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Im Marvel Monthly sprechen wir über die Comic-Neuerscheinungen des Monats. Im März haben wir die Jubiläumsausgabe Marvel Comics 1000 unter die Lupe genommen, begleiten Venom und Spider-Man im neuen Event Absolute Carnage und schauen auf die Beziehung von Thanos und Gamora in Thanos: Der Anfang vom Ende.

Marvel Comics gibt es nun schon seit 80 Jahren, auch wenn sie früher unter dem Namen Timely Publications firmierten und sich zeitweise ganz von Superhelden-Comics entfernten. Zum Jubiläum erschien in den USA der Band Marvel Comics 1000 mit der Folgepublikation Marvel Comics 1001, die nun auch hierzulande zusammen in einem Paperback bei Panini herauskommen. Dieser Band feiert ein paar der größten Erfolge des Verlags in Kurzgeschichten, die nur jeweils eine Seite umfassen. Dabei wird natürlich auch das MCU erwähnt, das den Marvel-Helden einen großen Bekanntheitsschub einbrachte. Der Erfolg ist auch mit der Präsenz des Bösewichts Thanos verbunden, der nun einen neuen Comicband bekommt, in dem erzählt wird, wie er seine Ziehtochter Gamora adoptierte und warum er diese zur tödlichsten Frau des Universums machte, anstatt sie selbst umzubringen. Und Marvel wäre nicht Marvel, wenn nicht ein neues großes Crossover-Event anstehen würde. Diesmal müssen sich Venom und Spider-Man wieder einmal verbünden, da Carnage die Herrschaft über alle Symbionten anstrebt und die Macht des Gottes Knull entfesseln will. Absolute Carnage #1 kann als Fortsetzung von Donny Cates Venom-Reihe angesehen werden, geht aber noch einen ganzen Schritt weiter.

Marvel Comics 1000

Das Konzept ist einfach: 80 verschiedene Kreativteams erstellen jeweils für ein Jahr der Marvel-Geschichte eine Comicseite, die sich auf ein prägendes Ereignis der Verlags-Geschichte bezieht. Beginnend mit dem Jahr 1939, in dem im Heft Marvel Comics #1 der erste Superheld des Verlags vorgestellt wird: die Fackel. Im selben Heft erblickt auch ein anderer Held das Licht der Welt: Masked Raider. Dessen namensgebende Maske wird als Aufhänger genommen, um einen großen Bogen zu spannen. Immer wieder greift Al Ewing diese Maske in seinen Kurzgeschichten auf, so dass auch eine zusammenhängende Handlung erkennbar ist. So ist Marvel Comics #1000 auch gleichzeitig ein Prolog für ein zukünftiges Event: Incoming.

Autoren und Zeichner haben viele Freiheiten genossen.

Die Kurzgeschichten selbst sind ziemlich abwechslungsreich. Autoren und Zeichner haben hier viele Freiheiten genossen und diese auch genutzt. Dass dabei die Geschichte des Verlags nicht so einfach in einzelnen Seiten gegossen werden kann, wird schon nach einigem Umblättern erkennbar. Gleich in den ersten Geschichten werden Miss America und Citizen V präsentiert. Es werden aber nicht die Figuren aus den Jahren 1942 und 1943 gezeigt, sondern moderne Helden, die sich den Namen geborgt haben. Dadurch wirkt der Verlag Marvel Comics diverser und progressiver als er damals eigentlich war.

Auch basiert ein großer Teil von dem, was wir heute im Marvel-Universum kennen und lieben, auf der kreativen Phase von Stan Lee, Steve Ditko und Jack Kirby in den Jahren 1961-1963. In diesem Band werden die Fanatastic Four (1961), Spider-Man (1962) und Iron-Man (1963) vorgestellt. Andere in dieser Zeit erfundene Helden wie Hulk (1962), Doctor Strange (1963) oder Daredevil (1964) werden entweder nach vorne (1951 – die erste Ausgabe von Strange Tales, dem Heft, in dem Doctor Strange später seinen ersten Auftritt hat) oder hinten (1998 – der Start von Marvel Knights, durch den Daredevil eine moderne Interpretation bekommen hat) verlegt. Puristen können sich an dieser Verzerrung stören, wirkt der Band doch, als ob die Autoren von Marvel 80 Jahre lang immer wieder neue und kreative Ideen hatten und das Universum langsam und stetig ausgebaut haben.

Der perfekte Band für die Klo-Lektüre

Zeichnerisch ist hier auch alles Mögliche vorhanden. Es wurden auch viele nicht mehr aktive Marvel-Zeichner hervorgeholt und man bekommt wirklich einen guten Überblick über verschiedenste Stile. So findet man schöne ganzseitige Bilder wie auch bebilderte Kurzgeschichten, die fast nur aus Text bestehen. Das ist spannend zu betrachten und es macht einfach Laune im Band hin und her zu blättern. Je nach persönlichem Geschmack sind die Geschichten auch mal mehr oder mal weniger gelungen.

Der zweite Teil besteht aus zusätzlichen Geschichten, um noch zuvor unerwähnte Helden ins Rampenlicht zu holen, unabhängig von einer Jahreszahl. Immer mal wieder ist eine Seite dabei, die recht kreativ gestaltet ist oder auf einer lustigen Idee basiert. Häufig wird dabei die vierte Wand durchbrochen, so dass die Helden beispielsweise über ihre Erschaffer reden. Nach dem Lesen aller Geschichten bleibt von dem Band aber nicht viel übrig. Kaum eine der Geschichten ist dabei so originell, dass sie lange im Gedächtnis bleibt. Aber vielleicht liegt es auch am Konzept, dass man sich nur wenig selbst mit diesen Einzelseiten beschäftigt.

Wer einen Comic sucht, den man gut immer mal wieder hervorholen kann, um darin zu blättern und dann zu schmunzeln, findet hier eine gute Alternative zu Peanuts oder Calvin & Hoobes-Sammelbänden. Ich kann mir diesen Band sehr gut als Klolektüre vorstellen. Das soll keine Wertung sein, denn die Comics sind zwar auf einer Seite, aber nicht einseitig. Selbst Figuren wie Darth Vader und Conan bekommen hier eine Hommage. Wer keine allzu originellen Geschichten erwartet, wird hier gut unterhalten. Man darf fasziniert sein, wie viel manche Leute auf einer einzelnen Comicseite erzählen können. Das Medium lebt und übt auch nach Jahrzehnten eine gewisse Faszination aus.

Die harten Fakten

  • Autoren: Al Ewig, Neil Gaiman, Kurt Busiek und Andere
  • Zeichner: Jeff Lemire, Joe Quesada, John Cassaday, Marcos Martin, Mark Buckingham und Andere
  • Seitenanzahl: 132
  • Preis: 15,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon

 

Absolute Carnage #1 – der Wahnsinn beginnt!

Seit dem Neustart der Venom-Reihe von Donny Cates wird ein wunderbarer Handlungsbogen rund um den Gott der Klyntar, Knull, gesponnen. Seit dem dritten Band der Reihe ist Carnage zurück und verbreitet seinen Samen. Er ist auf der Suche nach allen, die jemals mit einem Symbionten verbunden waren. Er will den Codex, Spuren der Biomasse des Symbionten, aus ihnen entfernen, um selbst zum neuen Gott der Klyntar zu werden. Somit macht er auch Jagd auf Venom und Spider-Man, die hier die Protagonisten der Geschichte werden. Zusammen versuchen sie seinen Plan aufzuhalten, indem sie beispielsweise auch Norman Osborn beschützen, der vor kurzem noch selbst mit Carnage verbunden war. Dies ist nur der Auftakt zu seinem großen Epos, das alle bekannten Symbionten umfassen wird.

Große Teile des Comics könnten auch ohne Text funktionieren.

Auch wenn der Comic viele Bezüge zur Geschichte von Venom nimmt, ist der Band so geschrieben, dass man auch als Einsteiger wenig Probleme hat, der Handlung zu folgen. Letztendlich läuft es auf die alte Geschichte „Gut gegen Böse“ hinaus, wobei das Böse hier übermächtig zu sein scheint und die Helden mehr damit beschäftigt sind, sich selbst in Sicherheit zu bringen, als sich dem wahnsinnigen Schurken zu stellen. Im zweiten Teil des Bandes geht es um Scream, einem der fünf Symbionten, die von der Life Foundation erschaffen wurden. Dazu wird der Band angereichert mit Patientenakten von Cletus Kasady und Norman Osborn, die spannend zu lesen sind.

Die richtigen Erwartungen

Wie in der Venom-Reihe ist die Haupthandlung von Ryan Stegman illustriert. Diese Bilder schaffen es perfekt, visuell eine Geschichte zu erzählen. Große Teile des Comics könnten auch ohne Text funktionieren. Immer wieder wird der Fokus auf Augen und Münder gelegt, um Emotionen zu transportieren. Dazu kommen die perfekte Kolorierung, die immer die passende Atmosphäre generiert, und große Splash Pages, die den Leser direkt in die Handlung ziehen. Doch auch der Scream-Teil, der von Gerardo Sandoval bebildert wurde, muss sich nicht hinter diesen tollen Zeichnungen verstecken. Auch hier sind Horror und Wahnsinn in den Bildern erlebbar.

Dieser Comic zieht einen großen Teil seiner Faszination aus eben diesen Bildern, schafft es aber auch bei der Handlung, immer wieder zu überraschen. Dennoch könnte man enttäuscht werden, wenn man mit der falschen Einstellung an den Band geht. Eine besonders tiefe Handlung braucht man nicht erwarten. Der Comic hat Event-Charakter und legt den Fokus auf Action und einen Bösewicht, dessen Hauptantrieb persönlicher Wahnsinn ist. Für das, was dieser Band aber erreichen will, macht er alles richtig.

Produktionstechnisch hat Panini uns hier wieder einen dünnen Einband spendiert, der nun anscheinend immer für Event-Ausgaben verwendet wird und sich von der stabilen Aufmachung der regulären Serien unterscheidet. So wirkt die Ausgabe auch wesentlich dünner als der oben besprochene Marvel Comics #1000. Für diese Qualität ist der Comic gefühlt ein bis zwei Euro zu teuer, aber dennoch liegt der Preis im gewohnten Rahmen.

Trotz dieser Kleinigkeiten, liegt mit Absolute Carnage ein tolles Produkt vor, das den Comic-Fan begeistern kann, wenn er sich von einer temporeichen Geschichte mit einem Team-Up von Venom und Spider-Man unterhalten lassen will. Ich bin gespannt, wie die Handlung weitergeht und ob der Massenmörder Carnage eine geliebte Figur erwischen wird. Dazu stellt sich wie immer die Frage, wie weit die Protagonisten bereit sind zu gehen, um den wahnsinnigen Feind auszuschalten. Mit welchen dubiosen Gestalten werden sie noch zusammenarbeiten? Ein spannendes Event, um sich einfach mal berieseln zu lassen.

Die harten Fakten

  • Autoren: Donny Cates, Cullen Bunn
  • Zeichner: Ryan Stegman, Gerardo Sandoval
  • Seitenanzahl: 124
  • Preis: 14,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon

 

Thanos: Der Anfang vom Ende

Seit dem letzten Thanos-Band, seinem Tod in Infinity Wars und der Verlesung seines Testaments im Neustart der Guardians of the Galaxy wird es langsam wieder ruhiger um den verrückten Titanen. Doch eine Geschichte wurde noch nicht ausreichend beleuchtet: sein Verhältnis zu seiner Ziehtochter Gamora. Dieses Versäumnis wird mit diesem Band nun nachgeholt. Die Handlung wird aus Gamoras Perspektive erzählt und beginnt, wie der Kriegsherr Thanos mit seinem Schiff Zero Sanctuary umherzieht und einen Genozid nach dem nächsten durchführt. Doch auf dem Heimatplaneten seiner zukünftigen Tochter entscheidet er sich zu einem Akt der Gnade und lässt das kleine Mädchen leben. Wie kommt es dazu und was macht das mit der Dreizehnjährigen, die einem Volk von Pazifisten entstammt?

Die Geschichte Thanos‘ Verhältnis zu seiner Ziehtochter Gamora wird jetzt beleuchtet.

Der Comic versucht sich wie schon der Thanos-Sammelband mit einer Charakterisierung dieser bösartigen Figur. Dazu wird auch die Jugend von Gamora beleuchtet. Dabei darf natürlich auch Magus als Gegenspieler und Ebenbild von Thanos nicht fehlen. Weitere Nebenfiguren sind unter anderem Proxima Midnight und Ebony Maw, die ebenfalls ihre eigenen Interessen und Ziele haben.

Im Grundaufbau macht dieser Band sehr viel richtig. Doch er scheitert an der konkreten Umsetzung. Die eigentlich zentrale Charakterentwicklung der Hauptfiguren Thanos und Gamora wird nicht wirklich erlebbar. Man sieht zwar wichtige Episoden aus ihrem Leben, doch entwickelt sich die Handlung nicht direkt aus diesen Episoden. Der Plot bleibt wie die Figuren sprunghaft und erzeugt keine Sogwirkung.

Ein Comic hinter seinen Möglichkeiten

Optisch ist der Band nicht herausragend, aber im soliden Mittelfeld. Die verschiedenen Außerirdischen werden gut eingefangen und haben eine erkennbare Mimik. Der Stil mit den sehr feinen Linien ist immer wieder für ein paar Details gut. Er schafft es aber nie wirklich, zu begeistern. Visuelles Storytelling findet nur selten statt. Die Bilder bleiben loses Beiwerk, das niemals stört, aber auch keine Hochstimmung hervorruft.

Dabei hat mich dieser Band wirklich interessiert. Zu gerne möchte ich mehr darüber wissen, wie diese väterliche Beziehung zwischen der letzten Überlebenden ihrer Art und dem Schlächter des eigenen Volkes entstehen konnte. Dass sich diese Gefühle entwickeln, wird deutlich. Warum sie es tun, rückt stark in den Hintergrund. Das ist schade, denn diese Charakterstudie hätte wirklich Potential gehabt.

Dennoch macht der Comic vieles richtig. Er schafft es, das Handeln von Thanos verständlich zu machen und auch die junge Gamora funktioniert als Figur. Der Konflikt mit Magus ist präsent und fungiert als Aufhänger der Handlung. Trotz der unterschiedlichen Motivationen wird der Handlungsverlauf nie unübersichtlich. Und durch das Erscheinen des Todes wird auch Spannung und Mystery erzeugt.

Trotzdem ist dieser Comicband technisch nicht einwandfrei und man hätte so viel mehr hier herausholen können. Wer sich dennoch für die Beziehung von Thanos und Gamora interessiert, wird mit diesem Band gut unterhalten und erfährt einiges Neues. Ein Must-Read wird der Comic dadurch aber nicht.

Die harten Fakten

  • Autor: Tini Howard
  • Zeichner: Ariel Olivetti
  • Seitenanzahl: 148
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon

 

Artikelbilder: © Panini Comics, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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