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Drachen, Seeschlachten, Helden, Spione, Verschwörung … Das Erwachen des Feuers von Anthony Ryan hat alles, was eine gute Geschichte braucht. Doch oftmals scheitern Autoren an der Komplexität ihrer eigenen Welt. Ob Ryan ebenfalls daran scheitert oder ob er es schafft eine in sich schlüssige Geschichte zu ersinnen, erfahrt ihr hier.

Im Hinblick auf seine schriftstellerische Tätigkeit ist Anthony Ryan ein noch junger Autor. Dafür wurde seine Debüt-Roman-Trilogie direkt ein voller Erfolg. Mit Das Erwachen des Feuers – Draconis Memoria Buch 1 läutet er einen neuen Geschichtszyklus ein. Dieses Mal dreht sich alles um Drachen. Unsere Liebe zu diesen Fabelwesen durften wir bereits bei der Drachen-Trilogie von Markus Heitz kennen lernen. Nun hoffen wir, dass Anthony Ryans Auftakt genauso überzeugen kann.

Story

Drachen gehören auf dem Kontinent Mandinorien zum Alltag, auch wenn es immer weniger zu geben scheint. Wilde Exemplare aus den Tiefen des Inlands sehen Stadtbewohner nur selten. Die kleineren, recht verkrüppelten Exemplare, die in der Stadt gezüchtet werden, um an ihr Blut zu gelangen, sind kein Vergleich zu ihren wilden Artgenossen. Nichts gilt auf Mandinorien als so wertvoll wie Drachenblut, außer vielleicht die Blutgesegneten, die vom Blut profitieren können. Je nach Farbe der Drachen, ob rot, schwarz, grün oder blau, erhält der Blutgesegnete, der das verdünnte Produkt trinkt, kurzzeitig neue Fähigkeiten. Grünes Produkt beschleunigt die Heilung und macht schnell, blaues Produkt ermöglicht die Kommunikation über Trance, rotes Produkt lässt den Blutgesegneten Hitze in Form von Feuer produzieren und schwarzes Produkt macht ihn unglaublich stark.

Seitdem sie als kleines Kind zum Tag des Blutes als Blutgesegnete offenbart wurde, ist Lizanne Teil des Eisenboot-Handelsyndikats. Doch Lizanne ist kein kleines Mädchen mehr. Sie ist zu einer schönen Frau herangewachsen und Geheimagentin im Auftrag des Syndikats. Als Vertraute der Direktorin der Eisenboot-Akademie für Frauenbildung, wird sie von dieser mit einem schwierigen und gefährlichen Auftrag bedacht. Sie soll der Spur des sagenumwobenen weißen Drachens auf die Spur gehen. Ein Drache, der beim bloßen Gedanken an ihn, bei den Menschen schieren Fanatismus hervorzurufen scheint.

Als Claydon Torcreek ein kleiner Junge war, kam auch für ihn der Tag des Blutes. Jedes Kind wird an diesem Tag getestet. Doch bei ihm lief alles anders. Die Ereignisse überschlugen sich, so dass niemandem der kleine Junge auffiel, der sich nicht am Drachenblut verbrannte. Seit diesem Tag lebt Claydon als unregistrierter Blutgesegneter im Blinden Viertel, welches seinen Namen als Umschlagplatz allen Übels nicht zu Unrecht trägt. Wie es der Zufall will, ist es ausgerechnet Clay, der vollkommen unfreiwillig mit einer waghalsigen Mission beauftragt wird.

Corrick Hilemore ist zweiter Leutnant der EPS Gute Gelegenheit, dem schnellsten Blutbrenner der Marine des Eisenboot-Handelssyndikats. Seinen, für seine jungen Jahre untypischen, Rang verdankt er seinen Verdiensten im Dalzianeraufstand. Er hätte nicht erwartet, so schnell wieder eine Seeschlacht zu erleben.

Ohne zu spoilern, lässt sich über die Story und die einzelnen Hauptcharaktere nicht mehr erzählen. Die Handlung nimmt schnell Fahrt auf und lässt den Leser kaum zu Atem kommen. Dabei wechselt jedes Kapitel zwischen den drei Hauptcharakteren Lizanne, Clay und Hilemore hin und her. Die Geschichten von Lizanne und Clay werden immer enger miteinander verwoben. Lediglich Hilemore scheint nicht so recht ins Bild zu passen; sein Schicksal offenbart sich tatsächlich erst auf der letzten Seite des Romans. Bis dahin denkt man als Leser, Hilemore diene dazu, das Bedrohungspotenzial der Welt zu verdeutlichen und noch mehr Action in die Handlung zu bringen. Von dieser Unsicherheit abgesehen, beweisen die Charaktere eine überzeugende Tiefe in ihrem gesamten Sein. Jede stattfindende Charakterentwicklung vollzieht sich vollkommen glaubwürdig, so dass man als Leser kein einziges Mal stutzt.

Die Komplexität der Story und der Welt haben zweierlei Dinge beim Lesen ausgelöst, die mich auch nachhaltig noch beeinflussen: Erstens, die unglaublich detailreiche Welt mit ihren intensiven Charakteren lässt ein lebhaftes Kopfkino entstehen, das das Lesen zu einem filmartigen Erlebnis macht. Zweitens, im Nachhinein musste ich feststellen, dass ich mich aufgrund der Komplexität der Geschichte an viele Dinge nicht mehr genau erinnern kann. Insbesondere an Dinge, die zu Beginn der Handlung stattfanden. Auch wenn verständlich ist, dass man sich bei einem 700-Seiten dicken Buch nicht alle Details merken kann, schmälert dieser Punkt etwas meine Begeisterung.

Schreibstil

Anthony Ryan versteht es, seinen Charakteren eine Stimme zu verleihen. So bedient sich der „Gossenjunge“ Clay eines anderen Wortschatzes als die gebildete Lizanne. Generell lässt er seine Figuren sehr oft das Wort ergreifen, so dass Beschreibungen der einzelnen Situationen in den Hintergrund zu rücken scheinen. Ryans Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen, dabei ist er nicht zu hochgestochen, aber auch nicht zu banal.

Der Autor

Es ist verwunderlich. Obwohl der schottische Autor Anthony Ryan bereits Die Rabenschatten-Trilogie im Klett-Cotta Verlag veröffentlichte, gibt es über ihn keinen deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag. Nach seinem Erfolg mit Das Lied des Blutes (Rabenschatten 1) hing er seinen Job an den Nagel und wurde Vollzeit-Schriftsteller. Ryan studierte mittelalterliche Geschichte und lebt heute in London. Über sich selbst schreibt er:

I’m Anthony Ryan, writer of fantasy, science fiction and very occasional non-fiction.

Erscheinungsbild

Es ist meines Wissens nach wirklich selten, dass das Cover der Übersetzung mit dem originalen Cover übereinstimmt, doch in diesem Fall trifft es zu. Lediglich die Paperback-Ausgabe ziert ein anderes Cover. Das wirklich schön gestaltete Hardcover glänzt in einem feurigen rot und wird von einem bedruckten Umschlag umhüllt. Das Cover des Umschlags ziert ein großer, feuerspeiender schwarzer Drache, vor dem eine Gestalt, vermutlich ein Mann, in schwarzem Umhang und Kapuze steht. Darüber prangt in feurigen Lettern der Titel des Romans.

Die Kapitel beginnen jeweils mit einer schön gestalteten Letter und enthalten Gedankenabschnitte, die auch als solche gekennzeichnet sind. Auf diese Weise kann der Leser eine Pause einlegen, ohne dass er mitten im Kapitel den Anschluss verliert.

 Die harten Fakten:

  • Verlag: Klett Cotta – Hobbit Presse
  • Autor: Anthony Ryan
  • Erscheinungsdatum: 09. September 2017
  • Sprache: Deutsch (Aus dem Englischen übersetzt von Sara Riffel & Birgit Maria Pfaffinger)
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl:723
  • ISBN: 978-3-608-94974-2
  • Preis: 25 EUR
  • Bezugsquelle Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Jeder Autor, der eine neue, komplexe Welt erschafft, sollte dem Leser Karten und einen Index mit an die Hand geben. Anthony Ryan beherzigt diesen Vorsatz. So findet der Leser in beiden Innenteilen des Einbands eine Karte. Die vordere Karte zeigt den arradsianischen Kontinent und die Barriere-Inseln, die hintere Karte zeigt die Kontinentalmassen der Welt. Ebenso ist am Ende des Buchs ein kleiner Index mit den Dramatis Personae vorhanden.

Zusätzlich gibt es auf Amazon den mittlerweile beinahe obligatorischen Blick ins Buch.

Fazit

Das Erwachen des Feuers ist ein Fantasy-Roman durch und durch. Drachen, Piraten, Helden, Spione, Verschwörung … Der Roman hat alles, was eine gute Geschichte braucht. Dabei verbindet der Autor die einzelnen Elemente und Handlungsstränge so geschickt und galant, dass die Phantasie lebhafte Szenen im Kopf entstehen lässt. Für jeden seiner Charaktere nutzt Anthony Ryan eine eigene Sprachmelodie und verleiht ihnen auch ansonsten Tiefe und Glaubwürdigkeit in ihren Entscheidungen.

Einen kleinen Abzug gibt es dennoch, da die Komplexität der Geschichte dafür gesorgt hat, dass ich mich an viele Details aus dem Anfang der Handlung nicht mehr richtig erinnern kann. Dies ist jedoch Meckern auf hohem Niveau.

Alles in allem ist Das Erwachen des Feuers ein Roman zum Träumen und Entspannen. Ich freue mich schon auf Band Zwei!

Mit Tendenz nach oben

 

Artikelbild: Klett Cotta, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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