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Bei vielen dürften Strand und interessante Aktivitäten ganz oben auf der Liste für einen gelungenen Urlaub stehen. Glücklicherweise bietet das Bermudadreieck all das problemlos, wie wir in Spy Island sehen! Doch all die Urlaubenden werden für die Vielzahl an Spion*innen zum Ärgernis, speziell wenn sich die Meeresbewohner seltsam verhalten.

Was wäre, wenn ihr euren Urlaub im Bermudadreieck verbringen könntet? Würdet ihr wegen all der Gerüchte um Aliens, Geisterschiffe oder Seeungeheuer einen weiten Bogen darum schlagen oder gerade deswegen Interesse haben? In Spy Island – Ein Bermudadreiecksmysterium ist definitiv letztgenanntes der Fall! Außerdem ist die Gegend ein wahrer Hotspot für Spion*innen aller Art, welche die unterschiedlichen Mysterien untersuchen oder Gefahren im Zaum halten.

Warum diese Prämisse für eine seichte, aber dennoch spaßige Graphic Novel sorgt, klären wir in unserem Kurzcheck.

Handlung & Charaktere

Wenngleich Nora Freud wahrscheinlich die beste Spionin auf der namenlosen Insel im Bermudadreieck ist, definiert Unzufriedenheit ihr gegenwärtiges Leben. Trotz aller Geheimnisse, Ungeheuer und seltsamer Ereignisse hat die Tätigkeit den Reiz verloren. Gelangweilt von ihrem Job, dem stetigen Ansturm von Touristenmassen und den immer gleichen Feierlichkeiten scheint lediglich ihre Affäre mit einem britischen Spion etwas Abwechslung zu bieten.

Dieser gleiche Trott ändert sich jedoch, als die Angriffe des Meeresvolkes deutlich zunehmen. Innerhalb kürzester Zeit findet sich Nora in einer gefährlichen Situation, in deren Zentrum die Spionin und ihre Familie stehen.

Die Handlung von Spy Island spielt offensichtlich mit den verschiedensten Klischees zu Spionagegeschichten, Verschwörungstheorien und Übernatürlichem. Das Ergebnis ist eine Geschichte, die sich eindeutig selbst nicht ernst nimmt und ein Sammelsurium aus Absurditäten bietet. Viele von diesen werden nur kurz, beispielsweise in Andeutungen oder in Zeichnungen versteckt, erwähnt. Andere dagegen werden offenkundig in Szene gesetzt und anschließend ins Lächerliche geführt. So bedarf es keiner Fantasie, dass Noras britische Liebelei eine Parodie auf James Bond und dessen machohafte Darstellung in den Medien ist.

Obwohl dies zu einer überzeichneten Handlung mit stereotypisch oberflächlichen Charakteren führt, ist die Lektüre unterhaltsam. Bei aufmerksamer Betrachtung findet man im Humor viele satirische Elemente und Kritikpunkte an unserer heutigen Gesellschaft. Sei es die kommerzielle Ausschlachtung des Bermudadreiecks durch den Tourismus, die daraus folgenden Probleme für das Ökosystem, die Sensationsgier für Katastrophen oder die Sucht nach seichter Unterhaltung – viele Elemente der Graphic Novel greifen Themen der aktuellen Zeit auf. Ergänzt wird dies durch oftmals plump wirkende Wortwitze, die an einigen Stellen dennoch zum Schmunzeln verleiten.

Zeichenstil

Spy Island verlässt sich in seiner Hauptgeschichte auf einen klassisch amerikanischen Zeichenstil, der jedoch nicht zu viel Detailreichtum anstrebt. Mit Ausnahme von opulenten Szenen zur Eröffnung einer neuen Situation sind die Hintergründe simpel gehalten, um die Charaktere in den Fokus zu rücken. Der Großteil der Graphic Novel ist farbenfroh koloriert und kann dadurch sowohl die tropische Atmosphäre als auch die überdrehte Handlung stimmungsvoll einfangen.

Die Besonderheit ist die Art und Weise, wie das Worldbuilding durch Elemente wie Kapiteltrenner oder Dokumente innerhalb der Geschichte vorangetrieben wird. Diese orientieren sich an Prospekten, Zeitungsartikeln, Dokumenten oder Karten aus der realen Welt und nutzen Fotografien. Highlights sind dabei die Tourismusbroschüren, welche die besonderen Möglichkeiten der Insel vorstellen. Wer schon immer wissen wollte, welche Cocktails im Bermudadreieck angeboten werden, wo sich die besten Zeitanomalien verstecken oder wo man eine Nazi-U-Boot-Geisterbahn findet: Spy Island hat das entsprechende Infomaterial dafür. Schätzungsweise habe ich für das Aufstöbern all dieser liebevollen Details genauso viel Zeit aufgewendet, wie für die eigentliche Lektüre.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Splitter
  • Autor*in: Chelsea Cain
  • Zeichner*in(nen): Elise McCall, Lia Miternique, Rachelle Rosenberg
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 144
  • Preis: 22,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Spy Island – Ein Bermudadreiecksmysterium liefert eine Geschichte, die an ihren oberflächlichen Charakteren und Klischees zu zerplatzen droht. Das macht die Handlung zwar seicht, doch ist diese Übertreibung so bewusst und platziert gesetzt, dass die Graphic Novel dennoch eine unterhaltsame Lektüre bietet. Achtet man auf die Details all der angesprochenen Elemente, findet man eine Menge an satirischen Anspielungen zu Problemen unserer Zeit. Wer darauf keine Lust hat, kann sich jedoch auch an den doppeldeutigen Wortspielen oder der eigentlichen Abenteuerhandlung erfreuen.

Wenngleich die visuelle Gestaltung der Hauptgeschichte mit ihren starken Charakterzeichnungen und der farbenfrohen Kolorierung überzeugt, ist sie nicht der Star der Inszenierung. Das absolute Highlight sind die verschiedenen Dokumente wie fiktive Reisebroschüren zum Bermudadreieck, Zeitungsartikel oder Menükarten. Im Stil reeller Vorbilder gehalten und meist Fotografien nutzend gelingt es diesen Elementen, der Welt von Spy Island eine Menge Charme, Tiefgang und Humor zu verleihen. Solche klugen Abwechslungen im Bereich des visuellen Storytellings bei Graphic Novels sind in den letzten Jahren selten geworden.

Wenngleich Spy Island – Ein Bermudadreiecksmysterium aufgrund der seichten Handlung kein Klassiker wird, den man regelmäßig wieder auspacken möchte, sorgt es für eine humorvolle Leseerfahrung. In Verbindung mit der gebotenen lockeren Unterhaltung kann man bei einem Kauf nicht viel falsch machen.

  • Humorvolle Geschichte, die mit einer Vielzahl von Spionage- und Verschwörungsklischees spielt
  • Innovatives Worldbuilding durch Gestaltung von handlungsrelevanten Dokumenten wie Reisebroschüren
  • Farbenvolle und stimmige Inszenierung der Haupthandlung
 

  • Story ist aufgrund der Nutzung all der Klischees überaus seicht

Artikelbilder: © Splitter Verlag
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Katrin Holst
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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