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Schicksal, Vorhersehung, Ratschläge: Das Kartenlegen ist eine alte Kunst, um Bedeutung im Chaos zu finden. In Aventurien wird diese Kunst mit den Inrah-Karten praktiziert – darüber hinaus verwendet man sie für das Glücksspiel Boltan. Das Kartendeck ist kürzlich von Ulisses Spiele neu aufgelegt worden.

Für Das Schwarze Auge ist dieses Inrah-Kartenset die zweite Auflage. Wurde die erste Version von 2010 noch von Caryad illustriert, hat die Neuauflage Katharina Niko gestaltet – doch das ist noch nicht der einzige Unterschied.

Die Inrah-Karten werden in Aventurien schon seit einigen Jahrhunderten für Wahrsagerei, Prophezeiungen und als Boltan-Spiel genutzt. Da Magie, Götter und Schicksal in Aventurien durchaus existent sind, haben auch Prophezeiungen deutlich mehr Gewicht als in unserer Welt. In vielen verschiedenen Abenteuern hatten die Karten daher schon Auftritte, um den Held*innen Spielhinweise zu geben oder als stimmungsvoller Hintergrund zu dienen.

Das aktuelle Set ist keine simple Neuauflage, sondern eine eigenständige Version.  

Inhalt

Das Inrah-Deck enthält 142 Karten, die sich in Zahlenkarten, Hofkarten und Symbolkarten unterteilen.

Die Zahlenkarten entsprechen den aventurischen Elementen.

Die 42 Zahlenkarten stellen die sechs aventurischen Elemente Eis, Erz, Feuer, Humus, Wasser und Luft dar. In ihrer Bedeutung repräsentieren sie in erster Linie Prinzipien und seltener Personen.

Die elementaren Hofkarten, von denen es 30 gibt, stellen Persönlichkeiten dar und werden häufig mit aventurischen Personen assoziiert. Im Gegensatz zu den Zahlenkarten ist die Bedeutung der Hofkarten oft deutlicher zu interpretieren.

Die 49 Symbolkarten entsprechen dem Hohen Arkana in einem irdischen Tarot und stehen sowohl für Prinzipien als auch für Personen. Im Wesentlichen sind die Karten und die dahinterstehenden Prinzipien den aventurischen Gottheiten zugeordnet.

Die Interpretation der Symbolkarten ist oft einfach, wenn auch nicht immer eindeutig.
Die schwarzmagische Bedeutung ist offensichtlich.

Ein wesentlicher Unterschied zu der ersten Version der Inrah-Karten ist das sogenannte Transysilische Deck. Diese 21 Karten stellen die dämonischen Widersacher der Zwölfgötter und weitere Prinzipien dar, die im post-borbaradanischen Schwarztobrien verehrt werden. Somit können die geneigte Spielleitung oder Spieler*innen die Karten der Zwölfgötter durch die der Erzdämonen ersetzen und das Deck in einer Kampagne in Schwarztobrien verwenden.

Das Begleitheft des Decks erklärt die Bedeutungen der Karten, wobei auch auf die vier verschiedenen Legefiguren eingegangen wird. Diese sind unterschiedlich komplex und entsprechen aventurischen Techniken der Weissagung. Wie auch in irdischen Tarotdecks werden jeder Karte drei bis fünf Prinzipien zugeordnet, die dann zusammengesetzt während einer Legung die Weissagung ergeben.

Da die Inrah-Karten schon recht lange in Aventurien eine Rolle spielen, ist das eigentliche Set für interessierte Mitspielende eine sinnvolle Ergänzung. Beispielsweise könnte so der*die Spieler*in einer Phexgeweihten im Spiel mit Hilfe der Karten den Willen ihrer Gottheit zu ergründen versuchen. Leider fehlen im Begleitheft die Boltan-Regeln, um am Spieltisch oder im Larp eine Partie des aventurischen Pokers zu spielen. In der ersten Version waren die Boltan-Regeln noch enthalten.

Wie man als Spielleitung die Karten in das Regelsystem von Aventurien integrieren kann, ist in der Regelerweiterung Aventurische Meisterschaften erklärt, welche separat zu erwerben ist.

Erscheinungsbild

Die Illustrationen sind wohl das auffälligste Merkmal dieses Kartensets. Während die erste Version von Caryad gestaltet wurde, wurden die Karten der aktuellen Version von Katharina Niko gestaltet: Ihr unverkennbarer Aquarell-Stil ist schon in einigen Bänden der Vademecum-Reihe zu bewundern. Die Farbauswahl wurde jeweils passend zum Thema der Karte gewählt. So ist die Karte „Ehre“, die mit Rondra assoziiert wird, in Rot-, Orange- und Blautönen gehalten, die transysilische Karte „Raserei“ dagegen, die Rondras erzdämonischem Widersacher gewidmet ist, in schwarz und rot gestaltet. Caryad zeichnete die erste Version noch mit klaren Linien; dagegen lässt der Aquarellstil der zweiten Edition die Illustrationen weicher und lebendiger erscheinen.

Während die Unterschiede in der Farbauswahl und dem Zeichenstil Geschmackssache sind, ist die qualitative Verbesserung des Kartenmaterials unbestreitbar. Die neue Edition ist auf einer Pappe mit Leinenprägung gedruckt, welche man bei Lichteinfall sehen und mit den Fingern fühlen kann. Die Pappe ist dünner als bei regulären Spielkarten, was die Karten leichter mischen lässt und die Gefahr verringert, dass sie nach einem Malheur zusammenkleben. Weiterhin sind sie kleiner als die der ersten Edition, was die Handhabung erleichtert.

Der Kleidungs- und Rüstungsstil der abgebildeten Personen wirkt insgesamt weniger eurozentrisch. Viele Figuren tragen Gewänder, die mehr an tulamidische oder fantastischere Welten erinnern als an das Mittelreich, dessen Modestil schon immer eng an den des europäischen Mittelalters angelehnt war.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ulisses Spiele
  • Illustrationen: Verena Biskup, Katharina Niko, Wiebke Scholz, Lars Weiler
  • Autor*in(nen): Johannes Kaub
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: gedrucktes Spielkartenset
  • Preis: 29,95 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Sphärenmeister

 

Fazit

Die Inrah-Karten sind eine großartige Ergänzung von Das Schwarze Auge und können am Spieltisch als passende Requisiten für Wahrsagungen und Prophezeiungen dienen. Die Illustrationen sind durchweg hervorragend und erzeugen mit Charakteren aus vielen unterschiedlichen Völkern den Eindruck eines neuen, fantastischeren Aventuriens.

Die Kartenmotive brechen mit den eurozentrischen Stereotypen, die viele Jahrzehnte die Darstellung Aventuriens beherrscht haben. Gerade dieser Punkt ist den Illustrator*innen und Redakteur*innen hoch anzurechnen. Das Set aus „schwarzen“ Karten für die Borbarad-Anhänger ist eine gute Idee und fügt Aventurien eine weitere interessante Facette hinzu.

Leider ist der Inhalt des Begleithefts zu knapp geraten und das Fehlen der Boltan-Regeln fällt negativ auf. Ein paar Seiten mehr hätten dem Beiheft nicht geschadet. Auch ist es verwunderlich, dass passend zu einem neuen Inrah-Set kein Begleitband mit Abenteuer- und Kampagnenideen erschienen ist, da sonst jeder Quellenband auch einen passenden Abenteuerband erhält.

Der Preis für das Kartendeck ist im Verhältnis zur Qualität der Illustrationen und des Materials angemessen. Rundherum ist das Inrah-Kartenset eine gelungene, wenn auch ausbaufähige, Ergänzung von Das Schwarze Auge

 

  • Hervorragende Gestaltung
  • Diverse Motivauswahl
  • Alternative Karten für Borbarad-Anhänger
 

  • Keine Boltan-Regeln
  • Beiheft mit wenig Inhalt

 

Artikelbilder: © Ulisses Spiele
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Alexa Kasparek
Die PDF-Version wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
Die Druck-Version wurde privat finanziert.

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