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Einige Freund*innen terrorisieren eine vermeintlich bösartige alte Frau. Mit üblen Aktionen treiben sie sie in den Selbstmord. Doch der Tod hindert die alte Frau nicht an ihrer Rache und eine leichte Aufgabe wird zum Alptraum:  In One Last Call von Timothy Woodward Jr. ist das Grauen nur einen Anruf entfernt.

One Last Call erschien am 17. Juni 2021 auf DVD und ist bereits seit dem 03. Juni bei Streaming-Diensten verfügbar. Im Oktober letzten Jahres wurde der neue Horrorfilm des Regisseurs Timothy Woodward Jr. (The Good, the Bad, and the Dead, Hickok und The Outsider) in den USA mit dem Originaltitel The Call veröffentlicht. Während der etwas mehr als 90 Minuten Laufzeit muss sich eine Gruppe junger Leute in einer amerikanischen Kleinstadt der 1980er Jahre den Folgen ihres bösartigen Handelns stellen. Die Rache einer alten Frau, die sie durch skrupellose Angriffe in den Selbstmord getrieben haben, packt die Freund*innen mit aller Gewalt. In ihrem Testament hinterlässt sie denen, die sie in den Selbstmord getrieben haben, eine großzügige Summe Geld. Die einzige Voraussetzung: einen einminütigen Anruf entgegenzunehmen. Da es sich bei One Last Call um einen Horrorfilm handelt, kann das natürlich nicht gut ausgehen.

Story

Irgendwann in den 1980er Jahren zieht Chris mit seiner Mutter in eine amerikanische Kleinstadt. An der dortigen Highschool freundet er sich mit einer Gruppe anderer Schüler*innen an, bestehend aus der Mitschülerin Tonya und den Brüdern Zack und Brett.

Nach einem Abend auf einem Jahrmarkt, ein paar Bier und einem Joint, beschließt die Gruppe, eine Racheaktion zu starten: Sie erzählen Chris, dass Edith Cranston – eine ältere Dame, die früher eine Kindertagesstätte leitete – für das Verschwinden von Tonyas kleiner Schwester verantwortlich sei.

Zwar konnte Edith nichts nachgewiesen werden, aber seither terrorisieren und drangsalieren sie die Frau, die sie für eine Hexe halten. So auch an diesem Abend. Sie brechen auf, um einige Fenster des Hauses einzuwerfen, in dem Edith mit ihrem Ehemann Edward lebt. Lediglich Chris fühlt sich nicht wohl mit der Sache und beteiligt sich nicht. Gerade, als sie verschwinden wollen, werden sie von Edith auf frischer Tat ertappt. Sie spricht ihnen ihren Hass und Abscheu aus und verjagt sie.

In der gleichen Nacht nimmt sich Edith das Leben. Womit niemand gerechnet hat: Sie nimmt die Freund*innen in ihr Testament auf. Wie Ehemann Edward erklärt, müssen sie nur eine einfache Aufgabe erledigen, um 100.000 USD zu erhalten: Jede*r von ihnen muss im Arbeitszimmer des großen Anwesens einen Anruf entgegennehmen und eine Minute am Telefon aushalten. In Erwartung leichtverdienten Reichtums nehmen die Vier die Aufgabe an, nicht ahnend, dass am anderen Ende der Leitung Furchtbares auf sie wartet. Ein Strudel aus alptraumhaften Erlebnissen und dunklen Geheimnissen nimmt seinen Anfang.  

Viele Überraschungen bietet die Handlung des Filmes nicht, insgesamt bleibt sie vorhersehbar. Dies wird dadurch begünstigt, dass sich der Film bei der Zeichnung von Welt und Plot durchgehend stereotyper Horrormotive bedient: Eine generische amerikanische Kleinstadt, ein düsteres altes Haus mit altmodischer Einrichtung, ein skurriler „Carnival“ beziehungsweise Jahrmarkt mit befremdlichen Schausteller*innen und einem seltsamen Wahrsager. Jahrmarkt und Wahrsager werden scheinbar alleine deswegen verwendet, weil es sich um beliebte Topoi des Horrorfilms handelt – man denke an die vierte Staffel der Serie American Horror Story. Einen besonderen narrativen oder atmosphärischen Mehrwert haben sie nicht.

Ebenso ist fraglich, warum der Film unbedingt in den 1980er Jahren spielen muss. Es scheint, als wolle er auf den Stranger Things-Zug aufspringen, durch den die nostalgisch verklärten 1980er zu einer überaus beliebten Szenerie für Horror und Grusel avancierten und von dem bereits die Neuverfilmung von Stephen Kings Es profitierte. Selbst das Plakat des Filmes erinnert in Farbgebung und Layout stark an Stranger Things. One Last Call hätte ohne jede Veränderung der Handlung auch heute spielen können. Die 1980er sind ein vollkommen belangloses Element der Inszenierung.

Auch die Charaktere des Films sind weniger Individuen als seit dem Horrorfilm der 1980er Jahre bekannte Typen: Chris ist der schüchterne Neuling und Außenseiter, Tonya die Rebellin, Zack der großspurige Angeber und Brett der Mitläufer. Hinzu kommt eine unheimliche alte Frau und deren kaltblütiger Ehemann, der nichts außer seiner Frau zu lieben scheint. All diese Charaktere haben bekannte Probleme und Geheimnisse, die weder besonders schockieren noch überraschen können.

Die Geheimnisse

Die Vier werden von der verstorbenen Edith aus dem Grab heraus angerufen und in eine Art Zwischenwelt gezogen. Hier werden sie mit ihren schlimmsten Ängsten und Alpträumen konfrontiert. Bei den Brüdern stimmen sie überein: Sie werden von ihrem gewalttätigen Alkoholiker-Vater verprügelt und gejagt. Zwar ist dies sicherlich ein tragisches Familienschicksal, aber eben auch ein sehr verbreitetes Trauma von Filmcharakteren. Chris begegnet seiner schwangeren Freundin wieder, die bei einem Autounfall umkam, nachdem beide sich gestritten hatten. Sie sucht ihn in der Alptraumwelt als düstere Horrorbraut heim. Wenig überraschend stellt sich schließlich heraus, dass es Tonya war, die ihre Schwester aus Eifersucht umbrachte und nicht die somit zu Unrecht gequälte und in den Tod getriebene Edith. Allein Chris schafft es, dem Alptraum zu entkommen. Er kehrt allerdings zurück, um Tonya zu helfen, in die er sich ein wenig verliebt hat und bleibt, wie der Rest der Gruppe, in seinem persönlichen Horror gefangen.

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Dass ein Telefon als Eintrittsportal des Horrors dient, ist ein origineller Gedanke. Der Horror selbst ist in seiner Ursache – Rache über das Grab hinaus – und seiner Umsetzung – die Konfrontation mit Geheimnissen und Ängsten – jedoch nichts Neues.

Darsteller*innen

Schauspielerische Zugpferde des Filmes sind die Schauspieler*innen des Ehepaars Cranston. Lin Shaye ist eine erfahrene Horrordarstellerin, die bereits im absoluten Klassiker A Nightmare on Elm Street auftrat und in letzter Zeit vor allem als Medium Elise Rainier aus der Insidious-Reihe bekannt wurde. Tobin Bell kennt man als Killer Jigsaw aus der Saw-Reihe. Beide verkörpern ihre Rollen glaubhaft und harmonieren als altes, aber liebendes Ehepaar. Bell spielt seinen tendenziell kalten und berechnenden Charakter überzeugend. Insbesondere Shayes Darstellung der gebrochenen alten Frau ist wohl das einprägsamste Element des Filmes, leidet aber unter den überzeichnenden Tendenzen des Filmes. Wenn sie zähneknirschend auf einem Schaukelstuhl sitzt und eine Puppe streichelt oder Tonya gefühlte fünf Minuten lang ankreischt, wirkt dies eher komisch oder absurd als beängstigend.

Die Darsteller*innen der Horroropfer – Chester Rushing als Chris, Erin Sanders als Tonya, Mike Manning als Zack und Sloane Morgan Siegel als Brett – haben ihre Karriere bisher durchgängig in zahlreichen, aber kleineren Rollen in Serien und Filmen bestritten. Sie verkörpern ihre Rollen, wenn nicht mit Bravour, so doch mindestens solide. Wohl um sich nicht den Widrigkeiten im Umgang mit minderjährigen Schauspieler*innen auszusetzen, folgt One Last Call der alten Tradition, Teenager- oder Rollen von jungen Erwachsenen mit Personen im Alter von Ende 20 bis Anfang 30 zu besetzen. Siegel, der den Titelpart der Amazon-Kinderserie Gortimer Gibbon’s Life on Normal Street spielte, ist mit aktuell 21 Jahren noch der Jüngste. Dazu kommt, dass die klischeebehafteten Rollen des Films wenig Platz zu schauspielerischer Selbstverwirklichung lassen.

Allgemein bietet Timothy Woodwards Film dennoch ordentliches Schauspiel. Im Falle von Shaye und Bell sogar gute Momente. Besondere darstellerische Höhenflüge gibt es allerdings nicht. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass dies auch an Drehbuch, Charakterzeichnung und durchschnittlichen Dialogen liegt, denn den Schauspieler*innen ist durch die Bank mehr zuzutrauen.

Inszenierung

Besonders im Fall des Hauses der Cranstons kann One Last Call mit stimmungsvoller Kulisse punkten. Das große, altmodisch und düster eingerichtete Herrenhaus wirkt labyrinthartig und unheimlich. Allgemein setzt der Film die jeweiligen Szenerien gut um. Hierbei steht klar die Motivation im Vordergrund, dass die Zuschauer*innen sofort bekannte Bilder abrufen und sich orientieren können. Auch auf visueller Ebene stützt sich der Film also auf stereotype Darstellungsmuster. Neben dem düsteren und verwinkelten Haus gibt es einen bunt beleuchteten Jahrmarkt, eine typische Highschool und eine Arcade, erfüllt vom Flackern vieler Lichter und Monitore. Nicht unüblich für Horrorfilme dominieren dunkle und schattige Räume. Auch die Umsetzung der explizit erschreckenden Horrorszenen bietet wenige Überraschungen.

Visuelle Umsetzung des Horrors

In der Alptraumwelt dominieren schwarze Schatten, die von rötlichem und gelblichem Licht durchbrochen werden. Dies wirkt schmutzig und bedrückend und weckt Assoziationen zu Freddy Krugers Heizungskeller in A Nightmare on Elm Street oder einigen Szenen aus Tobe Hoopers The Texas Chain Saw Massacre. Der Film kann jedoch keine vergleichbare atmosphärische Wirkmacht entfalten, wirkt die Alptraumwelt doch bisweilen ein wenig improvisiert und überzeichnet.

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Jenseits der durch die visuelle Umsetzung hervorgerufene düster-bedrückende Grundstimmung setzt der Film auf Jump-Scares und auch auf einige Ekel-Effekte. Diese sind allerdings berechenbar und werden vom Film sogar angekündigt, so dass sie eher verpuffen, anstatt tatsächliche Wirkung zu entfalten.

Ekel

Die Verstorbene Edith wird als Horrorgestalt mit zerfetztem Kleid und eingefallenem, vernarbtem Gesicht inszeniert, der ein schwarzer Saft aus dem Mund rinnt. Sie spricht mit der bekannten verzerrten Dämonenstimme. Warum dies bei einem Geist, welcher sich erhängt hat, der Fall ist, ist fraglich. Letztlich wirkt auch dies wenig rund und stereotyp.

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Zumindest für diejenigen, die öfter einmal einen Horrorfilm sehen und nicht sehr schreckhaft sind, vermag es der Film also an keiner Stelle, besonders bedrohlich oder erschreckend zu wirken.

Der Soundtrack weiß mit wenig Neuem aufzuwarten und will mit synthetischen Sounds und einem Rock-Song im Stil der 1980er Jahre seine Szenerie hervorheben. Dies wirkt in erster Linie gewollt und wenig originell. Die weitere, durchgängig von Streichinstrumenten und atmosphärischen Sounds dominierte Musik ist in Ordnung, passt zur Szenerie und erinnert bisweilen an ikonische Stücke der Horrorfilmmusik, ohne dabei jedoch selbst ikonischen Charakter zu entfalten.

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Erzählstil

One Last Call erzählt seine Geschichte weitgehend linear. Zum Höhepunkt des Filmes, an dem sich der Horror verdichtet, kommt es zu einigen Rückblenden. Hier werden die Geheimnisse der jungen Leute aufgedeckt und darauffolgend in die Handlung integriert. Abseits der zentralen Handlung existieren nur wenige Szenen, die insbesondere das Leben von Chris zeigen und ihn somit zum Protagonisten der Handlung machen. Allgemein lässt sich der stringenten Handlung des Films gut folgen. Stilistische Feinheiten und besondere erzählerische Finesse sind aber nicht die Stärken des Films. Wie bereits angemerkt bleibt er vielmehr durchgehend vorherseh- und durchschaubar.

Erscheinungsbild/Umfang

Die Blu-ray-Fassung beinhaltet außer dem Trailer zum Film kein Bonusmaterial. Der Film liegt in englischem Originalton und guter deutscher Synchronisation vor.

Die harten Fakten:

  • Regie: Timothy Woodward Jr.
  • Darsteller*innen: Lin Shaye, Tobin Bell, Chester Rushing, Erin Sanders u. a.
  • Erscheinungsjahr: 2020 (USA) als The Call, 2021 (Deutschland)
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Format: DVD & Bluray
  • Preis: DVD 9,99 EUR, Blu-ray 12,99 EUR, Digitales Leihen/Kaufen 3,99 EUR – 9,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

One Last Call ist kein per se schlechter Film: Die Story ist in Ordnung, das Schauspiel bisweilen sogar gut, Inszenierung und Erzählstil ohne größere Schwächen. Das größte Lob, das man dem Film in seiner Gesamtheit geben kann, ist, dass es sich um einen soliden Horrorfilm mit ein oder zwei interessanten Ideen handelt. Woran er krankt, ist das Rückgreifen auf Stereotype und Klischees in nahezu jedem Element. Dieser Mangel an Inspiration und die Tatsache, dass die Wahl der Klischees nicht immer ganz passgenau ist, dämpft und überdeckt alle Stärken. Der Film ist somit solide Grusel-Unterhaltung, beispielsweise für den Ausklang eines Film-Abends, an dem es mit der Aufmerksamkeit zu Ende geht oder um nebenbei im Hintergrund zu laufen.

  • Originelles Element: Horror durch das Telefon
  • Solides Schauspiel (Gut von Shaye und Bell)
  • Solide atmosphärische Inszenierung
 

  • Stereotype und Klischees in allen Bereichen
  • Vorhersehbare Handlung
  • Geringer Gruseleffekt

 

Artikelbilder: © EuroVideo Medien
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Lukas Heinen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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