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Vom 10. bis 14. Oktober öffnete die Frankfurter Buchmesse 2018 ihre Pforten für Besucher. Wie auch in den Vorjahren wagte ich mich für die Teilzeithelden auf der Suche nach Trends der Phantastik erneut ins Gewirr aus Menschen, Ständen und Büchern.

Die Buchmesse in Frankfurt ist eines der größten Branchenevents ihrer Art. Hier treffen sich allerlei Verleger, Literaturscouts, Autorinnen, Agentinnen und Blogger und Buchliebende. Große wie kleine Verlagshäuser präsentieren ihre Neuerscheinungen und Programme für die nächsten Monate – eine gute Gelegenheit, um herauszufinden, wohin der Trend der phantastischen Literatur geht.

Klassisches und Erfolgreiches

Auch in diesem Jahr waren wir wieder vor allem in Halle 3 unterwegs, im Vordergrund der Pavilion. So fündig wie in einigen Vorjahren wurde ich jedoch nicht, einen eindeutigen Trend scheint die phantastische Literatur aktuell nicht einzuschlagen. Eher werden bereits erfolgreiche Serien und Konzepte und Arbeiten bekannter Autoren fortgeführt, seien es Shannara-Chronicles, neue Bücher eines erfolgreichen, deutschen Autors wie Kai Meyer oder ein Begleitbuch zu Game of Thrones.

Dieser Thron war erstaunlich bequem.
Dieser Thron war erstaunlich bequem.

Dabei scheinen am ehesten dystopische Science-Fiction und „klassische“ Fantasy immer noch für viele Verlage ein sicheres Pferd zu sein. Bei Letzterer wirken aktuell Geschichten um Frauen mit einem schweren, teilweise brutalen Schicksal sehr beliebt, was aber auch ein sehr subjektiver Eindruck sein kann. Klingen des Schicksals und Kronen der Dunkelheit suchen ebenso Leserschaft wie gelegentlicher Humor und Experimente wie Markus Heitz’ Doors, doch hin und wieder ist beim Betrachten der Stände anhand eines Covers nicht mehr sicher, ob da jetzt Bücher von Martin, Rothfuss oder jemand anderem liegen. Wer sich dagegen in der Nähe der Selfpublishingbereiches aufhielt, konnte sehen, dass die kleineren Verlage und die zahlreichen Selfpublisher überaus vielfältige Phantastik präsentieren.

Die Besinnung auf bisher Erfolgreiches bringt auch eine Vielzahl an wunderbaren Büchern wieder aus dem Abseits hervor. Klassiker wie Bradbury und Le Guin werden mit teilweise neuen Übersetzungen neu aufgelegt und so einem breiteren Publikum als den Kennern zugänglich gemacht.

Drachen und Harry Potter

Diese Buch schwebte ohne Magie, sondern mit Muggeltechnik
Diese Buch schwebte ohne Magie, sondern mit Muggeltechnik

Die Messe zeigte zudem deutlich, dass die Phantastik die Nische der Nerds verlassen hat und ein breiteres Publikum erreicht. Allerorten präsentierten sich Kinderbücher mit phantastischen Wesenheiten von Einhorn bis Drache und Werwolf. Auch das Jugendbuch präsentiert sich kontinuierlich mit Werken, die in phantastischen Welten spielen, auch wenn sie teilweise andere Themen in den Vordergrund stellen.

Besonders beim Carlsen Verlag, aber nicht nur dort, stand alles unter dem Zeichen 20 Jahre Harry Potter, denn so lange ist es her, dass der bekannte Zauberschüler nach Hogwarts aufbrach. Der Verlag bringt nicht nur alle Bände mit neuen, den heutigen Sehgewohnheiten stärker entsprechenden Covern heraus, sondern auch die Drehbücher zu den Phantastischen Tierwesen und sogar Schulversionen der Harry-Potter-Reihe. Als besonderes Highlight veröffentlichen sie außerdem eine Schmuckausgabe der Märchen von Beedle dem Barden, illustriert von der Künstlerin und bekannten Märchenillustratorin Lisbeth Zwerger.

Auch gab es den Versuch, mit Fans jeden Alters in Harry-Potter-Kostümierung einen neuen Weltrekord aufzustellen. Diesen verfehlten die Teilnehmenden jedoch leider um 100 Harry Potters. Da hatten doch bestimmt ein paar Todesser ihre Finger mit im Spiel.

Think Ursula

Auch an einer anderen Stelle zeigte sich, dass die Phantastik ihre Schmuddelecke auf der Buchmesse im Jahr 2018 verlassen hat. Am Freitagabend fand mit Think Ursula eine Science-Fiction-Lounge statt – und dies nicht auf einer kleinen Bühne, sondern im Frankfurt Pavilion im Innenhof. In diesem weißen, einer Muschel oder einem Ufo ähnlichen Gebäude fanden in diesem Jahr besondere Veranstaltungen statt, was Think Ursula damit gleich in eine ganz andere Öffentlichkeit rückte. Zudem lag sie zeitlich parallel zum Auftritt Björn Höckes und setzte damit auch ein politisches Gegengewicht.

Eins der Plakate für Thinking Ursula
Eins der Plakate für Thinking Ursula

Dennoch war diese Veranstaltung bereits im Vorfeld in die Kritik geraten, referenzierte der Name doch auf die Anfang des Jahres verstorbenen Grande Dame der Science Fiction, Ursula K. Le Guin, die sich in Werk und Wort immer für eine vielfältige Gesellschaft einsetzte. Allerdings hatte auf den meisten Ankündigungen und Plakaten die Namensnennung der beteiligten AutorInnen häufig gefehlt. An der Diskussionsrunde nahmen teil: Andreas Brandhorst, Dietmar Dath, Dmitry Glukhovsky, Theresa Hannig, Bernhard Hennen, Jens Lubbadeh, Annette Juretzki und Judith Vogt.

Den Anfang machte jedoch Karen Nölle, die aktuelle Übersetzerin Le Guins, die über Autorin, Werk und Herausforderungen der Übersetzung interviewt wurde.

Anschließend sollte eigentlich die große Zahl der oben aufgeführten acht Autorinnen und Autoren interviewt werden, die sich dafür kurz von ihren Stühlen in der ersten Reihe erheben sollten. Auf den Vorschlag von Judith Vogt hin wurde jedoch umdisponiert und alle Autorinnen und Autoren nahmen auf der Bühne Platz. Im Folgenden zeigte sich jedoch leider, dass sich die Moderation nicht gut genug vorbereitet hatte. Weder wurde eine Diskussion mit dem Publikum noch untereinander auf der Bühne geführt. Nacheinander wurden Kurzinterviews geführt, wobei die Fragen teilweise belanglos wirkten, immer wieder eine scharfe Trennung zwischen Fantasy und Science-Fiction postulierten und nicht gut auf die einzelnen Personen bezogen wirkten. Auch fehlte mir persönlich der Bogen von der Überschrift Think Ursula zu den teilweise ausgesprochen generischen oder nur auf konkrete, eigene Werke bezogenen Fragen.

Anlässlich des 70. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte veranstaltete die Buchmesse mit vielen Partnern die Kampagne On The Same Page.
Anlässlich des 70. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte veranstaltete die Buchmesse mit vielen Partnern die Kampagne On The Same Page.

Die Autorinnen und Autoren fanden teilweise kluge und interessante Worte, doch leider konnten weder diese noch die Bar auf die Dauer das Publikum vom Bleiben überzeugen, so dass sich der anfangs vollbesetzte Pavilion nach und nach etwa zur Hälfte leerte.

Wir wünschen uns inständig, dass sich die Veranstalter die Kritik zu Herzen nehmen und im nächsten Jahr erneut ein Science-Fiction-Event oder besser noch eins für Phantastische Literatur in all ihren Spielarten anbieten, mit mehr Diskussion, mehr rotem Faden und mehr moderativer Klarheit.

Fazit

Als Trend lässt sich vor allem festhalten, dass die Phantastik nicht mehr nur mit seltsamen Covern, Schwertern und Raumschlachten verbunden wird, sondern ganz klar in der Mitte des Buchangebots angekommen ist. Wir wünschen uns, dass sie dort bleiben und allen zeigen kann, dass die Welt innerhalb von Büchern größer ist als außen und wie eine Zukunft im guten oder schlechten aussehen könnte. Außerdem freue ich mich auf den einen oder anderen Klassiker der Phantastischen Literatur und im nächsten Jahr eine spannendere, auch im Vorfeld inklusivere Science-Fiction-Lounge.

Artikelbild: Marie Mönkemeyer, Bearbeitung von Verena Bach

 

 

1 Kommentar

  1. Was „Think Ursula“ angeht, da kann ich mich leider nur anschließen. Die Veranstaltung war einfach schlecht vorbereitet und insziniert. Sehr schade, denn gerade solche Events sind interessant.

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