Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Zwei neue Abenteuer warten auf Conan, den wahrscheinlich bekanntesten Barbaren der modernden Popkultur. Der Rote Priester liefert eine Geschichte in bewährter Qualität mit interessanten Themen. Doch Die Menschenfresser von Zamboula zeigt leider, dass es Abweichungen in die andere Richtung gibt. Wir haben uns beide Graphic Novels angeschaut.

Die Abenteuer des Cimmeriers Conan wurden von Robert E. Howard ursprünglich in zwanzig Novellen und einem Roman erzählt. Die in Deutschland beim Splitter Verlag erscheinende Graphic Novel-Reihe greift diese auf, wobei für jeden Titel ein anderes Team verantwortlich ist. Die bisher auf dem Markt erschienen der insgesamt 16 geplanten Adaptionen hinterlassen zum Großteil einen guten Eindruck. Das Highlight der Reihe ist unbestritten Jenseits des schwarzen Flusses, das durch eine atmosphärische und intensive Geschichte überzeugt.

Sowohl in Die Menschenfresser von Zamboula, als auch in Der Rote Priester sind die Intrigen und Machenschaften der Mächtigen für Unglück verantwortlich. Sorgen die Graphic Novels für eine barbarische Freudenekstase oder abgrundtiefes Schaudern?

Conan der Cimmerier: Die Menschenfresser von Zamboula

Zamboula ist eine belebte Handelsstadt im Zentrum der Welt Conans, in der scheinbar alle Bedürfnisse gestillt werden können. Doch liegen düstere und mehr oder weniger offene Geheimnisse über der Metropole, die Reisende von einem Aufenthalt abhalten könnten. Eines dieser Geheimnisse ist das Schicksal von Fremden in der Herberge von Aram Baksh. Diese würden spurlos verschwinden, möglicherweise als Opfer von Dämonen, mit denen der Gastwirt im Bunde steht. Doch solche Spukgeschichten schrecken Conan, den mutigen Cimmerier, nicht ab. Mit dem Schwert an seiner Seite fühlt er sich jeder Gefahr gewachsen.

Tatsächlich erhält der titelgebende Barbar im Laufe der Nacht Besuch, doch nicht von Dämonen. Vielmehr erwehrt er sich der Attacke von unbekannten Angreifern, in deren Folge er auf Zamboulas Straßen landet. Dort fällt ihm eine splitternackte Dame in die Arme, die Conan auf die Spur eines noch düstereren Geheimnisses führt.

Bei Adaptionen von Romanen, Kurzgeschichten oder Novellen ist die Bewertung der aufgreifenden Graphic Novel niemals fair. Gerade hinsichtlich der Handlung ist man stark von der Vorlage limitiert und genau in diese Kategorie fällt Die Menschenfresser von Zamboula. Dankenswerterweise gibt es am Ende der Graphic Novel, wie auch bei den Vorgängern, Hintergrundwissen über die Entstehung der Originalgeschichte.

Dadurch erfährt man von Howards Dilemma, ausgelöst durch die Ansprüche der Pulp-Magazine der damaligen Zeit. Am besten verkauften sich jene Ausgaben, auf deren Titelbild eine leicht bekleidete oder vollständig nackte Frau oder sonstige „Hingucker“ abgebildet waren. Um die Garantie einer Annahme der Geschichte zu steigern, entschied sich Howard, in Shadows in Zamboula eine durchgehend nackte Frau einzubauen und gleichzeitig mit wilden Menschenfresser*innen den Schockfaktor zu steigern.

Nun sind nackte Damen und stereotypische Kulturbilder weder in der Pulp-Literatur noch in den Conan-Werken etwas Neues. Was in Die Menschenfresser von Zamboula negativ auffällt, ist die Sinnlosigkeit all dieser Elemente. Die nackte Frau hat im Laufe der Handlung mehrmals die Möglichkeit, sich zu bekleiden, was auch aus praktikablen Gründen Sinn ergeben würde. Darüber hinaus sorgt die Enthüllung über ihre Identität für noch mehr Unverständnis über das Verhalten. Ähnlich sinnlos wirkt der Einbau der Menschenfresser*innen. Neben einem kurzen Auftreten spielen sie keine Rolle und dienen lediglich als exotischer Schockfaktor. Dass es anders geht, sieht man in anderen Conan-Werken. Ein Großteil von diesen enthält sehr offenherzig bekleidete Frauen, die dennoch interessante Charaktere sind, die sich innerhalb der Handlung logisch verhalten. Wie man (auf zugegeben überholten Stereotypen basierende) Ureinwohner*innen stimmungsvoll in eine Geschichte integrieren kann, zeigt das oben genannte Jenseits des Schwarzen Flusses.

In Folge all dieser Aspekte wirkt Die Menschenfresser von Zamboula wie eine uninspirierte und zusammengeworfene Ansammlung damals angesagter Elemente. Dies kann man Autor und Zeichner Gess nur bedingt zum Vorwurf machen, da er mit dem vorhandenen Material arbeiten musste. Zusätzlich muss ich jedoch ebenso anmerken, dass die visuelle Gestaltung dieser Graphic Novel zu meinen am wenigsten favorisierten gehört. Besonders die Gesichter und Körper wirken surreal gestaltet und damit seltsam verzogen. Das ist jedoch Geschmackssache, da sich dieser Stil über den gesamten Band hinweg zieht und durch den Künstler erwünscht scheint. Positiv sticht die Gestaltung der Stadt Zamboula ins Auge, die in der Tat wie ein geschäftiger Schmelztiegel der Kulturen wirkt.

Zusammenfassend lege ich Die Menschenfresser von Zamboula nur jenen ans Herz, die eine Vorliebe für die Geschichten von Conan haben und beispielsweise die komplette Reihe der Graphic Novel Adaptionen besitzen möchten. Betrachtet man die Geschichte davon losgelöst, ist sie die Lesezeit nicht wert.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Splitter
  • Autor*innen: Robert E. Howard, Gess
  • Zeichner*in: Gess
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 64
  • Preis: 16,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Conan der Cimmerier: Der Rote Priester

Der Schauplatz von Der Rote Priester ist ebenso eine Stadt, die man ohne Übertreibung als Sündenpfuhl bezeichnen kann. Für den Mord an einem Priester sitzt Conan im Gefängnis und wartet auf seine Strafe. Doch seine Reputation als Söldner weckt das Interesse des Adligen Murilo, der den Cimmerier für die Beseitigung eines politischen Gegners einspannen möchte.

Nach einem organisierten Gefängnisausbruch soll Conan den Roten Priester Nabonidus meucheln, da er bereits ein gewisses Talent für das Eliminieren des Klerus beweisen konnte. Doch die Aufgabe ist nicht so einfach wie zunächst gedacht. Die Heimstätte des Priesters hält einige Überraschungen parat, mit denen weder Murilo noch Conan gerechnet haben.

Der Rote Priester zeigt eine andere Seite von Conan, durch die der Barbar mehr aus dem Schatten und Verborgenen agiert. Wenngleich die Geschichte am Ende einen actionreichen Kampf enthält, ist die Handlung intriganter, dunkler und geheimnisvoller als andere Geschichten um den Cimmerier. Dabei gelingt es Autor Robert E. Howard und dem für die Adaption verantwortlichen Patrice Louinet interessante Fragestellungen einzubauen.

Dazu gehört die Dualität zwischen Murilo und Nabonidus, die beide Intrigen spinnen, aber deutlich unterschiedliche Ansichten haben. Wenngleich Murilo Conan für seine Zwecke ausnutzt, hat der junge Adlige eine gewisse Form der Ehre und eine fast naive Ansicht zur Gestaltung der Stadt. Nabonidus erscheint dagegen wie ein etablierter Machtmensch, der weiß, wie die Dinge in der Welt laufen und dass sich am Ende nichts ändern wird. Diese Ansätze hätte man gerne noch weiterspinnen können.

Gegen Ende kommen Diskussionen darüber auf, was den Mensch von (anderen?) Bestien unterscheidet. Verantwortlich dafür ist eine Enthüllung, die leider schon auf dem Cover angedeutet wird. Conan darf in Der Rote Priester eine Vielzahl seiner Facetten zeigen, die vom mächtigen Kämpfer bis zum sarkastischen Philosophen reichen.

Das Ergebnis ist eine Graphic Novel, die trotz einer geradlinigen Handlung mit interessanten Ansätzen unterhält. Die visuelle Gestaltung von Paolo Martinello fängt die Atmosphäre der verdorbenen Stadt und ihrer Bewohner*innen stimmungsvoll ein. Der Stil erinnert stellenweise an klassische Superheld*innen-Comics aufgrund der übertriebenen Proportionen und überzeichneten Körper. Das mag im Hinblick auf die eher subtile Handlung überraschen, doch macht sich die Entscheidung besonders am Ende bezahlt. Selten habe ich einen so intensiv inszenierten Endkampf erlebt, wie jenen aus Der Rote Priester. Auf vier Seiten ist die Brutalität und Wucht der Auseinandersetzung in einem gigantischen Ausmaß zu spüren.

Der Rote Priester reiht sich damit in´den Großteil der anderen Conan-Adaptionen ein und überzeugt auch heute noch als Pulp-Geschichte.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Splitter
  • Autor*innen: Robert E. Howard, Patrice Louinet
  • Zeichner*in: Paolo Martinello
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 72
  • Preis: 16,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Gesamtfazit

Während Der Rote Priester die Qualität der meisten Conan-Adaptionen beibehalten kann, sticht Die Menschenfresser von Zamboula als bisher schwächster Teil der Reihe negativ hervor. Dankenswerterweise informiert das Zusatzmaterial des Bandes über die Hintergrundgeschichte zu dem ursprünglichen Werk Howards, da man sich ansonsten fragen würde, wie eine solche Geschichte überhaupt entstehen konnte. Die Handlung ist unlogisch, uninspiriert und kombiniert wahllos unstimmige Elemente in ein narratives Chaos. Es ist zugegeben unfair, das als Schwäche der Adaption durch Texter und Zeichner Gess zu werten. Doch die Makel des Originals sind bis heute spürbar, wodurch ich Die Menschenfresser von Zamboula nur Sammlern und absoluten Conan-Fans empfehlen kann.

Der Rote Priester hingegen ist eines der besseren Pulp-Abenteuer von Conan, in dem eine weitestgehend unbekannte meuchlerische und heimliche Seite des Cimmeriers zum Tragen kommt. Ironischerweise ist das Highlight jedoch die altbewährte Kampfeskraft des Barbaren, die im Endkampf wuchtig inszeniert wird.

Die Adaptionen der Conan-Geschichten durch den Splitter-Verlag gehen selbstverständlich weiter. Vor kurzem ist der elfte Band der Reihe, Der Gott in der Schale, erschienen. Damit sind es nur noch fünf weitere Graphic Novels, bis die Umsetzungen der ikonischen Pulpfigur Conan abgeschlossen sind.

Artikelbilder: © Splitter
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Jessica Albert
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein