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Wie wäre es wohl, einmal einen bösen Helden zu spielen und das am besten in einer gleichgesinnten Gruppe? Diese Frage haben sich vermutlich schon viele DSA-SpielerInnen gestellt. Spätestens wenn man entdeckt hat, dass es Regeln für das Schließen eines Paktes gibt. Aber ist das überhaupt möglich? Ein Spiel- und Erfahrungsbericht.

Normalerweise spielt man bei Das Schwarze Auge Helden, die für das Gute stehen und gegen das Böse kämpfen. Manche sind dabei vielleicht etwas zwielichtiger als andere und werden eher durch Gold als durch die Aussicht auf großartige Taten motiviert. Aber im Großen und Ganzen stehen sie auf der klassischen „guten“ Seite. Da ist es natürlich verlockend, auch einmal die andere Seite kennenzulernen und zwar nicht wie gewohnt als Gegner, sondern hautnah indem man sie selbst spielt. Doch inwiefern ist das möglich? Meine Gruppe und ich sind dieser Frage auf den Grund gegangen.

Was ist überhaupt „böse“?

„Böse“ ist ein sehr weit gefasster Begriff und jeder definiert ihn ein bisschen anders. Für manche ist eine bestimmte Tat oder Handlung schon böse, für andere noch nicht. Dabei kommt es auch immer auf den Blickwinkel an und setzt einen dualistischen Ansatz voraus. Hell gegen Dunkel. Gut gegen Böse. So lässt sich sagen, dass etwas als böse bezeichnet werden kann, wenn es den allgemein geltenden Moralvorstellungen entgegengesetzt ist. Diese Moralvorstellungen sehen natürlich rund um die Erde anders aus. Und so unterscheidet sich auch die Definition von „böse“. In diesem Fall ist „böse“ all das, was einen Charakter in einem Abenteuer zum Gegner und nicht zum Helden machen würde.

Erste Schritte

Die Idee, eine böse Gruppe zu spielen, kam schon vor Jahren auf. Aber sie blieb eben nur eine Idee und rückte in den Hintergrund. Doch irgendwann haben wir uns wieder daran erinnert und begonnen, Pläne zu machen. Dabei ergab sich die Überlegung, ob man die Protagonisten noch Helden nennen sollte, wie es ja eigentlich bei DSA der Fall ist. Dem klassischen Heldenbild würden sie auf jeden Fall nicht entsprechen. Und so wird auch hier erst einmal nur die Rede von „Charakteren“ sein. Auch ein Problem fiel hier schnell auf: Die konventionellen Abenteuer sind in der Regel nicht für ein solches Vorhaben geeignet. Gutes tun, andere retten? Das ist etwas für Helden. Es musste also ein selbst geschriebenes Abenteuer her. Und tatsächlich erklärte sich jemand aus der Gruppe bereit dazu, diese Aufgabe zu übernehmen. So konnte das Abenteuer auf eine Gruppe mit entsprechender Gesinnung zugeschnitten werden. Schnell wurde aus dem einen Abenteuer die Idee, eine kleine Kampagne daraus zu machen, wenn es gut lief. Aber zuerst brauchte es den Einstieg. Eines der größten Probleme dabei war: Wieso sollten solche Charaktere kooperieren? Und wenn sie es doch tun, funktioniert das auf Dauer?

Tabu-Themen

Doch zunächst soll hier kurz auf Tabu-Themen eingegangen werden. Dies sollte an jedem Spieltisch thematisiert werden, damit nicht etwas passiert, das einer oder mehreren Personen nicht recht ist. Doch besonders im Hinblick auf das Spielen eines bösen Charakters kam die Frage auf, wie weit man gehen darf und wie weit sich alle SpielerInnen wohl fühlen. Vergewaltigung ist hier wohl das heikelste Thema und sollte auch etwas sein, das am Spieltisch nicht genau, wenn überhaupt, beschrieben wird. Da waren sich alle einig. Andere Themen wie (grob beschriebene) Folter oder Mord waren da etwas weniger problematisch. Denn die Hemmschwelle, das auszuspielen oder als Charakter überhaupt zu tun, ist wesentlich geringer.

Das Abenteuer

Dieses Abenteuer galt als Einstieg, weshalb alle Charaktere mit den Start-Abenteuerpunkten begannen. Auch war noch keiner der ultimative Bösewicht, aber dafür mit Charakterzügen ausgestattet, um einer zu werden. Eine Voraussetzung war, dass niemand ein Problem damit haben sollte, gegen die Zwölfgötter vorzugehen, wurde doch ein Pakt mit einem der Erzdämonen am Ende in Aussicht gestellt. Und so sollen hier als erstes die einzelnen Charaktere kurz vorgestellt werden:

  • Die Assassinin: Sie will alten Wohlstand wiedererlangen und Rache für den Mord an ihrem Vater nehmen. Seit einem Schicksalsschlag glaubt sie nicht mehr an die Zwölfgötter. Sie ist egoistisch, unbarmherzig und zielstrebig.
  • Der Freischärler: Er will die Macht für das Volk übernehmen und hasst den Adel und dessen Verbündete. Er ist charismatisch, freundlich, rachsüchtig und machthungrig.
  • Der Dämonologe: Er strebt nach Einfluss und Kontrolle unter dem Prinzip „Wissen ist Macht“. Auch sieht er es als sein Recht an, seine Fähigkeiten für seinen persönlichen Vorteil zu nutzen. Er ist machthungrig, skrupellos und wissbegierig.
  • Der Parfümeur/Alchimist: Angelehnt an Jean-Baptiste Grenouille aus Patrick Süskinds Das Parfum ist er auf der Suche nach dem perfekten Duft und seiner Konservierung. Ausgestattet mit einer äußerst scharfsinnigen Nase und einem großen Unverständnis gegenüber jeglichen Moralvorstellungen, ist ihm jedes Mittel recht, das zu seinem Ziel führt.
  • Die Gladiatorin: Sie lebte eigentlich ein relativ unbeschwertes Leben als Bergarbeiterin. Doch nach dem was ihr angetan wurde, hegt sie einen unbändigen Hass auf die Praioskirche und will Rache. Sie ist skrupellos, sadistisch und foltert gerne.

Alle Charaktere waren sich zu Anfang des Abenteuers fremd, es gab zu Beginn keine Verbindung zwischen ihnen. Während die Charaktere an sich sehr unterschiedlich sind, weisen sie doch ähnliche Charakterzüge auf und sind alle mindestens viertelmagisch begabt.

Eine Schwierigkeit für das Abenteuer war, all diese Charaktere zusammenzubringen und dafür zu sorgen, dass sie zusammenarbeiten. Da sich jeder in einem anderen Teil Aventuriens befand, erhielten alle zu Beginn durch einen Brief den Auftrag, sich an den Rand der Dämonenbrache zu begeben mit dem Versprechen, seinem persönlichen Bestreben damit näher kommen zu können. Die erste Begegnung der Charaktere verlief glimpflich. Man war zwar misstrauisch gegenüber den anderen und ungehalten darüber, nicht der/die einzige Eingeladene zu sein, aber man wartete dennoch erst einmal ab. Der Auftrag lautete schließlich, sich auf den Weg nach Khunchom zu machen und sich nicht gegenseitig umzubringen, da dies auch für die eigenen Ziele negative Konsequenzen hätte. Gezwungenermaßen reisten also alle zusammen Richtung Süden.

Die erste schwierige Situation stellte ein Händler auf dem Weg dar, dessen Wagen beschädigt war. Er fragte nach Hilfe und hier war eine leichte Verunsicherung seitens der SpielerInnen zu bemerken. Als böser Charakter hilft man in so einer Situation nicht, klar. Aber was tun? Nach einigem Hin und Her einigte man sich darauf, ihn auszurauben. Der Dämonologe nahm sich einen Großteil des Geldes, womit sowohl die Assassinin als auch die Gladiatorin nicht einverstanden waren, welche ihn sich in der Nacht einzeln vorknöpften. Dies ging zwar mit leichten Verletzungen seinerseits einher, aber man konnte sich am Ende schließlich einigen.

In Khunchom angekommen, erhielt die Gruppe dann den eigentlichen Auftrag: Es galt das Eidechsenauge, ein Artefakt der Göttin Tsa, zu stehlen. Ein erster Besuch im Tempel zeigte schnell, dass sich dieser Diebstahl als schwierig erwies. Zum einen erschuf das Artefakt eine Aura der Friedfertigkeit um sich herum, was Kampfhandlungen, ja sogar entsprechende Gedanken, unmöglich machte. Einmal in die Hand genommen, verlor der- oder diejenige den Wunsch, es zu stehlen und legte es wieder an seinen Platz zurück. Eine mögliche, wenn auch drastische Lösung fand sich bald: Das Artefakt sollte in einen Beutel aus Eidechsenhaut gelegt werden, der mit dem Blut eines Tsa-Geweihten gefüllt war. Auf diese Weise sollte dessen Wirkung unterdrückt werden. Eidechsen waren schnell gefunden, eine Tsa-Geweihte mit Leichtigkeit in die Falle gelockt und entführt. Allen Charakteren war bewusst, was es bedeutete, einen Diener der Zwölfgötter zu töten. Aber sie zogen es durch. Der Plan ging auf und das Artefakt konnte erfolgreich aus der Stadt geschafft werden. Zum Schluss erhielt jeder der Charaktere, mit Hinblick auf noch folgende Abenteuer, die Möglichkeit einen Pakt mit einem der Erzdämonen zu schließen.

Abschließende Gedanken

Es war eine sehr interessante Erfahrung, auch einmal die andere Seite kennenzulernen und einen bösen Charakter zu spielen. Auch, wenn alle noch am Anfang standen und keiner ein richtig übler Bösewicht war. Vielmehr war es vermutlich eine gute Idee, auf diese Weise vorzugehen. Denn wenn man schon mächtig ist, wozu sollte man dann mit anderen zusammenarbeiten?

Im Hintergrund stand dabei auch immer ein bisschen die Frage, ob es überhaupt funktioniert, eine Gruppe aus bösen Charakteren zu spielen. Meiner Meinung nach: Ja. Dazu bedarf es allerdings einiger Dinge. Zum einen ist es wichtig, vor Spielbeginn mit der ganzen Gruppe über Tabu-Themen zu reden. So wissen alle, wie weit sie gehen können, sodass niemandem der Spaß verdorben wird. Weiterhin musste ein Abenteuer her, das auf solche Charaktere zugeschnitten ist. Dabei ist zu beachten, dass die Charaktere einen Grund haben, zusammenzuarbeiten. Auch deshalb sollte nicht jeder der Protagonisten ein absoluter Psychopath sein, der unfähig ist, mit anderen zu kooperieren. Alle SpielerInnen sollten Bereitschaft zeigen, sich auf dieses Experiment einzulassen. Und auch hier ist Kompromissbereitschaft wichtig: Auch als SpielerIn eines bösen Charakters sollte man nicht rücksichtslos den eigenen Interessen nachgehen und damit eine entstehende Gruppendynamik zerstören, sondern den Charakter so konzipieren, dass er einer Gruppe angehören kann. Für uns hat das Zusammenarbeiten ziemlich gut funktioniert. Es gab zu Beginn einige Reibereien und Unstimmigkeiten, die sich aber mit der Zeit legten. Ob es daran lag, dass wir als SpielerInnen unbewusst in gewohnte Verhaltensmuster rutschten, bleibt abzuwarten und auch, ob sich die Kooperation schwieriger gestaltet, wenn die Charaktere sich entwickeln und mächtiger werden.

Diese neue Erfahrung hat sehr viel Spaß gemacht und wir werden mit Sicherheit weitere Abenteuer mit der bösen Gruppe spielen. Wer es also auch einmal ausprobieren möchte, sollte dem auf jeden Fall eine Chance geben, denn es ist das Erlebnis allemal wert.

Artikelbild: Depositphotos, Bearbeitet von Verena Bach

2 Kommentare

  1. Wir haben damals als die DSA Sachen über die Dämonen und Pakte rausgekommen sind, eine Paktierer-Runde gespielt um die Möglichkeiten auszuprobieren.
    Zitat Spielleiter „Ihr kommt sowieso auf Ideen an die ich nicht im Entferntesten denken würde.“ Nach den ersten internen Streitigkeit, hat es gut geklappt, vor allendingen als es Stress von außen gab und ein paar mehr Bannstrahler etc. aus dem Weg geräumt werden mussten. Und es war einfach eine coole Erfahrung.

  2. Man sollte nicht den Fehler machen zu glauben, dass ein Konzept welches über ein oder zwei Sitzungen trägt auch dauerhaft zufriedenstellend ist. Das kann sich auch ganz anders entwickeln.
    Eine Frage ist durchaus was die Spieler sich eigentlich von diesem Konzept erwarten. Und wie lange dieses Bedürfnis einen Antrieb darstellt.
    Vielleicht berichtest du mal so in sieben bis zehn Sitzungen, wie sich das ganze entwickelt und welche Faktoren dabei entscheidend waren.
    Das wäre sicher spannend.

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