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Auf dem Larp-Schlachtfeld begegnen uns zahlreiche Katastrophen und Schrecken. Manche davon sind gewollt und gehören zum Szenario, manche hingegen schaffen die anderen Mitspielenden ganz ungewollt für uns.

Auch wenn die meisten, denen wir auf Con begegnen, ebenso wie wir natürlich an schönem Spiel interessiert sind und ihren Spaß ebenso wie unseren im Sinn haben, gibt es dennoch negative Ausnahmen und unterschiedliche Ansichten, was Spaß und gutes Spiel sind. Nach unserem Blick auf das, was im Großen auf dem Schlachtfeld so schief laufen kann, nehmen wir hier das größte Risiko und den Hauptgrund, warum etwas auf Con beim Kämpfen schieflaufen kann, in den Blick: den*die gemeine*n Larper*in.

Außerdem überlegen wir, mal mehr, mal weniger ernsthaft, wie man mit solchen Problemfällen umgehen kann. Der Möglichkeit, ein ernsthaftes OT-Gespräch zu führen, das im Zweifelsfall immer die Lösung ist, bin ich mir im Übrigen bewusst, sie wird aber aus humoristischen und teilweise auch praktischen Gründen nicht weiter vertieft.

Das ist nur ein Kratzer – Der unsterbliche Charakter

Eine der wohl bekanntesten Katastrophen, denen man auf dem Schlachtfeld begegnet, ist der Charakter des oder der Unsterblichen. Egal, was auf die Brustplatte einhämmert; egal, wer ihm die Axt auf’s Knie schmettert; egal, wie häufig die Dreschflegel von allen Seiten einprasseln: Dieser Charakter geht höchstens in die Knie, um mit Schwung wieder aufzustehen. Seine Kämpfe enden erst, wenn er triumphierend auf einem Berg von besiegten Gegner*innen steht. Er sieht sich als epischer, unbezwingbarer Held. Auf Con ist er nur, um Gegner*innen zu töten, nicht, um besiegt zu werden. Egal, wie heftig der Kampf auch war, die einzige Verwundung ist die klassische Angeber*innenverletzung: eine oberflächliche Fleischwunde („nur ein Kratzer“) am Arm, deren Verband als Ordensersatz stolz vor sich hergetragen werden kann. Kämpfe sind für alle anderen daher selten erfreulich und meistens sinnlos.

Der Unsterbliche Überkrieger ebnet jedes Schlachtfeld ein! Foto © luislouro | depositphotos.com

Die besonders schlimme Ausgabe dieser Katastrophe fällt nicht nur durch besonderes Stehvermögen auf, sondern wird selbst auch noch ausfallend, wenn jemand nicht unter seinem ersten Hieb zu Boden geht. Was erdreistet sich diese Pappnase bitte, seinen „Dämonenspieß 0816“ parieren zu wollen?

Allerdings nicht alles, was nach Treffern stehen bleibt, macht dies aus böser Absicht. Gerade bei entsprechend schwerer Rüstung werden im Gedränge manche Treffer wirklich einfach nicht wahrgenommen. Diese Hoffnung gilt jedoch nicht, wenn wiederholt Treffer auf ungeschützte Stellen (meistens Beine oder Arme) ignoriert werden oder der Charakter gleich gar keine Rüstung trägt, sondern sogar Kriegshämmer mit seinem Leinenhemd abwehrt.

Noch eine Eigenschaft bringt er mit sich, die ihn besonders problematisch macht. Zwar gibt es ihn nicht allzu häufig, aber da er außergewöhnlich lange stehen bleibt, begegnet er im Kampf auch ungewöhnlich vielen Opfern. Von denen dann jedes mit der Wahrnehmung nach Hause geht, auf Con seien unzählige Unsterbliche gewesen. Schließlich ist jeder, den man kennt, einem solchen Charakter begegnet. Dass das immer derselbe war, registriert man häufig erst verspätet.

Unser Tipp: Da ein gewinnbringender Kampf kaum möglich ist, empfiehlt es sich, diesem Charakter einfach auszuweichen und sich bessere Gegner*innen zu suchen. Ist ein Ausweichen nicht möglich, ist die zweitbeste Lösung, sich nach einem Treffer dramatisch zu Boden fallen zu lassen und zu warten, bis er vorbeimarschiert ist. Dann kann man je nach Stimmung aufstehen und weiterkämpfen oder, noch besser, sich mit Heilerspiel ein bisschen die Zeit vertreiben lassen, bis der Unsterbliche ausreichend weit entfernt am anderen Ende des Schlachtfelds ist.

Du wirst geheilt. Bitte leiste keinen Widerstand. – Übermotiviert im Lazarett

Wer kennt diese Situation nicht: Da ist man gerade episch am feindlichen Schildwall zerschellt, wurde von einem Minotaurus zerstampft oder durch einen übergroßen Kriegshammer zu Brei geschlagen. Die eigenen Gedanken wandern bereits voll Vorfreude zum Platz in der Taverne und zum gerade noch kühlen Bier. Doch plötzlich erscheint er auf der Bildfläche: Der Charakter der übermotivierten Heilerin bzw. des übermotivierten Heilers.

Kaum hat man den Boden berührt, ganz egal, ob tödlich getroffen oder nur aus dem Gleichgewicht gebracht, stürzt er sich blitzschnell voller Entschlossenheit auf sein argloses Opfer. Bevor man auch nur „Tod! Taverne!“ oder „Mir geht’s noch gut.“ rufen kann, wurde man bereits am Boden festgenagelt und er macht sich routiniert, aber auch beunruhigend schnell, mit Nadel, Faden und Kunstblut an die Arbeit. Mit nacktem Grauen sieht man, wie ein Arbeitsset nach dem nächsten ausgepackt und sich für die mehrstündige Operation bereit gemacht wird. „Heute stirbt bei mir niemand“ übertönt er jeden unserer Versuche, zu erklären, dass der Tod auf dem Feld der Ehre genau das ist, was man will. Vergeblich versucht man, deutlich zu machen, dass der Sinn nach Gemütlichkeit steht und willkürlich Schmerzensschreie ausstoßen zu müssen nicht ganz oben auf der eigenen Wunschliste steht. Auch der Hinweis, dass die eigene Gewandung grade frisch gewaschen wurde und ein sich darauf schnell ausbreitender roter Blutfleck eher ungünstig ist (von der Tatsache, dass der eigene Charakter als von Orks aufgezogener Halboger blaues Blut hat, mal ganz abgesehen), verhallen ungehört.

Und bist Du nicht willig… so brauch ich ein wenig Heiler-Werkzeug. Foto © tony4urban | depositphotos.com

Denn wen er einmal unter sich liegen hat, den lässt er so schnell nicht mehr los. Gerade, wenn man hoffnungsvoll denkt, dass er den offenen Bruch am Bein endlich verarztet hat (Wie genau der Pfeil in die Schulter, der uns ursprünglich zu Boden geworfen hat, das Bein verletzt haben soll, bleibt uns ein ewiges Rätsel), da „entdeckt“ er noch eine schwere Bauchwunde. Bis wir endlich von ihm wegkommen, sind wir heiser geschriehen, halb wundgelegen und die Taverne ist bereits bis auf den letzten Platz gefüllt.

Ebenso leidet man unter ihm, wenn man einfach nur einen kleinen Verband haben wollte, da man schnell wieder in die Schlacht zurück will. Bis seine Heilung abgeschlossen ist, ist die Schlacht meistens beendet und man selbst so stark bandagiert, dass eine Kampfteilnahme nicht mehr zu rechtfertigen ist.

Unser Tipp: Wer nur schnell in die Taverne will, sollte lautstark und aufmerksamkeitsheischend sterben. Das beendet nicht nur die unfreiwillige Marathonbehandlung, es bietet dem Charakter des*der übermotivierten Heiler*in zugleich noch die Möglichkeit einer dramatischen Trauerszene. Man muss nur hoffen, dass die nicht auch ewig dauert. Falls man schnell wieder in die Schlacht will, bleibt nur das Preisen einer Wunderheilung und die schnelle Flucht zurück an die Front. Stößt man hier auf handfesten Widerstand, sei immer daran gedacht, dass auch Heilenden im Schlachtgetümmel manchmal ein Unglück passiert. Und wer kann schon was dafür, wenn der eigene Arm vor Schmerzen unkontrolliert zappelt?

Nur wer mit blauen Flecken heimkommt, war richtig larpen – der Rambo

Den Charakter des Rambos gibt es in mehrere Stufen. Die am häufigsten auftretende ist glücklicherweise auch die harmloseste. Dieses Exemplar stürzt sich lautstark schreiend in die feindliche Schlachtreihe, teilt in alle Himmelsrichtungen blindlings Schläge aus und stürzt dann dramatisch tot zu Boden. Das kann man für schönen Kampf halten, es mag auch eine Möglichkeit sein, festgefahrene Schlachtreihen durch eine Art Selbstmordangriff aufzubrechen. Vor allem ist es abgesehen vom irritierenderweise fehlenden Lebenswillen und der Tatsache, dass der Kampf aus stupidem aufeinander Eindreschen besteht, aber relativ harmlos. Dafür ist das Exemplar bei jedem Sturmangriff, bei jedem verzweifelten Aufgebot zur Stelle, um sich in die feindlichen Reihen zu stürzen.

„Geronimo“ und ab durch die Mitte. Foto © tankist276 | depositphotos.com

Problematischer sind die Varianten, die solche Angriffe gerne mit einem echten Ansturm oder mit überharten Schlägen kombinieren. Für sie muss eine Larpwaffe wuchtig auftreffen, abbremsende Schläge sind für Weicheier. Echte Verletzungen auf der anderen Seite nehmen sie billigend in Kauf. Denn schließlich ist ja jeder für sich selbst verantwortlich und überhaupt hätte man ja Helm und Rüstung tragen können, dann wäre auch nichts passiert. Sicherheitsregeln, wie das Verbot von Stichen oder Kopfschlägen, sind für sie reine Richtlinien, die man mit genug gesundem Menschenverstand und Verantwortungsbewusstsein auch mal ignorieren kann. Dass gerade sie über keins von beidem verfügt, realisiert sie leider nicht.

Dieser Art des Rambos tritt zwar seltener auf, ist dafür aber richtig gefährlich.

Unser Tipp: Der Umgang mit der ersten Variante ist einfach. Man muss nur lange genug draufhauen, dann fällt sie um und ist zufrieden. Wichtig ist hier, hinter ihr die Schlachtreihe schnell genug wieder zu schließen, bevor nachrückende Feinde den Rambo erfolgreich als Rammbock nutzen können.

Die zweite Variante hingegen ist grundsätzlich zu meiden. Sobald man erkennt, dass Sicherheitsregeln verletzt werden, sollte man den Kampf abbrechen und nach Möglichkeit umgehend eine SL informieren.

Findest du das lustig, du Made?! – Der Feldwebel-Charakter

Eine Schlacht soll wie alles andere im Larp vor allem Spaß machen. Unorganisiert und blindlings wie in einem Hollywoodfilm stürmt man aufeinander zu und liefert sich epische Duelle bis zum bitteren Ende. Dass auf diese Art Schlachten nicht unbedingt Spaß machen, ist ein anderes Thema. Spätestens nach dem ersten Feindkontakt ist jeder Schlachtplan ohnehin hinfällig und vergnügliches Chaos breitet sich auf dem Schlachtfeld aus. Doch nicht mit ihm. Für den Charakter des Feldwebels gibt es nichts wichtigeres als Ordnung und Disziplin. Das wichtigste Mittel seiner Macht ist seine Stimme. Lautstark hallen sein Kommandos über das Feld. Wer auch nur einen Schritt aus der Reihe macht, bekommt eine verbale Abreibung, die sich hinter Full Metal Jacket nicht verstecken muss.

„Jetzt lassen Sie besser Ihre Faxen, sonst reiß ich Ihnen den Kopf ab und scheiß Ihnen in den Hals!“ – Full Metal Jacket. Foto © zabelin | depositphotos.com

Er ist Organisator des Schlachtfelds und kommandiert Flankenmanöver, Links- und Rechtsschwenke, orchestriert eine perfekte schiefe Schlachtordnung und verhindert persönlich, dass jemand feige die Schlachtreihe verlässt und flieht. Er ist das Rückgrat einer jeden Armee, das Fundament, auf dem der Sieg fußt. Zumindest in seiner Weltsicht.

In der Realität hingegen verhallen seine Kommandos unbeachtet im Schlachtenlärm. Was ganz gut ist, denn auch inhaltlich ergeben diese selten Sinn. Sogar eine gut ausgebildete und disziplinierte echte Armee würde die zahlreichen, sich widersprechenden oder redundant wiederholenden Befehle verwirrend und unverständlich finden. Bei der durchschnittlichen Larp-Kampfgruppe führen sie zuverlässig zu völliger Konfusion. Eine angeordnete Neugruppierung vor der anrückenden Bedrohung und schon steht an Stelle einer mühsam in Formation gebrachten Truppe ein unorganisierter Haufen da, der binnen kürze überrannt wird. Abseits der heißesten Schlachtgeschehens ist er allerdings noch schlimmer. Auch hier bringt er die aus seiner Sicht notwendige Härte und Disziplin ins Larp. Bereits in den frühen Morgenstunden schallt daher sein Kasernenton durch Lager, der willkürlich alles anbrüllt und herumkommandiert, das seinen Weg kreuzt. Damit verschreckt er nicht nur eigentlich motivierte Spieler*innen, auch die Alkoho… die Spätheimkehrenden aus den Tavernen freuen sich riesig, dass ihr beginnender Kater durch die Lautstärke verstärkt wird.

So bringt er aus seiner Sicht das Lager oder gleich die ganze Con in Form und macht sie fit für die Abenteuer des Tages.

Ungeachtet der Tatsache, dass die meisten Anwesenden es nicht unbedingt besonders schätzen, angebrüllt und beleidigt zu werden und er eigentlich auch absolut gar nichts zu melden hat. Schließlich gibt es eine festgelegte Lagerhierarchie. Die ihm jedoch viel zu lasch ist, immerhin spricht man dort in normalem Ton und mit normaler Lautstärke miteinander.

Unser Tipp: Der Charakter des Feldwebels kann ein Ärgernis sein, allerdings nur im Lager. Auf dem Schlachtfeld hingegen gibt es mehrere Möglichkeiten, mit ihm umzugehen. Die einfachste ist es, ihn zu ignorieren, wie es alle anderen auch tun. Allerdings lohnt es sich auch, kurz über die Situation nachzudenken. Immerhin geht es in der Schlacht gerade hektisch zu. Freund*in und Feind*in sind im Getümmel nur schwer zu unterscheiden und wer weiß schon hinterher, wer jetzt genau wem den Todesstoß beschert hat? Unglücke, Missverständnisse und Unfälle passieren…

Kurz und schmerzlos

Larp könnte so schön sein, gäbe es die anderen Larper*innen nicht. Unterschiedliche Erwartungen und Konzepte führen zu Konflikten, die den Spielspaß stören können, auch oder sogar gerade beim wenig charakterspiellastigen Kampf.

Ganz grundsätzlich gilt in jedem Fall, immer daran zu denken, dass man es mit Menschen zu tun hat, die nicht absichtlich den eigenen Spielspaß ruinieren. Da alle Spaß haben wollen, hat niemand Interesse an richtigem Streit und eigentlich sollten alle kompromissbereit sein. Ein gutes OT-Gespräche löst meistens das Problem, für alles andere kann man zur Orga oder SL gehen, die sind für solche Probleme da.

Statt sich über dennoch auftretende Problemfälle zu sehr zu ärgern, kann man es auch mit Humor nehmen. Ein OT-Gespräch beendet nun mal immer den Spielfluss und stört auch die eigene Stimmung, die abgesehen von diesem einen Problem ja durchaus gut sein kann. Strategien, mit solchen Katastrophen IT umzugehen, können daher nicht schaden.

Im Zweifelsfall bietet es sich aus meiner Sicht immer an, die Reaktion zeigen, die am meisten Spiel generiert oder am lustigsten ist. Je aufdringlicher die Störung ist, desto stärker kann der Spaß auf Kosten des oder der Verursachers*in sein. Bösartig sollte er jedoch nie sein, sonst läuft man Gefahr, selbst zum Problem zu werden.

 

Artikelbilder: © luislouro, © tony4urban, © tankist276, © zabelin | depositphotos.com
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Jessica Albert

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