Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Als Marvel in den 90ern kurz vor der Pleite stand, gab es nur zwei Reihen, die souverän weiterhin erfolgreich waren: Die X-Men und Spider-Man. Auch heute sind sie noch zwei der wichtigsten Eckpfeiler im Verlagsprogramm. Wenn also neue Reihen erscheinen, müssen wir euch davon berichten.

Spider-Man wird 60 Jahre alt. Zur Feier des Jahres erscheint ein Kurzgeschichtenband für den Marvel einige namhafte Künstler gewinnen konnte. Gleichzeitig erscheint aber auch das erste Heft der neuen Spider-Man-Reihe, geschrieben von Zeb Wells und gezeichnet von John Romita Jr. – zwei gestandene Comic-Kreative, die Erwartungen wecken. Schafft es John Romita Jr., an seine Zeit in den 00er-Jahren oder an das Werk seines Vaters anzuknüpfen? Bei den X-Men erscheint derweil eine neue Reihe, welche sich ganz dem Stillen Konzil von Krakoa Gleich das erste Kapitel wird aus der Perspektive von Mister Sinister erzählt. Hier geht es um Intrigen, die hohe Politik und die Frage: Wer soll auf Magneto folgen, der sich gleich am Anfang zurückzieht?

Triggerwarnungen

Tod und Sterblichkeit

[Einklappen]

Die unsterblichen X-Men #1 – Der Zirkel der Mächtigen

Das Stille Konzil herrscht über die Mutanten-Nation Krakoa. Es besteht aus 12 Mitgliedern, deren Plätze immer wieder wechseln. Nun ist es Magneto, der seinen Platz zur Verfügung stellt. Kandidaten für den vakanten Posten gibt es viele: Angel, Selene, Beast … Doch Exodus hat einen ganz eigenen Favoriten, der nur überredet werden muss: Hope. Währenddessen spielt Mister Sinister sein ganz eigenes Spiel und versucht, die Zukunft nach seinen Wünschen zu manipulieren. Destiny, die Frau die in die Zukunft sehen kann, quälen ihre Visionen von einem zukünftigen Krieg, der kurz bevorsteht und Sorgen um ihre große Liebe: Mystique.

Dieser Band wird als Comic für Einsteiger*innen bezeichnet, doch das trifft nicht zu. Dieser Comic ist ganz klar für Fans, die schon tief in der Materie sind und für die sich hier eine neue Perspektive auftut: Geschichten aus den Augen ehemaliger Schurk*innen, die jetzt im Konzil von Krakoa sitzen. Gleich das erste Kapitel ist aus der Perspektive von Sinister erzählt, doch auch in das Seelenleben von Destiny, Emma Frost, Exodus und Sebastian Shaw erhält man hier tiefe Einblicke. Gerade die politische Sicht und die vielen Intrigen machen diesen Comic so unterhaltsam. Wer damit nichts anfangen kann, sollte gleich die Finger hiervon lassen.

Der Konflikt mit den Avengers und Eternals steht direkt bevor

Im Comic gibt es einige Warnungen, dass die letzten beiden Kapitel Spoiler für das nächste Event A.X.E.: Tag der Entscheidung enthalten. Diese Warnung bedeutet aber auch, dass es nicht so einfach fällt, diese Kapitel zu lesen, ohne zu wissen, um was es in dem Konflikt geht. Dazu wird man dort direkt in die Handlung geworfen und ebenso schnell wieder herauskatapultiert. Eine Auflösung der entsprechenden Handlungsstränge findet nicht statt. Ich hatte eigentlich gehofft, dass Marvel entsprechende Tie-Ins inzwischen aus den regulären Serien heraushalten würde, aber leider ist dies hier nicht der Fall. Man versteht zwar die Grundzüge der Geschichte, doch dies schmälert das Lesevergnügen ungemein.

Abseits von diesem Nachteil liegt hier ein überzeugender Serienstart vor, der mich neugierig auf mehr macht. Dieser Comic schafft es, dass ich mich für das Schicksal von Sinister oder Exodus interessiere. Dazu gehört eine geschickte Einbettung von Erlebnissen aus der Vergangenheit der Protagonist*innen und die konsequente Erzählung aus der Perspektive der entsprechenden Figur. Die Zeichnungen sorgen für die passende Emotionalität und Atmosphäre. Bekannte Held*innen wie Storm oder Wolverine agieren hier nur als Nebencharaktere, doch genau dies ermöglicht es uns auch, die neuen Sichtweisen anzunehmen.

In der Summe kann ich diesen Band empfehlen, obwohl oder gerade weil es hier nicht um Held*innen und klassische Abenteuer geht, sondern um Schurk*innen und Machtspiele. Gerade die Mutanten haben einige der spannendsten Schurk*innen im Marvel-Kosmos, so dass sich Fans hier darauf freuen können, mehr über sie zu erfahren. Einzig die Überschneidung mit den Ereignissen aus A.X.E. führt zu einem Abzug in der B-Note.

Die harten Fakten

  • Autor*in: Kieron Gillen
  • Zeichner*innen: Lucas Werneck, Michele Bandini
  • Seitenanzahl: 172
  • Preis: 20 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

Amazing Fantasy präsentiert Spider-Man

Spider-Man feiert seinen 60sten Geburtstag. Passend dazu erzählt Dan Slott eine Kurzgeschichte über den sinisteren 60sten des inzwischen gealterten Helden. Peter kommt wieder einmal zu einem Treffen mit Mary Jane zu spät, da er auch im gehobenen Alter immer noch jede Gaunerei verhindern will. Doch da er nicht mehr der Jüngste ist, gerät er in Lebensgefahr.

In einer anderen Geschichte erzählt Neil Gaiman vom britischen Magazin Pow! und seiner ganz persönlichen Begegnung mit Spider-Man und Steve Ditko. Kurt Busiek verfasst eine ganz eigene Fortsetzung von Amazing Fantasy 15, dem Heft, in dem Spider-Man, als eine Geschichte von vielen, zum ersten Mal aufgetaucht ist. Jonathan Hickman schickt die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft ins Spider-Verse. Der Band endet mit einer kleinen Geschichte von Mike Pasciullo, in der Peter der Mentor für einen ganz neuen Helden wird. Der Autor ist leider letztes Jahr im Alter von 50 Jahren verstorben.

Ebenso vielfältig wie die Autoren und Zeichner sind die Kurzgeschichten selbst. Der 60ste Geburtstag ist für mich persönlich das Highlight, da hier auf wenigen Seiten Emotionen erzeugt werden und die Geschichte dennoch die Essenz von Spider-Man tief verinnerlicht hat. Andere Geschichten sind eher humorvoll, abenteuerlich oder actiongeladen. Dementsprechend ist aber auch nicht jede Episode für jede*n Leser*in.

Die Zielgruppe sind langjährige Fans

Kurzgeschichten-Bände funktionieren oft, um Neulingen einen Einblick in die Figuren zu geben. Ob dies hiermit gelingt, wage ich zu bezweifeln. Die Episoden sind größtenteils sehr kurz, wodurch eine tiefere Bindung zu der Figur schwer fällt. Der Comic ist dementsprechend auch sehr dünn. Um noch ein wenig mehr fürs Geld zu bieten, hat Panini Comics am Ende noch die allererste Spider-Man Geschichte aus Amazing Fantasy 15 angehängt. Da dieser Comic aber schon in diversen Bänden erschienen ist, dürfte dies für langjährige Fans nichts Neues sein.

Ich gehe davon aus, dass dieser Comic hauptsächlich für Spider-Man-Fans interessant ist. Abseits der Frage, ob diese einen erneuten Druck von Spider-Mans Origin-Story brauchen, ist dieser Band aber liebevoll gemacht. Und auch wenn nicht alle Geschichten gleichsam zünden, macht man hier wenig falsch, wenn man sich für einen Kurzgeschichtenband des Wandkrabblers interessiert.

Die harten Fakten

  • Autor*innen: Neil Gaiman, Kurt Bursiek, Jonathan Hickman, Dan Slott u. a.
  • Zeichner*innen: Pasqual Ferry, Steve McNiven, Marco Checchetto u. a.
  • Seitenanzahl: 100
  • Preis: 13 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

Spider-Man #1 – Neues Leben, Neuer Ärger!

Vor einem halben Jahr ist in Pennsylvania etwas passiert, das hier noch nicht näher bezeichnet wird. Nun hat Peter Parker Probleme, sich auf Menschen einzulassen. Tante May wundert sich, dass er ihr nichts erzählen möchte, seine Freunde Randy Robertson und Johnny Storm werden von ihm ignoriert und Mary Jane scheint sich ein komplett neues Leben aufgebaut zu haben. Derweil bahnt sich ein Bandenkrieg zwischen der Gang von Tombstone und der von Fisks Sohn The Rose an. Dazu taucht die Kreatur namens Digger wieder auf.

Das Heft schafft es, auf wenigen Seiten viele Details aus dem neuen Status Quo zu etablieren, erzählt aber noch nicht viel mehr. Dazu werden hier viele Klischees bedient. So haben wir die unbekannte Katastrophe, die das Leben des Protagonisten umgekrempelt hat, vor kurzem erst in der neuen Hulk-Serie erzählt bekommen. Solche Tropes funktionieren, erzeugen aber auch nicht das Gefühl etwas vollkommen Neues zu lesen. Dieser Comic fühlt sich wie ein solider Start an, löst aber keine Begeisterungsstürme hervor.

Man darf gespannt sein

Optisch haben die Zeichnungen von John Romita Jr. einen nostalgischen Touch. Digger ist eine der Figuren, die er zusammen mit J. Michael Straczynski vor 20 Jahren erschuf. Sein Stil hat sich nicht groß weiterentwickelt, bleibt dabei aber stets detailliert und abstrakt genug, dass die Bilder zum Leben erwachen.

Es ist positiv hervorzuheben, dass hier Gegner ausgewählt wurden, die nicht in der absoluten A-Liga mitspielen und dadurch Potenzial aufweisen. Gleichzeitig gibt es hier logische Weiterentwicklungen der Figuren, wie die angedeutete Verlobung zwischen Randy und Tombstones Tochter Janice. Das sonderbare Ereignis von Pennsylvania weckt dafür aber weniger meine Neugier als die Entwicklungen im Leben von Mary Jane.

In diesem Comic wirkt es fast, als ob Zeb Wells Spider-Man und Peter Parker als komplett unterschiedliche Figuren erzählt. Es wirkt fast wie eine Spaltung der beiden Persönlichkeiten. Wenn in den zukünftigen Heften eine stärkere Verbindung zwischen den unterschiedlichen Handlungsteilen erzeugt wird, kann ich mir vorstellen, dass dies ein erfolgreicher Run werden könnte.

Die harten Fakten

  • Autor*in: Zeb Wells
  • Zeichner*in: John Romita Jr.
  • Seitenanzahl: 52
  • Preis: 5,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Panini Shop

 

Artikelbilder : © Panini Comics
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat:  Maximilian Düngen
Diese Produkte wurden teilweise kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein