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Rollenspielwille, aber nur zwei Personen haben Zeit? Das muss nicht mehr heißen, dass der Spielabend abgesagt wird. ZweiKopfDämon ist ein Erzählspiel für zwei Spielende, die abwechselnd als Spielleitung und Charakter fungieren – beziehungsweise als fieser Dämon und als eine Person, die diesem entfliehen muss.

Es ist November 2021, der zweite Coronawinter in Deutschland steht bevor. Auch diesen Advent werden wohl die meisten von uns sozial isoliert allein oder im engsten Hausgenoss*innenkreis verbringen. Größere Rollenspielrunden, sofern sie nicht online stattfinden, verbieten sich aus Infektionsschutzgründen. In dieser Zeit kommt ein Erzählrollenspiel für zwei Personen gerade recht. ZweiKopfDämon aus dem Ein-Mann-Verlag vonallmenspiele verspricht ein kurzweiliges Rollenspielerlebnis, bei dem sich zwei Spielende in der Rolle der Spielleitung abwechseln.

Die Spielwelt

ZweiKopfDämon spielt, wenig überraschend, in einer dämonischen Fantasiewelt. Wie die Protagonist*innen dort gelandet sind, kann variiert werden. Es war wohl doch keine so geniale Idee der Geschwister, die alte Beschwörungsformel aus Uromas Mottenkiste auszuprobieren. Vielleicht sind aber auch zwei Freund*innen beim Spaziergang durch ein Portal zwischen den Welten gestolpert oder es haben gar zwei Wildfremde im Kuriositätenladen gleichzeitig nach derselben verfluchten Affenfaust gegriffen. Wie auch immer es dazu kam: Beide stehen nun im Bann eines zweiköpfigen Dämons, der aber gerade so viel Macht hat, einen der beiden Charaktere vollständig zu kontrollieren, während der andere die Möglichkeit hat, einen Weg zurück in die reale Welt zu finden und sich dem Einfluss des Dämons zu entziehen. Regelmäßig wechselt, wer gerade die Kontrolle hat und damit auch, wer den gemeinsamen Körper des einzigen aktiven Charakters steuert, und wer vom Dämon unterdrückt dessen Willen ausführt und damit SL und NSC spielt.

Zweikopfdämon © vonallmenspiele
Zweikopfdämon © vonallmenspiele

Die Spielwelt ist in höchstem Maße variabel. Soll heißen: Es gibt überhaupt keine Vorgaben dazu im Regelwerk, außer „Eurer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt“. Je nach Genre und Schwierigkeitsstufe kann das Setting ernst und gruselig oder eher lustig sein. Es wird aber empfohlen, sich für den maximalen Spielspaß nicht allzu ernst zu nehmen. Wichtig ist nur, dass die Spielwelt logisch und stimmig ist – doch dafür zu sorgen, wird ebenfalls den Spielenden überlassen. Im Anhang finden sich einige Beispielsettings, die eher im klassischen Fantasybereich angesiedelt sind, es geht aber auch jedes andere Genre. Für unser Testspiel haben wir uns (unter dem Einfluss kürzlich gesehener Netflix-Filme) eine moderne Großstadt voller Zombies ausgesucht.

Wie die Welt auch gestaltet sein mag, es sollten darin immer vier wichtige Orte beschrieben werden, an denen sich die Handlung vollzieht und wichtige Hinweise gefunden werden können. „Ort“ ist dabei im weitesten Sinne gemeint – es kann so spezifisch wie die Damentoilette einer lokalen Kaschemme und so weitgefasst wie der nordwestliche Kontinent eines Planeten sein. Wichtig ist, dass jeder Ort eine Bevölkerung und einen „Boss“ hat, einen wichtigen NSC, der in irgendeiner Form etwas zu sagen hat und dem Charakter entweder als Gegner oder als Helfer entgegentreten kann. Die Bosse werden mit einer der vier aristotelischen Persönlichkeitstypen charakterisiert: Als Sanguiniker*in, Phlegmatiker*in, Choleriker*in oder Melancholiker*in. Diese Anhaltspunkte helfen den Spielenden, Ort und dazugehörige NSC in ihre Geschichte einzupassen.

Die Regeln

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei ZweiKopfDämon um ein Erzählrollenspiel, es wird also viel Wert auf narrative Elemente und weniger auf Würfeln und Mathe gelegt. Dennoch gibt es ein paar Regeln. Das Spiel gliedert sich in eine vorher abgesprochene Anzahl von Runden, die in sich formal den gleichen Ablauf haben. Je nachdem, wie lang das Spiel gehen soll, gibt es vier bis zehn Runden. Durch das Ziehen von Spielkarten wird zu Spielbeginn und am Ende jeder Runde festgelegt, welche Partei in der folgenden Runde den einzigen Charakter steuert und welche als Dämon und damit als Spielleitung agiert.

Zweikopfdämon © vonallmenspiele
Zweikopfdämon © vonallmenspiele

Jede Runde beinhaltet mindestens zwei Proben, die normalerweise mit einem W6 gewürfelt werden. Die Ergebnisse 1 und 2 zählen dabei als Misserfolg, 3 und 4 als Teilerfolg, also Erfolg mit einer negativen Nebenkonsequenz, und 5 und 6 als voller Erfolg. Unter bestimmten Umständen – wenn das favorisierte Attribut des Charakters für die Probe verwendet wird, oder wenn der*die Spieler*in zwei so genannte Machtpunkte ausgibt (die etwa durch Misserfolge gewonnen werden) – werden stattdessen 2W6 beziehungsweise 3W6 gewürfelt. Zudem kann es während der Runde auch zu sogenannten Konflikten kommen, also etwa einem Kampf, einer Debatte oder einer ähnlichen Konfrontation mit einem Boss oder einer Gruppe von NSC, wobei der Charakter und der Dämon (also die Spielleitung) gegeneinander würfeln. Der Charakter hat dabei einen, zwei oder drei Würfel, wie gehabt, der Dämon zwei. Jeder Erfolg gilt hierbei als Treffer, Teil- und Misserfolge zählen nicht. NSC halten zwei Treffer aus, die Charaktere jeweils acht – dabei macht es keinen Unterschied, ob sie diese in Form von verbalen Schmähungen, physischen Wunden oder irgendeiner anderen Form der Niederlage erleiden.

Am Ende der Runde steht jeweils ein Cliffhanger, den die Spielleitung dramatisch beschreiben soll, dann wird die Karte für die nächste Runde aufgedeckt – was besonders spannend ist, da die Person, die bis eben den Dämon gesteuert hat, nun vielleicht in die Gestalt des Charakters schlüpfen muss, den sie selbst in die Bredouille gebracht hat. Der Rundenablauf ist nicht allzu kompliziert, beim ersten Spielen muss man ein paarmal hin- und herblättern (bzw. -scrollen), bevor man ihn sich gemerkt hat, aber dann prägt es sich ein. Zur Unterstützung des Gedächtnisses gibt es als Anhang im Buch ein hilfreiches Flowchart, das den Rundenablauf noch einmal verdeutlicht.

Charaktererschaffung

Ähnlich wie die Regeln im Allgemeinen ist auch die Charaktererschaffung in ZweiKopfDämon denkbar einfach. Beide Spielenden überlegen sich jeweils einen Namen und Konzept für einen eigenen Charakter, auch wenn sie während des Spiels in der Dämonenwelt denselben Körper steuern. Darüber hinaus hat jeder Charakter vier Attribute, die hier „Charakterstärken“ genannt werden: Körperkraft, Geschicklichkeit, Intelligenz und Sozialkompetenz. Eines davon darf jede*r Spieler*in als favorisierte Eigenschaft wählen: bei Proben mit dieser hat der aktive Charakter später zwei statt nur einem Würfel. Die favorisierte Charakterstärke darf nicht bei beiden Charakteren dieselbe sein.

Spielbarkeit

Da beide Parteien sowohl Spieler*in wie Spielleitung sind, habe ich die Spielbarkeits-Unterkategorien hier zusammengelegt. Der stete Rollentausch kann ein wenig verwirrend sein und führt zu häufigerem Nachlesen: Wer von uns muss nun diese Szene beschreiben? Davon abgesehen machte es aber Spaß, vom in der Dämonenwelt gefangenen Charakter, der entkommen möchte, immer wieder zum fiesen Dämon zu werden, der diesen quält.

Spielbericht

Zweikopfdämon © vonallmenspiele
Zweikopfdämon © vonallmenspiele

Spontan kreativ sein ist gar nicht so leicht! Davon einmal abgesehen, konnten mein Partner und ich das lose Regelwerk von ZweiKopfDämon nach anfänglichem Grübeln recht schnell dafür nutzen, unsere eigene Zombie-Apokalypsen-Geschichte zu erzählen. Wir wählten sechs Runden – also drei für jede Seite – und einen Dämon der mittleren Gefährlichkeitsstufe für unser erstes Abenteuer. Wir einigten uns damit auf einen Dämon, der agiert wie eine Katze mit einer Maus: er will seine Beute zwar tot sehen, aber vorher noch spielen. Als Spielmodus wählten wir „semi-kompetitiv“ also ebenfalls die mittlere Stufe. Damit ist quasi festgelegt, dass nur ein Charakter das Spiel überleben wird. Die Stimmung war gesetzt.

Trotz gut gemischter Karten ergab es sich, dass nach jeder Runde ein Rollenwechsel stattfand, wir also abwechselnd als Spieler*in und SL drankamen. Unsere Charaktere – zwei Studentinnen, die ein verfluchtes Zombie-Rollenspielbuch geöffnet hatten – hatten die Stärken Geschick und Sozialkompetenz. Von der Fahrt im zombieverseuchten Bus im Stau (und ohne Fahrschein) bis zum Besuch einer Spielemesse für Untote mussten sich beide immer wieder aus brenzligen Situationen herausreden oder diesen hakenschlagend entfliehen – je nach Vorliebe. Da die meisten Situationen durch Erzählung und Würfelwurf erledigt werden und die Erzählanteile zudem durch den vorgeschriebenen Rundenablauf festgelegt sind, entstand wenig Konfliktpotenzial zwischen uns beiden.

Am Ende schaffte es ein Charakter gerade so aus der Dämonenwelt heraus – nach circa zweieinhalb Stunden. Bei besserer Kenntnis der Regeln wäre es sicher auch in kürzerer Zeit zu schaffen, jedoch besteht dann die Möglichkeit, über mehr Runden zu spielen und die Handlung komplexer zu gestalten. Positiv aufgefallen ist, dass sich die Handlung immer wieder unerwartet weiterentwickelte, obwohl man nach den Regeln zwangsweise „mit offenen Karten“ spielt, also sich anfangs über Ereignisse und Orte abspricht. Etwas mehr Spannung könnte sicherlich bei besserer Kenntnis des Systems entstehen.

Unser gewähltes Genre ließe sich wohl am besten als „Horror-Komödie“ beschreiben. Vielleicht liegt es an unseren Persönlichkeiten, aber die dramatischen Beschreibungen und regelmäßigen Cliffhanger, die das Regelwerk vorsieht, sowie der häufige Rollenwechsel führten zu einem eher komödiantischen als gruseligen Erlebnis. Das soll allerdings nicht als Nachteil gewertet werden. Im Gegenteil: Ein Rollenspiel als kurzweiliger Spaß für zwei? Das hat Seltenheitswert. Und es kann sicher auch einmal den Frust klein halten, wenn andere Mitglieder einer größeren Rollenspielrunde abgesagt haben und nur noch zwei Spielwillige übrig sind.

Erscheinungsbild/Schreibstil

Das Regelwerk zu ZweiKopfDämon ist nur 66 Seiten lang und spärlich bebildert. Allein der namensgebende zweiköpfige Dämon erscheint mehrfach als angemessen furchterregende Gestalt. Der Text ist, bis auf die Überschrift, gut lesbar und in passender Schriftgröße gehalten.

Der Schreibstil ist leider teilweise etwas konfus, was das Verständnis der Regeln beim ersten Lesen schwieriger macht, als es sein müsste: Während manche offensichtlichen Regeln an mehreren Stellen unnötig wiederholt werden, sind andere Details nur angedeutet und müssen aus dem Kontext erschlossen werden.

Die harten Fakten:

  • Verlag: vonallmenspiele
  • Autor*in(nen): Benjamin von Allmen
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Print, PDF
  • Seitenanzahl: 66
  • ISBN: 978-3-347-40992-6
  • Preis: 7,40 EUR (PDF), 27,70 EUR (Hardcover)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, DriveThruRPG, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Webseite http://www.vonallmenspiele.ch/ bietet der Verlag Bonusmaterial zu Zweikopfdämon zum Download an. Darunter das sogenannte „Weltenblatt“, das als Charakterblatt für beide Spielenden und als Hilfe bei der Weltbeschreibung fungiert, das Übersichtsblatt für den Rundenablauf und mehrere Geschichtsideen.

Fazit

Allein zu zweit zu Hause rollenspielen – für nicht wenige Fans des Hobbys eine reizvolle Vorstellung. ZweiKopfDämon bietet diese Möglichkeit mit einem kreativen, narrativen Erzählmodell, in dem beide Parteien abwechselnd Spieler*in und Spielleitung sind. Dabei muss der jeweilige Charakter aus der Fantasiewelt eines fiesen Dämons entfliehen, der ihm möglichst viele Steine in den Weg legt.

Die Spielwelt ist dabei sehr frei zu gestalten, der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt, was das Spiel wiederholungstauglich macht. Auch die Schwierigkeitsstufe und damit die Düsternis des Ambientes lassen sich individuell anpassen. In jedem Fall lässt es sich in zwei bis drei Stunden locker durchspielen und ist damit ein kurzweiliger Spaß für dunkle Nachmittage oder Abende.

An einen festen Rundenablauf gebunden, ist das Regelwerk kurz und leicht zu verstehen, wenn der Schreibstil auch bisweilen konfus ist. Für gerade mal 66 Seiten lohnt es sich eher nicht, die fast 30 Euro für die Hardcover-Version auszugeben, zumal das Artwork zwar allgemein ansprechend, aber nicht übermäßig künstlerisch wertvoll ist. Das PDF lohnt sich jedoch auf jeden Fall für spontane Erzählrunden, entweder zu Hause mit dem Lieblingsmenschen oder über einen beliebigen Internet Messenger, bei dem der Bildschirm geteilt werden kann.

  • Spiel für zwei
  • Einfache Regeln
  • Kurzweilig
 

  • Konfuser Schreibstil

 

Artikelbilder : © vonallmenspiele
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Rick Davids
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

2 Kommentare

  1. „Eurer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt“ – es sei denn, ihr habt keinen Bock darauf bis zur Absurdität gegenderte Texte zu lesen.

    Kontrollfrage: warum heißt es eigentlich „fieser Dämon“ statt „fiese*r Dämon*in“ oder „Dämonende“? Wohl doch noch mindestens ein „sexistisches“ Klischee im Kopf festgetackert, oder?

    • Hallo Marc,

      gut, dass du fragst! Der Dämon in diesem Rollenspiel scheint tatsächlich männlich zu sein, aber du kannst ihn natürlich auch zu einer Dämonin machen, wenn du möchtest! Für die Spielmechanik ist das in diesem Fall unerheblich.

      Alles Gute!

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