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Täglich wird jede*r von uns mit Grenzen konfrontiert. Ob dies jetzt geographische Grenzen, Grenzen des guten Geschmacks, soziale Hindernisse oder Abstandsgrenzen sind, ist erst einmal egal; eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Thema Grenzziehung lohnt allemal. Für das Hamburger Creative Gaming-Festival PLAY stand dieser Entschluss sogar schon vor Corona fest.

Bereits seit 2008 beschäftigt sich die Initiative Creative Gaming intensiv mit Spielen und digitalen Spielen, welche zum grundlegenden Repertoire vieler Jugendlicher und Erwachsener gehören. Neben diversen Workshops, Ausstellungen und Fortbildungen gehört die PLAY zum Veranstaltungshöhepunkt des Vereins und wird mittlerweile z. B. von der Bundeszentrale für politische Bildung unterstützt.

Die diesjährige PLAY Anfang November stand ganz unter dem Motto „Exploring Borders“. Dieses sei vor allem aufgrund seiner Vielschichtigkeit interessant, erklärte Mitorganisatorin Vera Marie Rodenwald. Neben den verschiedenen kulturellen Vorstellungen von Grenzen, sowie der politischen Dimension, ließe sich der Leitgedanke nämlich ebenso gut mit spieltheoretischen Aspekten verbinden.

Buntes Festivalprogramm

Nahezu fünf volle Tage gab es für die knapp 3500 Besucher*innen des Festivals ein volles Livestream-Programm zu erleben. Nach einer offiziellen Eröffnung und einer Vernissage der PLAY-Exhibition, der Spiele-Ausstellung, gab es tags darauf vom morgendlichen Brunch bis in die späten Abendstunden unterschiedlichstes zu sehen.

Das Streaming-Angebot wurde dazu in fünf verschiedene Channels unterteilt. Das PLAY-Studio, welches sich im Hamburger Fundus-Theater befand, bot eine Art „kuratiertes Zappen“ für Zuschauende an. Das Moderierenden-Duo bestand aus der Streamerin Janina „OddNina“ Dreßler und dem Podcaster Manuel „Manu“ Fritsch von Insert Moin.

Auf der PLAY-Couch wurden digitale Gesprächsrunden geführt, wie zum Beispiel die Talks um Rassismus in Spielen oder die Verwendung digitaler Spiele in der Bildung.

Im „Labor“ wurden hingegen Workshops abgehalten, Fortbildungen angeboten und nach Herzenslust experimentiert. Wie zum Beispiel in Minesource, einer Open-Source-Variante Minecrafts. Eine andere Art des gestalterischen Austobens lernten Besuchende im Machinima-Kino kennen, wo verschiedenste Videospielkurzfilme präsentiert wurden.

Ein Blick ins PLAY-Studio.
Ein Blick ins PLAY-Studio.

AMAZE./ SPACE – Grenzenloses Festivalgelände

Das Herzstück der Veranstaltung stellte sicherlich das AMAZE./ SPACE dar. Das ursprünglich für ein Berliner-Spiele-Festival konzipierte Programm, welches auf der Unity-Engine basiert, simulierte weitläufige Veranstaltungsräume in 3d.

Mysteriös anmutend schwebte das AMAZE./ SPACE umgeben von Wolken in einem sonnenunterganggefärbten Himmel. Beim AMAZE handelte es sich außerdem um ein wortwörtliches Labyrinth. So waren zwar alle Wege ausgeschildert, aber die meterhohen Gänge nahmen unvorhergesehene Biegungen, wurden mal enger, mal breiter und mündeten schlussendlich in einladenden Ausstellungsräumen.

Die Anlehnung des AMAZE an eine Videospielkarte weckte sofort den eigenen Instinkt, die „Map“ erkunden zu wollen und sie hielt einige Geheimnisse und Aktivitäten bereit. Auf dem gesamten Gelände lagen Melonen, die sich Spieler*innen hin- und herkicken konnten, ein großangelegter Garten bot Einblicke in die Festivals vergangener Jahre und eine Disco lud alle Avatare ein, während der Aftershow-Party zu tanzen.

Von einem großen rechteckigen Eingangsraum führten Abzweigungen weiter. Einen ordentlichen Teil der Fläche nahmen die verschiedenen Channels ein, welche jeweils als eigene Bühnen mit Bildschirmen simuliert wurden. Betrat ein*e Besucher*in den betreffenden Raum während eines aktiven Livestreams, konnte das umfangreiche Programm als eine Art Public-Viewing geschaut werden. Ganz ohne sich um Abstandsgebote sorgen zu müssen. Sicherlich eine kluge Idee, momentan bestehende (Abstands-)Grenzen zu überwinden.

Die Hauptbühne des AMAZE./ SPACE bietet Platz für viele Zuschauer*innen.
Die Hauptbühne des AMAZE./ SPACE bietet Platz für viele Zuschauer*innen.

Spielen im Spiel – Die PLAY-Exhibition

Die PLAY-Exhibition war der der andere große Part des AMAZE. Auf zwei Etagen fanden sich knapp zwei Dutzend ausgestellte Spiele, welche für die Awards nominiert waren. Wie bei einer analogen Ausstellung konnten die Besuchenden von Ausstellungsstück zu Ausstellungsstück laufen. Näherten diese sich einem der Stände konnten mehr Informationen in Erfahrung gebracht, manchmal lief zusätzlich ein kleiner Trailer. Über einen Link zur Homepage der Erschaffer konnten die Games direkt im Browser ausgiebig getestet werden.

Auf zwei Etagen konnten nominierte Spiele in der PLAY-Exhibition ausgetestet werden.
Auf zwei Etagen konnten nominierte Spiele in der PLAY-Exhibition ausgetestet werden.

Die Creative Gaming-Awards – Von Newcomer*innen und kreativen Köpfen

Mit der Award-Show wurden die ausgestellten Spiele in den Kategorien „Most innovative Newcomer“, „Most Creative Game“ und dem „Audience“-Award gekürt. Großer Gewinner des Abends war das Koop-Spiel Marble Run, welches sich als innovativster Neuling und Publikumsliebling verdingen konnte. Gemeinsam versuchten Neugierige, ihre Murmeln vor einer Vielzahl Fallen und Widrigkeiten ins Ziel zu bringen. Mit richtigem Timing müssen Knöpfe gedrückt, Brücken gebaut und Hebel betätigt werden, damit die putzigen Kugeln heil ankommen. Die eben erwähnten Komponenten sind dabei ebenso Controller. Marble Run ist nämlich ein Hybrid-Spiel, welches für die PLAY rein digital angeboten wurde.

In der Kategorie „Most Creative Game“ entschied sich die aus der Szene stammende, dreiköpfige Jury für das Smartphone-Spiel Song of Bloom. Dieses erzählt seine Geschichte als ein intensives modernes Märchen von knapp einer Stunde. In einem bunten Mix aus verschiedenen Kunststilen werden Spieler*innen mit zahlreichen Szenerien konfrontiert, die zum Erkunden einladen. Der animierte Bildschirm wird selbst Teil der Geschichte.

Eine kleine Auswahl von Spielen, welche sich nicht im virtuellen Raum umsetzen ließ, sollte im Hamburger designxport präsentiert werden.  Wie einige der Workshops in Zusammenarbeit mit Schulen der Region, fielen sie aufgrund der Kontaktbeschränkungen recht kurzfristig aus dem Programm.

Fazit

Der PLAY20 ist der Umzug in die digitale Welt geglückt.

Durch die Livestreams ließ sich die Vielfältigkeit des Themas wunderbar aufzeigen, nicht nur was die Grenzen, sondern ebenso die Verwendbarkeit von Spielen in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft anging.

Workshops führten eine interaktive Komponente in das Festivalgeschehen ein, welche Stammgäste wie Neulinge näher zusammenbrachte. Durch den Wegfall der räumlichen Beschränkung war ein erstmaliger Besuch so einfach wie nie. Schließlich konnte sich jede*r mit dem AMAZE das Festival ins heimische Wohnzimmer holen.

So bleibt zu hoffen, dass die PLAY auch in Zukunft ihre Freude am Experimentieren und Ausprobieren beibehält und sich die digitalen Angebote selbst zu Stammgästen entwickeln.

Artikelbilder: © Claudia Meiners (Creative Gaming)
Screenshots: Jonas Krüger
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt

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