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Agusto Zidarov, Ermittler der lokalen Makropol-Polizei von Varangantua, gerät bei Ermittlungen gegen illegale Verjüngungstechniken unerwartet in gefährliche Intrigen von Konzernen, Gangs und Lokalpolitik. Als der Sohn einer Konzerndynastie plötzlich verschwindet, werden Zidarovs Fähigkeiten hart auf die Probe gestellt und nicht nur sein Leben ist plötzlich in Gefahr.

Braucht Warhammer eine eigene Serie mit Kriminalromanen? Sind nicht fast alle Romane der Inquisition mit einem ordentlichen Anteil Kriminalgeschichten gespickt? Eine ähnliche Frage stellte sich schon bei der neuen Warhammer Horror-Reihe Ein Haus von Nacht und Ketten, die seit Ende 2020 veröffentlicht wird. Zumindest Black Library hat sich hier erneut für ein klares „Ja“ entschieden.

Wie bereits bei der Schwesterreihe mit Horrorromanen möchte der hauseigene Verlag von Games Workshop eine andere Tonalität setzen und macht dies bereits in seiner traditionallen Einleitung deutlich. Nicht die großen Schlachtfelder und der unendliche Krieg stehen hier im Fokus, sondern persönliche Schicksale einfacher Menschen in einer grimmen Zukunft.

Wir schreiben das 41. Jahrtausend und weitab von den Schlachtfeldern der fernen Sterne erhebt sich eine wuchernde Metropole aus alten Gebäudekomplexen, in der Korruption an der Tagesordnung und Mord eine Lebenseinstellung ist. 

Blutsbande, Chris Wraight

Handlung & Charaktere

Im Fokus steht die Geschichte und Arbeit von Probator Agusto Zidarov auf dem Industrieplaneten Alecto in der gigantischen Makropolstadt Varangantua. Doch Zidarov ist kein hochqualifizierter und hervorragend ausgerüsteter Ermittler des Adeptus Arbites, also der imperialen Polizei, sondern einfacher Kriminalbeamter der lokalen Polizeibehörde. Wer nun aber an eine kleine Dorfpolizei denkt, täuscht sich natürlich, denn immerhin sind wir bei Warhammer 40.000. Die Bastion, wie das Polizeihauptquartier nur genannt wird, ist bestens mit Personal, Ausrüstung und Waffen ausgestattet, nicht zuletzt dank großzügiger Spenden der regionalen Konzerne. Doch wo der Fokus der Polizeiarbeit im Imperium liegt, wird hier schnell eindrücklich klar gemacht. Während die Sanktionierer, also die uniformierten Einheiten auf der Straße, in der Regel in Teams agieren und bestens mit Ausrüstung, Waffen und Fahrzeugen ausgestattet sind, sieht es bei den klassischen Ermittler*innen anders aus. Obwohl formell den Sanktionierern vorgesetzt, ist Zidarov meist auf sich, seine schusssichere Weste, seine Pistole und seinen Verstand gestellt.

Agusto Zidarov bedient sich vieler medialer Polizeiklischees: zu integer und kaum ambitioniert, um wirklich Karriere zu machen; mit Familienproblemen kämpfend und eher Brummbär als Feingeist. Das passt aber wirklich gut in das ganze Setting und ist durchweg glaubwürdig erzählt. Die familiären Probleme tragen zwar wenig zur Geschichte bei, hauchen Zidarov aber sehr viel Leben ein. Sogar ein spannender Twist ist damit verbunden, den auch erfahrene Leser*innen vermutlich nicht kommen sehen werden.

Die Geschichte selbst ist ebenfalls gradezu klassisch gestaltet: Der Sohn einer bedeutenden Industriellenfamilie verschwindet urplötzlich und das Geld und der Einfluss selbiger Familie machen dies zu Zidarovs Problem. Doch der will sich eigentlich auf die verhasste und illegale Praktik der Zelldrainage konzentrieren. Hier werden regelmäßig junge Menschen entführt, um ihnen auf qualvolle Art und Weise in einem langwierigem Prozess Stammzellen zu entziehen, die dann für Verjüngungstherapien eingesetzt werden. Kenner*innen von Warhammer denken zu Recht an Juvenatorbehandlungen. Nun wird aufgeklärt, wie diese funktionieren: entweder mit teuren, künstlich erzeugten Stammzellen oder mit welchen von unfreiwilligen Spender*innen.

Hin- und hergerissen zwischen moralischer Pflicht und Anweisungen von oben, versucht Zidarov, die Ermittlungen um den vermissten Sprössling schnell zu beenden, doch gerät er dabei in lebensgefährliche Verstrickungen von Konzernen, organisiertem Verbrechen und Politik.

Schreibstil

Blutsbande wird nahezu ausschließlich aus Sicht von Zidarov erzählt und lässt an seinen Gedanken teilhaben. Chris Wraight meidet hektische Zeit- und Ortswechsel, sodass die Geschichte angenehm zu lesen ist. Der Aufbau und Stil bedient sich nicht nur der Strukturen klassischer Kriminalromane, sondern schafft auch einen gewissen Cyberpunk-Flair, was sicher den detaillierten Beschreibungen der Stadt und der Menschen in ihr geschuldet ist. Die Übersetzung von Stefan Behrenbruch ist gelungen und fängt die Stimmung sehr gut ein.

Allgemeines zum Buch

Warhammer Crime ist neben Warhammer Horror eine neue Reihe der Black Library. Beiden Reihen ist gemein, dass sie sich mit eher einfachen Menschen und im Grunde bodenständigen Themen beschäftigen. Warhammer Crime soll ganz klassische Kriminal- und Detektivgeschichten erzählen, ohne Xenos, Planetenuntergang oder Horden von Kultist*innen. Es geht einfach nur um böse Menschen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Black Libary
  • Autor: Chris Wraight (aus dem englischen von Stefan Behrenbruch)
  • Erscheinungsdatum: Februar 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch/eBook
  • Seitenanzahl: 292
  • ISBN: 978-1-781935-5-21
  • Preis: 12,99 EUR (Print)/9,99 EUR (eBook)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon

 

Fazit

Blutsbande ist kein typischer Warhammer-Roman, dies wird schnell klar. In einem typischen Warhammer-Roman wäre Zidarov bei seinen Ermittlungen rund um die Zelldrainage eher früher als später auf irgendeinen Chaos-Kult oder Xenos (Genestealer bieten sich immer an) gestoßen. Doch nicht hier. Hier präsentiert Chris Wraight einen astreinen und, für Warhammer-Verhältnisse, bodenständigen Krimi.

Der Mensch braucht keine Monster, um sich selbst ein Monster zu sein, möchte man meinen. Allerdings kommt dadurch auch nur schwerlich Warhammer-Atmosphäre auf. Bis auf ein paar Erwähnungen bekannter Hintergründe könnte das Buch auch ein guter, aber beliebiger Cyberpunk-Roman sein. Dennoch bleibt der Roman eine Empfehlung, gibt er doch tiefe und spannende Einblicke in den imperialen Alltag, der tatsächlich Platz für ganz banale Familiensorgen bietet.

  • Guter Spannungsaufbau
  • Glaubwürdige Charaktere
  • Ungewöhnliche Einblicke
 

  • Wenig Warhammer-Feeling
  • Kaum Überraschungen in der Story

 

Artikelbilder: © Black Library
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Lukas Heinen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

2 Kommentare

  1. Zu den Schwächen: Wenig Warhammer-Feeling
    Ich finde, dass solche extrem zentrierten Sichtweisen ins Innere einer Makropole den Warhammer Kanon noch stärker formen als eine x-bel. Schlacht zwischen SM und CSM.
    Um zu verstehen wie Makropolbewohner leben und welche Probleme sie haben, ist dieser Roman ideal und kann auch nicht mit der Inquisition verglichen werden.

    Daher ist dies in meinen Augen eher eine Stärke.

    Die Story finde ich vor Allem zum Hintergrund mit Agusto (oder zweites U) ziemlich überraschend. Mitte-Ende des Buches stellt sich heraus er ist eigentlich auch der Böse… Schon ziemlich krass =)

    soviel zu meinen Gedanken, gute Rezi
    LG
    Frosty

  2. Hallo Frosty,

    vielen lieben Dank für Dein Feedback :) Ich bin absolut bei Dir, dass ein Blick in denn Alltag von Makropol-Bewohnern dem Worldbuilding mehr gibt, als der X. Bolter-Porn. Dennoch habe ich Warhammer vermisst, denn im Grunde hätte es auch ein x-beliebiges Cyberpunk-Setting sein können. Dass das „besser“ geht zeigt zum Beispiel Auge des Navigators oder einige Eisenhorn-Kurzgeschichten aus Magos.

    Am Ende bleibt dennoch ein gutes Buch und demächst erscheint auch die Rezension zu Mensch und Maschine :)

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