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Die Corona-Pandemie hat auch Rollenspiel-Conventions in den vergangenen Monaten weltweit vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Aber bringen diese Veränderungen auch Chancen? Wir haben mit Christian de Ahna von der DreieichCon-Orga über Online-Conventions, internationale Freundschaften und das neue Con-Netzwerk Tafelrunde gesprochen.

Christian de Ahna
Christian de Ahna © Tobias Brinke

Christian de Ahna ist 47 Jahre alt und seit 1986 begeisterter Rollenspieler. 1995 organisierte er aus dem Jugendclub WIRIC im Bürgerverein Buchschlag e.V. heraus die erste DreieichCon, damals noch unter dem Namen Dreieicher Rollenspiel-Treffen, zu der sich 324 Besucher*innen einfanden.

Inzwischen zählt die DreieichCon mit ca. 1.500 Einzelbesucher*innen im Jahr 2019 zu den größten Pen-and-Paper-Rollenspiel-Conventions in Deutschland.

 


2020 fand die DreieichCon zum ersten Mal digital statt. Ursache dafür waren die Kontaktbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie. „Auf der Weltenwerker-Convention, die im März in Gießen stattfand, haben wir bereits überlegt, was wir tun sollen“, erinnert sich Christian. „Reiner aus unserem Orga-Team hat damals zur Sprache gebracht, dass es unrealistisch ist, dass wir im November eine Präsenz-Convention im klassischen Sinne veranstalten werden.“ Im Frühsommer wurde schließlich entschieden, die Veranstaltung online durchzuführen.

„Das war eine von zwei Möglichkeiten“, erklärt Christian. „Wir hätten auch aussetzen und gar nichts machen können. Wir haben uns stattdessen für eine Online-Convention entschieden, was wir auf keinen Fall bereut haben.“ Dabei konnte das Team auch viel lernen. „Es war ein bisschen so, als würde man das Rad neu erfinden. In der Organisation der Präsenzveranstaltung hatten wir natürlich schon Erfahrung, aber online ist das noch einmal ganz was anderes.“

Halfen die anderen Online-Conventions, die inzwischen vermehrt stattfinden, um sich schon einmal anzusehen, wie so etwas funktionieren kann? „Auf jeden Fall“, antwortet Christian. „Wir sind seit 20 Jahren mit der NordCon und der FeenCon aus Bonn verschwistert. Wir haben also ein sehr enges Verhältnis und konnten uns darüber austauschen, was für Erfahrungen gesammelt wurden. Ein Teil unseres Teams hat auch bei der online veranstalteten FeenCon mitgeholfen, wovon wir sicher profitiert haben.“

Der Sprung von Offline zu Online

Das Herz der DreieichCon World, so der Name der Online-Variante, war ein Discord-Server, auf dem die verschiedenen Programmpunkte stattfanden. „Dabei konnte es sich um Spiele- und Talk-Runden, oder auch Workshops handeln“, beschreibt Christian. „Man konnte sich auch von Discord weiterbewegen, wenn es besser passte, zum Beispiel für Illustratoren, die von dort aus zu ihrem Twitch-Stream einladen konnten.“ Austeller*innen konnten sich außerdem in kostenfreien Galerien auf der Website präsentieren.

Fakten zur Online-Convention:

  • zwei gleichzeitige Livestreams mit je 32 Stunden Programm
  • rund 150 geladene Gäste von vier Kontinenten in den Streams
  • über 5.300 Unique Viewers auf Twitch
  • 65 Online-Spielrunden
  • in der Spitze rund 800 Personen auf dem Discord-Server

„Was bei einer Präsenzveranstaltung nicht oder nur eingeschränkt möglich gewesen wäre, war, Gäste aus vier Kontinenten zu empfangen“, erzählt Christian. „Der Chef der GenCon war zum Beispiel da, ebenso Luke Gygax, der Sohn von Gary Gygax, der die GaryCon veranstaltet.“

Mit der GaryCon gibt es inzwischen eine Verschwisterung, die noch weiter ausgebaut werden soll. „Das ist vor dem Hintergrund zu sehen, wer eigentlich die DreieichCon macht“, erklärt Christian. „Das ist der 1962 gegründete Jugendklub WIRIC des Bürgervereins Buchschlag e.V., der sich schon immer für Internationalität und Völkerverständigung eingesetzt hat. Wir wollten in Zeiten von ‚America First‘ ein Zeichen im Sinne von ‚Make Friendship Great Again‘ setzen.“ Christian will sich dafür einsetzen, dass diese Verschwisterung auch in Zukunft mit Leben gefüllt wird und nicht irgendwann brach liegt, wie zum Beispiel viele Städtepartnerschaften. Es gibt dazu bereits erste Ideen, bislang jedoch noch keine spruchreifen Aussagen.

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Auf der DreieichCon World konnten sich außerdem Rollenspiel-Conventions aus Deutschland präsentieren. „Dabei handelt es sich um etwa 20 Cons, die damals bereits dem Tafelrunde-Netzwerk beigetreten waren“, erläutert Christian.

Die Tafelrunde – das neue Con-Netzwerk

Worum geht es dabei genau? Unter dem Namen Tafelrunde soll ein Netzwerk deutscher Rollenspiel-Conventions entstehen, das beim Austausch und Support innerhalb der Szene helfen soll. „So einen ähnlichen Versuch haben wir schon einmal in den 1990ern unternommen“, erinnert sich Christian. „Das war damals der Rhein-Main-Con-Verband, in dem die regionalen Cons vertreten waren. Das ist dann aber irgendwann eingeschlafen.“

Dieses Mal soll das anders laufen. „Der Gedanke war, es dieses Mal direkt größer anzusetzen, mit allen Conventions in Deutschland oder mittelfristig mit allen Conventions im deutschsprachigen Raum“. erläutert Christian die Idee, die irgendwann im Sommer entstanden ist. „Letztendlich denke ich, ist es, unabhängig von der Pandemie, ganz wichtig, dass die Conventions einen größeren Austausch haben, als bisher stattgefunden hat.“

Im Team der DreieichCon sieht Christian für den Aufbau eines solchen Netzwerkes bereits günstige Voraussetzungen. „Wir haben ein Messe-Team, das aus zwölf Personen besteht, deren Aufgabe es ist, die großen Conventions in Deutschland zu besuchen, auch Comic- und Anime-Conventions. Zum einen, um für die DreieichCon eine größere Präsenz zu zeigen, aber auch, um von den anderen Veranstaltungen zu lernen.“

„Dabei haben wir festgestellt, dass viele kleinere Conventions gar nichts voneinander wissen“, führt Christian aus. „Wenn du aus NRW kommst, dann kennst du vermutlich die meisten kleineren Conventions in NRW, aber vermutlich kaum welche aus Bayern oder Baden-Württemberg.“

Der Wert dieser kleinen Conventions sei nicht zu unterschätzen. „Es gibt unglaublich viele kleine Conventions mit 100 bis 150 Leuten, die kaum jemand kennt, die aber echt einen guten und wichtigen Job machen“, erklärt Christian. „Diese Übersicht, diese Transparenz herzustellen, welche Cons es überhaupt gibt, war das Anliegen, ein Netzwerk zu initiieren.“ Die aktuelle Lage während der Corona-Pandemie habe dazu schließlich den entscheidenden Impuls geliefert.

Eine lehrreiche Reise durch die deutsche Convention-Landschaft

Was hat speziell das DreieichCon-Team dazu gebracht, diesen Impuls aufzugreifen? „Die Idee an sich ist natürlich keine Neuerfindung“, sagt Christian. „Aber letztendlich ist da nie so richtig was passiert. Insofern habe ich mir gedacht, dass es vielleicht auch die Sache einer der größeren Conventions ist, das in die Hand zu nehmen. Also habe ich mich auf die Reise gemacht und anderen Conventions von der Idee erzählt, um abzuklopfen wer überhaupt Interesse hat. Denn wenn ich zehn frage und davon machen nur zwei mit, dann ist das eine Totgeburt.“

Doch es kam anders. „Im Juli oder August ging es los“, erinnert sich Christian. „Insgesamt habe ich mit über dreißig Orgas gesprochen, die Interesse signalisiert haben. Das lief ganz unterschiedlich. Manchmal habe ich Einzelgespräche mit bestimmten Personen aus dem Orga-Team geführt. Teilweise habe ich aber auch über Discord mit der gesamten Orga gesprochen.“

Dabei konnte Christian viel lernen: „Ich wusste zum Beispiel gar nicht, dass es ein über Discord organisiertes Netzwerk der ostdeutschen Conventions gibt, wo auch Larp-Orgas mit drin sind. Michael von der KlingenCon hat mir gesagt, dass er in einer BloodBowl-Community ist, die sich 2019 mit 1.500 Leuten in Österreich getroffen haben. Davon wusste ich gar nichts. Insgesamt war diese Reise durch die deutsche Convention-Landschaft sehr lehrreich.“

Das Ganze soll den Titel Tafelrunde tragen. „Am Anfang war das nur ein Arbeitstitel, aber am Ende wird es wohl ‚Tafelrunde der Conventions‘ oder ‚Convention-Tafelrunde‘ werden. Der Begriff hat sich durchgesetzt.“

Eine Zusammenkunft für Con-Orgas

Christian erläutert außerdem, wer sich in diesem Netzwerk einfinden kann: „Der Gedanke war, jegliche Veranstaltung, die einen klaren Pen-and-Paper-Schwerpunkt hat, unabhängig von Größe oder Struktur, dabeizuhaben, solange sie ehrenamtlich organisiert ist. Das ist nichts gegen die Verlage und deren Cons, aber es ging uns darum, dass es Veranstaltungen sind, die ehrenamtlich auf die Beine gestellt werden, damit sie sich vernetzen, austauschen und voneinander lernen können.“

Noch ist das Netzwerk informell organisiert, was sich aber schon bald ändern könnte. „Im Prinzip hast du bei so einem Projekt zwei gegensätzliche Vorgehensweisen“, erklärt Christian. „Die eine ist, ein paar Eckpfeiler zu setzen, damit das Ganze nicht total im leeren Raum steht. Gleichzeitig willst du nicht zu viel vorgeben, damit die Leute auch Eigeninitiative entwickeln und sich kreativ einbringen können.“

Organisiert wird die Tafelrunde bislang über Discord. „Auf den Server können nur die Orgas mit maximal vier Personen drauf“, erläutert Christian den aktuellen Stand. „Eine Person reicht natürlich auch. Jede Convention bekommt jedenfalls einen eigenen Kanal, in dem sie vorgestellt werden kann. Diese Struktur ist so ein vorgegebener Eckpfeiler. Die andere Säule wird eine Homepage sein, auf der wir das Projekt und die Conventions vorstellen können. Zentrales Ziel wird ein Con-Kalender sein, in dem alle Veranstaltungen der Cons zu finden sind, die am Netzwerk teilnehmen. Dort sollen dann auch direkt alle Infos wie Ort, Anfahrt, Konditionen und so weiter zu finden sein.“

Aktuell haben sich 36 Conventions im noch informellen Netzwerk zusammengefunden. Christian führt aus, wie sich die einzelnen Orgas einbringen können: „Es gibt die Möglichkeit, AGs zu bilden, zum Beispiel zu den Themen Nachwuchsförderung oder Marketing. Dabei ist es immer die Frage, welche Projekte das Netzwerk insgesamt stemmt, oder welche vielleicht in solchen kleineren Gruppen durchgeführt werden können.“

Gegenseitiger Support und kreative Ideen

Ein Beispiel dafür hat Christian direkt parat. „Nehmen wir mal die Facebook-Seiten: Hat es Sinn, dass das Netzwerk eine eigene Seite aufbaut, auf der Inhalte von allen Cons geteilt werden? Oder würden die kleineren Cons nicht eher davon profitieren, wenn Cons mit größerer Reichweite ihre Informationen teilen? Vor einigen Tagen haben wir zum Beispiel über die DreieichConFacebook-Seite auf den Morpheus hingewiesen, der im Januar in Herne stattfindet.“

Bei einer gemeinsamen Seite ständen erst einmal Fragen zur Organisation und rechtlichen Verantwortung im Raum. „Die eine Frage ist, wer sich drum kümmert. Und dann hast du auch diese rechtliche Sache. Die Tafelrunde an sich ist ja keine rechtliche Person. Das ist eine Sache, die kommen könnte, bisher aber nicht geplant ist.“

Tafelrunde Kompakt

Welche Vorteile bietet eine Mitgliedschaft im Netzwerk?

  • Eintrag in einen gemeinsamen Con-Kalender
  • gegenseitiger Support
  • Beratung und Austausch
  • kreative Einbringung in Arbeitsgemeinschaften

Denn bisher ist die Tafelrunde informell organisiert. Christian sieht aber bereits die Vorteile, die das Netzwerk bietet: „Wenn ich eine Convention in einem Jugendzentrum veranstalte, wo 200 bis 250 Personen reinpassen, ich aber das Gefühl habe, dass da noch mehr geht und das Bürgerhaus um die Ecke, in das 500 Leute reinpassen, dabei im Blick habe, dann brauche ich irgendjemanden, der mir dabei hilft, diesen Sprung zu machen. Da können Conventions, die diese Sprünge schon gemacht haben, beratend hilfreich sein. Genauso bei Orgas, die erstmals was veranstalten.“

Dass irgendwann ein formeller Verband gegründet werden könnte, will Christian nicht ausschließen und fände dies auch nicht abwegig: „In Frankreich gibt es einen landesweiten Rollenspielverband und in Deutschland einen Larp-Verband. Warum also nicht? Das hängt aber natürlich auch davon ab, wie sich das jetzt entwickelt. Wenn ein Großteil der teilnehmenden Cons sich das wünscht, dann wird das passieren. Wenn die Mehrheit es aber als reine Kommunikationsplattform nutzen möchte, dann bleibt das halt so. Aber wo die Tafelrunde in fünf Jahren stehen wird, kann jetzt noch niemand sagen.“

Der Großteil der Tafelrunden-Cons wurde von Christian direkt angesprochen. „Es gab aber auch schon zwei Cons, die auf mich zugekommen sind“, erklärt er zur Aufnahme ins Netzwerk. „Es gibt dann ein Erstgespräch, das in der Regel ich führe. Und wenn man dann übereinkommt, dass es passt, dann ist es so, dass die Orgas auf den Server kommen und dort ein Kanal für ihre Con eingerichtet wird. Der Discord-Server ist also eine reine Arbeitsplattform – und dort ist noch genug Platz.“

Artikelbilder: © Christian de Ahna, © DreieichCon, © Tafelrunde
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Christin Grigowski

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