Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Auf dem Weg zur Beerdigung seines Vaters stürzt Marquis’ Flugzeug in einen Sturm ab. Er erwacht auf dem Dachboden eines verschrobenen, alten Ehepaares, das vorgibt, ihn gesundzupflegen. Doch wo ist seine Familie? Warum darf er sein Zimmer nicht verlassen und: Warum fertigt die Alte eine Puppe nach seinem Ebenbild?

Spell erscheint am 16. September als Download und ist ab dem 23. September als Blu-ray, DVD und Video on Demand verfügbar. Der Horrorfilm stammt aus der Feder des Drehbuchautors Kurt Wimmer (Equilibrium, Salt, Total Recall). Regisseur Mark Tonderai führte bereits bei Horrorfilmen wie Hush oder House at the End of the Street Regie, wirkte aber vor allem an Serien wie Lucifer, Gotham, Doctor Who oder Locke & Key mit. Die 91 Minuten des Filmes stehen ganz im Zeichen des „Hoodoo“, einer magischen und rituellen Praxis, die vor allem in der afroamerikanischen Bevölkerung der US-amerikanischen Südstaaten verbreitet ist. Spell ist ein Horrorfilm voll düsterer Zeremonien, ritueller Opferungen und erschreckender Geheimnisse.

Story

Zusammen mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Sohn fliegt Marquis Woods in einem kleinen Privatflugzeug in das Appalachen-Gebirge im US-Bundesstaat Kentucky. Der erfolgreiche Anwalt will dort die Beerdigung seines Vaters besuchen, zu dem er seit seiner Kindheit keinen Kontakt mehr hatte. Wie man aus wirren Rückblenden und Alpträumen erfährt, scheint es sich um eine traumatische Beziehung gehandelt zu haben, die er weitestgehend verdrängt hat. Kaum ist die Familie in der ländlichen Region angekommen, sieht er sich mit seiner Vergangenheit konfrontiert: Eine Tankstelle verkauft diverse Talismane und Zutaten für Rituale des Hoodoo, der in seiner Kindheit scheinbar eine Rolle spielte. Bereits hier kündigt sich an, dass Volksglauben, okkulte Rituale und Magie große Bedeutung im weiteren Verlauf der Handlung haben werden.

Bevor sie ihr Ziel erreichen können, gerät das Flugzeug in einen Sturm und stürzt ab. Marquis wird von seiner Frau und seinen Kindern getrennt und erwacht in einem Bett auf einem Dachboden. Sein Fuß ist scheinbar verletzt, so dass ihm jeder Schritt Schmerzen verursacht. Seine Gastgeber sind Ms. Eloise und deren Ehemann Earl, zwei alte Afroamerikaner, die – zusammen mit dem stummen Hünen Lewis – einen abgelegenen Hof bewohnen. Ms. Eloise, so behauptet das äußerst eigenwillige Paar, sei ein „Rootworker“, also eine Art „Kräuterhexe“, die ihn mit ihrem Hoodoo-Zauber rasch heilen könne. Doch Marquis wird immer klarer, dass die Absichten der beiden nicht freundlich sind: Weder darf er sein Zimmer verlassen, noch erfährt er wo seine Familie ist. Dass Ms. Eloise einen Boogity, also eine Figur in seinem Zimmer platziert, die ihm ähnelt und die sie unter Verwendung seiner Haut und seines Blutes hergestellt hat, trägt nicht zu seiner Beruhigung bei. Mehr und mehr verdichten sich die Hinweise, dass das Paar einen grausamen Plan verfolgt. Auf seiner Suche nach einem Ausweg erfährt Marquis mehr und mehr über die finsteren Geheimnisse der Alten und über ein furchtbares Ritual, dass unter dem nächsten Blutmond stattfinden soll. Um dies zu verhindern, muss er bis an sein Äußerstes gehen.

Mit dem Hoodoo-Glauben greift Spell ein Motiv auf, dass viel Nährstoff für einen Horrorfilm bietet: Blutmagie, Tieropfer und okkulte Talismane. Diese Motive stehen im Film in einem deutlichen Gegensatz zum modernen städtischen Leben, dem sich Marquis nach seiner scheinbar traumatischen Kindheit zugewandt hat.

Das Grundprinzip des Filmes ist also nichts Neues: Eine Gruppe Menschen verlässt einen Raum der Kultur, Zivilisation und Ordnung und betritt einen Raum der Natur, der Magie und des Chaos. Jedes Mal, wenn die altbekannte Gruppe High-School-Kids ein Wochenende in einer abgelegenen Hütte verbringt und dort von mörderischen Hinterwäldlern heimgesucht wird, passiert im Prinzip nichts anderes. Dass die Woods zudem in die Appalachen reisen, die als Inbegriff des amerikanischen Hinterlandes gelten, ist sicherlich kein Zufall. Auch bekannte Horror-Filme wie Wrong Turn, The Descent oder The Blair Witch Project wählten diesen Schauplatz.

Spell greift also auf ein bewährtes Prinzip zurück und versucht, es mit der Originalität des Hoodoo-Stoffes zu individualisieren. Im Gegensatz zu oft und gerne verwendeten Voodoo-Motiven, ist dieser Volksglaube weniger bekannt und verspricht das Eintauchen in eine obskure und düstere Folklore. Leider kann der Film zwar das Interesse des neugierigen Horror-Fans wecken, befriedigt dieses allerdings nicht abschließend. Die Rituale und Geheimnisse des alten Paares bleiben letzten Endes oberflächlich und die Motive austauschbar. So ist der Boogity, den Ms. Eloise herstellt letzten Endes wenig mehr als eine etwas aufwändigere Voodoo-Puppe. Dass es sich um Hoodoo handelt, ist im Rahmen der Handlung nahezu egal, solange Blut und andere Körpersäfte fließen können. Die Story des Films ist somit zwar weit davon entfernt, schlecht oder uninteressant zu sein, aber eben auch nicht besonders markant oder originell.

Das Geheimnis der Alten

Wie Marquis anhand einer Fotografie aus dem Jahr 1860 feststellt, ist das Paar schon deutlich älter, als normale Menschen. Mit einem Ritual wollen sie die Lebenskraft ihres Gefangenen stehlen, um ihr eigenes Leben zu verlängern. Leider versäumt es der Film, die Vergangenheit des Paares weiter auszuschmücken und der Geschichte somit mehr Hintergrund und Tiefe zu verleihen.

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Darsteller*innen

Von den Darsteller*innen des Filmes ist Loretta Devine hervorzuheben, vor allem bekannt als Adele Webber aus der Serie Grey’s Anatomy. Devine verkörpert die großmütterliche Hoodoo-Zauberin Ms. Eloise sehr gelungen. Stets verschmitzt vor sich hin summend, ist sie keine klassische bösartige Hexengestalt. Gerade durch diesen Gegensatz zwischen überschwänglich-fröhlichem Auftreten und bösartig-okkultem Agieren, trägt sie essenziell zur Atmosphäre des Filmes bei.

Omari Hardwick als Protagonist Marquis spielt ebenso glaubhaft. Indes ist seine Rolle als taffer Macho mit Vatertrauma weder sonderlich komplex, noch erfährt sie im Laufe der Narration besondere Tiefe. Gleiches gilt für die weiteren Rollen, beispielsweise Marquis’ Familie. Der gesamte Cast gibt eine überzeugende Leistung ab, während die Charaktere stets in Stereotypen verbleiben.

Inszenierung

Statt auf subtile Töne oder Andeutungen setzt Spell auf überdeutliche Inszenierung. So ist beispielsweise der städtische Ausgangsraum der Familie in kalten und bläulichen Farbtönen gehalten, während der ländliche Bereich durch einen warmen Filter und gelbes Licht auffällt. Die Opposition zwischen städtischem Kultur- und ländlichem Naturraum wird somit besonders deutlich hervorgehoben.

Der Soundtrack des Filmes ist eher unauffällig. Die Verwendung von „I put a Spell on You“ von Screaming Jay Hawkins, einem Song, den man aus unzähligen ähnlichen Szenarien kennt, ist wenig originell. Essenziell tragen einige Folk- beziehungsweise Gospel-Stücke zur Stimmung bei, die vom Cast gesungen werden.

Leider schafft es der Film nicht, allein durch seine Inszenierung eine dichte Atmosphäre oder mitreißende Spannung aufzubauen. Zwar ist Spell zu keiner Stelle langweilig, besonderes Grusel- oder Horror-Feeling kommt allerdings auch nicht auf. Stattdessen setzt man auf Ekel- und Schockeffekte, die wenig zur Handlung beitragen und sukzessive zum Selbstzweck werden.

Ekel-Effekte – Achtung: drastisch

Werden Tiere zeremoniell geopfert und deren Körperteile als Ritualgegenstände verwendet, so ist dies im Rahmen der Handlung nachvollziehbar. Dass Marquis einen Eintopf verspeist, in dem er Teile der Hand seines Sohnes findet und diesen anschließend wieder erbricht, addiert einen Kannibalismus-Aspekt, dessen Notwendigkeit zweifelhaft ist. Vor allem ein Beispiel wirkt geradezu absurd: Die Alten haben Marquis, während dieser bewusstlos war, einen circa zwanzig Zentimeter langen Zimmermannsnagel in den Fuß getrieben, um seine Bewegungsfähigkeit einzuschränken. Um den Hof erkunden zu können, zieht Marquis den Nagel unter Qualen heraus, wobei aus der Wunde Blut und Eiter austreten. Damit seine Peiniger nichts bemerken, treibt er den Nagel anschließend mit Gewalt wieder in seinen Fuß, nur um ihn wenig später wieder herauszuziehen. Dies ist im besten Falle einfallslos.

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Eher ungeschickt wirkt es zudem, dass die Hoodoo-Magie im Film sehr deutlich gezeigt wird: Ms. Eloise verfügt ohne Zweifel über magische Kräfte, die sie plakativ einsetzt. Auf das narrative Potenzial der Ungewissheit und der Vorstellungskraft des Publikums verzichtet der Film somit zugunsten expliziter und drastischer Visualisierung.

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Erzählstil

Bis auf gelegentliche Alpträume oder Visionen, in denen Marquis in seine traumatische Kindheit zurückversetzt wird, erzählt Spell durchgehend chronologisch und folgt dabei stets dem Protagonisten. Schade ist es, dass die Vergangenheit des Protagonisten nur sehr vage angedeutet wird und hier allzu viele Fragen offenbleiben. Welchen Bezug hat Marquis zu Hoodoo? Was hat sein Vater ihm angetan? Die Rückblenden bleiben so austauschbar und nichtssagend, dass man hieraus nur wenige und unbefriedigende Schlüsse ziehen kann.

Vor allem gegen Ende des Filmes verläuft die Handlung zunehmend sprunghaft. Ebenso wie die Handlungsorte, wechseln auch die Positionen der Charaktere, sodass regelrechte Handlungslücken in der eigentlich simplen Erzählung entstehen. Das Verhalten einiger Charaktere bleibt zudem unerklärbar.

Seltsames Charakterverhalten

So wirkt es beispielsweise zweifelhaft, dass sich die komplette Gemeinde, die dem abschließenden Ritual beiwohnt, allein von Marquis einschüchtern lässt, der mit nicht mehr als einem alten Messer bewaffnet ist. Keiner der Beteiligten, die zuvor durchaus als treue Gemeinde inszeniert wurden, tut irgendetwas, um das Scheitern des Rituals zu verhindern. Ebenso verlässt Ms. Eloise fluchtartig den Raum, anstatt ihre zuvor gezeigten magischen Kräfte einzusetzen. Dies lässt zwar Raum für eine rührende Wiedersehensszene zwischen Marquis und seiner Familie, widerspricht aber dermaßen der Logik der dargestellten Welt, dass es die Zuschauer*innen vor allem irritiert.

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Erscheinungsbild/Umfang

Die Blu-ray-Fassung beinhaltet außer dem Trailer zum Film kein Bonusmaterial. Der Film liegt in englischem Originalton und guter deutscher Synchronisation vor. Wer den Film auf Englisch sehen will, wird aufgrund des starken Slangs des alten Ehepaares unter Umständen auf Untertitel angewiesen sein.

Die harten Fakten:

  • Regie: Mark Tonderai
  • Drehbuch: Kurt Wimmer
  • Darsteller*innen: Omari Hardwick, Loretta Devine, John Beasley, Lorraine Burroughs, Hannah Gonera, Kalif Burton
  • Erscheinungsjahr: 2020 (USA), 2021 (Deutschland)
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Format: DVD & Bluray
  • Preis: DVD 12,09 EUR, Blu-ray 14,19 EUR, Digitales Kaufen 11,99-13,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon (als Datenträger und digital), idealo

 

Fazit

Mit dem Hoodoo hat Spell eine vielseitige Grundprämisse, auf deren Basis sich ein spannender und individueller Folk-Horror entwerfen ließe. Es ist diese grundlegende Thematik, die das Interesse an der Handlung aufrechterhält. Die tatsächliche Umsetzung bleibt eher uninspiriert: Die Mythologie des Filmes ist, ebenso wie die Charaktere, oberflächlich und die Handlung wird ohne besondere Raffinesse erzählt. Statt auf gekonnte Inszenierung setzt Spell auf abgedroschene Ekel-Effekte. Vor allem gegen Ende irritieren Handlungslücken in der per se simplen Erzählung.

Neben dem grundlegend spannenden Ansatz kann vor allem das gute Schauspiel von Loretta Devine dem Film einiges Leben einhauchen. Kommt auch kein Grusel-Gefühl auf, so vermag Spell doch letzten Endes zu unterhalten. Er reiht sich somit neben viele andere sehr durchschnittliche Horror-Filme ein, die ihr Potenzial verschenken.

  • Interessante Grundprämisse
  • Solides bis gutes Schauspiel
  • Unterhaltsame Story
 

  • Oberflächliche Umsetzung der Grundidee
  • Ekeleffekte statt dichter Atmosphäre
  • Handlungslücken

 

Artikelbilder: © Paramount Home Entertainment 
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Maximilian Düngen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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