Geschätzte Lesezeit: 11 Minuten

Was wäre Dungeons & Dragons ohne seine Monster? Über die Jahrzehnte ist ein großer Bestand an Kreaturen herangewachsen, aber ebenso sind auch die Erwartungen gestiegen. Wird das neue Monster Manual dieser Historie gerecht? Bringt es Neues? Fügt es sich in das Gesamtkonzept dieser neuen Edition ein?

Inhalt

Eine Monstersammlung glänzt besonders dann, wenn sie einem SL das Leben erleichtert. In d20-Spielen wird dies durch den so genannten Stat-Block versucht, der es erlaubt, ein Monster schnell zu erfassen. In Dungeon Crawl Classics ist dieser Block zum Beispiel ein kurzer Textblock, in dem es von Abkürzungen wimmelt. Für den SL bietet dieser zwar einen guten Kurzüberblick, aber bei den Sonderfertigkeiten der Kreaturen wird es eher unübersichtlich. Viele Retro-Klone haben auch solche kurzen Blöcke.

Am anderen Ende der Skala befindet sich Pathfinder. Wer dort das Bestiary aufschlägt, findet einen einheitlich gegliederten Block, der auch die Spezialfertigkeiten der Kreatur eine nach der anderen auflistet, alle samt Beschreibung. Diese Blöcke werden dann auch für mächtigere Kreaturen sehr lang, und beim Gegenlesen musste ich verdutzt feststellen, dass dadurch die eigentlichen beschreibenden Texte mächtiger Kreaturen eher kurz auffallen, und die der Weicheier der Monsterhierarchie eher lang – mutmaßlich, weil halt noch Platz da war.

Der D&D5-Statblock neigt eher zur langen Variante, aber dem freien, beschreibenden Text wird trotzdem viel Platz eingeräumt. Zumeist werden drei wichtige Aspekte einer Kreatur angesprochen, jeder in einem eigenen Paragraphen. Der Stat-Block selbst ist dabei sehr fokussiert und enthält eine mittlere Menge an Information. Die Attribute sind immer gelistet, aber Rettungswürfe nur dann, wenn sie vom Attribut-Modifikator abweichen. Hat das Monster eine Resistenz, Verwundbarkeit oder Immunität gegenüber einer Art Schaden? Nur dann taucht der relevante Abschnitt in der Beschreibung auf. Genauso ist es mit den Conditions. Was nicht im Stat-Block steht, funktioniert völlig normal. Das ist sehr angenehm und übersichtlich. Es passt auch gut zur einfachen Art von D&D5 solche Elemente zu handhaben – eine Schadensresistenz halbiert ja z.B. den erlittenen Schaden dieser Art. Hier gibt es wenig, das man sich merken muss, und wenig zu beachten, und die Spielwerte sind dementsprechend einfach.

Der Stoff für Legenden

Das Monster Manual wartet mit einem sehr schlanken Regelteil auf, für ganz dicke Brocken wurden aber dann doch noch ein paar Zusatzregeln spendiert:

Normalerweise erhalten SC und Monster nur ihre übliche Action, Reaction und Bonus Action. Die Action selbst kann aber genauso wie bei nahkampfstarken Character-Klassen auch eine Mehrfachattacke sein. Man muss trotzdem eine der angebotenen Actions auswählen, selbst wenn diese mehrere Angriffe in der eigenen Runde erlaubt. Bei Drachen, Beholdern, Lichs und anderen besonders mächtigen Monstern hat man hier noch etwas draufgepackt, und zwar die Legendary Actions und die Lair Actions.

Legendary Actions erlauben zusätzliche Aktionen aus einem vorgefertigten Pool an Möglichkeiten. Ein Ancient Gold Dragon hat zum Beispiel drei Legendary Actions, und darf damit entweder einen Wahrnehmungswurf, einen Angriff mit seinen Schwingen, oder einen mit seinem Schwanz machen. In jeder neuen Kampfrunde frischt sich dieser Pool wieder auf und verleiht dem Drachen viel mehr an Durchschlagskraft, als wenn er nur auf seine Hauptaktion angewiesen wäre. Er kann diese Legendary Actions am Ende des Zuges einer anderen Spielfigur machen, so dass der SL nicht alles in einem Rutsch abfeiern muss.

Richtig böse wird es, wenn man ein solches Ungetüm in seinem Bau aufsucht. Dort erhalten einige Monster auch noch Lair Actions. Wird beim Herunterzählen der Initiativreihenfolge die 20 erreicht, darf das Monster eine seiner Lair Actions machen. Ein Obermotz in seiner Höhle gilt somit als noch gefährlicher als er es ohnehin schon mit Legendary Actions wäre, und wird daher mit einem höheren Challenge Rating belegt. Darum sollte die Heldentruppe Smaug besser in Laketown erlegen: Im Berg gäbe es zwar mehr Erfahrungspunkte, aber auch einiges mehr an Tod.

Abgerundet wird das Paket dadurch, dass diese Elite der Monsterschaft auch noch Regional Effects hat. So erzeugt ein Beholder im Umland eine paranoide Grundstimmung, bei der man sich beobachtet fühlt. Ein Gold Dragon lässt Edelsteine so sehr glänzen, dass sie zu kleinen Lichtquellen werden.

Dieses Paket aus Legendary Actions, Lair Actions und Regional Effects macht die Begegnung mit einem ausgewachsenen Drachen zu etwas Einzigartigem. Bis zum Erreichen dieses Olymps muss der SL hingegen nicht so viele Sachen gleichzeitig verwalten. Auch die Monster und ihre Actions bleiben sehr übersichtlich, D&D5 bleibt sich hier treu.

Tod auf Raten

Auch sonst hat sich bei den Powers bekannter Monster so einiges getan, was ich als sehr positiv bewerten würde. In älteren Editionen konnten einem mächtige Untote Erfahrungsstufen entziehen, was bei der Spielerschaft nie besonders populär war, und teilweise sehr umständlich in der Handhabung. Solche Attacken (Life Drain) bewirken nun ein Absinken der maximalen Trefferpunkte. Erreichen die maximalen Trefferpunkte hierbei die 0, stirbt man automatisch – ohne einen Death Save ausführen zu dürfen.

Dieser Effekt selbst ist aber nicht die größte Gefahr. Bis zum nächsten Long Rest kann man nämlich ohne Zugang zu mächtiger Magie (Greater Restoration steht erst ab Stufe 11 zur Verfügung) die maximale Trefferpunktgrenze nicht regenerieren. Ein paar Begegnungen mit solchen Kreaturen, zum Beispiel auf einem verfluchten Friedhof, können einem Charakter also deutlich zusetzen – oder ihn für andere, „harmlose“ Kreaturen weichklopfen. Auch der Effekt von Short Rests wird hiermit begrenzt.

Auch berüchtigt waren die „Save or Die“-Effekte, die auf den mittleren und hohen Charakterstufen für Spannung sorgen sollten, weil es im Zweifel eben auf diesen einen besonders kritischen Rettungswurf ankam.

D&D5 gestaltet dies deutlich anders. Nicht jeder tödliche Effekt ist hierbei identisch. Der Death Ray eines Beholders tötet dann, wenn der verursachte Schaden einen Charakter auf 0 Trefferpunkte drückt. Bei erfolgreichem Rettungswurf verursacht er aber keinen Schaden. Das Heulen einer Banshee drückt einen bei vermasselten Rettungswurf auch auf 0 Trefferpunkte, aber tötet einen nicht automatisch. Im Fall des Beholders ist man durch seine Trefferpunkte geschützt, im Falle der Banshee durch die immer noch möglichen Death Saves. So entscheiden letztendlich immer die Würfel über das Schicksal, aber in den meisten Fällen ist es eben mehr als nur ein Wurf. Bei Versteinerungen zum Beispiel erhält man zwei Rettungswürfe, um das Schicksal abzuwenden.

Zweibeiner? Mostly Harmless

Das Challenge Rating als Maß der Gefährlichkeit einer Kreatur hat mir besonders eines deutlich gemacht: Die meisten Humanoiden sind als Gegner nicht ernst zu nehmen. Ein Oger hat CR 2 – er ist also eher nur für Stufe 1 zu gefährlich. Orks sind sowieso zum Verhackstücken da – CR ½. Gnoll? CR ½. Goblins? CR ¼. Dunkelelf? CR ¼. Zwar gibt es hier einige Varianten mit mehr Wumms, aber das Grundmodell ist nicht wirklich gefährlich. Ein menschenähnlicher Naturgeist wie die Dryade bringt es gerade mal auf CR 1. Ebenso die mit Sirenengesang betörende Harpyie.

Hier mal eine Tabelle der Challenge Ratings zum Vergleich:

Monster

Swords & Wizardry Monstrosities

Pathfinder Bestiary

D&D5 Monster Manual

Goblin

< 1 (B)

1/3

¼

Dunkelelf (Drow)

5

1/3

¼

Orks

1

1/3

½

Gnoll

2

1

½

Bugbear

4

2

1

Oger

4

3

2

Dryade

3

3

1

Harpyie

4

4

1

Swords & Wizardry orientiert sich am originalen D&D (OD&D) aus den „kleinen braunen Büchern“, Pathfinder an D&D3. Was auffällt, ist, dass ursprünglich noch herausfordernde Monster mit der Zeit immer leichter zu besiegen wurden. Die mit Magie trickreich umgehenden Dryaden und Harpyien sind eigentlich keine Bedrohung mehr und selbst der enorme Oger kann Gruppen ab der zweiten Stufe immer weniger beeindrucken.

Bedenkt man, dass Charaktere nach den D&D5-Regeln innerhalb kürzester Zeit auf Stufe 3 sind, liegt hier meiner Meinung nach etwas im Argen. Nur noch Häuptlinge oder andere Varianten wie der Drow Elite Warrior können noch beeindrucken. Meine Erwartungshaltung in einer Testrunde war, dass ein Bugbear ein ernstzunehmender Gegner ist. Setzt der SL keine Variante ein, sind selbst mehrere dieser Kreaturen auf Stufe 2 kein großes Risiko mehr.

Für jemand wie mich, der durchaus mal die d20-Variante wechselt oder im OSR-Bereich spielt, sind die niedrigen CRs der Humanoiden durchaus ein Problem, weil man mit einer anderen Erwartung an diese Kreaturen herangeht. Da werde ich wahrscheinlich selbst nachbessern müssen.

Wo es hapert

Tja, trotz positivem Gesamteindruck gibt es im neuen Monster Manual auch Dinge, die ich bemängeln würde. Das Challenge Rating ist wichtig, damit Spielleiter abschätzen können, welche Kreaturen sich für welche Stufe eignen. Gibt es eine Liste der Monster nach Challenge Rating? Nein, diese Monsterliste gibt es nur im Dungeon Master’s Guide (DMG). Gibt es eine Liste der Monster nach Typ (Aberration, Humanoid, etc.)? Nein. Wie baue ich ein Monster? Wie wandele ich ein Monster ab? Wie bestimme ich das Challenge Rating? DMG. Listen von Monstern geordnet nach Umgebung? DMG. Zufallbegegnungstabellen? Nö. Was bewirkt das Rope of Entanglement einer Erinyes? DMG.

Die Vermarktungsstrategie, die sich wohl dahinter verbirgt, erscheint zumindest mir allzu konservativ und kurzfristig gedacht. Zum Vergleich: In D&D3 gab es zwei Dungeon Master’s Guides, zwei Player’s Handbooks (PHB) und fünf Monster Manuals (MM). In D&D4 waren es zwei DMGs, drei PHBs und drei MMs – in den weniger als sechs Jahren, in denen die vierte Edition maßgebend war! Gegen diese Fülle erscheint es fast witzlos, den Verkauf des D&D5 DMG so schamlos durch Querverweise aller Art anheizen zu wollen. Zumal auch Paizo mit Pathfinder fünf Bestiaries auf den Markt geschmissen hat. Es steht also eigentlich nicht zu erwarten, dass die drei Bücher, die den Systemkern darstellen, sich nicht verkaufen sollten.

Mein persönlicher Erwartungshorizont ist, dass eine Monstersammlung möglichst viel auch rund um das Thema Monster beinhaltet. Das gehört nicht in ein anderes Buch, zumal es dort anscheinend auch nicht viel Platz einnimmt: Zehn Seiten über das Erschaffen von Monstern, acht Seiten Monsterliste – laut Inhaltsverzeichnis des DMG im Netz.

In den höheren Challenge Ratings gibt es nur sehr wenige Monster – und die meisten davon sind Drachen. Am unteren Ende der Skala ist die Auswahl deutlich breiter. Hochstufige Kampagnen werden hier auf mehr Material warten oder Monster aus anderen d20-Spielen konvertieren müssen. Das beißt sich ein bisschen mit dem rapiden Voranschreiten der Charakterstufe, aber vielleicht beglückt man uns bald zeitgerecht mit einem Monster Manual II voller dicker Brocken?

Preis-/Leistungsverhältnis

Wie auch schon beim Player’s Handbook gilt: Circa zehn Euro pro hundert Seiten Hardcover – ein wirklich guter Preis. Aufwändig und schön gestaltet ist es auch. Man bekommt also definitiv einiges für sein Geld.

Erscheinungsbild

DnD_MonsterManual CoverZuallererst: Jedes Monster ist illustriert worden. Dabei gibt es zwar nur zum Beispiel eine Abbildung für einen Bronze Dragon mit seinen vier verschiedenen Stat-Blöcken (Wyrmling, Young, Adult und Ancient). Stilvolle Abbildungen hat es im Monster Manual aber definitiv satt. Auch gut gelungen ist zum Beispiel das Größenchart, das verschiedene Arten von Riesen vergleicht. Rein vom optischen Eindruck ist das Buch sicherlich der Hammer. Kleine Merkwürdigkeit am Rande: Selbst Kreaturen mit lächerlich niedrigen Challenge-Ratings sehen einigermaßen beeindruckend aus.

Papier, Druck und Lesbarkeit erscheinen mir gut, Textwüsten sucht man hier vergebens. Der Index ist lächerlich bis nutzlos, zumal er sich vom Inhaltsverzeichnis kaum unterscheidet.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Wizards of the Coast
  • Autor(en): Christopher Perkins u.a.
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Englisch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 352
  • ISBN: 978-0-7869-6561-8
  • Preis: ab 30,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon (Print) | Sphärenmeister (Print)

 

Bonus/Downloadcontent

Eine Liste der Monster nach Challenge Rating kann immerhin heruntergeladen werden.

Fazit

Ich habe ja schon im Text detaillierter kritisiert, wo ich Mängel sehe: Material, das in den Dungeon Master’s Guide geschoben wurde, ein paar komisch anmutende Challenge Ratings, fehlende Monsterlisten und -tabellen. Das wäre für mich die Kür und würde zur Höchstnote führen.

Insgesamt betrachtet ist das Monster Manual sicherlich sehr gelungen. In D&D5 wurde die Fülle an Monster Powers wieder auf ein übersichtliches Maß pro Kreatur heruntergefahren, und das sorgt nicht nur für Übersicht, ich denke auch, dass der Bedarf an Errata im Vergleich zu früheren Editionen massiv sinken sollte. Das Spiel dürfte dies auch beschleunigen.

Es sind viele Monster drin, quer durch das ganze High-Fantasy-Genre gestreut. Die Klassiker sind alle da, auch der ein oder andere Seitenhieb auf die D&D-Geschichte wie der Flumph. Jedes ist aufwändig illustriert. Bis auf die aufwändigsten lassen sich die meisten schnell erfassen und am Tisch einsetzen. Erreicht man das Ende der Fahnenstange auf den höheren Stufen, ist etwas mehr Vorbereitung nötig, aber es bleibt im Rahmen.

Kurz gesagt: Das neue Monster Manual ist der neuen Edition gerecht geworden. Es wird am Tisch viel Freude bereiten und leistet im Großen und Ganzen das, was es soll.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Wizards of the Coast

 

4 Kommentare

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein