also der Begriff, den W&G für Erfolge verwendet. Ist der Wurf eine Probe, so benötigt man eine bestimmte Anzahl an Ikonen, um erfolgreich zu sein. Außerdem können erhabene Ikonen, also die 6en, umgewandelt werden, um einen besseren Erfolg zu erzielen, sofern dann die restlichen Würfel noch immer genug Ikonen zeigen, damit der Wurf erfolgreich ist.

Bei jeder Probe (nicht jedem Wurf!) wird einer der geworfenen Würfel von den anderen unterschieden. Dieser wird Zornwürfel genannt und hat bei einem Ergebnis von 1 oder 6 besondere Effekte. Zeigt er eine 1, so ist eine Komplikation eingetreten. Zeigt er eine 6, so treten positive Nebeneffekte ein. Beides ist dabei unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg der eigentlichen Probe.

Würfe, die keine Proben sind, sammeln einfach nur Ikonen und verwenden diese dann für ihre Effekte. Darunter fallen zum Beispiel Schadens- oder Absorptionswürfe. Bei diesen gibt es keine Mindestanzahl an benötigten Ikonen und auch keinen Zornwürfel.

Um Würfelwürfe zu modifizieren, kennt das System Zorn-, Ruhm und Unheilpunkte. Den Spielern stehen davon Zorn und Ruhm (Wrath and Glory) zur Verfügung, während der Spielleiter auf das Unheil zurückgreifen kann. Was diese Punkte genau tun, ist in den wenigsten Fällen stochastisch interessant, weswegen wir sie für die Betrachtung in diesem Artikel weitestgehend ignorieren.

Stochastische Betrachtung

Der Zornwürfel

Dieser besondere Würfel ist stochastisch gesehen absolut trivial. In jeweils einem von sechs Fällen, also mit einer Chance von 16,67 %, tritt eine Komplikation oder ein positiver Nebeneffekt auf. Letzterer wird durch einen Ruhmpunkt repräsentiert.

Wenn man die optionale Regel benutzt, dass die 1 einfach einen Punkt Unheil, das Spielleiteräquivalent zum Ruhm, generiert, sind diese beiden Ergebnisse gegensätzlich, aber insgesamt äquivalent. Ohne diese Regel besteht die Chance, mit der gewürfelten 1 der Szene eine unerwartete Wendung zu verleihen. Diese lässt sich stochastisch nicht erfassen und wird daher hier ignoriert. Sie hat auf die weitere Betrachtung des Würfelsystems ohnehin keinerlei Auswirkungen, da beide Sondereffekte des Zornwürfels ja komplett unabhängig vom Erfolg des eigentlichen Wurfes sind.

Durch diese Unabhängigkeit können wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit Proben und Würfe erst einmal gemeinsam betrachten.

Ikonenzählung – Würfe und Proben

Unschwer lässt sich erkennen, dass jeder einzelne Würfel bei W&G einen Erwartungswert von 2/3 oder 0,67 Ikonen hat. Das heißt, dass im Schnitt deutlich mehr Erfolge generiert werden, im Gegensatz zu Shadowrun, wo der Erwartungswert nur 1/3 ist. Die eigentliche Verteilung der Wahrscheinlichkeiten würde sich hierdurch lediglich verschieben, aber nicht grundlegend verändern. Durch das Hinzufügen der doppelt gewerteten Erfolge auf der 6 hingegen erweitert sich der mögliche Ereignisraum erheblich, und die Verteilung wird insgesamt breiter.

Staucht man dann jedoch die Erweiterung des Ereignisraumes wieder zusammen, indem man jeweils zwei Ikonen in Wrath & Glory mit einem Erfolg in Shadowrun gleichsetzt, was ja genau dem doppelten Erwartungswert entspricht, so ähneln sich die Wahrscheinlichkeitskurven wieder deutlich. Bei W&G sind dabei die Ausreißer sowohl nach oben als auch nach unten etwas unwahrscheinlicher.

Es lässt sich also sagen, dass die generelle Wahrscheinlichkeitsverteilung zwischen den Systemen ähnlich ist, W&G jedoch eine doppelt so große Anzahl möglicher Ergebnisse bietet, sowie eine geringere Chance für Ausreißer in beide Richtungen.

Die Wahrscheinlichkeiten für genau X Erfolge bei sieben gewürfelten Würfeln im Vergleich.

Erfolg und Misserfolg

Erfolge, beziehungsweise Ikonen, wie sie ja hier heißen, sind schön und gut, aber ohne zu wissen, was diese eigentlich bedeuten, auch relativ sinnlos. Zum Glück bietet das System eine Tabelle mit angedachten Schwierigkeiten:

Schwierigkeit

Nötige Ikonen

Routine

1

Durchschnittlich

3

Anspruchsvoll

5

Schwierig

7

Extrem

9

Nahezu unmöglich

11

 

Dazu werden eventuell noch erschwerende Bedingungen addiert. Diese wollen wir aber vorerst nicht betrachten.

Schauen wir uns nun sowohl die Beispielcharaktere aus dem Einsteigerabenteuer Finstere Segnungen als auch die NSC des Grundregelwerks an, so scheint es, als sei ein Würfelpool von 9 für Charaktere sehr ordentlich, zumindest für die dort bespielte Machtstufe 3. Bei NSC sind die Werte im Bereich 6 (normaler Soldat) bis 7 (Veteran) im unteren Bereich, und bei 13 ((Chaos) Space Marine) bis 16 (Dämonette) im oberen Bereich. Dies sind jeweils die besten Werte der entsprechenden Figuren. Die schlechtesten Werte bewegen sich zwischen 3 und 9 Würfeln.

In Anbetracht dessen, dass dazu noch die Möglichkeit besteht, Zusatzwürfel durch Hilfe, Umstände oder Ausrüstung zu bekommen, so ist eine Betrachtung im Bereich von 3 bis zwanzig Würfeln interessant.

Aufgabenerfolg Wrath and Glory stochastische Betrachtung im Bereich von 3 bis zwanzig WürfelnBetrachtet man nun die entsprechenden Spalten 1, 3, 5, 7, 9 und 11, so sieht man, dass eine Routineaufgabe selbst mit einem minimalem Würfelpool von 3 in 88 % der Fälle gelingt. Wahrhaft einfach, egal, wie gut oder schlecht man ist.

Normale Aufgaben erfordern bereits ein wenig mehr Fähigkeiten, so dass erst ab einem Würfelpool von 5 die Chance gut ist. Mit vier Würfeln ist sie jedoch auch bereits mehr als 50 %.

Bei anspruchsvollen Aufgaben trennt sich dann die Spreu vom Weizen. Denn erst Veteranen auf ihrem Gebiet (7 Würfel) haben eine Chance >50 % die Aufgabe zu bewältigen. Und erst die Heldencharaktere mit 9 Würfeln haben eine Chance von 2/3 oder besser.

Bei schwierigen Aufgaben wird es aber dann selbst für die Helden schwer, ohne Hilfe von Bonuswürfeln zu bestehen, denn mit 9 Würfeln ist die Chance auf einen Erfolg gerade einmal 40 %. „Richtige“ Space Marines mit ihrem Pool von 13 Würfeln hingegen haben hier noch immer keine Probleme.

Und selbst bei extremen Aufgaben ist die Chance für diese noch immer knapp höher als 50 %. Die Beispielhelden sind hier mit 13 % schon bei so niedrigen Chancen angekommen, dass man es nur im Notfall wirklich versuchen sollte.

Und schaut man auf die nahezu unmögliche Schwierigkeit von 11, so brauchen die Beispielhelden es mit 3 % eigentlich gar nicht mehr zu versuchen. Selbst gestandene, vollwertige Space Marines liegen mit 24 % nicht mehr in einem wirklich wahrscheinlichen Bereich. Erst Wesen im Bereich einer Dämonette mit 16 Würfeln haben hier eine Chance von mehr als 50 %, den Wurf zu bestehen.

Es lässt sich also durchaus sagen, dass die vom System vorgesehenen Schwierigkeiten grob dem entsprechen, was man erwarten würde. Zumindest wenn die Spielercharaktere, die am Ende gebaut werden, in ähnlichen Bereichen liegen wie die Beispielcharaktere. Das jedoch wage ich zu bezweifeln, ist doch in Machtstufe 3 schon zu Spielbeginn ein Pool von bis zu 14 Würfeln möglich, wenn man es wirklich darauf anlegt.

Erfolge umwandeln

Manchmal ist es in Wrath & Glory nicht nur wichtig, ob man mit einem Wurf Erfolg hat oder nicht, sondern auch die Frage, ob man in der Lage ist, mindestens eine gewürfelte 6 in weitere Effekte umzuwandeln, kann wichtig sein. Zum Beispiel gibt es Waffeneigenschaften, die nur dann aktiviert werden, wenn mindestens ein Angriffswürfel für zusätzlichen Schaden umgewandelt wird.

Um die Wahrscheinlichkeit hierfür zu untersuchen, reicht es nicht, einfach zwei Spalten weiter rechts in die obige Tabelle zu schauen, denn es wäre durchaus möglich, dass alle erzielten Erfolge Vieren oder Fünfen waren und somit auch nichts geschoben werden kann. Stattdessen ist dafür die folgende Tabelle ausschlaggebend:

Wrath and Glory Wahrscheinlichkeit Erfolge zu erzielen und dabei mindestens eine 6 zu würfeln

Die Tabelle zeigt die Wahrscheinlichkeit, mindestens X Erfolge zu erzielen und dabei mindestens eine 6 gewürfelt zu haben. Um einen Würfel umwandeln zu können, wenn man n Erfolge braucht, muss die Spalte für n+2 Erfolge betrachtet werden.

Die Betrachtung für einen Würfel fehlt genauso wie zwei oder weniger Erfolge, da es in diesen Fällen niemals möglich ist, umzuwandeln. Denn nach Wegnahme der zwei Erfolge zur Umwandlung würden keine Würfel und/oder Erfolge für die eigentliche Probe übrigbleiben.

Nimmt man wieder die Beispielhelden als Maßstab, ist zu sehen, dass der Gegner maximal eine Verteidigung von 4 haben sollte, damit noch eine Chance von mehr als 50 % besteht, einen Würfel umwandeln zu können.

Eldar-Korsaren, die auch eine der entsprechenden Waffen tragen, haben mit ihren 12 Würfeln sogar noch bei Verteidigungswerten von 5–6 gute oder zumindest realistische Chancen, den zusätzlichen Effekt verwenden zu können.

Waffen und Rüstungen

Apropos Sondereffekte von Waffen: Das Schadenssystem von Wrath & Glory ist ziemlich ungewöhnlich. Denn neben dem eigentlichen Treffen müssen Waffen auch noch genug Schaden anrichten, um überhaupt einen Effekt am Gegner zu haben. Während das bei relativ weichen Zielen nicht viel ausmacht und man mit so ziemlich allen Waffen etwas ausrichten kann, sind harte Ziele wie Chaos Space Marines oder Orkbosse mit einer Zähigkeit von 12 durchaus problematisch für so manche Waffe.

Der Bolter hat auf kurze Distanzen mit 10 plus drei Würfeln eine ordentliche Chance, mindestens die 12 zu erreichen und damit zumindest Schock zu generieren, was die geringste Form von Schaden ist, die das System kennt. Echte Wunden sind aber ohne Umwandlung von Erfolgen schon recht unwahrscheinlich. Mit einer Laserpistole (7 + 1 Würfel) muss man gar nicht erst auf ein solches Ziel schießen, denn um eine Chance von 50 % zu haben, die 12 zu erreichen, müssen schon mindestens 5 Würfel in zusätzlichen Schaden umgewandelt werden.

Der eben erwähnte Eldar-Korsar mit seiner Shuriken-Pistole hingegen hat bei der Verteidigung von 3 eine 85 %-Chance, mindestens einen Würfel umwandeln zu können, und käme damit auf einen effektiven Schaden von 14 + 2 Würfel.

Ausrüstung ist im Kampfsystem von Wrath & Glory also mindestens genauso wichtig wie die eigentlichen Fähigkeiten der Charaktere. Denn selbst der beste Schütze hat kaum Chancen, ein hartes Ziel mit einer schlechten Waffe zu verletzen. Und ohne Servorüstung reicht auch die Stärke der meisten Charaktere nicht aus, um mit Nahkampfwaffen durch derartige Rüstungen dringen zu können.

Fazit

So, nun aber genug mit den Prozentchancen. Was bedeuten all die Dinge denn nun, die wir hier herausgearbeitet haben. Kurz gesagt: Sie bedeuten, dass das Würfelsystem von Wrath & Glory weitgehend funktioniert, wie es soll.

Die Werte von Charakteren und NSC bestimmen maßgeblich, wie gut die Chancen stehen, wenn man Aufgaben verschiedener Schwierigkeitsgrade angeht. Und im Rahmen der Werte, die für Charaktere wahrscheinlich sind (9–12 für wichtige Fertigkeiten) stimmen auch die Bezeichnungen für die Schwierigkeitsstufen in etwa. Am oberen Ende werden jedoch die „fast unmöglichen“ Aufgaben vielleicht etwas zu einfach.

Aber neben den Fähigkeiten ist im Kampf auch die Ausrüstung von entscheidender Bedeutung. Mit der falschen Waffe oder Rüstung wird man kaum eine Chance haben, während die richtige Ausrüstung Kämpfe deutlich vereinfachen kann. Dies sorgt zwar dafür, dass man bei seiner Ausrüstung mehr Wert auf Effektivität denn auf Stil legen sollte, aber dies entspricht durchaus der harten Welt, die in Warhammer 40K nun einmal dargestellt wird.

 

Artikelbilder: © Roland Scheicher, © Ulisses, © Holger Christiansen, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur

 

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