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Viele Bücher, die wir lesen und lieben, wurden in einer anderen Sprache geschrieben und anschließend übersetzt. Computer können zwar mittlerweile relativ zuverlässig Produktinformationen übersetzen, aber an literarischen Texten wie Romanen scheitern sie. Wie läuft so eine Übersetzung ab? Wir haben mit Warhammer-Übersetzerin Christine Aharon gesprochen.

Es gibt etwa 7.000 Sprachen auf der Welt, aber einige unserer Lieblingsgeschichten wurden nicht in unserer Muttersprache verfasst. Wie sie übersetzt werden, damit wir sie lesen und verstehen können, wissen wir oft nicht. Um etwas Licht in dieses Thema zu bringen, habe ich mit Christine Aharon gesprochen.

Sie übersetzt für den Games Workshop-eigenen Verlag Black Library Warhammer-Romane. Eine ihrer letzten Übersetzungsarbeiten, die veröffentlicht wurde, war der viel gelobte Titel Schild der Heiligen von Rachel Harrison.

Interview

Teilzeithelden: Hallo Christine, erst einmal ganz herzlichen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, den Teilzeithelden einige Fragen zu beantworten. Viele unserer Leser*innen kommen aus dem Rollenspielbereich, weswegen sie sicher auch deine Bezüge zu diesem Hobby interessieren dürften. Spielst du Rollenspiele?

Christine: Hallo Marie. Bisher habe ich noch keine Rollenspiele gespielt, aber ich lese sehr viel – Fantasy und auch andere Genres.

Teilzeithelden: Lesen ist immer gut. Du bist als Übersetzerin für Warhammer-Romane tätig. Wie wird man das? Es reicht ja wahrscheinlich nicht, einfach nur gut die entsprechende Sprache, in deinem Fall Englisch, zu können. Welche sprachliche Vorbildung hast du mitgebracht und wie bist du zu Warhammer gekommen?

Christine: Ich habe eine Ausbildung zur Übersetzerin gemacht und dann zehn Jahre bei einer Übersetzungsfirma in den USA gearbeitet. Es war allerdings schon immer mein Traum, Literatur zu übersetzen, und deshalb habe ich mich natürlich gleich beworben, als ich vor ein paar Jahren eine Stellenanzeige von der Black Library gesehen habe.

Teilzeithelden: Und bist bis heute mit Begeisterung und Kunstfertigkeit dabei. Die meisten unserer Leser*innen haben wahrscheinlich keine Ahnung, wie genau so eine Übersetzung eigentlich vonstattengeht. Würdest du einmal grob erklären wie das läuft, wie die Reihenfolge ist?

Christine: Ich überfliege einen Roman am Anfang nur kurz und fange danach gleich zu übersetzen an. Dabei markiere ich alle Stellen, die etwas unklar sind. Vieles davon klärt sich im Verlauf der Geschichte von selbst – und wenn nicht, kann ich meinen Ansprechpartner bei der Black Library fragen, der es entweder selbst beantworten kann oder bei dem Autor bzw. der Autorin nachfragt. Wenn ich den gesamten Text übersetzt habe, gehe ich ihn erneut durch, um sicherzustellen, dass ich nichts übersehen habe und dass sich der Text gut liest. Der letzte Schritt ist die Rechtschreibprüfung.

Teilzeithelden: Klar, Rechtschreibprüfung kommt immer ans Ende, bei uns ja auch. Wie lange brauchst du etwa für ein Buch? Mit ein paar Tagen Übersetzungszeit ist es bei 300 Seiten ja sicher nicht getan.

Christine: Das sind ungefähr anderthalb bis zwei Monate Arbeitszeit.

Blut und Inquisitoren

Teilzeithelden: Warhammer hat ja ein recht eigenes Vokabular. Gibt es dafür eigene Glossare?

Christine: Oh ja, die gibt es zum Glück. Die Terminologie in den Romanen soll ja mit den Tabletop-Begriffen übereinstimmen.

Teilzeithelden: Es wäre ja auch verwirrend, wenn in unterschiedlichen Warhammer-Produkten unterschiedliche Begriffe benutzt würden.

Im Tabletop wird direkt gekämpft; entsprechend geht es in den Warhammer-Romanen durchaus sehr blutig zur Sache. Ist es für dich ein Unterschied, ob du so etwas übersetzt oder eine Beschreibungsszene?

Christine: Das ist für mich kein Unterschied. Mir geht es nur darum, die Stellen schön anschaulich zu übersetzen.

Teilzeithelden: Manche Autoren schreiben schwer verständlich und beinahe wirr. Wie schaffst du es da zu übersetzen, ohne den Inhalt zu verzerren, und dabei gleichzeitig dafür zu sorgen, dass am Ende ein gut lesbarer und verständlicher Text herauskommt?

Christine: Es gibt immer mal wieder Stellen, die etwas schwer verständlich sind. Aber auch in solchen Fällen erschließt sich der Inhalt meist aus dem Kontext, und man kann natürlich nachfragen, ob etwas richtig verstanden wurde. Ich lese beim Übersetzen auch laut mit, um zu hören, ob es natürlich klingt.

Teilzeithelden: Ah, das erklärt, warum sich deine Übersetzungen so flüssig und quasi „unübersetzt“ lesen. Hast du thematische Vorlieben? Lieber Space Marines oder lieber einfache Soldaten wie in Gaunts Geister?

Christine: Hm, gar nicht so leicht zu beantworten. Ich glaube, eigentlich mag ich Geschichten mit der Inquisition am liebsten.

Teilzeithelden: Damit hast du meinen Kollegen Michael schon mit mindestens zwei Übersetzungen begeistern können, nämlich Der Hohle Berg und Der Krieg der Horusianer 3. Ab wann beginnt man als Warhammer-Übersetzer*in die ganzen Absurditäten dieser Welt einfach so hinzunehmen?

Christine: Gleich von Anfang an, denke ich; es ist eben ein anderes Universum.

Sprachliche Herausforderungen

Der Krieg der Horusianer 3

Teilzeithelden: Das ist es definitiv. Welche besonderen sprachlichen Herausforderungen gibt es beim Übersetzen allgemein und bei Warhammer im Speziellen? Humor dürfte nicht immer einfach sein, oder?

Christine: Ja, Humor kann schwierig sein, da er oft auf Wortspielen beruht, die in der Zielsprache nicht funktionieren. Und dann gibt es einfach viele kleine Unterschiede – auf Englisch kann man sich manchmal etwas ungenauer ausdrücken als auf Deutsch; andererseits werden gewöhnlich viel mehr Adjektive und bildhafte Beschreibungen verwendet, als im Deutschen üblich ist. Das muss dann ein bisschen gestrafft werden, damit es nicht zu überladen klingt.

Im Englischen kann man eine Vielzahl von Informationen angeben, indem man sie einfach in Form von Gerundium-Konstruktionen aneinanderreiht. Auf Deutsch ist es manchmal nicht so einfach, diese Informationen unterzubringen, ohne dass es den Textfluss stört. Speziell für Warhammer-Romane kommt hinzu, dass es viele Wortneuschöpfungen gibt, für die etwas Entsprechendes erfunden werden muss. Aber gerade wegen solcher Herausforderungen macht es ja auch Spaß, literarische Texte zu übersetzen.

Teilzeithelden: Das klingt nach spannenden Herausforderungen. Was meinst du: Werden Computerprogramme menschliche Übersetzer*innen irgendwann ersetzen?

Christine: Im literarischen Bereich bestimmt nicht, da ja meist sehr frei übersetzt werden muss, damit es sich in der Zielsprache natürlich anhört und ein flüssiger Text herauskommt, der sich gut liest. Im technischen Bereich wird ja bereits vieles maschinell übersetzt, aber auch das muss immer noch von einem Menschen editiert werden, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das ändern wird. Schließlich stehen Worte nie für sich allein, sondern sind immer vom Kontext abhängig.

Teilzeithelden: Da hast du recht, Kontext ist entscheidend und daran scheitern Übersetzungscomputer ja doch häufig. Was würdest du gerne mal übersetzen?

Christine: Science Fiction, Horror, Fantasy – das sind alles Genres, die ich gerne lese, daher finde ich es fantastisch, dass ich Romane in diesen Bereichen übersetzen kann. Kriminalromane würden mir auch Spaß machen.

Teilzeithelden: Dann drücke ich dir die Daumen, dass du bald einen Warhammer-Krimi zum Übersetzen bekommst. Noch einmal ganz herzlichen Dank für das Interview und diese spannenden Einblicke!

 

Artikelbilder: © Black Library
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Susanne Stark

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