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Diebstahl, Erpressung, Kidnapping: Wie viel kriminelle Energie steckt in uns? Das Kartenspiel Grifters: Nexus lässt uns in einer dystopischen Cyberwelt in die Rolle von Gangsterbossen schlüpfen mit dem Ziel, möglichst viel Geld zu verdienen – egal mit welchen Mitteln. Wir haben uns das Kartenspiel für euch angeschaut.

Nicht erst seitdem das sehnsüchtige Warten auf das kommende Videospiel Cyberpunk 2077 begonnen hat, fasziniert das Genre Cyberpunk Jung und Alt durch seine einmalige Optik und die Extraprise Dystopie. Dies bietet aber nicht nur optische Highlights, sondern auch viel Potenzial für spannende Settings.

Grifters: Nexus entführt uns in die kriminelle Unterwelt einer dystopischen Umgebung, in der wir mit unserem Team von Spezialisten verschiedenen Aufträge erledigen müssen. Egal ob es um das Eintreiben von Schutzgeld, die Entführung eines Popstars oder das Hacken von Regierungsservern geht – wir machen das schon. Aber natürlich nicht umsonst! Und natürlich schläft auch die Konkurrenz in Form der anderen Spieler keineswegs und macht uns das Leben schwer, wo sie nur kann.

Herausgekommen ist ein Deckbuilding-Kartenspiel mit recht hohem Glücksfaktor aber auch strategischen Elementen. Es ist eigentlich eine Erweiterung zum Basisspiel Grifters, kann aber auch als Standalone-Spiel gespielt werden. Diese Wertung bezieht sich auf das Spielerlebnis der Standalone-Ausführung.

 

Spielablauf

Wie schon erwähnt spielen wir kriminelle Organisationen mit Profitgier. So ist das Ziel von Grifters: Nexus, durch das Erledigen und Sammeln gleichfarbiger Jobkarten das meiste Geld in Form von sogenannten ISK-Markern sowie möglichst viele Boni zu sammeln. Daraus ergibt sich eine Gesamtpunktzahl, die den Sieger kürt. Das Geld kann hierbei sowohl durch Jobs verdient als auch von anderen Spielern gestohlen werden, meist als Nebeneffekt von anderen Kartenaktionen.

Wie erledigt man einen Job? Mit einem Team von Spezialisten, die zu den Jobanforderungen passen. Die Karten mit Jobs und Spezialisten sind verschiedenen Farben zugeordnet. Um die Jobs erfolgreich abschließen zu können, sind verschiedene Fähigkeiten nötig wie Muskelkraft, Geschwindigkeit oder Köpfchen – dargestellt mit unterschiedlichen Icons. Kann man alle nötigen Bedingungen durch Ausspielen der Karten erfüllen, darf man den Job zu sich nehmen.

Ein beispielhafter Aufbau
Ein beispielhafter Aufbau

Das Spiel wird folgendermaßen aufgebaut.

  • „Staatskasse“ auffüllen: Geld in Form von ISK-Markern wird in die Mitte gelegt.
  • Job-Brett aufbauen: Die Jobkarten werden als Pyramide angeordnet mit nach oben steigendem Schwierigkeitsgrad der Jobs.
  • Startausstattung verteilen: Jeder Spieler erhält ein Spielertableau, drei ISK-Marker und jeweils drei unterschiedliche Anführerkarten (von denen es im Gesamtspiel pro Spieler je ein Set gibt).
  • Spezialisten-Decks zusammenstellen: Aus den drei Anführerkarten und drei zufällig gezogenen Spezialisten wird die Starthand eines jeden Spielers gebildet, die restlichen Spezialistenkarten kommen in die Mitte des Spielfeldes.

Je nach Spieleranzahl schwanken hier Zahl der Marker und Anzahl der ausgelegten Karten. Das eigene Spielertableau – das Versteck jeder Organisation – fasst die Spielzüge zusammen und hat außerdem drei Kartenplätze, erste Nacht, zweite Nacht, dritte Nacht. Um Jobs zu erledigen muss man die passenden Karten auf den ersten Kartenplatz legen. Natürlich beginnt der Spieler, der zuletzt eine Rechtsverletzung begonnen hat – unabhängig davon wie schwerwiegend.

Die Startausrüstung des Spielers
Die Startausrüstung des Spielers

Grifters: Nexus wird im Uhrzeigersinn abwechselnd gespielt, dabei hat jeder Spieler drei Phasen:

  • Phase 1, Zeit vergehen lassen: Die Spezialistenkarten rücken jeweils eine Nacht, also einen Kartenplatz auf dem jeweiligen Spielertableau nach rechts. Verlassen die Karten dabei das Tableau, kommen sie zum Nachziehen für das Ende des Spielzugs auf einen Stapel.
  • Phase 2, Spezialisten spielen: Entweder einen Job erledigen oder einen Spezialisten einzeln ausspielen, um dessen Kartenfähigkeit zu benutzen.
  • Phase 3, Nachziehen: Vom in Phase 1 erwähnten Stapel werden die betroffenen Karten zurück auf die Hand genommen.

Das Herzstück des Spiels ist das Ausspielen der Spezialisten, um die wertvollen Jobs, möglichst von ähnlicher Farbe, zu sammeln oder die Karteneffekte zu benutzen. Nur so kommt man übrigens auch an neue Spezialistenkarten. (Ein Handkartenlimit gibt es im Übrigen nicht.)

Da wir echte Gauner sind, wird hier jede Menge geklaut, getreu dem Motto „Take what you get, give nothing back!“ (Übersetzung: Nimm, was du kriegen kannst, gib nichts davon zurück!) Sowohl Karten als auch Geld können gestohlen werden, entweder von der Staatskasse, den ISK-Markern in der Mitte, oder von anderen Mitspielern. Ein Großteil der eigenen Handlungsfähigkeit besteht also nicht nur darin, die eigenen Karten zum richtigen Zeitpunkt passend einzusetzen, sondern auch die Fähigkeiten des Gegners zu nutzen.

Wir spielen Grifters: Nexus daher immer mit halbem Auge auf die offenliegenden Karten des Gegners auf dessen Tableau, auch um gegebenenfalls abzuschätzen, welche Aktionen dieser als nächstes plant. Das spielt sich als ganz schönes Hauen und Stechen. Auf der einen Seite kann man Grifters: Nexus zugutehalten, dass sich das Setting des Spiels als Schlacht zwischen Kriminellen somit auch im Gameplay niederschlägt. Freunde von eher harmonischen Spielabläufen, auf der anderen Seite, wird dies jedoch sehr schnell nerven. Da man außerdem bei zwei Spielern nur miteinander interagiert, spielt es sich ab und zu etwas schlecht ausbalanciert. Ein wenig besser ist das Spielerlebnis daher mit drei bis vier Spielern.

Das Spiel endet, wenn die Staatskasse leer geklaut ist, alle zur Verfügung stehenden Jobs erledigt wurden oder keine Spezialisten mehr übrig sind. Ist einer der Faktoren erfüllt, erfolgt sofort die Schlusswertung, um den Gewinner zu küren.

Ein Beispiel zum Erfüllen eines Jobs
Ein Beispiel zum Erfüllen eines Jobs

Wie in so manchen Deckbuilding-Spielen hat auch bei Grifters: Nexus das Glück während der Kartenverteilung einen hohen Stellenwert. Nicht gute Karten sind entscheidend, sondern die richtigen Karten zum richtigen Zeitpunkt. Man muss das Beste aus dem machen, was man bekommt. Da man eigentlich keinen Einfluss auf die nachgezogenen Karten hat, kann man so aber auch extrem viel Pech haben. Grifters: Nexus bringt einen in die genretypischen Dilemmata, jedoch in geradezu extremer Stärke: Da man zur Erfüllung eines Jobs mehrere Karten braucht, ist man ab und zu gezwungen starke Karten abzulegen, die man eigentlich lieber für die Kartenfähigkeiten ausspielen würde. Hier gilt es ein Gefühl für die Balance zu finden, wann man welche Karte zu welchem Zweck ausspielt. Wartet man zu lange bis man bestimmte Karten wieder auf der Hand hat, ist der Job eventuell schon vom gegnerischen Syndikat weggeschnappt worden. Und mit fortschreitender Spieldauer wächst natürlich auch das Deck.

In einer Partie Grifters: Nexus kommen nicht alle Karten, bezogen auf die Jobs, gleichzeitig vor. Auch ist die Verteilung der Karten logischerweise in jeder Runde eine andere; potenzieller Wiederspielwert für mehrfache Partien ist somit schon gegeben. Es entsteht eher das (subjektive) schwer zu beschreibende Gefühl, dass sich das Spielprinzip mit der Zeit „abnutzt“ – eine Partie zwischendurch ist okay, mehrere hintereinander eher nicht.

Ausstattung

Was bei Grifters: Nexus wirklich überzeugen kann, ist das Design: Sowohl die Gesamtgestaltung mit futuristischer Optik und klaren Formen als auch die gezeichneten Illustrationen auf den Spezialisten-Karten. Die Farben dienen zur Unterscheidung der Kategorien und lassen das Spiel trotz verschiedener Farben nicht kunterbunt wirken. Ich persönlich muss zugeben, dass mich allein das Cover der Box sehr angesprochen hat; hier stimmt gestalterisch einfach alles.

Karten und Pappmarker sind von ebenso schöner, matter Haptik wie die Kartenbox. Das Spielmaterial ist stabil hergestellt und auch nach mehrmaligem Anfassen – was wie erwähnt bei Grifters: Nexus durch die Spielmechanik häufiger vorkommt – werden keine Abnutzungsspuren sichtbar.

Der Preis von um die 25 Euro ist durch die Materialqualität also durchaus gerechtfertigt, auch wenn der Inhalt im Prinzip lediglich aus ein paar Karten und Markern besteht.

Die Spielanleitung ist wie das ganze Spiel in englischer Sprache verfasst und fasst den Spielaufbau wie auch die Regeln auf wenigen Seiten sehr übersichtlich und gut verständlich zusammen. Für Regeldetailfragen gibt es eine kleine FAQ und wer das Spiel als Erweiterung zum Basisspiel benutzen möchte, erhält ebenfalls eine kleine Anleitung.

Grifters: Nexus
Grifters: Nexus

Die harten Fakten:

  • Verlag: Indie Board & Card Games
  • Autor(en): Nick Little, Brian McCarthy
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: Englisch
  • Spieldauer: 30 Minuten
  • Spieleranzahl: (2) 3 4
  • Alter: Ab 14 Jahren
  • Preis: ca. 25 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Wie erwähnt gibt es auch ein Basisspiel zu Grifters, mit dem sich Grifters: Nexus als Erweiterung kombinieren lässt.

Wer außerdem noch die passende Hintergrundbeschallung für seine Partie sucht, wird vielleicht hier fündig.

Fazit

Positiv ist an Grifters: Nexus zu bewerten, dass es ein schnelles, leicht zu lernendes Kartenspiel mit ansprechendem Setting und besonders schicken Illustrationen ist. Das Cyberpunk-Feeling stimmt in jedem Fall. Auch fällt durch die offenliegenden Kartenplätze das oftmals lästige „memory-artige“ Nachdenken zum Erinnern – welche Karten hatte der Gegner noch mal? –  größtenteils weg. Dies wirkt sich angenehm auf die Art zu spielen aus und lädt zu einer schnellen Partie zwischendurch ein.

Aber zu mehr als für Zwischendurch taugt das Spiel leider nicht. Das relativ aggressive Spielprinzip hat zwar nette Taktikanteile, macht aber insgesamt nur mäßig Spaß und bringt auch nicht viel Abwechslung zwischen mehreren Partien. Als Erweiterung für das Hauptspiel bringt Grifters: Nexus vermutlich mehr spannende Möglichkeiten ins Gameplay. Als Standalone-Spiel wird es jedoch zu schnell eintönig.

Mit Tendenz nach Unten

Fotografien: Thekla Barck
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

1 Kommentar

  1. Das Spiel war übrigens schon mal, zumindest in Deutschland, unter dem Namen „Das Syndikat“ bei Heidelberger erscheinen und war in der Welt von „Der Widerstand“ angesiedelt.
    Die Angabe zu den Autoren bei den harten Fakten überrascht mich übrigens.
    Auf den Bildern der von euch rezensierten Version ist noch immer Jake Tlapek und David Fulton zu lesen, so wie schon bei der deutschen Ausgabe.
    Ansonsten eine gut zu lesende Rezension, deren Einschätzung als ein Spiel für Zwischendurch ich durchaus folgen kann.

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