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Der Zugang zu einfach zu bedienender Technik mit hochwertigen Fotoergebnissen öffnet für viele Cosplayer*innen die Option, in Eigenregie Cosplay-Fotos zu erstellen. Doch nach dem Auslösen ist die Arbeit oftmals noch nicht getan. Deshalb haben wir ein paar Tipps für eine einfache Fotobearbeitung für Anfänger*innen zusammengetragen.

Eine Kamera, gute Freund*innen und ein neues Kostüm. Schon hat man die Zutaten für ein spaßiges Cosplay-Fotoshooting beisammen. Teilzeithelden-Redakteurin Stephanie Winkler hat bereits beleuchtet, was für Cosplay auf Cons vs. Fotoshootings zu beachten ist und Fotoshooting-Tipps für Cosplayer*innen gegeben. Doch nach dem Fotografieren sind die Fotos noch Rohdiamanten: bereit, geschliffen und poliert zu werden, um am Ende ein brillantes Ergebnis zu bieten. Diesen Feinschliff können die Fotos mit nur wenigen Handgriffen in Foto-Bearbeitungsprogrammen erhalten.

Wir möchten uns an dieser Stelle bei Liza bedanken, die uns für diesen Artikel als Co-Autorin mit Fachwissen und Beispielfotos zur Seite gestanden hat. Liza ist ausgebildete Fotografin und selbst leidenschaftliche Cosplayerin – ihre fotografischen Arbeiten finden sich auf ihrem Instagram-Account rosalin.photography.
Das in den Beispielfotos abgebildete Modell ist Alice – auch ihr gilt unser Dank dafür, dass wir ihre Bilder hier zeigen dürfen. Alice findet ihr auf Instagram unter lotus.diva.

Dieser Artikel ist vor allem als Inspiration für all diejenigen gedacht, die gerne fotografieren, sich aber noch nicht an die feineren Einstellungen der Kamera oder die verschiedenen Computerprogramme herantrauen. Daher beschränken wir uns auf zwei einfache Handgriffe, die wirklich jeder hinbekommen kann. Von hier aus kann es dann zukünftig weitergehen – die Welt der Fotomanipulation ist schier endlos. Doch schon der Prozess des Fotografierens selbst kann so einfach wie möglich gestaltet werden.

Die richtige Vorbereitung

Bevor man sich an die Bearbeitung heranwagt – im Idealfall noch vor dem Shooting – sollten ein paar Vorbereitungen getroffen werden. Dazu zählt neben Format und Programmwahl unter anderem auch, sich gute Bedingungen zu schaffen. Hier kommen zwei Tipps von Liza, was es vorab zu diesem Thema zu beachten gilt.

Die passende Umgebung

Um es im Nachhinein bei der Bildbearbeitung besonders einfach zu haben, empfiehlt es sich auf die Lichtverhältnisse in der Umgebung zu achten. Besonders eignen sich ein weiches Licht oder leichter Schatten. Im Umkehrschluss heißt das: Nicht in der direkten Sonne fotografieren und besonders die Mittagszeit vermeiden. Der Idealfall für ein Shooting ist ein leicht bewölkter Himmel an einem trockenen Tag. Zudem sorgt der späte Nachmittag meist für besonders schöne Lichtverhältnisse.

Pro Tipp: Die meisten Spiegelreflex- sowie Systemkameras können schon beim Fotografieren überprüfen, ob die Lichtverhältnisse auf dem Foto nicht zu dunkel oder hell sind – mit dem sogenannten Histogramm. Dieses ist oft mit wenigen Klicks zu erreichen. Es lohnt sich, sich zu informieren, ob der eigene Fotoapparat dieses Feature hat. Ohne allzu technisch werden zu wollen: Die besten Ergebnisse sieht man hinterher auf dem Bildschirm, wenn das Histogramm mittig ausschlägt. Liza hat uns drei Beispiele erstellt, um dies zu illustrieren:

In den Einstellungen vieler Kameras ist steuerbar, wie viel Licht einfällt (ISO, Belichtungszeit und Blendeneinstellung). Je vertrauter man mit den Optionen wird, desto besser kann auf eventuell schlechtere Verhältnisse in der Umgebung reagiert werden. Doch auch beim Fotografieren mit dem Automatikprogramm bietet das Histogramm eine gute Möglichkeit, um zu verstehen, ob die aktuellen Fotos später zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen werden. Wenn nicht, wäre zu überlegen, die Location doch lieber zu wechseln. Nichts ist ärgerlicher, als am Ende mit unter- oder überbelichteten Fotos da zu stehen.

Bewusstes Fotografieren

Mit „bewusstem Fotografieren“ meinen wir hier, sich bei jedem Klick der Kamera vorab Zeit für das Bild zu nehmen. Es lohnt sich, auf Ausschnitt und Hintergrund zu achten. Dabei sollten sich folgende Fragen gestellt werden: Sitzt das Kostüm richtig? Liegt die Perücke, oder stehen irgendwo störende Haare ab? Finden sich ungewollte Elemente im Hintergrund und wenn ja, kann die Position so verändert werden, dass diese vermieden werden? Sich all diese Fragen zu stellen und das Motiv entsprechend zu gestalten, hat direkten Einfluss auf die Fotobearbeitung: Wer schon vorab kleine Ungereimtheiten verschwinden lässt, hat hinterher weniger zu tun.

Die Wahl des Bearbeitungsprogramms

Bei der Wahl der Software gibt es etliche Möglichkeiten. Die wichtigste Frage ist wohl: Bin ich bereit, Geld für diese auszugeben, oder soll es eine kostenlose Alternative sein? 

Der Industriestandard: Adobe Creative Suite (Photoshop & Lightroom)

Die am häufigsten im professionellen Bereich verwendeten Programme sind Adobe Photoshop sowie Adobe Lightroom –  zwei Industriegiganten, die mit stetiger Weiterentwicklung und einer weltweit riesigen Community glänzen. Für knapp 12 Euro im monatlichen Spezialabonnement gibt es Zugang zur vollen Leistung der beiden Bearbeitungssoftwares. Lizas Beispielfotos wurden mit der Adobe Creative Suite erstellt.

Die kostenlosen Alternativen: GIMP 2.0 & Darktable

Die Auswahl an möglichen Programmen ist vielseitig. Wir haben uns als Beispiel für GIMP 2.0 und Darktable entschieden, da die Nutzeroberflächen beider Programme denen von Adobe sehr ähnlich und somit für unseren Zweck ideal sind. Es lohnt sich aber durchaus, ein wenig Recherche zu betreiben und diejenigen Programme auszukundschaften, die für die eigenen Zwecke am besten funktionieren.

Das richtige Format

Viele handelsübliche (Spiegelreflex-)Kameras können Fotos in zwei Formaten abspeichern: RAW und JPG. Das .jpg-Format oder .jpeg-Format ist vermutlich jedem bekannt: Es ist eines der am häufigsten genutzten Standardformate für Computerdarstellungen und daher auch das Standard-Speicherformat vieler Digitalkameras.

RAW hingegen ist für viele Fotografierende das Speicherformat der Wahl. Die nicht-technische Kurzerklärung lautet: Es werden mehr Informationen über das Bild abgespeichert als beim JPG, welche hinterher in Bearbeitungsprogrammen wieder abgerufen werden können, um das Foto nach Belieben zu manipulieren. Lightroom und Darktable sind speziell auf dieses Format ausgerichtet. Aber Achtung: Mehr Informationen benötigen auch mehr Speicher. Wer im RAW-Format fotografiert, sollte ausreichend Platz auf der Speicherkarte zur Verfügung haben.

Wenn die eigene Kamera das RAW-Format nicht anbietet, ist aber Hopfen und Malz nicht verloren. Alle genannten Bearbeitungsprogramme können auch JPG-Formate problemlos verarbeiten.

Die nötigen Handgriffe

Jetzt geht es ans Eingemachte. Wir wollen euch zwei Kniffe präsentieren, die das eigene Bild einerseits individuell machen und andererseits kleine Störfaktoren ausmerzen. Zum einen zeigen wir euch, wie man in Lightroom bzw. Darktable sehr einfach dank der sogenannten Farbtemperatur die Bildstimmung manipulieren kann, und zum anderen, wie Photoshop und Gimp 2.0 Retusche besonders bedienerfreundlich gestalten.

Von Licht und Stimmung

Unser Beispielbild, nachdem Liza die Belichtung final angepasst hat. Wer scharfe Augen hat, erkennt, dass es dem „ideal“ aus unseren Histogramm-Beispielen sehr ähnlich ist. Wie bei allem gilt nämlich auch hier: Wenn schon beim Shooting gute Bedingungen herrschen, muss hinterher nicht mehr viel geändert werden!

Hier kommen nun also Lightroom bzw. Darktable ins Spiel – nicht umsonst tragen die Programme die Worte „hell“ und „dunkel“ im Namen. Beide haben zudem eine Sortierfunktion. Wir wollen uns in unserem Artikel aber auf zwei spezifische Abschnitte konzentrieren, die unter dem Menüpunkt „Bearbeiten“ zu finden sind: „Licht“ und „Farbe“.

Unter „Licht“ finden sich verschiedene Regler. Für den Anfang sind vor allem „Belichtung“ und „Kontrast“ interessant – die anderen Regler sind für das Finetuning dieser beiden Bereiche verantwortlich.

Unter „Farbe“ ist vor allem „Temperatur“ sowie „HSL/ Farbe“ für uns interessant. Die Lichttemperatur, gemessen in Kelvin (K), kann für die richtige Stimmung in einem Foto sorgen. Je nachdem, ob wir uns eher an den Blautönen, also kälter orientieren, oder an Rottönen, die als wärmer gelten, verändert sich auch die Gesamtstimmung des Bildes. Die HSL-Regler sorgen im Anschluss für das Finetuning. Dabei ist neben den gewünschten Farben auch Folgendes zu beachten: Reduziert man die Kraft einer Farbe, wird die Kontrastfarbe verstärkt, und umgekehrt. Diesen Effekt hat auch Liza sich zu Nutze gemacht, wie man an ihren Beispielfotos sieht (jeweils links zu sehen ist das Bild nach Einstellen der Temperatur, jeweils rechts nach der HSL-Bearbeitung):

Belichtung und Farbtemperatur korrespondieren miteinander, weshalb wir beide Abschnitte unter einem Punkt zusammengefasst haben. Das alles funktioniert tatsächlich durch das Verschieben nur weniger Regler. Zu Beginn hilft es, einfach ein bisschen herum zu probieren, um ein Gespür für die Effekte zu bekommen – schließlich sind die Einstellungen problemlos wieder rückgängig zu machen.

Übrigens: Photoshop besitzt ein Feature, dass die Funktionen von Lightroom imitiert. Beginnt man ein neues Projekt ohne zuvor in Lightroom unterwegs gewesen zu sein, wird dieser Filter automatisch beim Import des Bildes in das Programm angezeigt. So kann also theoretisch das eigene Bild auch nur mit Photoshop bearbeitet werden, wenn man die Sortierfunktionen von Lightroom nicht unbedingt braucht. Dieses Feature des Zusammenspiels der Programme bieten die kostenlosen Alternativen leider nicht.

Kleine Ungereimtheiten retuschieren

Auf dem Bildschirm, die geschossenen Fotos nun deutlich größer als auf dem Kameradisplay, werden die Favoriten ausgesucht. Doch was ist das? Ein loser Faden? Ein abstehendes Haar? Sobald solche Kleinigkeiten einmal aufgefallen sind, ist es wie bei einem Unfall: Weggucken geht nicht. Zum Glück schaffen Photoshop und Gimp 2.0 hier schnelle Abhilfe.

Unter diesem Symbol findet sich in Photoshop der Bereichsreparatur-Pinsel.

Das Werkzeug, das wir hierfür benötigen, nennt sich „Bereichsreparatur-Pinsel“ (Photoshop) bzw. „Heilen“ (Gimp 2.0). Hiermit lassen sich kleine (!) Stellen wie Hautunreinheiten, Fäden, abstehende Haare und Knitterstellen kinderleicht entfernen. Dazu muss mit dem Werkzeug einfach auf alle Stellen geklickt werden, die unerwünscht sind. Für längliche Bereiche lässt sich der Cursor auch entlang der Unstimmigkeit ziehen. Es ist ein bisschen wie Magie, denn die moderne Technik bügelt das Fehlerchen automatisch für uns glatt.

Eine andere Technik, die besonders für größere Stellen wie Augenringe gut funktioniert, ist das „Stempelwerkzeug“ (Photoshop) bzw. „Klonen“ (Gimp 2.0). Hier wird mittels der ALT-Taste ein fehlerfreier Bereich im Bild ausgewählt, der dem Ergebnis sehr ähnlich sieht, und über die gewünschte Stelle gelegt. Klonen bedarf etwas mehr Feingefühl, da die Übergänge an den Rändern meist etwas nachgebessert werden müssen. Es lohnt sich aber, auch dieses Feature einmal auszuprobieren, um herauszufinden, welcher Workflow am besten zum eigenen Bedarf passt.

Dies ist das Symbol für das Stempelwerkzeug in Photoshop.

Wichtig bei der Hautretusche ist vor allem, es nicht zu übertreiben. Ein perfektes Hautbild wirkt auf eine*n Betrachter*in meist unnatürlich. Während Pickelchen oder lose Fäden bedenkenlos entfernt werden können, sollten Dinge wie Augenringe nur reduziert werden, nicht aber völlig verschwinden. Um letzteres zu erreichen, wird einfach die Deckkraft des Werkzeugs oder der Bearbeitungsebene reduziert.

Wer genau hinschaut, erkennt, dass Liza die Schwellung unter den Augen ihres Modells reduziert, aber nicht gänzlich entfernt hat. Und auch ein paar lose Fäden (Handschoner) sowie abstehende Haare (über der linken Schulter) haben das Photoshop-Treatment nicht überstanden.

Quicktipps

Bevor wir zum Fazit kommen, hat Liza noch ein paar schnelle Tipps für euch, damit das Endergebnis stimmig und die Arbeit erleichtert wird:

  • Arbeite nie auf der Hintergrundebene! Es ist sicherer, eine Kopie des Fotos als neue Ebene anzulegen und auf dieser zu arbeiten.
  • Lightroom Darktable überfordert dich? Klicke einfach auf „automatische Bearbeitung“ des Programms und verschiebe die Regler erst hinterher. So bekommst du eine gute Grundlage, von der aus du weiterarbeiten kannst.
  • Wenn du dich für Hautretusche entscheidest, vernachlässige die Arme, Beine und Hände nicht.
  • Ab und zu aus dem Bild heraus zu zoomen hilft dabei, einen Überblick über das Bild zu behalten und sich nicht in Details zu verlieren.
  • Fast jedes Werkzeug hat Tastenkürzel. Für einen schnelleren Workflow ist es hilfreich, sich diese anzueignen.

Kunstwerk Cosplayfoto

Zum Abschluss möchten wir noch kurz einen kleinen Gedankenanstoß mit auf den Weg geben. Fotobearbeitung ist ein Werkzeug, um ein Kunstwerk zu generieren – ein Schritt genauso wie das Nähen des Kostüms oder das Fotografieren selbst. Jede Person darf für sich entscheiden, welchen dieser Schritte sie gehen möchte. Wir wollen auf keinen Fall sagen, dass Fotos bearbeitet werden müssen. Im Gegenzug möchten wir auch daran appellieren, dass es absolut nicht schlimm ist, Fotos zu retuschieren, um das Gesamtbild stimmig abzurunden.

Natürlich ist Fotobearbeitung wie auch (Cosplay-)Fotografie eine Fähigkeit, die mit viel Übung stetig weiterentwickelt werden kann. Doch auch schon eine einfache Bearbeitung kann viel an einem Bild ausmachen. Daher lohnt es sich für jede*n Cosplayer*in, der oder die selbst Cosplayfotos macht, sich mit den verfügbaren Programmen auseinanderzusetzen und die Basics zu erlernen. So kann das Beste aus den Fotos herausgeholt werden. Und wer weiß? Vielleicht eröffnet sich dabei dem einen oder der anderen ja ein neues Hobby.

 

Artikelbilder: © Depositphotos | stockasso
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Susanne Stark

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