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Lange haben die Wachowski-Schwestern eine Fortsetzung der Matrix-Trilogie abgelehnt. Jetzt legt Lana Wachowski den vierten Teil, The Matrix Resurrections, vor: Kein Prequel oder Reboot, sondern ein klassisches Sequel. Was die Regisseurin umgestimmt hat, welche Themen der Film aufgreift und ob er unterhaltsam ist, lest ihr hier.

Die Matrix-Trilogie ist ohne Übertreibung das prägende Science Fiction-Franchise des 21. Jahrhunderts. Das Original von 1999 und die Fortsetzungen von 2003 inspirierten unzählige Kulturschaffende sowie Millionen Fans weltweit. Doch das ist 18 Jahre her. Nach The Matrix Revolutions lehnten die Architektinnen der Reihe, die Wachowskis, weitere Filme ab. Stattdessen legten sie die Story in die Hände der Fans: Im MMO The Matrix Online sollten Gamer*innen sich die Zukunft der Matrix erspielen. 2009 wurde nach nur vier Jahren das Spiel wegen geringer Teilnahme abgeschaltet. Seitdem bat Warner Bros. die Schwestern immer wieder um eine Fortsetzung. Vergeblich, denn die Filmemacherinnen lehnten den aktuellen Trend, mehr auf Sequels und Reboots als auf originelle Ideen zu setzen, vehement ab.

Erst 2019, als die Eltern der Wachowskis verstarben, entschied sich Lana für eine Weiterführung. Nach dem Verlust zweier geliebter Menschen wollte die Filmemacherin ein anderes geliebtes Paar zurückbringen, hier hatte sie die Macht dazu. Zum ersten Mal war Lilly Wachowski nicht an einem Matrix-Film beteiligt, da sie Zeit zur Trauerbewältigung und für andere Projekte brauchte. Entgegen anderslautender Gerüchte gab Lilly allerdings dem 4. Teil ihren Segen. Nachdem die Dreharbeiten 2020 durch die Pandemie brachlagen, wurden sie Ende des Jahres fertiggestellt. Jetzt liegt das Ergebnis vor. Nach 18 Jahren Pause hier eine kurze Auffrischung für euch:

In The Matrix Revolutions wird Zion, die letzte Stadt der freien Menschen, von einer Maschinenarmee belagert. Gleichzeitig hat das unabhängige Programm Smith die Matrix infiziert und seine Bewohner*innen in Smith-Klone umgewandelt. In einer verzweifelten Aktion versuchen Neo und Trinity mit den Maschinen zu verhandeln: Sie sollen Frieden mit den Menschen schließen, im Gegenzug wird Neo die Gefahr durch Smith bannen. Neo und Trinity sterben im Verlauf der Aktion, doch Smith wird ebenfalls vernichtet. Die Maschinen akzeptieren die Vereinbarung und ziehen ihre Armee aus Zion zurück. Die Matrix wird rebootet und der Architekt sowie das Orakel entscheiden sich, den Menschen die Möglichkeit zu geben, die Matrix aus freien Stücken zu verlassen.

In The Matrix Online existiert die Matrix weiter und es herrscht ein misstrauischer Friede zwischen Menschen, Maschinen und den freien Programmen des Merowingers als dritter Partei. Im Verlauf des Spiels radikalisiert sich Morpheus und kommt schließlich ums Leben. Morpheus’ Tod im MMO wird jetzt für die Filme als Kanon behandelt.

Story

Sechzig Jahre nach dem Ende von Revolutions lebt Thomas Anderson (Keanu Reeves) in einer Großstadt. Wie zuvor arbeitet er im IT-Bereich, allerdings nicht mehr als kleines Rädchen im Getriebe, sondern als einflussreiche, berühmte Person. Sein Job soll hier nicht verraten werden, denn dieser spielt eine wichtige Rolle innerhalb des Systems. Anderson wird auf Geheiß des Mutterkonzerns von seinem Geschäftspartner (Jonathan Groff) gebeten, seinen bislang größten Erfolg fortzusetzen. Dieses Gespräch löst bei Anderson schwere Halluzinationen aus – er ist seit langem in Therapie, da er immer wieder Realität und Fiktion vermischt. Sein Therapeut (Neil Patrick Harris) versucht, Anderson behutsam an die Wirklichkeit heranzuführen: So ist etwa die Person, die als Trinity in Andersons Kopf existiert, lediglich die zweifache Mutter Tiffany (Carrie-Anne Moss), die dasselbe Café wie Anderson besucht. Aber warum fühlt er sich ihr so verbunden?

Außerhalb der Matrix hält der Frieden an und die Menschheit macht enorme Fortschritte. Der Auserwählte Neo ist eine Legende unter vielen jüngeren Menschen wie Bugs (Jessica Henwick), der Kapitänin des Schiffs Mnemosyne. Bugs ist überzeugt, dass Neo noch lebt und macht sich entgegen der Befehle von General Niobe (Jada Pinkett Smith) auf die Suche nach ihm. Doch wieso lebt der Auserwählte wieder? Und welche neue Bedrohung erwartet ihn?

Erzählstil

Sequels leiden unter einem Paradoxon: Sie müssen bekannte Muster fortführen, aber gleichzeitig auch genug Neues bieten, um interessant zu bleiben. Schon Shakespeare vermischte die seinerzeit beliebten Handlungen zu neuen Stoffen – Innovation entsteht meistens durch clevere Verbindungen aus verschiedenen Quellen. Der erste Matrix-Film von 1999 war (unter anderem) beeinflusst von den Cyberpunk-Romanen der 1980er-Jahre, asiatischer Ästhetik aus Animes und Hongkong-Kino sowie Auteur-Filmemacher*innen der 1960er- und 1970er-Jahre. Zusammen mit bahnbrechenden Effekten wie Bullet Time schufen die Wachowskis ein nie zuvor dagewesenes Werk, das nicht nur das Science Fiction-Genre, sondern Filme an sich nachhaltig prägte.

The Matrix Resurrections wurde vor allem durch das eigene Franchise beeinflusst. Die ursprüngliche Vision der Wachowskis steht jetzt für sich: Ähnlich wie bei Star Wars überschattet die Original-Trilogie alles. Ein schweres Erbe für die Schwestern, die häufig die Hollywood-Logik von Sequels und Reboots kritisiert haben. Daher macht die Regisseurin keinen Hehl aus ihrer Haltung und dreht die Nostalgiemaschine auf 200 Prozent. Immer wieder tauchen Szenen aus den ersten drei Filmen auf, werden teilweise gleichzeitig zur aktuellen Handlung gezeigt, Charaktere zitieren ironisch jene Dialogzeilen, die mittlerweile Meme-Status erreicht haben. Sogar die Maschinen sprechen von „Bullet Time“ in der Matrix.

Ob man diese ironische Distanz clever oder mühselig findet, muss man für sich entscheiden. Sie wird definitiv dick aufgetragen, Ambiguität wie im ersten Teil gibt es nur selten. Der Meta-Kommentar über Hollywood-Sequels reißt dabei die eigenen Vorgänger vom Sockel. Die Frustration der Wachowskis ist nachvollziehbar, denn die kapitalismuskritischen, antiautoritären, pro-LGBT-Themen des ersten Films wurden seither nicht nur zu einer lukrativen Marke umgewandelt, sondern auch von reaktionären Kräften gekapert, die die Message missverstanden haben und für ihre eigenen Revolutionsfantasien verwenden. So gilt etwa die rote Pille unter Verschwörungsgläubigen als Symbol des Widerstands. Lilly Wachowskis Reaktion auf diesen Missbrauch ihrer Vision lässt sich gut an beistehendem Tweet erkennen.

Es ist kein Zufall, dass Thomas Andersons Geschäftspartner gewisse Ähnlichkeiten mit Elon Musk hat. Dass Lana mit den selbstsatirischen Elementen ihres Drehbuchs solchen mystischen Überhöhungen der Matrix-Story entgegenwirken will, ist also verständlich. Allerdings beeinträchtigt sie damit auch die Unterhaltung derjenigen Zuschauer*innen, die die Message nicht mit dem Holzhammer serviert bekommen müssen.

Ein weiterer Aspekt der heutigen Gesellschaft, der in die Handlung von Resurrections eingearbeitet wurde: Soziale Medien. Ein Charakter erwähnt, dass die in der Matrix gefangenen Menschen unter dem Einfluss von Angst und Wut mehr Energie erzeugen als zuvor, weswegen es im Interesse der Maschinen ist, diese Emotionen zu schüren. Ein Verweis auf die Praxis von Facebook und anderer Medienunternehmen, mithilfe von Algorithmen die emotional aufwühlendsten Posts sichtbar zu machen, um die Aufmerksamkeit der User*innen zu binden. Ebenfalls nicht sehr subtil von Lana Wachowski, aber eventuell ist im Zeitalter von „alternativen Fakten“ Subtilität in Filmen fehl am Platz.

Gefühle spielen aber auch auf eine positive Weise eine wichtige Rolle in der Handlung. Lana Wachowski entschied sich für die Fortsetzung aus Liebe zu ihren Figuren. Diese Liebe trägt einen Großteil der zweiten Hälfte des Films, nämlich Neos Suche nach Trinity. Das ist weniger rührselig als es klingt: Im Gegenteil, es macht Neos Handlungsstrang viel intimer als die großen apokalyptischen Töne von Revolutions. Dennoch sammeln sich im Verlauf der Suche zahlreiche Actionsequenzen an, die eventuell auf das Konto des Filmstudios gehen. Schade, ein ruhigerer dritter Akt hätte die Liebesgeschichte besser in den Mittelpunkt gestellt.

Bei aller Kritik muss ein wichtiger Aspekt des Drehbuchs lobend erwähnt werden: Die Erfolge des vorigen Films werden nicht zunichte gemacht. Neos Opfer war nicht umsonst, der Frieden zwischen Menschen und Maschinen hält, die Bedrohung nimmt eine neue Form an. Zu leicht wäre es gewesen, den altbekannten Konflikt neu aufflammen zu lassen, dies hat Lana Wachowski zum Glück vermieden. Das hätte die Entwicklung von Neo ins Absurde geführt und trotz aller Ironie ist sich die Regisseurin bewusst, wie wichtig diese Geschichte im kulturellen Gedächtnis ist. Daher spielt die Macht von Erzählungen auch in Resurrections eine entscheidende Rolle: sowohl für die Menschen, die immer noch Legenden des Auserwählten überliefern, als auch für die Maschinen, die ihre Sklaven mit den richtigen Geschichten gefügig machen.

Inszenierung

Die Farbgebung der Matrix ist eine der auffälligsten Neuerungen. Wurde die ursprüngliche Iteration der Matrix durch Grün- und Blaufilter aufgenommen, so enthält die aktuelle Simulation viel mehr Sonnenlicht, natürliche Farben und buntere Landschaften. Diese neue Matrix ist umso perfider, als dass sie etwas darstellt, was die reale Welt längst nicht mehr hat: Freie Himmel, Sonne und Natur. Das Leben in der Illusion ist immer noch deprimierend für die gefangenen Menschen, aber zumindest haben sie keine dauerhaft grauen Regentage mehr?

Die Actionszenen sind im Gegensatz zu den langgezogenen CGI-Kämpfen in Reloaded und Revolutions hier kürzer, aber hektischer geschnitten. Während der erste Matrix-Teil in einem Duell zwischen Smith und Neo gipfelte, haben wir hier erneut große Massenszenen, in denen zahlreiche namenlose Statist*innen durch die Luft geschleudert werden. Leider wirken viele der computergenerierten Szenen billig, was angesichts des hohen Budgets erstaunlich ist. Animierte Personen, Aufprall- oder Explosionseffekte kommen teilweise altbacken rüber, sehen weniger beeindruckend aus als in vergleichbaren Filmen der letzten Jahre.

Musikalisch ist Resurrections zumindest in einer Hinsicht nah am Vorgänger: Es gibt eine Coverversion des Rage Against the Machine-Klassikers „Wake Up“, natürlich gespielt von der Homage-Band Brass Against. Hier existieren also gleich zwei Ebenen nostalgischer Verehrung.  Auch dieses Element fügt sich nahtlos in Wachowskis Hollywood-Kritik ein, denn die Verwendung unerwarteter Coverversionen beliebter Hits ist seit Jahren gängige Praxis für Blockbuster. Das Cover ist gut gemacht, erreicht aber nicht das Original.

Die zuvor erwähnten Querverweise auf frühere Filme sind teils als versteckte Easter Eggs vorhanden, meist aber sehr offensichtlich. Filmszenen springen dem Publikum buchstäblich ins Auge und werden sogar von den Charakteren kommentiert. Nach 18 Jahren sind bestimmte Szenen eine willkommene Gedächtnisstütze. Einige Nostalgietrips hätte sich der Film allerdings sparen können – sie wurden nur als Fanservice eingebaut.

Darsteller*innen

Keanu Reeves (Bill & Ted, John Wick) porträtiert einen gealterten, erschöpften Thomas Anderson, der mit seinem Leben unzufrieden ist und mit schizophrenen Phasen leben muss. Auch als Neo zweifelt er an seinem Erbe als Auserwählter. Reeves ist nicht mehr der junge Neo, aber auch nicht der abgebrühte Killer John Wick. Gerade in den Martial Arts-Szenen merkt man Reeves’ Alter, die Bewegungen sind nicht mehr so flüssig wie zuvor. Aber das fügt sich gut in seine Charakterentwicklung ein. Die physische Action überlässt er zunehmend jungen Hüpfern wie Bugs.

Carrie-Anne Moss (Memento, Jessica Jones) tritt erst im dritten Akt des Films so richtig auf den Plan. Da wächst sie aber über sich hinaus und zeigt einige Stunts, die noch genauso beeindruckend sind wie früher. Schade, dass das Drehbuch sie als Ziel von Neos Anstrengungen passiv im Hintergrund hält – ein potentieller fünfter Teil sollte ihr mehr Action gönnen.

Yahya Abdul-Mateen II (Aquaman) übernimmt die Rolle des Morpheus. Dessen Rückkehr wird in der Story erklärt, es ist aber dennoch schade, dass Laurence Fishburne nicht gefragt wurde. Morpheus und Neo sind ehemalige Weggefährten, beide von den Toten auferstanden, da hätte es echte Chemie zwischen den alternden Recken geben können. Nicht, dass Abdul-Mateen keine gute Figur abgeben würde. Im Gegenteil: Er tritt als hipper, cooler Morpheus auf den Plan, der wie von Wachowski beabsichtigt die Gravitas seiner alten Rolle parodiert.

Neil Patrick Harris (Starship Troopers, How I Met Your Mother) verkörpert den Therapeuten von Thomas Anderson. Einfühlsam und verständnisvoll versucht er, sich in die Gedankenwelt seines geplagten Patienten hineinzufinden. Zumindest will er diesen Anschein erwecken. Dass Harris vor allem durch Sitcoms bekannt ist, spielt in seine Rolle hinein – im Laufe der Handlung bekommt seine Figur einen komödiantischen Unterton. Das kann einige Zuschauer*innen irritieren angesichts der Bedeutung des Charakters. Doch das ist dem Drehbuch geschuldet, die Performance von Harris ist gewohnt gut.

Jessica Henwick (Game of Thrones, Iron Fist) spielt nach eigenen Angaben „die Augen des Publikums“. Bugs ist ein Superfan von Neo, die seine Lebensgeschichte besser kennt als er selbst und für ihn auch mal Befehle ignoriert. Zum Glück wird sie nicht auf den jugendlichen Sidekick reduziert, sondern ist eine selbstbewusste junge Offizierin, die ihre eigene Vision für die Zukunft der Menschheit hat. Zu leicht wäre es gewesen, sie als nerviges Fangirl darzustellen, daher hat Henwick alles richtig gemacht. Außerdem haben ihre blauen Haare wirklich Stil.

Jonathan Groff (Frozen, Hamilton) als Thomas Andersons Geschäftspartner, dessen Name hier nicht genannt wird, ist zwar nicht für Actionfilme bekannt, gibt aber eine gute Figur ab. Wie zuvor erwähnt, ähnelt sein Charakter Elon Musk und anderen männlichen Tech-Milliardären. Die aufgesetzt kumpelhafte Lässigkeit solcher Silicon Valley-Unternehmer wirkt nervtötend realistisch, bis Groffs Rolle sich radikal ändert. Beide Aspekte des Charakters verkörpert er glaubwürdig.

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Die harten Fakten:

  • Regie: Lana Wachowski
  • Drehbuch: Lana Wachowski, David Mitchell, Aleksandar Hemon
  • Darsteller*innen: Keanu Reeves, Carrie-Anne Moss, Yahya Abdul-Mateen II, Jessica Henwick, Neil Patrick Harris, Jonathan Groff etc.
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Englisch (Rezension)
  • Format: Kino, Streaming (HBO Max)
  • Preis: Übliche Kinoticketpreise

 

Bonus/Downloadcontent

Es gibt tatsächlich eine Post-Credits-Szene. Diese ist witzig, aber weitgehend irrelevant. Wer also dringend auf die Toilette gehen muss, braucht nicht den ganzen Abspann lang zu warten. Die Szene ist eher als Augenzwinkern der Regisseurin zu sehen.

Fazit

Wie muss man nach 18 Jahren Wartezeit die lang ersehnte Fortsetzung eines kulturell so signifikanten Films bewerten? Tatsächlich sind Fachleute und Fans zwiegespalten, negative Kritiken findet man ebenso häufig wie positive. Auf Rotten Tomatoes pendeln sich die Meinungen etwa bei 65 Prozent ein. Daran zeigt sich, wie schwierig es ist, The Matrix Resurrections einzuordnen. Ist die Nostalgietour eine clevere Dekonstruktion, plumpe Geldmacherei, subtile Medienkritik oder von allem ein bisschen? Sollten die Nebencharaktere eher im Hintergrund bleiben oder stärker in den Vordergrund treten? In den kommenden Wochen wird das Netz mit Diskussionen überlaufen.

Eins jedoch steht fest: Teil 4 der Saga ist der erste Matrix-Film für die Generation Z (1997-2012). Jene Generation von Heranwachsenden, die zu jung waren, um den ersten Film im Kino erlebt zu haben, deren Jugend aber dennoch aus zweiter Hand durch das Franchise geprägt wurde. Unzählige Zitate, YouTube-Clips, Memes und so weiter sind Teil des popkulturellen Sediments geworden und haben die Matrix-Reihe zu etwas größerem gemacht als nur eine Filmtrilogie. Jetzt haben die Jugendlichen ihren eigenen Matrix-Erweckungsmoment. Ob er genauso bedeutsam für sie wird wie einst Teil 1 für die Generation X (1965-1980) und die älteren Millennials (1981-1996), bleibt abzuwarten. Den Fans erster Stunde wird der halb ehrfürchtige, halb ironische Umgang mit den Anfängen nicht unbedingt gefallen, aber das ist zu erwarten.

Was kommt als nächstes? Sind die Wachowskis jetzt endgültig mit dem Franchise durch? Ist ein fünfter Teil in Planung? Eine Serie? Das offene Ende und die neue Situation zwischen Menschen und Maschinen würden Stoff für weitere Umsetzungen bieten. Doch das hängt von zwei Faktoren ab: Den Umsätzen an den Kinokassen und der Ablehnung der Wachowskis gegenüber der Sequel-Maschinerie Hollywoods. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es selbst für das Orakel zu früh, die Zukunft der Matrix vorhersagen zu können.

Wem der dekonstruktivistische Ansatz gefällt,
darf auf den schrägen Daumen („gut“) erhöhen.

  • Setzt die Matrix-Handlung mit interessanten Ideen fort
  • Sympathische neue Nebencharaktere
  • Gute Entwicklung der Hauptcharaktere
 

  • Zu viel Selbstironie und Pseudo-Nostalgie
  • Wenig innovative Action
  • Weniger Tiefgang als in vorigen Teilen

 

Artikelbilder: © Warner Bros
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Jessica Albert
Dieses Produkt wurde durch die Einnahmen von Patreon finanziert.

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