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Die Erde ist ruiniert und die Menschheit sucht eine neue Heimat. Fünf vielversprechende Planeten sind das Ziel unabhängiger Kolonialflotten. Bereits in den ersten beiden Bänden von Conquest zeigte sich, dass die Menschheit diesen neuen Welten und deren Bewohner*innen Gefahren bringt. Gilt das auch für den dritten und vierten?

Ein unbewohnbarer Heimatplanet treibt unsere Spezies in der Reihe Conquest hin zu einer drastischen Entscheidung: die Erde zu verlassen und neue geeignete Planeten zu besiedeln. In fünf unabhängigen Bänden fokussieren sich französische Comic-Autoren auf Geschichten über die Eroberung des Weltraums durch unsere Nachfahren. Jede Graphic Novel legt ihren Fokus auf einen anderen Planeten mit neuen Protagonisten und Geschichten.

Die ersten beiden Bände der Serie stellen das interessante Konzept von Conquest vor. Die Geschichten sind abwechslungsreich und unterhalten eigenständig, wenngleich sie nicht über die originellsten Rahmenhandlungen und Charaktere verfügen. Letztendlich hinterlässt Conquest Bd. 1: Islandia einen leicht besseren Gesamteindruck als Conquest Bd. 2: Deluvenn. Dies liegt an der Entwicklung der Spannungsbögen zum Finale hin. Während die Dramaturgie bei Islandia den Endspurt bravourös trägt, wirkt sie bei Deluvenn überhastet.

Der dritte und vierte Band führen die Kolonialflotten nach Decornum (japanische Kolonie) und Urania (US-amerikanische Kolonie). Die Herausforderungen auf diesen Planeten sind nicht weniger schwer als die der anderen Bände.

Conquest 3: Decornum

Der rohstoffreiche Planet Decornum wirkt auf den ersten Blick wie eine ideale neue Heimat. Doch die Mitglieder der japanischen Kolonie müssen schnell feststellen, dass die Bewohner*innen von Decornum ihnen das Leben zur Hölle machen. Die Einheimischen verfügen über eine seltsame Fähigkeit, die scheinbar ihren Körpern die Generierung unlimitierter Energie ermöglicht. Die Menschen werden in einen ressourcenintensiven Konflikt verwickelt, der sie im ersten Schritt zu einem taktischen Rückzug zwingt.

Der hitzköpfige Keito ist einer der wenigen, die immer noch regelmäßig nach Decornum reisen, um mehr über den Feind zu erfahren. Geplagt von letzten Erinnerungen an die Erde stellt er jedoch zunehmend in Frage, ob der Weg des Oberkommandos der Richtige ist. Schließlich hat es die Menschheit bereits einmal geschafft, einen intakten Planeten zu ruinieren. Um das Überleben der Kolonie zu sichern, müssen jedoch Informationen über die Feinde gesammelt werden und wie man sie bezwingen kann.

Wie alle Bände von Conquest überzeugt auch Conquest 3: Decornum nicht durch einfallsreiche Charaktere. Keito ist ein rebellisch veranlagter Soldat mit einem goldenen Herzen, während die Nebenfiguren meist nur eine Facette aufweisen. Allerdings gelingt es Decornum im Laufe der Handlung immer wieder, interessante ethische Fragen aufzuwerfen. Als Leser*in sollte man für die Menschheit sein, doch ähnlich wie bei Keito schleichen sich immer mehr Zweifel ein. Das Highlight des Bandes ist das Finale, in dem neben einem actionreichen Showdown eine handfeste Überraschung wartet. Von allen Bänden der Reihe hat mir Conquest 3: Decornum bis jetzt am besten gefallen.

Die visuelle Gestaltung ist auf hohem Niveau und bringt eine Vielzahl verschiedener Elemente zum Leben. Dazu gehören mächtige Kampfanzüge, Charaktere auf beiden Seiten des Kriegsgeschehens und beeindruckende technische Strukturen. Das Design der Bewohner*innen von Decornum und deren Kultur erinnert stellenweise an die Aliens aus Avatar, wobei der Hauptgrund hierfür die blaue Hautfarbe sein könnte. Die Actionsequenzen sind imposant inszeniert, ohne übertrieben zu wirken.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autor*in: Nicolas Jarry
  • Zeichner*in: Stéphane Créty
  • Seitenanzahl: 56
  • Preis: 16,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Conquest 4: Urania

Im Gegensatz zum dritten Band werden in Urania die Menschen nicht direkt von Feinden begrüßt. Tatsächlich wirkt der Planet komplett verlassen, wenngleich es Überreste einer modernen Zivilisation gibt. Jedoch stößt eine Truppe von Marines auf ein Überbleibsel, das ein gefährliches Eigenleben entwickelt hat. Die künstliche Intelligenz Akarus hetzt den Menschen eine Armee von affenähnlichen Robotern auf den Hals, gegen deren Übermacht ein Sieg unwahrscheinlich scheint.

Conquest 4: Urania ist meiner Einschätzung nach der bisher schwächste Band der Reihe. Sämtliche Protagonist*innen sind oberflächlich, wenngleich Soldatin Coks mit ihren Cyberprothesen über einen ansatzweise interessanten Hintergrund verfügt. Dieser wird jedoch kaum ausgeführt, was schlussendlich sehr eindimensionale Akteur*innen zur Folge hat. Speziell die beiden sekundären Antagonisten neben der künstlichen Intelligenz werden überaus plump in Szene gesetzt.

Die actionreiche und zugegeben kurzweilige Handlung ist dadurch sehr geradlinig und kann kaum überraschen. Unterbrochen wird sie von Rückblenden zu Coks Leben, die leider nur bedingt Tiefgang verleihen und meist als Erklärung für eine ihrer Handlungen in der Hauptgeschichte dienen. Am Ende des Bandes gibt es einen fulminanten Showdown, dem jedoch eine emotionale Beziehung zu den Figuren guttun würde. Zudem versucht sich Autor Jean-Luc Istin, der auch für den ersten Conquest-Band Islandia das Szenario geschrieben hat, unglücklich an einer Wendung. Diese gibt Urania zwar einen Überraschungseffekt, jedoch auf eine unbefriedigende Art und Weise, durch die essentielle Fragen offengelassen werden. Ein solcher Schritt wäre passend für einen Pilotband gewesen, doch bei einer Anthologie hinterlässt diese Entscheidung einen seltsam unvollständigen Eindruck für Leser*innen.

Die Zeichnungen und Kolorierung sind stimmungsvoll und stechen besonders aufgrund der starken Konturen und intensiven Farben ins Auge. Die Kargheit des Wüstenplaneten wird wirksam in Szene gesetzt und verleiht dem Planeten eine ungemütliche Atmosphäre. Ebenso wissen die Überreste der Zivilisation von Urania zu überzeugen. Hinsichtlich der Action schreckt das künstlerische Team nicht vor expliziten Szenen zurück, die die erbarmungslose Natur der künstlichen Intelligenz und ihrer Killermaschinen hervorheben.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autor*in: Jean-Luc Istin
  • Zeichner*in: Stéphane Louis
  • Seitenanzahl: 64
  • Preis: 16,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Abschließendes Fazit

Conquest ist und bleibt eine gelungene Science-Fiction-Anthologie, deren Einzelbände kurzweilige Unterhaltung und visuell ansprechende Geschichten versprechen. Der dritte Band Decornum ist bis jetzt das Highlight der Reihe. Trotz der oberflächlichen Charaktere regt die Handlung aufgrund ihrer ethischen Fragen zum Nachdenken an, während die Action nicht zu kurz kommt. Der stärkste Aspekt ist das Ende, in dem neben einem epischen Showdown eine unerwartete Wendung auf die Leser*innen wartet.

Der vierte Band Urania hingegen verlässt sich großteils auf rabiate und gnadenlose Action. Dadurch wird die Handlung zwar kurzweilig, lässt jedoch die Wirkungskraft des dritten Bandes vermissen. Generell wirkt die Geschichte generisch und die oberflächlichen Charaktere sind austauschbar. Ähnlich wie Decornum versucht sich Urania an einer überraschenden Wendung zum Schluss, die jedoch nicht zu gelingen vermag. Aus diesen Gründen ist der vierte Band der bisher schwächste der Reihe.

Den Abschluss von Conquest bildet Conquest 5: Enorus. In diesem Band verfolgt man die Mission der kanadischen Raumflotte, für die Ressourcenknappheit das Ende der Mission bedeuten könnte. Die geplante Veröffentlichung des abschließenden Bandes der Anthologie liegt im Dezember 2020.

 

Artikelbilder: Splitter
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Nina Horbelt
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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