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Der amerikanische Traum – welche Bedeutung hat er noch in einem gespaltenen Amerika? Der neue Captain-America-Comic stellt sich dieser Frage und führt haufenweise neue Captains ein: einen schwulen Jugendlichen, einen amerikanischen Ureinwohner, eine junge Studierende … kann dabei noch ein guter Comic herauskommen?

Die letzte Captain-America-Serie endete leicht enttäuschend. Die Handlung war nicht nachvollziehbar und der Erzählstil zu zerstückelt. Als Überbrückung, bis Cap wieder eine eigene Serie bekommt, erscheint ein One-Shot in fünf Kapiteln der auf Englisch den Titel The United States of Captain America trägt, was auf Deutsch eher schlecht als recht mit Captain America – Gemeinsam Vereint übersetzt wird. Sam Wilson trägt hier wieder sein Captain-America-Kostüm und auch John Walker taucht auf. Die Querbezüge auf Falcon and the Winter Soldier sollten klar sein. Dieser Comic stellt sich wie auch die Disney+ Serie die Frage, was es ausmacht ein Captain America zu sein. Und passend dazu werden auch etliche neue Figuren eingeführt, die sich diesen Namen geben. Doch können junge Studierende und Ausreißer ohne Superkräfte in die großen Fußstapfen treten oder braucht es mehr als einen Schild und die amerikanische Flagge?

Captain America – Gemeinsam Vereint

Der Schild von Steve Rogers soll in einem Museum ausgestellt werden. Doch während Steve noch darüber philosophiert, erscheint ein Einbrecher und stiehlt ihm sein mächtigstes Artefakt. Noch dazu trägt der Einbrecher das alte Kostüm von Amerikas repräsentativsten Helden. Um dem Geheimnis hinter dem Dieb auf die Schliche zu kommen, machen sich Steve und Sam Wilson gemeinsam auf die Jagd nach dem blitzschnellen Schurken. Dabei treffen sie auf ein ganzes Netzwerk von Vigilanten, welche in Cap-Cosplays den Menschen in ihrem Umfeld zur Hilfe eilen.

Der Grundaufbau der Geschichte ist simpel: In jedem der fünf Kapitel wird eine neue Figur eingeführt, die sich als kleiner Held ohne Superkräfte erweist, welche aber das Herz am richtigen Fleck hat. Gemeinsam kommen sie den wahren Drahtziehern ein wenig näher und am Ende kommt das gesamte Captain-America-Netzwerk zusammen und verprügelt die Schurken. Dazu erzählt jedes Kapitel zusätzlich noch den Hintergrund der neu eingeführten Figur.

Jede neue Figur wird feinfühlig vorgestellt und insgesamt wird ein breites diverses Spektrum an Charakteren abgedeckt. Letztendlich ähneln sich diese Figuren aber sehr: Jede erlebt eine persönliche Diskriminierung oder Ungerechtigkeit und entscheidet sich, selbst aktiv zu werden und dagegen vorzugehen. Das Bild des Captain America dient dabei als Vorbild und Orientierungshilfe, was gut und richtig ist. Leider bleibt aber keiner dieser Charaktere wirklich in Erinnerung und sticht irgendwie aus der Masse heraus.

Kann jede*r Captain America sein?

Die Aussage des Bandes sollte klar sein: Alle, die das Herz am rechten Fleck haben und den Mut, sich gegen Ungerechtigkeit zu wehren, können Captain America sein. Egal, ob sie sich um Obdachlose, arme Studenten oder traumatisierte Soldaten kümmern. Die Schurken selbst bleiben dabei flach und haben im Sinn, Caps Namen in den Dreck zu ziehen und dabei möglichst viel Hass zu verbreiten. Wie kann man gegen so eine wohlwollende Aussage irgendetwas auszusetzen haben?

Der Comic riskiert außer ein paar aggressiven Besetzungen, wie einer schwulen Figur im Hosenträgeranzug und Nasenring, nicht viel. Dabei bleibt leider auch die Spannung auf der Strecke. Grautöne oder eine ambivalente Betrachtung von Vigilantismus muss man hier mit der Lupe suchen. Dabei ist der Comic gut erzählt. Das Timing sitzt und die Zeichnungen können sich sehen lassen. Die Vielzahl an Zeichnern ist dabei ähnlich divers, wie die dargestellten Figuren. Auch das Kostümdesign der unterschiedlichen Figuren gefällt. Wobei man sich fragen muss, ob es geschmackvoll ist, die traditionelle Kleidung der amerikanischen Ureinwohner mit Elementen der amerikanischen Flagge zu verbinden. Letztendlich habe ich mich gut unterhalten gefühlt, den Comic zu lesen, doch ein Band, der lange in Erinnerung bleiben wird, ist dies nicht.

© Panini Comics

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor*innen: Christopher Cantwell, Josh Trujillo, Mohale Mashigo
  • Zeichner*innen: Dale Eaglesham, Jan Bazaldua, Natacha Bustos, Ron Lim
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 172
  • Preis: 19 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

Fazit

Passend zum Pride Month zeigt Panini Comics bzw. Marvel hier eine Vielzahl an diversen Figuren. Jeder Charakter hat ein originelles Kostümdesign, welches das Motiv von Captain America auf eigene Weise interpretiert. Auch ist jede Figur sympathisch gestaltet. Dabei sind die Charaktere aber auch so weichgespült, dass keine*r wirklich in Erinnerung bleibt. Die Handlung des Comics ist simpel aufgebaut. Der Band weiß zu unterhalten, riskiert dabei aber zu wenig. Für einen gelungenes Erlebnis fehlt hier die Ambivalenz, die harten Entscheidungen und die spannenden Wendungen. Wer einen Wohlfühlcomic sucht, bei dem es eine klare Linie zwischen Gut und Böse gibt und man sich mit der Botschaft der Handlung identifizieren kann, darf hier gerne zugreifen. Wer aber mehr Originalität sucht als einen amerikanischen Ureinwohner, der sich als Captain America verkleidet, sollte eher die Finger von diesem Comic lassen.

  • Viele diverse Charaktere in originellen, bunten Kostümen
  • Eine positive Botschaft über den amerikanischen Traum
  • Unterschiedliche, abwechslungsreiche Zeichenstile
 

  • Eine wenig originelle Geschichte mit einem klaren Schwarz-Weiß-Schema
  • Wenig Ambivalenz bei der Betrachtung von Vigilantismus
  • Keine der Figuren bleibt lange in Erinnerung

 

 

Artikelbilder: © Panini Comics
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Denise Hollas
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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