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In einer erfolgreichen Kickstarter-Brettspiel-Kampagne steckt eine Menge Arbeit, die man auf den ersten Blick nicht sieht. Wir haben uns mit dem Team von Head for Glory (bis 02. April auf Kickstarter) unterhalten. Wie läuft so eine Kampagne ab, und was muss man im Vorfeld beachten?

Kickstarter ist mittlerweile seit Jahren ein Tummelplatz für Freunde der analogen Spieleunterhaltung. Dabei kann man einen Trend erkennen, was die Themenauswahl der Spiele betrifft: Absurd ist gut. Von explodierenden Katzen hin zu Einhörnern mit Kettensägen ist alles mit dabei. Was bei Videospielen oft mit einem Lächeln abgetan wird, gehört bei Brettspielen zum guten Ton.

Diesen Trend kann man aber nicht nur bei Spielen entdecken. Kickstarter ist mitunter dafür bekannt, verrückte Projekte und Ideen zu verwirklichen. Viele erinnern sich vielleicht noch an den „Kartoffelsalat“ von Zack Danger Brown, der mit 55.492 USD unterstützt wurde (Es war wirklich einfach nur ein Kartoffelsalat!), oder die nach Bacon duftende Handseife für alle Fleischliebhaber. Und auch unter den Top-50-Brettspielen fanden abgedrehte Ideen mittlerweile bis zu 436.490 Unterstützer.

Abgedreht polarisiert

Absurde Videospiele wie Goat Simulator oder Mr. President finden meistens auf Streaming-Plattformen wie Twitch oder YouTube sehr großen Anklang. Sich gemeinsam einen Ast zu lachen funktioniert eben gut. Dabei spielt meistens weder die Komplexität noch die Optik eine große Rolle – es muss vor allem lustig sein.

Brettspiele brauchen bekanntermaßen kein Streaming oder Headset, um gemeinsam lachen zu können – denn das funktioniert, sobald das Spiel auf dem Tisch liegt. Und so sind wir auf der Suche nach dem Absurden auf ein neues deutsches Brettspiel gestoßen, welches das durchaus skurrile Thema „kopflose Römer“ behandelt. Prätorianer, die sich im Kampf die Köpfe abschlagen, um sich danach einen neuen Kopf auszusuchen.

Daniel vom Entwicklerteam Glatznasch, das Head for Glory entwickelt hat, erzählt uns, warum sie sich für Kickstarter entschieden haben und was hinter dem Thema steckt.

Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut

Das Team von Glatznasch
Das Team von Glatznasch

Anders als andere Branchen geht die Brettspielbranche mit Informationen rund um die Produktion und den Versand von Brettspielen sehr offen um. Dazu gibt es unzählige Beiträge von Produzenten im Internet, die versuchen, anderen angehenden Brettspielemachern zu helfen. Dies ist vielleicht einer der Gründe, warum die Brettspielindustrie momentan so einen Wachstumsschub durchlebt.

Wer online nach frei verfügbaren Informationen und Hintergrundwissen sucht, der findet auch welche, was mir Daniel in unserem Gespräch auch bestätigen konnte. In etlichen Foren und unzähligen Blogs findet man Beiträge, die sich damit beschäftigen, wie man ein Brettspiel durch Kickstarter umgesetzt bekommt. Da ist beispielsweise James Mathes Hitchhiker’s Guide to Game Manufacturers: eine Liste von Firmen, die Brettspiele herstellen. Jeweils mit einem kurzen Kommentar dazu, „kleine Mindestauflage“, „relativ Teuer“, „gute Kommunikation“ und noch einige andere Kategorien, die dem ein oder anderen Entwickler sicherlich geholfen und einiges an Zeit gespart haben dürften.

Alles aus einer Hand?

Ein weiteres großes Thema, über das wir immer wieder gestolpert sind, war der Versand der Spiele, nachdem die Kampagne abgeschlossen ist. Anders als bei den meisten Videospielen, die mittlerweile in der Regel hauptsächlich als Download angeboten werden, wird ein Brettspiel in einer Fabrik hergestellt und will unversehrt bei jedem einzelnen Backer ankommen. Hier gibt es einige Fettnäpfchen, in die man treten kann. Einfuhrzoll und Mehrwertsteuer sind hier die Stichworte.

Je nachdem, wo die Unterstützer herkommen, durchläuft das Paket andere Zwischenstationen. Die Päckchen der europäischen Backer sollten von innerhalb der EU losgeschickt werden, damit keine zusätzliche Steuer gezahlt werden muss. Entsprechend sollten die amerikanischen Backer aus den USA beliefert werden.

Für die Entwickler heißt das konkret, dass sie sich mit Versandpartnern aus jedem relevanten Gebiet kurzschließen müssen. Auch hier hilft die Community aus. Ähnlich wie der Hitchhiker’s Guide gibt es etliche Listen zu Versandpartnern, allen voran eine – mit einem ausgiebigen Fragenkatalog ausgestatte – von Jamie Stegmaier von Stonemaier Games (Scythe, Viticulture, Tapestry). Neben dem Tohuwabohu der Organisation von Produktionsfirmen und Versandpartnern arbeiten die Entwickler meistens weiter an dem eigentlichen Spiel.

Head for Glory
Head for Glory

Kopflos draufhauen

In unserem aktuellen Beispiel Head for Glory schlüpft ihr in die Rolle eines Prätorianers, welcher sich einem Ritualkampf unterzieht, um der neue Caesar zu werden. Um jedoch am Kampf teilnehmen zu können, müsst ihr euch vorher von eurem Kopf verabschieden. Den werdet ihr im Tempel, wo der Kampf stattfindet, nämlich nicht mehr brauchen, da dort neue Köpfe auf euch warten, die einzigartige Kräfte für den Kampf verleihen.

Ihr verteidigt im Kampf euren eigenen Kopf, während ihr versucht, den gegnerischen Kopf abzuschlagen. Am Ende geht es darum, sich den Caesarkopf aufzusetzen, welcher im späteren Verlauf des Spiels dazukommt. Verteidigt ihr den Caesarkopf lange genug, gewinnt ihr das Spiel.

Im Spiel werden Teile der tatsächlichen römischen Geschichte mit fantastischen, neu erfundenen Elementen in einen Topf geworfen, was eine Mischung aus Asterix & Obelix und Wolfenstein ergibt. So gibt es zum Beispiel den Aquilifer – sobald ihr euch diesen Kopf aufsetzt, werdet ihr zum Standartenträger der römischen Legion. Nur, dass eure Standarte lebt und ein Adler ist, den ihr auf eure Gegner hetzen könnt. Mit dem Centuriokopf werdet ihr zum römischen Offizier und könnt nicht nur euch selbst, sondern auch eure Gegner bewegen bzw. kommandieren.

Interview

Teilzeithelden: Wie bist du zum Brettspiel-Hobby gekommen?

Daniel: Das hat im Prinzip schon in der Kindheit angefangen, mit Risiko und Malefiz zusammen mit der Familie, so lange, bis einer geweint hat. Später wurde das dann weniger, bis wir während der Studienzeit wieder aktiv damit angefangen haben, Brettspiele zu kaufen und regelmäßig Spieleabende zu veranstalten.

Teilzeithelden: Ging’s da auch schon zur Sache, und habt ihr deswegen ein Kampfspiel entwickelt?

Daniel: Auf jeden Fall! Aber ich spiele auch sehr gerne Aufbau- und Strategiespiele. Da ich die sehr häufig gespielt habe, wollten wir für unser eigenes Brettspiel weniger Aufbau und mehr das Gefühl vom direkten Kampf vermitteln.

Teilzeithelden: Wie kamt ihr auf das Thema?

Daniel: Wir haben während unseres Studiums angefangen, das Spiel zu entwickeln. Anfangs war es einfach nur ein Kampfspiel, wobei das Thema Dockarbeiter an der Themse war, die sich gegenseitig verprügeln. Später wollten wir daraus ein Arenaspiel mit einem römischen Setting entwickeln. Anfangs waren es Masken oder Ausrüstungsgegenstände, die man sich aufsetzen kann. Das war uns dann aber ein bisschen zu langweilig und daraus entstanden dann Köpfe, die man auswählt bzw. abschlagen kann. Inspirationen hierfür holten wir uns aus diversen Comics, Filmen und natürlich auch anderen bekannten Spielen.

Teilzeithelden: Habt ihr euch auch von den eher unkonventionellen Spielen, die schon auf Kickstarter waren und immer mal wieder dort erscheinen, inspirieren lassen?

Daniel: Es war sicherlich ein Punkt zu sehen, dass diese Art von Spielen ankommt. Das hat uns in unserer Entscheidung, das Thema „Kopflosigkeit“ weiter auszubauen, im Grunde nur bestätigt. Allerdings wollten wir von Anfang an bekannte Elemente z. B. aus der Geschichte aufgreifen, zu denen die meisten Menschen einen Bezug haben, um das Ganze mit unserer Kopflosen-Mechanik zu karikieren.

Teilzeithelden: Warum überhaupt Kickstarter? Habt ihr es vorher auch klassisch mit einem Verlag versucht?

Daniel: Nein, das haben wir tatsächlich gar nicht erst versucht. Das war auch so ein bisschen die Herausforderung, das ganze komplett selbst verwirklichen zu können. Kickstarter deshalb, weil wir es in zwei Sprachen veröffentlichen wollen und das eben dafür die richtige Plattform ist, im Vergleich zu der Spieleschmiede, wo rein deutsche Spiele veröffentlicht werden.

Teilzeithelden: Wie ist das Feedback von euren Testern, die das Spiel zum ersten Mal gespielt und von kopflosen Römern gehört haben?

Daniel: Die meisten lachen darüber und finden es komisch. Manche fragen, warum wir nicht ein realistischeres Setting bzw. Thema oder Gladiatoren anstatt Prätorianern genommen haben. Aber viele sind auch erst durch unsere Illustrationen auf das Spiel aufmerksam geworden. Ich schätze, weil es interessant und neu wirkt, einen kopflosen Römer zu sehen.

Teilzeithelden: Was macht die Brettspielbranche, die ja sehr erfolgreich kickstartet, besser als Videospiele, wo das Thema mittlerweile quasi tot ist?

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Daniel: Das hat schätzungsweise weniger was damit zu tun, dass die eine Branche etwas besser oder schlechter macht als die andere. Ich glaube einfach, Brettspiele sind besser dafür geeignet, sich auf diese Weise verkaufen zu lassen. Der Trend bei den Brettspielen geht außerdem in die Richtung, dass die Spiele quasi fertig auf Kickstarter gestellt werden. Das gibt den Leuten die Sicherheit, dass das Spiel schon auf dem besten Weg ist. Außerdem ist es schwierig, ein Videospiel durch so einen kurzen Pitch auf der Website komplett zu überblicken – also was man am Ende dann wirklich bekommt. Brettspielkampagnen zeigen genau auf: Welche Komponenten sind im Spiel mit drin, welche Mechaniken wird es geben etc.

Teilzeithelden: Wie denkst du wird sich der Trend entwickeln? Werden wir in 10 Jahren immer noch Bohnen mit Pistolen in der Brettspielindustrie sehen?

Daniel: Ich denke schon. Auf dem Tisch kommen solche witzigen Ideen immer nochmal anders an als am Computer, da man zusammen darüber lachen kann. Und so entstehen immer wieder lustige Abende mit absurden Spielen.

Teilzeithelden: Danke für das Gespräch und deine Zeit! Wir drücken euch für euren verrückten Kickstarter auf jeden Fall die Daumen!

Daniel: Dankeschön, sehr gerne! Ja, das wird noch sehr spannend. Vielen Dank an alle, die uns schon unterstützt haben!


Es wird immer wieder absurde Projekte sowohl auf Steam als auch auf Kickstarter geben. Der Grad der Absurdität ist natürlich letztendlich nicht ausschlaggebend dafür, ob das Spiel tatsächlich finanziert wird oder nicht. Fest steht aber: Solange es bei dem Spiel etwas zu lachen gibt, wird es immer ein Publikum dafür geben. Head for Glory kann noch bis zum 02. April auf Kickstarter gebackt werden.

Artikelbilder: © Glatznasch

Über den Autor

Stephan Jacob bearbeitetStephan Jacob ist Videospielentwickler und unterrichtet selbiges auch an Universitäten quer durch Deutschland. Er larpt seit 1999 fast ausschließlich auf Fantasy Cons und nimmt sein Hobby leider überhaupt nicht ernst. Zu seinen größten Errungenschaften, zählt sein Mitwirken bei den Tyren Nightfire-Filmen und seine Bekanntheit als HelloKittySchield-Meme.

 

 

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