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Das Tomb of Horrors. Gygax’ Meisterwerk. Der härteste Dungeon aller Zeiten. Der ultimative Test für alle am Spieltisch und sicheres Grab für ihre Charaktere. Wohl jede Spielleitung und jede*r Rollenspieler*in träumt davon, diesen Dungeon einmal zu meistern. Auf diesen Seiten erfährst du von den Heldentaten einer Gruppe, die dies versucht hat.

Das Tomb of Horrors von Gary Gygax höchstselbst genießt mittlerweile einen mindestens ebenso legendären Status im Rollenspielbereich wie sein mächtiger Erschaffer. Berühmt für sein Alter und berüchtigt für seine Fallen hat es schon unzählige nichts ahnende (aber auch gut vorbereitete) Gruppen auf dem nicht vorhandenen Gewissen. Das Tomb of Horrors überlebt (oder zumindest besucht) zu haben, ist ein Traum vieler im Hobby.

In einem Moment der Sehnsucht nach kurzen Modulen kamen meine erweiterte Spielrunde und ich auf die Idee, es mal mit kürzeren Abenteuern zu versuchen. Lange und epische Kampagnen sind immer noch toll und spannend, aber manchmal will man einfach nur ein paar Türen eintreten und die Monster dahinter verdreschen. Und dann kann und darf es auch mal das Original sein, das technisch gesehen älter als Dungeons & Dragons ist.

Schnell waren ein paar Wagemutige gefunden, die ihre Fertigkeiten und ihr Glück versuchen wollten. Wir einigten uns sehr schnell darauf, keine bereits existierenden Charaktere in diesem Modul zu verheizen, sondern gänzlich neue Charaktere für diesen Dungeon zu bauen – er hat seinen Ruf nicht unverdienterweise. Und einen Charakter nur für diesen Jux zu riskieren, will sich heute zu Recht niemand mehr antun.

Vorbereitung

Bevor wir uns an das eigentliche Spiel machen konnten, mussten natürlich Held*innen gebaut werden. Und da fingen die Schwierigkeiten schon an: Auf welchem Level kann man in das Tomb of Horrors einsteigen? Das Modul gibt leider keinerlei Hilfestellung oder gar Vorgaben, welches Level, welche Klassen und welcher Stand an Ausrüstung sinnvoll beziehungsweise notwendig für diesen Kerker wären. Während die Klasse noch am ehesten vernachlässigbar ist, ist das Ausmaß an mitnehmbarer Ausrüstung für die meisten von höchstem Interesse – sprich, sie wollen wissen, was sie alles mitnehmen dürfen (das Rausnehmen von Schätzen aus dem Dungeon ist dann der zweite interessante Punkt).

Schon der Eingang zum Tomb of Horrors ist wenig einladend.  © WotC

Nach einigem Hin und Her beschlossen wir dann, dass Level 10 für die Charaktere ein schönes Machtlevel mit vielen Optionen sein sollte. Leider habe ich bei der Ausrüstung erst mit einem Geldwert herumgeeiert, bis ich darauf gestoßen wurde, dass im Dungeon Master‘s Guide sowieso eine Tabelle mit „normaler“ Ausrüstung für die jeweiligen Level vorhanden ist. Damit ausgestattet ging es an die Wahl der Ausrüstung. Es sollte ein interessanter Mix werden …

Vier Held*innen sollt ihr sein! Oder: Ich packe meinen Rucksack

Hallo, mein Name ist Ferran. Aber das wisst ihr ziemlich sicher schon, wer hat von mir noch nicht gehört? Wann immer es gilt, die Ungerechtigkeit zu vertreiben oder die Welt zu retten, bin ich zur Stelle. Die Bösewichter werden meine Eisenfaust zu spüren bekommen! Den Anzug habe ich natürlich selber gebaut, und in der Früh schraube ich immer wieder dran herum. Ich bin mir aber sicher, ihr werdet im Laufe des Abenteuers überrascht sein, was in dem alles drinsteckt!

Nummer eins der Spielrunde war ein Vedalken aus der schönen Stadt Ravnica aus der Welt gleichen Namens und dem ebenso benannten Hintergrundband. Die Charakteridee war ein Forscher, der komplett einen auf Tony Stark machte und im Grunde eigentlich nur seinen mechanischen Anzug austesten wollte.

„Ich stelle vor: 20210530.

Die Seriennummer meiner Einheit lautet 20210530. Biologische und nicht-biologische Einheiten, von denen ich regelmäßig Input erhalte, bezeichnen mich meist als „Robopala“.

Erbaut wurde ich in einem fernen Land namens Khorvaire, welches in einer gänzlich anderen Welt existiert. Wie ich in diese Welt kam, weiß ich nicht. Meine Bestimmung war die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in besetzten Gebieten während des Krieges. Danach wurde ich deaktiviert. Als ich wieder reaktiviert wurde, war ich plötzlich in dieser mir unbekannten anderen Welt mit gänzlich anderer Topographie, Flora, Fauna sowie Sternen. Die einzige Einheit, die ich wiedererkannte, war V.

V kenne ich noch aus der Zeit der Kriege in Khorvaire. Sie erfüllte ihre Pflichten zur Zufriedenheit der Befehlshaber*innen und wir begegneten uns von Zeit zu Zeit, wenn ein zuvor von ihren Kamerad*innen befriedetes Gebiet einen Hüter von Recht und Ordnung benötigte.

Auch wenn ich meine ursprüngliche Bestimmung nicht mehr ausüben kann, so diene ich weiterhin dem Recht und der Ordnung, indem ich gemeinsam mit V durch die Lande ziehe, um dem Guten zu dienen.“

Zwei der Mitstreiter*innen kannten sich bereits vor der Spielrunde und hatten beschlossen, dass dies ebenso für ihre Charaktere gelten sollte. Ich bin zwar mit dem Hintergrund der Welt von Eberron nicht vertraut, aber die Idee, eine Gruppe mit stark mechanisierten Eisenleuten zu haben, klang interessant. Nur allzu schnell sollten sie herausfinden, dass auch Roboter Schmerzen empfinden können.

Eine obligate Heilerin ergänzte die Truppe. Die Spielrunde fürchtete nicht ganz zu Unrecht, dass das Tomb of Horrors sehr herausfordernd werden könnte und wollte deswegen alle Aspekte einer ausgewogenen Party so gut es geht abdecken. Als ob es ihnen nützen würde …

Mitglied Nummer vier war ein Halbling-Schurke. Klassisch, kompakt, universell für jedes Schloss zu gebrauchen. Der Feind jeder verschlossenen Dungeontür und Falle.

Erster Abend – die Ankunft und Zeitverschwendungslabyrinthe

Wir begannen den ersten Spielabend mit ein wenig Hintergrund und einer Informationsflut, die sich über die Charaktere ergoss. Zwar hat das Tomb of Horrors einen historischen Hintergrund, aber viel mehr als „Da sind Schätze! Holt sie euch!“ erfahren die Held*innen zu Beginn nicht. Die Motivation, einen potenziell tödlichen Dungeon zu betreten, ist also eher dürftig beziehungsweise langweilig. Ich beschloss daher, dem Rat von Youtuber Seth Skorkowsky zu folgen und sie auf eine klassische Rettungsmission zu schicken. Der lokale Prinz war mit dem magischen Schwert des Königs in Richtung Dungeon aufgebrochen, um endlich seinen Wert zu beweisen.

Nun war er schon mehrere Wochen nicht mehr gesehen worden und der König machte sich allmählich Sorgen, sein liebstes Gut nicht mehr wieder zu sehen. Die Held*innen wurden beauftragt, das wertvolle Stück wieder zu beschaffen, wenn nötig, mit dem Sohn dran. Sie brachen auf, fanden den verwirrten und nackten Sohn ohne das Schwert und mussten sich damit herumschlagen, was sie mit einem verwirrten NSC in der Wildnis anstellen sollten. Ja, den Sohn zum Auslösen von Fallen mitzunehmen, war eine der diskutierten Optionen.

Sie einigten sich dann darauf, ihn beim letzten Gasthaus abzugeben. Immerhin kannten die Wirtsleute ihn noch. Diese Szenen vor dem eigentlichen Dungeon hatten keine tiefere Bedeutung, außer die Beteiligten auf den Dungeon einzustimmen (abgesehen davon kann man sich Paul Bettany immer ansehen).

Das Tomb of Horrors wurde schließlich erreicht, und sie hatten die Wahl zwischen drei Eingängen. Ich ersparte allen am Tisch die sinnlose Würfelei, um die Eingänge zu finden – entweder würde ich es vom Zufall abhängig machen, welchen Weg sie gehen müssen, oder sie würden nacheinander eh alle Eingänge finden. In jedem Fall war es einfacher, ihnen die unterschiedlichen Eingänge zu präsentieren und sie sich selbst in ihrer Wahl quälen zu lassen.

Die Einführung des Sohnes hatte zur Folge, dass die Held*innen das ganze Spiel über erwarteten, irgendwo endlich ein Schwert zu finden. Damit habe ich leider eine Erwartungshaltung geschürt, die nicht befriedigend aufgelöst wurde und deshalb leicht zu Frust hätte führen können. In einem neuen Durchgang würde ich das wahrscheinlich anders handhaben.

Die Fähigkeit zu fliegen half gegen die Fallen. Am Anfang … © WotC

Zu meinem großen Bedauern haben die Charaktere die meisten guten Fallen recht sicher umschifft – die erste ikonische Falle, die Teufelsfratze mit der Sphäre der Vernichtung, wurde von ihnen gar nicht erst entdeckt, weil sie dem Mittelgang nicht weit genug gefolgt sind. Sehr schade, aber sie hätten aufgrund ihrer Vorsicht wahrscheinlich eh keine Gliedmaßen verloren. Zumindest nicht sehr viele.

Ein für die Beteiligten sehr frustrierender und für mich als Spielleitung sehr erheiternder Moment war das als „Zeitverschwendungsdungeon“ titulierte Minilabyrinth hinter dem ersten Gargoyle. Ferran, zwischen schwirrenden Armbrustbolzen nach vorne eilend, knackte eine Tür nach der anderen – nur, um hinter der letzten Tür nackte Wand zu finden und die ganze Strecke wieder zurücklaufen zu müssen.

In einem normalen Dungeon wären mir die anderen spätestens jetzt auf die Barrikaden gegangen. Da allerdings alle wussten, worauf man sich hier eingelassen hatte, war die Stimmung zwischen Verzweiflung und Belustigung eher fließend. Wir waren uns jedenfalls einig, dass es ein „Loldungeon“ wäre, den man einem heutigen Publikum unter normalen Umständen einfach nicht zumuten mag. Für manche war es dafür umso amüsanter, ihren armen Kamerad*innen beim Bewältigen der Gefahren zuzusehen.

Die Held*innen dringen in das Tomb of Horrors vor. © Johannes Haslhofer

Die Charaktere drangen weiter in den Dungeon vor (nicht ohne eine Teleportation und zeitweilige Geschlechtsumwandlung des Robopalas) und wir beendeten den Abend mit der Ankunft der Held*innen im Tempel des absolut Bösen. Der Abend war zwar klar auf das Lösen der Aufgaben fokussiert, es kam aber doch immer wieder zu Rollenspiel innerhalb der Gruppe, was ich sehr schön fand.

Zweiter Abend – der Tempel des absolut Bösen (TM)

Der zweite Spielabend: Zeit, die Gefahren ein bisschen zu intensivieren. Hatten die Charaktere die Fallgruben und Speerfallen des ersten Abends noch mit Bravour (und Spinnenstiefeln) gemeistert, war es nun endlich an der Zeit, die wirklich gemeinen Begegnungen auszupacken: Truhen ohne Schätze darin!

Gary Gygax muss, wenn er selbst vielleicht kein Troll gewesen ist, doch zumindest einen Sinn für die Gedankenwelt eines Trolls gehabt haben. Zumindest drängt sich diese Vermutung bei der schieren Anzahl der „Ätsch, reingelegt!“-Pfade auf, die sich vor den Spieler*innen auftaten. Mir als Spielleitung taten die Beteiligten fast schon ein wenig Leid (aber nur fast), als sie brav den Dungeon erkunden wollten und sich immer wieder vergegenwärtigen mussten, dass sie gerade Teil eines nicht sehr komischen Scherzes waren.

Immerhin waren sie so tapfer, offensichtliche Fallen wie eine Tür, hinter der sie die Geräusche einer Feier hörten, einfach links liegen zu lassen und wieder umzudrehen. Dazu gehört Standhaftigkeit und dafür muss ich heute noch den Spieler*innen Respekt zollen (dahinter war die Todeswippe, die in einen glühenden Ofen geführt hätte).

Die mitgebrachten Fertigkeiten der Held*innen, wie Spinnenstiefel und die Fähigkeit zu fliegen, waren immer wieder mal nett, aber nicht spielentscheidend. Es gab ihnen aber ein Gefühl der Sicherheit und Kontrollierbarkeit, was man in diesem Dungeon unbedingt vermeiden möchte.

Dungeonkarte

Wer wissen möchte wie weit sie nach dem zweiten Abend kamen klickt hier.

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Dritter Abend – das Finale

Nach all den überstandenen Fallen der ersten beiden Abende war es schließlich an der Zeit, den Dungeon abzuschließen – mit zwei Charaktertoden. Nach all den überwundenen Hindernissen waren es schlussendlich der klassische rollende Felsen und zwei verpatzte Tests aufs Davonlaufen, die zwei Charaktere an der Wand zerreiben sollte. Schade, aber genau dafür hatten alle ja Ersatzcharaktere.

Die letzten Räume boten noch ein wenig Raum für Paranoia und Erkundung, bis sie schließlich zu Acererak vordrangen – und ich gleich einen Bock schoss, als ich übersah, dass er eigentlich gegen nichtmagische Waffen sowieso immun und gegen magische Waffen resistent wäre. Da ich dies nicht mit einkalkuliert hatte, war er ein wenig leichter für die Charaktere zu besiegen, beziehungsweise überhaupt überwindbar geworden. Es war zwar ein harter Kampf, die Gruppe jedoch war gegen Ende hin unzufrieden, dass der Endboss ein wenig heruntergespielt war. Schade.

Dungeonkarte

Wer wissen möchte wie weit sie nach dem letzten Abend kamen klickt hier.

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Drei Spielabende, zwei tote Charaktere, ein Haufen Schätze und jede Menge Spaß. © WotC

Fazit

Warum tut man sich einen Dungeon wie das Tomb of Horrors eigentlich an? Neugier, wie man in den späten Siebzigern gespielt hat? Die Lust, auch mal ein klassisches Abenteuer zu spielen?

Für mich lautete der Grund Desensibilisierung. Als Spielleiter habe ich das Problem, zu oft helfend für die Spieler*innen einzugreifen und ihnen nicht das notwendige Maximum an Hindernissen entgegenzuwerfen. Während einerseits einige Leute genau deswegen gerne bei mir spielen, wollte ich endlich mal wieder Charaktere sterben lassen, nur um zu sehen, dass es möglich ist und die Welt deswegen nicht untergeht. Und das gelang auch, obwohl dies wahrscheinlich deswegen war, weil alle am Tisch wussten, dass es sich um Wegwerfcharaktere handelt.

Für mich und die Spielgruppe war dieser Dungeon ein Mordsspaß. Man sollte aber wissen, worauf man sich einlässt. Er ist, wie eine Spielerin es ausdrückte, ein „dreckiger Loldungeon“. Er ist nichts, was man unter normalen Umständen seinen Spieler*innen vorsetzt, und davor warnen auch alle Ratgeber zu diesem Modul. Mit der richtigen Runde und der passenden Motivation verspricht er jedenfalls viel Spaß für alle Beteiligten.

Wer ihn auch einmal probieren möchte, dem kann man nur viel Spaß im Tomb of Horrors wüschen!

 

 

Artikelbilder: © Titelbild von Andizobe
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Maximilian Düngen

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