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In Nichts Neues von Gurb bringt Eduardo Mendoza die Lesenden auf humorvolle Weise dazu, das eigene Dasein zu hinterfragen. Ein außerirdischer Kapitän, auf der Suche nach seinem Elektriker, erlebt skurrile Abenteuer in Barcelona. Während er die Absurditäten menschlichen Verhaltens dokumentiert, bleibt eine Frage offen: Wo zur Hölle ist Gurb?

Viele kennen Eduardo Mendoza durch seine preisgekrönten Kriminalromane. Schon seit seinem ersten Roman El misterio de la cripta embrujada schafft er es, durch eine Verschmelzung von typischen Merkmalen und den gezielten Einsatz von Humor, die traditionellen Grenzen des Krimi-Genres zu durchbrechen und gleichzeitig tiefe Einblicke in die spanische Gesellschaft zu gewähren.

In seinem 1991 erstmals veröffentlichten Roman Nichts Neues von Gurb wagt sich Mendoza an eine außergewöhnliche Mischung aus Science-Fiction und Komödie. Die Lesenden werden zu einer ebenso amüsanten wie nachdenklichen Reise durch alle Gesellschaftsschichten Spaniens eingeladen – das alles aus der Sichtweise eines Außerirdischen. Der Roman steht in Kontrast zu den häufig düsteren Visionen, die man oft mit Science-Fiction verbindet. Statt fremdartiger Welten oder dystopischer Zukünfte wählt Mendoza das lebendige Barcelona des Jahres 1992 als Kulisse für eine Geschichte, die ebenso humorvoll wie kritisch ist.

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Story

Als ein außerirdischer Kapitän gemeinsam mit seinem Techniker Gurb auf der Erde landet, um die menschliche Spezies näher zu untersuchen, ist es eigentlich ein Tag wie jeder andere. Um auf keinen Fall die Aufmerksamkeit der örtlichen Lebewesen auf sich zu lenken, schlüpft der Techniker in die Gestalt der berühmten Sängerin Marta Sánchez und verlässt das Raumschiff. Gespannt verfolgt der Kapitän die eingehenden Berichte. Doch dann verschwindet Gurb und der Kapitän ist gezwungen, sein Raumschiff zu verlassen und sich selbst den Kuriositäten Barcelonas auszusetzen.

Durch seine Logbucheinträge dokumentiert der Kapitän seine völlig absurden Begegnungen mit den Spanier*innen. Jeden Tag nimmt er eine neue menschliche Gestalt an, stürzt sich ins Getümmel der Großstadt und bereitet den Lesenden Vergnügen mit seinen unvorhersehbaren Eskapaden. Da geht schon mal der Papst auf shoppingtour durch Barcelona und stellt am Ende des Tages fest, dass Geld nicht glücklich macht. Zwischen kulinarischen Offenbarungen und tiefsinnigen Unterhaltungen im örtlichen Gefängnis beginnt der Kapitän, die menschliche Kultur zu schätzen.  Er selbst versteht immer mehr, was es heißt, ein Mensch zu sein – oder glaubt das zumindest. Nachdem er eine Wohnung erworben hat, beschließt er deshalb, sich auch noch eine Frau zu suchen. Und dann ist da ja noch die alles entscheidende Frage: Wo ist eigentlich Gurb?

In Nichts Neues von Gurb nutzt Eduardo Mendoza die humorvolle Erzählweise geschickt, um gesellschaftliche Missstände zu kommentieren. Was anfänglich wie eine leichtfüßige Science-Fiction-Komödie beginnt, entpuppt sich schnell als eine Auseinandersetzung mit Themen wie Sexismus und Klassismus. Der außerirdische Blick des Kapitäns auf die menschliche Kultur offenbart mit einem trockenen Humor und zahlreichen Anspielungen auf reale Ereignisse und Personen sowie die Absurdität menschlicher Verhaltensweisen und Normen.

Schreibstil

In Nichts Neues von Gurb verfolgen die Lesenden das Geschehen durch die Logbucheinträge des außerirdischen Kapitäns. Diese Einträge liefern nicht nur unterhaltsame Momente durch die wiederkehrende Darstellung skurriler Situationen, sondern etablieren auch einen cleveren Erzählrahmen. Die besondere Komik entsteht durch den sachlichen Ton, mit dem der Kapitän seine abenteuerlichen Begegnungen schildert. Jeder Logbucheintrag ist eine Mischung aus Erstaunen und Verwunderung, gepaart mit einer Art unkritischer Akzeptanz, die in ihrem Kontrast zur Absurdität der Ereignisse eine eigene Humorebene schafft.

Eduardo Mendoza zeichnet sich, wie schon in seinen Kriminalromanen, durch einen zugänglichen und humorvollen Schreibstil aus, der eine kurzweilige Lektüre garantiert. Der leichte Erzählton steht manchmal im starken Kontrast zu den schwerwiegenden gesellschaftlichen Themen, die so ganz nebenbei angesprochen werden und dem Roman eine Tiefe geben, die beim ersten Leseeindruck so gar nicht erwartet wird. Die Nutzung von Klammern ist ein weiteres charakteristisches Merkmal von Mendozas Schreibweise, das anfangs gewöhnungsbedürftig sein kann, jedoch zum einzigartigen Charme des Buches beiträgt.

Der Roman zieht die Lesenden unmittelbar in seine Welt hinein. Mendoza gelingt es, Barcelona so atmosphärisch zu beschreiben, dass die Stadt direkt vor dem inneren Auge lebendig wird. Die Geschichte vermittelt auch ein authentisches Gefühl für die Stimmung und das Lebensgefühl der Zeit.

Die durchaus herausfordernde Übersetzung ins Deutsche von Nichts Neues von Gurb ist Matthias Strobel hervorragend gelungen. Seine Entscheidung, bestimmte spanische Ausdrücke unübersetzt zu lassen, trägt zur Authentizität des Textes bei und bereichert das Leseerlebnis. Die feinfühlige Übertragung von Mendozas Humor macht das Buch zu einem Genuss für deutschsprachige Lesende.

Der Autor

Eduardo Mendoza, geboren 1943, ist ein preisgekrönter spanischer Autor, bekannt für Romane wie Die Stadt der Wunder und Streit unter Katzen. Ausgezeichnet mit hochrangigen Preisen wie dem Preis des Europäischen Buches, dem Franz-Kafka-Preis sowie dem Cervantes Preis, der als die höchste literarische Ehrung im spanischsprachigen Raum gilt, hat Mendoza sich einen Namen gemacht. Sein literarisches Schaffen durchbricht dabei häufig die Grenzen traditioneller Genres. Die scharfsinnige Beobachtungsgabe Mendozas, gepaart mit seiner Fähigkeit, ernste Themen mit Leichtigkeit und Humor zu behandeln, macht ihn zu einer wichtigen Stimme in der literarischen Welt.

Erscheinungsbild

Mit seinen kompakten Maßen von 19,2 cm x 11,8 cm ist Nichts Neues von Gurb ein idealer Begleiter für unterwegs. Das auffällige Cover, gestaltet in einem leuchtenden Rosa, fällt sofort ins Auge und weckt Neugierde. Für die künstlerische Umsetzung zeichnet sich Mark Oliver verantwortlich, ein britischer Illustrator mit Erfahrung in der Gestaltung von Kinderbuchcovern. Die farbenfrohe und dynamische Gestaltung des Covers spiegelt den Humor und die Lebhaftigkeit der Erzählung wider und verspricht damit ein unterhaltsames Leseerlebnis, das perfekt zum Inhalt des Buches passt.

 

Die harten Fakten:

  • Verlag: Klett-Cotta Verlag
  • Autor: Eduardo Mendoza
  • Erscheinungsdatum: 17.02.2024
  • Sprache: Deutsch (Aus dem Spanischen übersetzt von Matthias Strobel)
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 176
  • ISBN: 978-3-608-98771-3
  • Preis: 20,00 EUR (Print) + 15,99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon Spanisch, Amazon Deutsch

 

Bonus/Downloadcontent

Für alle Lesenden, die ein paar Wissenslücken in spanischer Geschichte und Kultur haben, bietet das Buch ein Glossar am Ende. Und für all jene, die neugierig auf das Buch geworden sind, gibt es auch eine Leseprobe auf Amazon.

Fazit

Eduardo Mendozas Nichts Neues von Gurb ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie Gesellschaftskritik mit Leichtigkeit und Witz verknüpft werden kann. Der lebendige Schauplatz Barcelona im Jahr 1992 bietet eine farbenfrohe Kulisse für die Science-Fiction-Komödie, die gleichermaßen zum Lachen wie zum Reflektieren einlädt.

Das Buch zeichnet sich durch seine Leichtigkeit und schnelle Lesbarkeit aus. Der Preis von 20 Euro für ein Buch dieser Größe mit 176 Seiten ist hoch. Allerdings eignet sich die Geschichte durch ihren Unterhaltungswert durchaus dazu, mehrmals gelesen zu werden. Die Stärken des Werks liegen eindeutig in seiner Fähigkeit, schwierige Themen wie Sexismus und Klassismus aufzugreifen, ohne dabei den humorvollen Ton zu verlieren.

Mendozas Roman bestätigt seinen Ruf als Meister des humorvollen Erzählens, der es versteht, Lesende nicht nur zu amüsieren, sondern auch zum kritischen Hinterfragen anzuregen. Nichts Neues von Gurb bleibt damit auch heute noch ein lesenswertes Buch, das sowohl für Fans des Autors als auch für Neueinsteiger*innen Lesespaß verspricht.

 

  • Humorvoll geschrieben
  • Gut verpackte Gesellschaftskritik
 

  • Preis für ein eher dünneres Buch etwas hoch

 

Artikelbilder: © Klett-Cotta Verlag
Layout und Satz: Andreas Hübner
Lektorat: Alexa Kasparek

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