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Erinnert man sich an die Schulzeit zurück, kommt einem vieles vor wie aus einem (schlechten) Film, ob nun Romanze oder Horror. Im Pen-and-Paper Monsterhearts, dessen deutschsprachige Version von System Matters publiziert wurde, treffen diese Genres aufeinander. Die Spielfiguren stecken im hormonellen Teenager-Chaos und sind zudem – nicht nur bildlich gesprochen – Monster.

Wenn sie in die Pubertät kommen, haben die meisten Menschen ihre Angst vor der Dunkelheit überwunden. Sie verbringen die mitternächtlichen Stunden mit endlosen Telefonaten, Tagebuchgekritzel und feuchten Träumen. Sie schlafen friedlich ein, sicher, dass in den Schatten keine Monster lauern.
Aber in den Schatten lauern sehr wohl Monster. Du weißt es, weil du eines von ihnen bist. Das Böse wohnt in deinem Herzen und der Hunger pulsiert in deinen Adern. Die High School ist ätzend und das Teenager-Drama nervt total, aber du hast Macht. Was wirst du als nächstes tun?

-Vorwort zur deutschen Ausgabe von Monsterhearts

Willkommen an der Highschool

Wer sich ein wenig mit Indie-Rollenspielen und Diversity im Rollenspiel auseinandergesetzt hat, für den ist die amerikanische Autorin Avery Alder keine Unbekannte. Mit Rollenspielen wie Ein ruhiges Jahr oder Der tiefe Wald nimmt sie sich wiederholt Themen aus dem Bereich der kulturellen, gesellschaftlichen und sexuellen Diversität an. Stets handelt es sich um Spiele mit einem starken Fokus auf Erzählung und Story, die zum Nachdenken und zur Selbstreflexion anregen.

Das Pen-and-Paper Monsterhearts ist keine Ausnahme. Hier mischen sich Highschool-Drama und Horrorfilm: Die Spielenden verkörpern verschiedene Arten von Monstern an einer ganz normalen Highschool. Dabei ist es ebenso wortwörtlich wie metaphorisch zu verstehen, wenn jemand ein Vampir, Werwolf oder eine Fee ist. Die erste und zweite Edition des englischsprachigen Regelwerkes erschienen 2012 und 2017. Nun hat der System Matters Verlag eine deutsche Version veröffentlicht. Die englische Ausgabe wurde von uns bereits 2014 rezensiert. Aufgrund einiger Entwicklungen verdient die deutsche Version allerdings eine eigene Rezension.

Die Spielwelt

Each time we have a quarrel
It almost breaks my heart
‘Cause I’m so afraid
That we will have to part
Each night I ask
The stars up above
Why must I be
A teenager in love?

-Dion & The Belmonts: „A Teenager in Love“

Die Spielwelt von Monsterhearts basiert zunächst einmal auf der Realität. Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist eine Highschool in einer fiktiven amerikanischen Stadt. Grundsätzlich ist es auch möglich, ein anderes Setting zu wählen, in dem verschiedene Menschen aufeinandertreffen. So könnten die Charaktere Kolleg*innen in einem Fast-Food-Restaurant oder Student*innen am College sein. Zu der Realität gesellen sich fantastische und mythologische Aspekte, wie sie aus Sagen, Erzählungen und Populärkultur bekannt sind. Eine übergeordnete komplexe Mythologie, wie in klassischen Fantasy-Pen-and-Papers, kommt nicht zum Tragen.

Wie die Spielwelt genau aussieht, kann entweder die SL festlegen oder gemeinsam vor Spielbeginn definiert werden. Dabei kann die SL den Prozess steuern, indem sie die Spielenden zunächst nach ihren groben Ideen und Wünschen für das Setting fragt und dieses dann weiter konkretisiert.

Dazu ein Beispiel:

SL: „Zunächst sollten wir uns einmal überlegen, ob wir heute oder in einem anderen Jahrzehnt, zum Beispiel den 1980er-Jahren, spielen wollen. Wenn wir heute spielen, werden wahrscheinlich soziale Medien und Smartphones wichtig sein.“

Die Spielenden einigen sich darauf, heutzutage zu spielen.

SL: „Okay, wir spielen in einer amerikanischen Kleinstadt. Habt ihr Ideen, wie die Stadt und die Gegend aussehen sollten?“

Die Spielenden äußern reihum ihre Wünsche. Stephan spielt Anders, eine Fae, und wünscht sich so etwas wie einen „verwunschenen Wald“. Sophias Charakter soll der Geist Lenore sein. Sie überlegt sich einen Ort, an dem sie vor langer Zeit zu Tode kam. Sebastian möchte Chayton, eine Hexe, genauer gesagt, einen Medizinmann vom Stamm der Blackfeet, spielen.

Nun stellt die SL einige detailliertere Fragen. Diese können und sollten provokant sein, um Ansätze für spätere Probleme zu geben:

„Stephan, warum hat deine Figur Probleme mit dem Leben im Reservat?“

„Wie sieht die Wirtschaft im Ort aus und warum ist diese problematisch für die Umwelt?“

„Welcher Sport ist an der Highschool populär – hat sie ein Maskottchen?“

„Gibt es einen Ort, an dem die Jugend der Stadt sich für Partys trifft?“

„Wo trifft man sich nach der Schule?“

Sukzessive wird somit die Spielwelt konkretisiert.

Am Ende steht folgendes Ergebnis: Ort des Spiels ist „Spring Creek“, eine Stadt mit circa 30.000 Einwohner*innen in den bewaldeten Ausläufern der Rocky Mountains. Das Leben im nahen Reservat der Native Americans ist von Armut und sozialer Ausgrenzung gezeichnet. Viele Einwohner*innen arbeiten in einer Chemiefabrik im Ort, die in der Vergangenheit negativ auffiel, weil sie Abwässer in den namensgebenden Spring Creek geleitet hat. Die Jugend erzählt sich Horror-Geschichten über Mutanten aus den Abwässern der Fabrik.

Ganzer Stolz der Highschool, deren Maskottchen ein goldener Biber ist, ist das Football-Team „Spring Creek Beavers“. Nach der Schule treffen sich viele junge Leute in der Mall, am Rande des Ortes. Doch wenn es eine richtige Party geben soll, geht es in die nahen Berge, wo ein verzweigtes Höhlensystem genügend Platz und Versteckmöglichkeiten für Intimität bietet. Dass hier bereits Menschen verunglückt oder spurlos verschwunden sind und wilde Tiere in den umliegenden Wäldern hausen sollen, steigert nur den Nervenkitzel.

Die Spielwelt gemeinsam zu entwerfen, nimmt einige Zeit in Anspruch und erfordert einiges an Einfallsreichtum und Kreativität. Mag dies auch nicht für alle einfach sein, so steigert eine gemeinsam entworfene Welt ungemein die Identifikation der Spielenden mit der Umgebung. Sie haben das Gefühl, tatsächlich Teil davon zu sein. Im Idealfall kann eine kleine Karte der Stadt mit den wichtigsten Orten gezeichnet werden. Ob man diese im späteren Verlauf anspielt oder nicht, ist eine Sache zufälliger Entwicklung.

Neben der Stadt selbst steht die Schule, genauer die Schulklasse der Figuren, im Mittelpunkt des Weltentwurfes. Auch diese wird gemeinsam ausgearbeitet. Dafür stellt die SL einen Sitzplan des Klassenzimmers zur Verfügung, auf dem 16 freie Tische eingezeichnet sind. Die meisten Klassen dürften größer sein, aber so behält man einen besseren Überblick. Die Spielenden entscheiden, wo sie sitzen und wer ihre Sitznachbarn sind. So wird der Grundstein für spätere Interaktionen und zwischenmenschliche Dynamiken gelegt.

Auch hier ist es an der SL, Fragen zu stellen, die Aufhänger für späteres Spiel schaffen: „Warum wird Carla von allen gehänselt?“, „Warum kannst du Greg, den Quarterback, nicht ausstehen?“, „Warum ist die Situation zwischen dir und Samantha so angespannt?“, „Jack kommt häufig zu spät – warum?“. Indem man die Namen und wichtigsten Eigenschaften der Figuren auf deren Plätzen notiert, füllt sich das Klassenzimmer Schritt für Schritt. Verbindungen zwischen den SC und NSC ergeben sich fast von allein. Wichtig beim Erstellen der Spielwelt ist vor allem, dass genügend Leerstellen bleiben, die die SL im Verlauf des Spiels nutzen und/oder füllen kann.

Image ist alles, und wehe, ein Ausrutscher passiert …

Im Anschluss kann das Spiel beginnen: Die SL wählt dabei eine markante Szene, zum Beispiel den Morgen im Klassenzimmer vor Unterrichtsbeginn, für einen Einstieg. Wer kommt als erstes? Wer rempelt wen versehentlich oder absichtlich an? Kommt ein*e Mitschüler*in nicht zum Unterricht und reagiert nicht auf Anrufe? Plant die beliebte und gefürchtete Samantha die fetteste Party des Jahres? Die SL sollte sich hier zu Beginn bereits einige flexible Ideen zurechtgelegt haben. Die Geschichte ist dabei nicht zu 100 % vordefiniert, sondern entsteht teils spontan.

Dies ist auch notwendig: In Monsterhearts stehen die SC im Mittelpunkt und nicht ein Abenteuer, das von – provokant formuliert – austauschbaren Held*innen gelöst werden muss. Es geht um persönliche Probleme, Konflikte und vor allem auch um Beziehungen und Romanzen. Es ist an der SL, die Story sukzessive aufzubauen, zu intensivieren und schließlich einem Höhepunkt zuzuführen. Die Figuren können sich beispielsweise nach einiger Zeit voller Konflikte, Intrigen, Liebeleien und Stress mit den Eltern zur Party in den Höhlen einfinden. Für Lenore, die hier gestorben ist, droht dies traumatisch zu werden. Letztlich offenbart sich die Party als blutmagisches Ritual der Antagonistin Samantha, die Jugendlichen stören mit ihrem Müll den wütenden Geist der Wälder auf oder die Werwölfe verteidigen ihr Terrain. Natürlich verlangt dies der SL – typisch für Erzählspiele – viel Einfallsreichtum und Spontaneität ab, umso intensiver ist potenziell das Spielerlebnis.

Die Prämisse von Monsterhearts mag sich zunächst wie trashiger Teenage-Horror aus Filmen wie I Was a Teenage Werewolf (USA, Gene Fowler Jr., 1957), Ginger Snaps (C, John Fawcett, 2000), Twilight (USA, Catherine Hardwicke, 2008) oder vielen anderen medialen Vorbildern anhören. Und das ist zum Teil auch richtig. Das Spiel geht jedoch über diesen Aspekt deutlich hinaus. Vor allem geht es um menschliche und zwischenmenschliche Probleme, das heißt, um Liebe, Hass, Sex, das Erwachsenwerden, das Finden der eigenen sexuellen Orientierung, Ausgrenzung und dergleichen.

Auch gesellschaftliche Thematiken wie Armut, Ausgrenzung oder Diskriminierung können eine Rolle spielen. Alder legt großen Wert auf die Betonung des Diversity- und Queerness-Aspekts und widmet dieser Thematik einen eigenen Abschnitt im Buch. Je nach Spielenden, SL und Stimmung am Spieltisch kann das Spiel also sehr ernst und intensiv oder auch zu trashig-witzigem Drama werden. In jedem Fall ist es wichtig, insbesondere von Seiten der SL, vor Beginn des Spiels eventuelle Tabus zu klären und auch währenddessen ein Auge auf das Wohlbefinden der Anwesenden zu haben. Das Spiel verweist dabei auf Mechanismen wie die X-Card oder das „Abblenden“ einer Szene, wenn diese nicht weiter ausgeführt werden muss (beispielsweise, wenn zwei Figuren miteinander schlafen).

Die Regeln

I’m a Demon
I’m a Witch Child
A Teenage Antichrist
I’m A Lost boy starring at you through diabolic eyes
It’s not the horns on my head
Not the tail on my back
It’s my turn on this world
That sends me right into hell

-Bloodsucking Zombies from Outer Space: „Teenage Antichrist“

Monsterhearts baut auf der Powered by the Apocalypse-Engine auf, die ursprünglich für Apocalypse World entwickelt wurde. Da wir die Regeln bereits an anderer Stelle ausführlich vorgestellt haben, werden nur kurz die Spezifika von Monsterhearts ausgeführt.

Spielenden und Spielleitung wird eine elementare Agenda an die Hand gegeben:

  • Gib den Hauptfiguren ein spannendes Leben.
  • Erzähle wilde Geschichten.
  • Folge den Regeln.
  • Sei aufrichtig.

Zentral soll das Spiel also auf einer interaktiven und überraschenden Narration aufbauen. Durch eine Gliederung in Szenen wird der cineastische Aspekt besonders betont.

Für die regeltechnische Umsetzung stehen den Charakteren verschiedene Spielzüge (im Englischen „Moves“) zur Verfügung:

  • „Heißmachen“, wenn man jemanden auf sexueller oder erotischer Ebene anmacht.
  • „Runtermachen“, wenn man jemanden einschüchtert oder bedroht.
  • „Cool bleiben“, wenn man die Fassung bewahrt oder sich nichts anmerken lässt.
  • „Austeilen“, wenn man jemandem physischen Schaden zufügt.
  • „Abhauen“, wenn man sich aus dem Staub macht oder zurückzieht.
  • „In den Abgrund blicken“, wenn man versucht, ein düsteres Geheimnis zu ergründen.
  • „An den Fäden ziehen“, wenn man seine Beziehungen zu jemandem spielen lässt.

Die sogenannten „Fäden“ sind dabei von besonderer Bedeutung. Sie verbildlichen die Verbindungen zwischen den Figuren, so zum Beispiel potenzielle Schuldverhältnisse, nützliches Wissen, den besonderen Eindruck, den man hinterlassen hat, und ähnliches. Wenn man sich diese zu Nutzen macht, erhält man einen Bonus auf den eigenen Würfelwurf.

Hinzu kommen die individuellen Spielzüge der jeweiligen „Masken“, also Charakterklassen (mehr dazu beim Charakterbau). So kann die Fae beispielsweise „hinter den Schleier blicken“ und somit eine Audienz bei einem Feen-Herrscher erhalten und diesen befragen. Die Hexe kann diverse Flüche wirken und somit einer Figur das Leben schwermachen. Der Vampir kann sich „nähren“ und dadurch positive Effekte für sich erwirken und so weiter.

Daneben verfügt jede Maske über einen individuellen „Sex-Spielzug“, der immer dann eintritt, wenn zwei Figuren miteinander schlafen. So entwickelt der Ghul immer, wenn er mit jemandem Sex hat, einen neuen Hunger, verfällt also weiter der Sucht. Die Queen dagegen holt jede Figur, mit der sie ins Bett steigt, in ihre Gang.

Um einen Spielzug auszuführen, würfelt man zwei W6 und addiert eines der vier Attribute Heiß, Kalt, Reizbar oder Düster zum Ergebnis. Ein Ergebnis von 10 oder höher ist gut. 7 bis 9 bedeutet einen Erfolg mit Komplikationen, alles Weitere ein Scheitern. Aktionen und Umwelteinflüsse können zudem „Zustände“ bedingen. Also bestimmte Befindlichkeiten der Figuren, die sich andere potenziell zunutze machen können.

Ein Beispiel:

Chayton hat schon seit einiger Zeit ein Auge auf Anders geworfen. Dieser ist jedoch mit Lenore zusammen. Das will Chayton ändern und versucht Anders zu einer gemeinsamen Wanderung zu bewegen. Es ist ihm gelungen, ein „magisches Unterpfand“, das heißt einen persönlichen Gegenstand von Anders, zu ergattern – ein hölzerner Ring, den dieser immer mit sich trägt. Für ihn als Hexe zählt dies als „Faden“.

Er geht in Richtung von Anders Tisch in der Cafeteria, lässt den Ring durch die Finger wandern und murmelt eine leise Beschwörung. „Hey Anders, ich habe da was gefunden, gehört das nicht dir?“ Anders will den Ring natürlich zurück – schließlich handelt es sich um ein Geschenk eines Feen-Herrschers. Er greift danach, doch Chayton schließt die Hand um den Ring. Anders berührt somit nur kurz und aus Versehen Chaytons Hand. Dieser lächelt: „Nicht so schnell, du bekommst ihn wieder, aber … ich habe dir doch von diesem Weg in den Bergen erzählt, den ich entdeckt habe. Hast du Bock?“ Er grinst verschwörerisch und ein wenig anzüglich.

Sebastian, Chaytons Spieler, führt nun den Spielzug „Heißmachen“ aus. Dafür würfelt er zwei W6: Das Ergebnis ist eine 6. Das würde nicht ausreichen. Aber nachdem er seinen Wert auf „Heiß“ und +1 durch das magische Unterpfand addiert, ist das Ergebnis 8. Der Wurf ist somit erfolgreich, aber nicht perfekt. Sebastian wählt als Reaktion „Ich schäme mich und verhalte mich dementsprechend unbeholfen.“ Anders stottert: „Äh … ähm ja okay“, schnappt sich endlich den Ring und läuft rot an. Der Ring vibriert leicht in seiner Hand, eine kaum merkliche Warnung: Hier war Magie im Spiel und sie gehörte nicht den Fae! Die SL gibt Anders hierfür den Zustand „übernatürliche Irritation“. Anders weiß, dass auf übernatürlicher Ebene etwas nicht stimmt. Diesen Zustand kann er loswerden, indem er der Sache auf den Grund geht.

Die Regeln von Monsterhearts sind vor allem auf die Interaktion der Figuren miteinander und mit NSC ausgelegt. Unabhängig von bloßen Werten und Regeln nimmt das Regelwerk die SL an die Hand, führt Schritt für Schritt durch die Vorbereitung und gibt Anregungen dazu, wie man das Spiel am besten interessant und abwechslungsreich gestaltet.

Charaktererschaffung

You know, I have puberty rights
And I have puberty wrongs
No one understood me
All my teeth were so long
And no one made me stop

-The Cramps – „I was a Teenage Werewolf“

Die Queen.

Die wichtigste Wahl bei der Charaktererschaffung in Monsterhearts ist die zwischen den verschiedenen Masken. Welches Monster man spielt, hat massive Auswirkungen auf den Spielverlauf:

  • Der Geist … wird oft übersehen und führt ein sehr einsames Leben. Traumatisiert von seinem Tod sucht er nicht nur sich selbst, sondern auch andere heim.
  • Die Hexe … sollte man nicht reizen. Sonst könnte man Opfer ihrer bösartigen Flüche oder Rituale werden.
  • Das Mimikry … weiß nicht so genau wer oder was es eigentlich ist. Künstlich erschaffen sucht es seine eigene Identität durch die Nachahmung anderer.
  • Die Queen … entweder du bist loyal zu ihr oder du bekommst Probleme. Sie kann vieles sein – Alien-Brutmutter, Kult-Anführerin oder einfach nur das Popular Girl.

Neben diesen Beispielen kann man auch zwischen Fae, Ghul, Geist, Sterblicher, Vampir, Verdammtem (also ein Paktierer) und Werwölfin wählen. Das Regelwerk verwendet bei der Benennung der Masken durchmischt die weibliche und männliche Form. Die Wahl des Charaktergeschlechts steht aber frei.

Für jede der Masken gibt es einen zweiseitigen Charakterbogen, auf dem man Stichpunkte notieren und Merkmale ankreuzen kann. Nachdem die Spielenden ihre Maske gewählt haben, wählen Sie ihre grundlegenden Merkmale, das heißt Name, Aussehen, Blick – also, was die Augen über die Figur verraten – und Herkunft. Jede Maske hat eine „Vorgeschichte“, die es ihr ermöglicht, Fäden zu den anderen SC zu knüpfen.

Hinter einem gewöhnlichen Äußeren lauert ein Dunkles Selbst.
Hinter einem gewöhnlichen Äußeren lauert ein Dunkles Selbst.

Zuvor sollte man natürlich die Spielwelt etabliert und alle SC kurz vorgestellt haben. Weiterhin wählt man zwischen zwei Attributs-Varianten, die den späteren Spielstil bestimmen. Will man also eher eine düstere Verführerin (Heiß 1, Kalt -1, Reizbar -1, Düster 2) oder eine aufbrausende und rachsüchtige Figur (Heiß -1, Kalt -1, Reizbar 2, Düster 1) spielen? Zuletzt stehen verschiedene Spielzüge zur Auswahl, die auf dem Masken-Bogen vermerkt sind.

Jede Maske hat zudem ein „Dunkles Selbst“, in das sie in Stress-Situationen verfallen kann, wenn es ihr nicht gelingt, cool zu bleiben. So wird der Werwolf zur wilden Bestie und die Hexe schmeißt mit besonders bösartigen Flüchen um sich. Diesem Dunklen Selbst wieder zu entkommen, ist nicht ganz einfach.

Alles in allem besteht die Charaktererschaffung in einem Auswahlprozess ohne diffiziles Punkte-Verteilen oder Werte-Berechnen. Im Laufe eines längeren Spiels erhalten die Figuren Erfahrungspunkte und können sich weiterentwickeln, zum Beispiel lassen sich Attribute verbessern oder neue Spielzüge wählen. Um die SC noch lebendiger zu gestalten, macht das Regelwerk den Vorschlag, sich zu überlegen, wer die Figur in einer Serie oder einem Film spielen würde, und so den cineastischen Aspekt weiter zu stärken. Zudem könnte man eine Ingame-Playlist mit Musik erstellen, die der Charakter tagtäglich hört.

Erscheinungsbild

I don’t get tired
I’m a 21st century vampire
21st century vampire
I guess I’m just meant to be sleepin’ all day
I don’t got no fucking life
I’m just a 21st century vampire

-Huddy – „21st Century Vampire“

Das Hardcover-Regelwerk hat ungefähr ein B6-Format, das heißt 17,5 x 24 cm. Der Schriftsatz ist angenehm groß, Beispiele sind farbig hervorgehoben. Das kleinteilige Inhaltverzeichnis ermöglicht eine optimale Orientierung, die von zwei Lesebändchen gestützt wird.

Das Design des Umschlags erinnert, passend zur Thematik, an ein Highschool-Jahrbuch. Die zahlreichen Illustrationen des Regelwerkes sind eine Mischung aus bearbeiteten Fotografien, Pastell- und Bleistiftzeichnungen. Dabei ist das gesamte Regelwerk in verschieden gedeckten Magenta-, Violett-, Grün- und Blautönen gehalten, die einen melancholisch-verträumten Eindruck vermitteln.

Allgemein hat die hochwertige und harmonische Gestaltung des Regelwerkes der englischen zweiten Edition somit einiges voraus. Zwar sind Illustrationen und Design nicht bombastisch oder enorm aufwändig, dies wäre der Thematik des Spiels aber auch wenig zuträglich. Alles in allem kann man die Erfahrung der Lektüre als sehr angenehm bezeichnen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: System Matters
  • Autor: Avery Alder 
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: B6 (17,5x24cm)
  • Seitenanzahl: 216
  • ISBN: 978-3-96378-087-5
  • Preis: 39,95 EUR (Hardcover), 24,99 EUR (PDF), 54,95 EUR (Bundle)
  • Bezugsquelle: Sphärenmeisters Spiele, idealo, System Matters Shop, Fachhandel

 

Bonus/Downloadcontent

The boys and girls in the clique
The awful names that they stick
You’re never gonna fit in much, kid
But if you’re troubled and hurt
What you got under your shirt
Will make them pay for the things that they did

-My Chemical Romance: „Teenagers“

Im Downloadbereich von System Matters sind Masken und Spielzüge (gegen Eingabe eines Passwortes) abrufbar. Auf der Website des amerikanischen Verlags Buried Without Ceremony sind weitere Spielmaterialien und weitere Masken zu finden, allerdings auf Englisch. Auf itch.io und drivethrurpg.com sind teils kostenpflichtige, teils kostenlose Zusatzunterlagen erhältlich. Hier finden sich neben zahlreichen Masken auch Szenario- und Abenteuervorschläge, größtenteils in englischer Sprache.

Fazit

I was a teenage teenager full of piss and vinegar
Living like a prisoner for haters
I was a teenage teenager, I am an alien visitor
My life’s a mess and school is just for suckers

-Green Day: „I was a Teenage Teenager“

Allen Liebhaber*innen von Erzählspielen und emotionalem, zwischenmenschlichen Rollenspiel kann man Monsterhearts wärmstens ans Herz legen. War das System bereits in der englischen Fassung sehr gut spielbar und ausgereift, so hat das deutsche Regelwerk in Sachen Gestaltung noch einmal deutliche Verbesserungen vorgenommen. Mag das Regelwerk die SL auch vor kreative Herausforderungen stellen, so wird sie doch wunderbar an die Hand genommen und angeleitet. Die simplen und intuitiven Regeln ermöglichen einen unkomplizierten Einstieg und stützen das auf soziale Interaktion ausgelegte System.

Der besondere Wert von Monsterhearts liegt aber vor allem in dem durchdachten Grundszenario. Die verschiedenen Masken spiegeln Probleme im gesellschaftlichen Zusammenleben und der sozialen Interaktion wider. Die Highschool eignet sich hier besonders gut, zum einen, weil hier die unterschiedlichsten Charaktere auf engem Raum aufeinandertreffen, zum anderen, weil es sich um ein Milieu mit hohem Identifikationspotential handelt, in das sich die meisten auf die ein oder andere Art hineinversetzen können. Überdies ist die Populärkultur so reich an Teenage-Dramen, mit oder ohne Horror, dass Inspiration schnell zu finden ist.

Die Masken mögen als Metaphern zwar nicht subtil sein, aber um Subtilität geht es in Monsterhearts auch nicht. Es geht um kochende Wut, überschäumende Liebe, herzzerreißende Trauer, Selbstfindung auf allen Ebenen und um das ganze restliche Chaos des Erwachsenwerdens, alles ein bisschen over the top und mit einer guten Prise Horror: eine perfekte Mischung.

 

  • Außergewöhnliches Setting
  • Übersichtliches Regelwerk und verständliche Regeln
  • Potenzial für interaktives, zwischenmenschliches Spiel
 

  • Potenziell herausfordernd für die SL

 

Artikelbilder: © System Matters Verlag/Buried Without Cermony
Layout und Satz: Verena Bach

Lektorat: Aimée Ziegler-Kraska 

Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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