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„Daimyo-sama, die Botschafterin der Kraniche bringt ein Geschenk.“ Wenige Welten wurden auf so umfangreicher Medien-Ebene bedient wie Legend of the Five Rings. Nach Rollenspiel, TCG und Tabletop kommt nun ein Living Card Game unter Heidelberger/Asmodees Flagge. Wird das Spiel dem spannenden Mix aus Action, Intrige und japanischer Etikette gerecht?

Das vor einigen Wochen erschienene Living Card Game zu Legend of the five Rings (L5R LCG) tritt in große Fußstapfen, will es doch ermöglichen, das Gefühl des Tischrollenspiels widerzuspiegeln. Die Klans von Rokugan streiten gegeneinander – um die Gunst des Kaisers und gegen die Finsternis der Schattenlande – und nutzen dabei jeden nur erdenklichen Trick – solange sie dem Bushido folgen.

Zur Erinnerung, erster Teil: Rokugan ist ein quasi-japanisch-chinesisches Fantasy-Setting, welches von Alderac Entertainment Group ersonnen und bis in die vierte Edition getrieben wurde. Mittlerweile hat Fantasy Flight Games die Rechte und hat offenbar die über viele Jahre erspielte und weiterentwickelte Geschichte auf den Start zurückgesetzt. Statt dem beliebten Roll & Keep-Würfelsystem nutzt es nun die Würfelmechanik wie auch Star Wars aus dem gleichen Haus.
Zur Erinnerung, zweiter Teil: Living Card Games unterscheiden sich von Trading Card Games (TCGs) durch einen wichtigen Punkt. Während bei TCGs die Karteninhalte zufällig sind und sich die Spiele zu einem unüberschaubaren Geldgrab entwickeln können – vor allem dann, wenn man noch eine ganz bestimmte Karte möchte – , ist bei LCGs immer klar, was drin ist. Die Kosten sind überschaubar und Spieler können im Vorhinein entscheiden, ob sie mögliche Erweiterungen brauchen oder nicht.

Spielablauf

L5R LCG erscheint im ersten Moment angesichts des 36 Seiten umfassenden Regelwerks komplex und schwer in den Griff zu kriegen. Tatsächlich machen die echten Regeln nur etwas mehr als ein Drittel aus, der Rest sind Hintergrundgeschichten zu den Klans – sehr gelungen – und Regelklarifikationen. In gut 20 Minuten ist man somit mit den Regeln durch. Übrigens, alle Referenzen und Regeln umfangreicher Art sind nur online zu finden.

Gut gefiel uns in den ersten Spieltests, dass man sich quasi an den Phasen der Spielzüge entlang hangeln und so das Spiel Stück für Stück erlernen kann. Das war sehr hilfreich zu Anfang. Die Regeln sind sehr gut übersetzt, bei den Karten ist aber die Lokalisierung nicht ganz perfekt. Ob nun ein holpriger Satzbau oder geringste Vorkommnisse von Fällen, wo wir den Originaltext auf Englisch prüfen mussten – dieser Punkt ist nicht ganz gelungen.

Im L5R LCG verkörpern die beiden gegeneinander antretenden Spieler zwei Klans, die im Krieg oder mit höfischer Intrige gegeneinander um die Gunst des Kaisers und des Sieges antreten. Um ein Spiel zu gewinnen, muss man als Spieler 25 Ehrenpunkte akkumulieren, die Provinzen des Gegners unterwerfen oder die Ehre des Gegners auf Null bringen – dazu mehr im Regelwerk, welches weiter unten verlinkt ist.

Vor dem Spiel kommt jedoch der Deckbau. Hier werden drei Decks gebaut – das Dynastiedeck (aus dem Samurai und Besitztümer über den Umweg der Provinzen ins Spiel gebracht werden), das Konfliktdeck (welches bei kriegerischen oder höfischen Auseinandersetzungen unterstützt) und die Provinzen.

Um nun nicht das Regelwerk zu L5R LCG zu rezitieren, welches frei zum Download zur Verfügung steht, möchten wir viel eher auf die Besonderheiten eingehen.

In Kurzform durchwandert jede Runde fünf Phasen. In diesen werden Samurai wie auch Besitztümer rekrutiert, die Karten auf der Hand nachgezogen, die Provinzen (derer es vier zzgl. einer für die Festung gibt) angegriffen und möglicherweise unterworfen. Danach wird die Seite bestimmt, der das Schicksal und der Kaiser ihre Gunst schenken und abschließend neu formiert. Dabei wird immer mit den beiden Währungen Schicksal und Ehre hantiert.

Die Besonderheiten beginnen direkt beim Deckbau. Jeder Klan hat seine eigenen Stärken und Schwächen. Ob nun Skorpion/Kranich, die mehr Fokus auf Intrige legen oder Drache, die Mönche als Besonderheit haben oder eben Einhorn und Krabbe, die auf den Krieg setzen – hier ist viel Freiheit gegeben. In unseren Tests haben sich die Karten aus der Grundbox als mehr oder minder ausgewogen erwiesen, Glück war nur im Fall dessen, was man nachzieht, ein Faktor. Der Rest war pure Kalkulation und Taktik. Das wiederum bringt einen gewissen Anspruch ins Spiel, sodass es nicht zum zwischendurch Spielen taugt. Eine Runde dauerte bei uns gute 45 Minuten, sobald die Regeln saßen. Ergab sich zuerst der Eindruck, dass kriegerische Auseinandersetzungen leicht im Vorteil sind, wurde das alsbald durch die Testspiele revidiert. Die Klans an sich und auch die Möglichkeiten, eine Provinz zu unterwerfen, sind vielfältig und ausgewogen.

Irritiert hat uns jedoch, dass es keine Ehrenpunkte für das Unterwerfen von Provinzen gibt, ist der Sieg in der Auseinandersetzung doch ehren- und ruhmvoll. Ehre wird nur durch das Feilschen um die Konfliktkarten in eine der Phasen oder durch sehr seltene Konfliktkarten erzeugt.

Wertvoll ist auch, dass nicht jeder Spieler alle seine Phasen einer Runde durchläuft, sondern die Phasen alternierend stattfinden, soll heißen, dass die Wartepausen nicht zu hoch sind. Nichts ist tödlicher bei einem taktischen Spiel, als den Gegner ewig warten zu lassen. Analysis Paralysis ist hier also nur ein kleines Thema, wenn auch vorhanden. Durch die Beschränkung auf Handkarten und Provinzen sind die Möglichkeiten auch eher beschränkt, wenn dennoch vielfältig.

L5R LCG lässt sich leicht erlernen, hat aber einen großen Umfang in den Möglichkeiten. Um es mit den Worten von Ressortleiter Holger Christiansen zu sagen „Gute Spiele sind nicht kompliziert, aber komplex“. Ein offenkundiges Manko gibt es jedoch. Will man auf Turnieren im Organized Play spielen, dann sollte man in drei Grundsets investieren, um alle Karten drei Mal zur Verfügung zu haben. Das ist notwendig, wenn man mit wirklich konkurrenzfähigen Decks antreten möchte.

Ausstattung

Box und Marker lassen wenig zu wünschen übrig. Hier präsentieren Heidelberger und Asmodee gewohnt gute Qualität. Die Kartondicke der Counter ist stark genug, um den üblichen Widernissen eines Spieltisches erfolgreich entgegen zu stehen. Das Artwork der Karten ist gut gelungen und lässt einen tief in die japanische Mythologie und Etikette eintauchen. Lediglich die Spielkarten könnten etwas dicker sein. Auf einem sehr glatten Tisch lassen sie sich schwer aufheben.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Heidelberger Spieleverlag / Asmodee
  • Autor(en): Brad Andres, Erik Dahlman und Nate French
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Box
  • Preis: ~ 35 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Bonuscontent gibt es zu diesem Produkt keinen, jedoch wird das L5R LCG fortwährend in kurzen zeitlichen Abständen um Dynastie-Packs erweitert, die dem Spiel neue Facetten ermöglichen. Dies geschieht in Form neuer Karten.

Fazit

Das Legend of the five Rings LCG macht einfach Spaß für all die Spieler, die geschickte Finessen und vielfältige Spielverläufe favorisieren. Es ist leicht zu erlernen, hat aber große taktische Tiefe. Durch die besondere Welt der Japano-Chinesischen-Fantasy, in der es spielt, gewinnt es einen einzigartigen Charme, vor allem auch daher, dass sich die Werte und Ethiken des Bushido in den Karten widerspiegeln.

In fünf Phasen, mehr oder minder zwischen den Spielern alternierend, nicht nacheinander, bemühen sich die Kontrahenten, die Provinzen des Anderen zu unterwerfen oder die eigene Ehre auf 25 zu bringen. Einfacher, und für Startspieler empfohlen, ist die erste Variante.

Eine Runde dauert mit entsprechender Regelkenntnis um die 45 Minuten und bringt viel Spaß. Dadurch, dass man sich während der Phasen abwechselt, entsteht keine größere Pause und Spieler werden auf positive Art genötigt, sich nicht ewig Zeit für den Zug zu lassen.

In unseren Spielen war viel Abwechslung vorhanden. Sollte man beabsichtigen, kompetitiv auf Turnieren zu spielen, wird man leider drei Grundboxen kaufen müssen. Denn erst dann hat man drei Karten jeder Art. Das Spiel wird fortwährend durch Erweiterungen, den Dynastie-Packs, erweitert.

Artikelbild: Asmodee / Heidelberger Spieleverlag
Fotografien: Board Game Geek
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt

 

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