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Wenn Graphic Novels Warnhinweise aufgedruckt hätten, würde dieser bei A Walk through Hell folgendermaßen lauten: „Warnung. Die Lektüre dieser Horror-Geschichte macht süchtig!“ Das neueste Werk von Garth Ennis ist ein Paradebeispiel für gelungenen Spannungsaufbau und Erzählstil. Was diese Graphic Novel so faszinierend gestaltet, erörtern wir in unserem Kurzcheck.

Garth Ennis ist spätestens durch die Adaption seiner düsteren Superhelden-Geschichte The Boys durch Amazon zuletzt wieder ins Rampenlicht gerückt. Jedoch hat er der Comic-Branche bereits viel früher seinen Stempel aufgedrückt. Zu einem seiner bekanntesten Werke gehört die übernatürliche Reihe Preacher, die ebenfalls für das Fernsehen umgesetzt wurde. Weitere nennenswerte Marken mit Ennis‘ Beteiligung sind Judge Dredd, Hellblazer oder Punisher.

Warum das erwähnenswert ist? Es lässt die Erwartungshaltung an A Walk through Hell besser verstehen. Nachdem Ennis sich mehrfach als Autor von erwachsenen und oftmals gnadenlosen Geschichten bewiesen hat, ist die Neugier auf seine neueste finstere Geschichte groß.

Handlung & Charaktere

A Walk through Hell folgt den beiden FBI-Agenten Shaw und McGregor, einem ziemlich ungleichen Duo. Agentin Shaw wird immer noch von ihrem letzten Fall verfolgt und ist in den vergangenen Jahren immer zynischer und burnoutgefährdeter geworden. McGregor dagegen ist noch ein wahrer Jungspund und dementsprechend idealistisch – nun ja, aus Sichtweise von Shaw vielleicht eher naiv.

Dennoch funktioniert die gemeinsame Arbeit der beiden gut und sie geben ein passables Team ab. Beide wissen jedoch noch nicht, dass ihr Zusammenhalt bald auf eine intensive Probe gestellt wird, denn als sie das Verschwinden zweier Agenten in einer Lagerhalle untersuchen sollen, finden sie sich in einer psychologischen Hölle wider. In welchen Albtraum sind sie geraten? Und was hat Shaws letzter Fall damit zu tun?

Der erste Band von A Walk through Hell (Untertitel: Das verlassene Lagerhaus) erinnert in vielerlei Hinsicht an den Film Sieben. Auch hier werden ein etablierter Detective (Morgan Freeman) und heißblütiger Jungspund (Brad Pitt) mit einem Fall konfrontiert, der die Vorstellungskraft übersteigt. Der größte Unterschied zwischen dem Film von David Fincher und dieser Graphic Novel scheint die Natur der Bedrohung zu sein. Während Sieben zwar einen verstörenden, aber immer noch menschlichen Gegenspieler hat, ist man sich dessen bei A Walk through Hell nicht sicher. Diese stetige Ungewissheit verdankt der Leser dem Talent von Ennis, ihn oder sie permanent im Ungewissen zu lassen. Stets stellt man sich die Frage, ob das Erlebte tatsächlich real ist oder nur in den Köpfen der beiden Agenten stattfindet. Diese offene Fragestellung sorgt für Spannung und Nervenkitzel.

Generell kann Ennis für seine Erzählweise nur gelobt werden. Die Haupthandlung wird konstant von Rückblenden unterbrochen, die passend zur vorherigen Szene das Wissen um die Protagonisten erweitern. So wird nach und nach ein Puzzlestück nach dem anderen zugefügt, um Shaw und McGregor sowie ihre aktuelle missliche Lage besser zu verstehen. Die Rückblenden sind dabei so harmonisch in die Geschichte eingebaut, dass sie zu keiner Zeit den Lesefluss unterbrechen. Im Gegenteil: Sie bringen langsam Licht in eine anfangs dunkle Ausgangslage und sorgen für noch mehr Neugier.

Unglücklicherweise versteht es Ennis auch perfekt, diese Neugier auszunutzen. An der spannendsten Stelle der Handlung endet dieser Band, bevor die Geschichte im zweiten Teil fortgesetzt wird.

Zeichnungen & Kolorierung

Ennis‘ grandioser Erzählstil wird von den Zeichenkünsten von Goran Sudžuka komplementiert. Zu dessen bekanntesten Werken gehören Y – The Last Man und Hellblazer, sowie Wonder Woman. Entsprechend seiner Erfahrung ist die Qualität der Zeichnungen außerordentlich hoch. Mimik und Gestik der Akteure sind eindringlich und einer solch mental verstörenden Handlung angemessen. Besonders bei Agentin Shaw wird eine breite Palette an Emotionen vermittelt, die alle Facetten der Protagonistin hervorheben lassen.

Passend zur Handlung dürfen auch einige verstörende Szenen nicht fehlen – nicht umsonst ist das empfohlene Lesealter dieser Graphic Novel 16+. Neben dem sprichwörtlichen „Mindfuck“ begegnen dem Leser in A Walk through Hell auch außerordentlich blutige Szenen. Deren Eindringlichkeit wird auch durch die Kolorierung von Ive Svorcina verstärkt, der besonders die Charaktere in den Vordergrund zu rücken versteht. Am stärksten wirkt die Geschichte somit immer dann, wenn man die Auswirkungen der Ereignisse auf die Protagonisten erkennt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cross Cult
  • Autoren: Garth Ennis
  • Zeichner: Goran Sudžuka, Ive Svorcina
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 122
  • Preis: 22,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

A Walk through Hell zu lesen ist eine wahre Freude. Die Geschichte ist spannend und intelligent geschrieben. Der Spannungsaufbau erfolgt sehr sorgfältig und schafft die schwierige Balance, den Leser sowohl im Unklaren zu lassen, aber auch immer mehr von der Handlung aufzudecken. Glaubwürdige Charaktere mit Ecken und Kanten runden den Erzählstil ab.

Der Einbezug zweier wahrer Talente im Hinblick auf Zeichnungen und Kolorierung macht die Graphic Novel schließlich zu einem Werk ohne erkennbare Schwächen. Ich habe diesen Band wahrhaft verschlungen und verfluche Ennis bzw. Cross Cult lediglich dafür, mich mitten in der spannendsten Szene auf die Fortsetzung warten zu lassen. Pflichtkauf.

Artikelbild: Cross Cult
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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