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In dem kooperativen Spiel Die Schlacht von Runedar können bis zu vier Zwerg*innen in einer Art Tower-Defense versuchen, den herannahenden Horden zu trotzen. Dazu kommt ein interessanter Deck-Building-Mechanismus zum Einsatz. Eines steht allerdings schon fest: Die Burg muss aufgegeben werden.

Unter starkem Pfeilhagel stürzen die grünhäutigen Orks auf die zwergische Festung zu. Erstürmen Stück für Stück die Mauer. Ohne Unterlass schießen die Katapulte im Kreuzfeuer auf wichtige Transportwege. An der westlichen Flanke hat es gerade ein Belagerungsturm an die Festungsmauer geschafft. Aus der fallenden Brücke stürzt sich bereits ein Troll auf die Mine. Aus dieser sind unlängst einige Kobolde gestoßen und verschließen uns damit den Rückweg. Uns. Den vier letzten Zwerg*innen auf der Festung von Runedar.

Die Schlacht um Runedar tobt in vollen Zügen.
Die Schlacht um Runedar tobt in vollen Zügen.

Die beiliegende Geschichte im Regelheft erzählt von den letzten Zwerg*innen und einer längst verlassenen Goldmine. Vor kurzem konnte das zwergische Volk allerdings eine neue Goldader entdecken. Davon haben auch die hiesigen Orks und Trolle Wind bekommen und stürmen nun die Festung, um an das Gold zu gelangen. Das Ziel des Spieles ist überraschenderweise nicht, die Festung zu halten, sondern sich durch die alten eingestürzten Minen einen Weg nach draußen zu graben und dabei auf der Flucht so viel Gold wie möglich mitzunehmen.

Spielablauf

Damit das Spielen losgehen kann, muss erst einmal der Deckel gelüftet und alles aus dem Karton entnommen werden. Die untere Kartonhälfte gibt dann den Blick auf eine dreidimensionale Burg mit Wehrgängen, drei Türmen, einer Mine, drei Werkstätten und einer Schatzkammer frei. Diese untere Deckelhälfte ist die Hauptspielfläche. Je nach Personenanzahl kommt das Äquivalent an Zwerg*innen in die Mitte der Festung – der Schatzkammer.

Alle Spielenden erhalten ein identisches Startdeck aus zwölf Karten. Davon hat jede Person zu Beginn der eigenen Runde fünf Karten auf der Hand. Die Karten werden stets alle ausgespielt (oder abgeworfen), und damit endet der eigene Zug.

Die untere Kartonhälfte ist die Spielfläche.
Toll gelöst:  Die untere Kartonhälfte ist die Spielfläche.

Im eigenen Deck sind zwei Ork-Karten enthalten. Diese müssen stets zu Beginn des eigenen Zuges ausgespielt werden. Diese Karten lösen das Ziehen von ein bis zwei Belagerungskarten aus. Auf den Belagerungskarten sind entweder Orks, ein Belagerungsturm oder ein Katapult abgebildet. Zusätzlich befindet sich auf manchen Karten noch ein kleiner Pfeil auf der oberen linken Ecke. Die abgebildeten Orks müssen entsprechend ihrer Position auf den Belagerungskarten auf die richtige Seite vor die Festung gesetzt werden. Die kleinen Pfeile lassen dann alle auf dem Spielplan vorhandenen Orks genau ein Feld weiterziehen. Von vor der Mauer geht es auf den Wehrgang, vom Wehrgang in eine der drei Werkstätten und von dort in die Schatzkammer. In dieser angelangt, stehlen die Orks sofort ein Gold und verschwinden zurück in die Spielablage. Katapulte und Belagerungstürme blockieren andere Spielelemente.

Die Ork-Karten lösen das Ziehen von Belagerungskarten aus.
Die Ork-Karten lösen das Ziehen von Belagerungskarten aus.

Das Spiel hat eine Reihe von Bedingungen, wie die Charaktere verlieren können. Das Spiel endet sofort, wenn die Zwerg*innen kein Gold mehr haben, der fünfte Troll mithilfe des Belagerungsturms eindringt, der zehnte Ork auf der Spielfläche erscheint, die Katapulte alle Ausrüstungsgegenstände gesperrt haben oder der Stapel an Belagerungskarten leer ist. Umgekehrt gewinnen die Spielenden nur, wenn sie die fünf großen Steine in der Mine entsorgt haben. Abhängig vom Schwierigkeitsgrad liegen dort immer einige Geröllsteine im Weg, die stets vor jedem Minenstein weggeräumt werden müssen. Diese Sieg- oder Niederlage-Bedingungen erklären auch, warum Die Schlacht von Runedar kein Tower-Defense-Spiel im Stile von The Great Wall ist, oder, besser gesagt, nur zu einem Teil.

Die Orks möchten an das Gold der Zwerg*innen gelangen.
Die Orks möchten an das Gold der Zwerg*innen gelangen.

Für jede Aktion muss eine Handkarte ablegt werden. Abhängig von den Symbolen auf der Karte kann damit der Charakter bewegt, Kämpfe ausgefochten, in der Mine gegraben oder in einer der drei Werkstätten Ressourcen hergestellt werden. Mithilfe der Ressourcen Metall, Holz oder Leder lassen sich auf einem beiliegenden Karten-Tableau ausliegende Ausrüstungsgegenstände erwerben.

Haptisch hochwertige Ressourcen: Metall, Holz, Leder, Geröll und Gold.
Haptisch hochwertige Ressourcen: Metall, Holz, Leder, Geröll und Gold.

Das gesamte Spiel ist kooperativ. Alle versuchen gemeinsam den Orks so lange Paroli zu bieten bis der Fluchttunnel durch die Minen gegraben ist. Die Kosten für die Ausrüstungsgegenstände variieren zugunsten von mehreren Spielenden. Im Solomodus kosten die Karten also mehr als im Spiel zu viert. Im Spiel zu zweit und zu dritt sind die Kosten identisch. Bei dieser Anzahl an Spielenden wirkte die Ressourcenbeschaffung tatsächlich oft unfair, respektive benötigt der Erwerb einer Ausrüstung oft zu lange.

Laut Anleitung gibt es vier Schwierigkeitsgrade. Überrascht wurde die erste Testrunde davon, dass wir im einfachen Modus massiv überrannt wurden. Der Schwierigkeitsgrad wird eher durch den Glücksfaktor definiert, der auch den Spielspaß an sich trübt. Bei zwölf Karten kann es öfter vorkommen, dass man zwei Ork-Karten auf der Hand hat. Das bedeutet, dass man selbst nur noch drei eigene Züge machen kann.

Das Ressourcen-Tableau erlaubt es, an hochwertige Ausrüstungsgegenstände zu gelangen.
Das Ressourcen-Tableau erlaubt es, an hochwertige Ausrüstungsgegenstände zu gelangen.

Ferner werden die Kämpfe mit Würfeln abgehandelt. Zwei der sechs Seiten dieser Würfel sind direkte Kampferfolge. Mit nur einem Würfel ist die Wahrscheinlichkeit einen Gegner zu besiegen daher entsprechend gering. Die Anzahl der Würfel kann durch Ausrüstungsgegenstände erhöht werden. Es gilt also, das Glück sowohl beim Kartenziehen als auch beim Würfeln herauszufordern. Mit fünf Würfeln ein drohendes Katapult nicht zu zerstören, ist dann wirklich sehr frustrierend und leider viel zu häufig in der Praxis so geschehen.

Die Würfel werden für die Abhandlung von Kämpfen benötigt.
Die Würfel werden für die Abhandlung von Kämpfen benötigt.

Es gibt tatsächlich nur die eine Strategie zum Gewinnen des Spieles. Das hat sowohl die eigene Erfahrung als auch Recherche in unterschiedlichen Foren-Beiträgen und eine Umfrage in Boardgamegeek hervorgebracht. Das führt bei einer gemischten Spielrunde mit erfahrenen und unerfahrenen Personen dazu, dass sich Alpha-Spielende hervortun werden. Züge werden infrage gestellt, Laufwege wollen optimiert werden, Angriffe vermieden und so weiter. Runedar ist zwar ein kooperatives Spiel, kann sich aber schnell in eine Befehlskette verwandeln.

Spoiler: Wie man leichter gewinnt

Ihr solltet hier nur weiterlesen, wenn ihr das Spiel nicht selbst erkunden wollt oder bereits gefrustet auf die Erlösung wartet. Die Schlacht von Runedar ist im eigentlichen Kern ein Deck Builder. Bedeutet für die Strategie, dass ihr in den ersten Runden zwingend eure Starthand gegen neue Ausrüstungsgegenstände tauschen müsst. Im Solomodus werdet ihr sehr wahrscheinlich die komplette Hand vollständig ausgetauscht haben. Im Modus zu viert muss das Ziel sein, mindestens die Hälfte ausgetauscht zu haben. Scheut euch nicht, Söldner mit Gold zu bezahlen. Insbesondere den Troll mit den sechs Lebenskreisen gilt es für zwei Goldklumpen sofort zu vernichten. Lasst die Orks Gold stehlen, bis ihr eure Starthand optimiert habt. Ein weiterer Tipp: Ihr solltet nur aus absoluter Not heraus versuchen, etwas mit nur einem Würfel erreichen zu wollen. Nach persönlicher Erfahrung solltet ihr Kämpfe oder Grabungen mit weniger als drei Würfeln vermeiden. Und nun viel Erfolg.

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Ausstattung

Beim ersten Lüften des Kartons schaut man auf eine graue Plastikburg. Die sieht schon ganz gelungen aus. Tatsächlich liegt der Packung neben der dazugehörigen Bastelanleitung noch doppelseitiges Klebeband bei. Mit weiteren stimmig bedruckten Pappelementen verwandelt sich die graue Burg schließlich in ein atmosphärisches Spielfeld.

Runedar ist ein Hingucker.
Runedar ist ein Hingucker.
Tipp zur Bauanleitung: Es gibt keinen Hinweis, wie viel vom Klebeband wirklich benötigt wird. Auf jedem Burgelement habe ich stets zwei Streifen über die gesamte Länge geklebt. Damit bleibt circa die Hälfte an Klebeband übrig. Ein großzügigeres Befestigen ist daher ohne weiteres möglich, aber nicht zwingend notwendig.
Die beiliegende Bauanleitung.
Die beiliegende Bauanleitung.

Die Ressourcen sind weitestgehend aus Holz gefertigt und haptisch wie auch optisch wirklich schön hergestellt. Einzig die Gold-Ressourcen sind aus Plastik erstellt. Die Figuren von den Zwerg*innen über Orks bis zum Belagerungsturm oder Katapult sind doppelseitig bedruckte Papp-Standees. Manchmal passiert es, gerade bei einer recht vollen Spielfläche, dass man aus Versehen das zwergische Volk mit einem Ork vertauscht. Bei den vier Protagonist*innen wären Figuren daher schöner gewesen.

Die Anleitung ist grundsätzlich in Ordnung. Man muss vereinzelt herumblättern. Insbesondere bei der Erläuterung der Phasen wird die komplexe Beschreibung, wie ein Katapult oder Belagerungsturm abgehandelt wird, als Erstes erläutert. Wie diese überhaupt ins Spiel gelangen, wird erst in einer späteren Phase erläutert. Hätte sich besser lösen lassen. Dazu kam, dass einige Dinge erst durch eine Negativierung der Regeln erklärt werden. Es ist unter anderem unklar, ob Katapulte und Türme mit einer Nahkampfwaffe angegriffen werden können. Können sie übrigens nicht.

Das Startdeck besteht aus zwölf Karten.
Das Startdeck besteht aus zwölf Karten.

Für alle Spielesammler*innen gibt es noch eine schlechte Nachricht. Die Grundmaße der Box entsprechen nicht dem üblichen IKEA-Kallax-Regal-Standard.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Asmodee
  • Autor*in(nen): Reiner Knizia
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 60 bis 120 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Preis: ca. 40 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Homepage von Asmodee gibt es Regeln, Bauanleitung und die Sieg-/Niederlage-Tafel zum Ausdrucken.

Fazit

Schon wieder „voll auf die Zwölf“. Die Schlacht von Runedar brachte meine Testrunden oft an den Rand der Verzweiflung. Die Ausstattung und das gesamte Material sind wunderschön. Unabhängig vom Schwierigkeitsgrad werden die Zwerg*innen in den ersten Runden sehr wahrscheinlich von den Orks überrannt – selbst auf einfachstem Niveau. Je nach eigener Frustrationstoleranz kann dies für Spaß und weiteren Antrieb sorgen – oder bereits nach kurzer Zeit zum Verkauf bewegen.

Trotz vier zu wählender Schwierigkeitsgrade gibt es immer nur eine Strategie zum Sieg. Diese erst einmal verinnerlicht, laufen alle Partien ähnlich ab. Leider hat der Glücksfaktor beim Würfeln und beim Kartenziehen einen so enormen Spieleinfluss, dass auch eine vermeintlich einfache Partie schnell zur Frustprobe wird.

Mit dem Armbrustgeschütz ganz rechts kann man gut austeilen.
Mit dem Armbrustgeschütz ganz rechts kann man gut austeilen.

Im Solomodus ist das Spiel vom gesamten Spielfluss noch am beherrschbarsten. Mit mehr Spielenden wird es schwieriger, dass alle ein gutes Karten-Deck erlangen können. Runedar ist ein kooperatives Spiel, aber eigentlich ist es ein Alpha-Spieler*innen unterstützendes Spiel. Es wird also immer eine Person am Tisch geben, die die Kommandos vorgibt, und gerade bei Neulingen auf Zugoptimierung drängt. So richtig viel Freude kommt hier nicht auf. Ist die gewählte Strategie am Tisch klar, fühlt es sich eher wie ein Abarbeiten von Einzelschritten an.

Unter dem Strich wirkt das Spiel unfertig. Es fehlen taktische Variationsmöglichkeiten, Glückselemente sind zu zahlreich und zu spielentscheidend. Ferner besteht die Gefahr, dass Brettspiel-Neulinge von erfahrenen Spielenden die Züge diktiert bekommen. Die tolle Spielfläche tröstet dabei über die ersten Partien hinweg, aber am Ende bleibt es ein Staubfänger.

  • Tolles Design, Artwork und Material
 

  • Zu viele Glückselemente
  • Begünstigt Alpha-Spieler*in
  • Nur eine Strategie führt zum Sieg

 

Artikelbilder: © Asmodee
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Rick Davids
Fotografien: Horst Brückner
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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