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Im letzten Jahr fand die LARP-Kampagne um die alten Götter ein spektakuläres Ende, das die Charaktere und auch manchen Spieler dahinter geschockt zurückließ. Dementsprechend gespannt konnte man auf den Auftakt der neuen Kampagne sein, für die man sich ein Jahr gedulden musste. Hat sich das Warten gelohnt?

Das Zeit der Legenden erzählt seit seinen Anfängen eine ganz eigene Geschichte, die mal mehr und mal weniger mit dem DrachenFest verwoben ist. In der Zeit ihres Bestehens erlebte man auf dem Zeit der Legenden immer wieder neue Geschichten: vom Versuch des brillanten, aber größenwahnsinnigen Inat Laronn, die Welt seinem Willen zu unterwerfen, oder dem Erscheinen alter Götter, die die Herrschaft der Drachen in Frage stellten. Dabei lebte die Conreihe nicht nur von spannenden Geschichten, sondern vor allem einer lebendigen Welt mit Bewohnern, verschiedenen Rassen und Nationen, die alle ihre ganz eigenen Ziele und Sorgen hatten.

Bereits im vorletzten Jahr kündigte sich an, dass die Kampagne langsam zu ihrem Ende kommen würde. Letztes Jahr war es dann auch soweit, mit einem Ende, das viele zunächst in Schockstarre verfallen ließ.

 

Was bisher geschah

Beim Zeit der Legenden reist man durch die Zeit und inzwischen auch durch die Dimensionen. So ganz klar ist das manchmal nicht, und das ist durchaus so gewollt. Das führt zwar zu Irrungen und Wirrungen, und wer sich, mehr oder minder ernsthaft, mit Zeitreise-Theorien beschäftigt, dürfte ein paar Mal Kopfschmerzen bekommen. Doch besagte Wirrungen machen auch einen Reiz des Ganzen aus.

Von Verrat, Wahn und Krieg

Eigentlich war der Untergang der alten Welt besiegelt und in der Geschichte so vorgesehen. Ein Krieg, in dem schließlich die Götter persönlich eingriffen, zerstörte die Welt. Tragisch, aber unvermeidlich und die Voraussetzung für die Welt des DrachenFestes, wie wir sie heute kennen. Alles könnte so schön sein, hätten nicht ein paar unbedachte Geister beschlossen, in die Vergangenheit zu reisen. Wer aber Zeitreise-Geschichten kennt, weiß eines: Zeitreisen sind nie eine gute Idee! Und so begann auch das Zeit der Legenden 2009. Nachdem die ersten Menschen in der Zeit zurückgereist waren, nahm das Unheil seinen Lauf und der Lauf der Zeit wurde verändert. Der Kriegstreiber Inat Laronn erkannte, dass er ja nicht nur über das Jetzt, sondern vielleicht auch über die Zukunft herrschen konnte. Im Schatten seiner Bestrebungen erstarkte aber indes eine viel ältere Macht, die ohne die Zeitmanipulation vermutlich einfach mit untergegangen wäre. Versuchten die Spieler in der ersten Kampagne, den größenwahnsinnigen Inat Laronn aufzuhalten, hatten sie in der zweiten Kampagne plötzlich mit einer ganz anderen Bedrohung zu tun. Der Übergang zwischen den Kampagnen geschah schleichend, und aus alten Feinden wurden auf einmal widerwillige Verbündete für das höhere Wohl. So kämpften die Spieler und ihre Verbündeten der ersten Welt erbittert gegen einen gnadenlosen Feind, der sie weiter und weiter zurückdrängte. Als dann noch ein weiterer Spielmacher das Schlachtfeld betrat, zeichnete sich eine erneute Wendung ab.

Die neue Unbekannte

Die neue Unbekannte ist eigentlich DER Neue. Bereits 2016 griff ein neuer Spieler in den Kampf um die Welten ein. Von allen nur „Der Hexer“ genannt, trieb er ein undurchsichtiges Spiel. In einer bemerkenswerten Raffinesse konnte der Hexer seine Absichten lange verschleiern. Erst am Ende des letztjährigen Zeit der Legenden offenbarte er einen Teil seines Planes. Dies war so genial inszeniert, dass wohl auch die Spieler hinter den Charakteren in Schockstarre verfielen.

Eigentlich in Erwartung der entscheidenden Schlacht um einen Tempel und eine wichtige Kraftquelle, marschierte das Heer der Spieler auf und warf sich gegen die Feinde. Das Ritual, welches es zu stören galt, schien sich auf die Kontrolle der wichtigsten Energiequelle der Welt zu konzentrieren. In einem fast schon cineastischen Kampf in einem wunderschönen Wald, man konnte sich durchaus an Gladiator erinnert fühlen, versuchten die Truppen der Drachen-Streiter, das Schlimmste zu verhindern. Zwar scheiterte der Angriff, doch ein Ritus zum Schutz der Quelle schien Erfolg zu haben. Der Hexer ließ sich aber nicht beirren und beendete auch sein Ritual, mit einem anderen Ziel, als die Spieler vermuteten. Statt Kontrolle über die Kraftquelle suchte er die Kontrolle über eine ganz andere Kraft: die Kraft des Glaubens. Am Ende des Rituals mussten fassungslose Spieler mit ansehen, wie der Hexer nicht nur alle eigenen Truppen tötete, sondern auch seine verquere, ja kranke Version von Drachen-Avataren erschuf.

Als wäre dem nicht genug, inszenierte der Antagonist das Ende seines Rituals wie den Beginn des DrachenFestes mit der Anrufung der Avatare, nur dass er hier seine pervertierten Kreationen in den Kreis rief. Die Gänsehaut der Spieler war spürbar, ebenso wie die große Neugierde, wie die Kampagne nun weitererzählt würde.

Der große Bruderkrieg – Das neue Setting

Ort der Handlung ist nach wie vor die Tempelstadt Elitawana, mit ihren politischen und religiösen Intrigen. Doch die Bedrohung ist eine ganz neue, die die Spieler vor ungeahnte Herausforderungen stellen sollte.

In einer choreografierten Einstiegssequenz marschierten die Truppen der sogenannten Obersten, also pervertierte Avatare, auf. Außer Blau, Weiß und ewiger Wandel (ehemals Chaos) waren alle Drachen repräsentiert. Bereits dies weckte bei vielen Teilnehmenden wieder das Entsetzen des letzten Jahres. Es zeichnete sich ab, dass die künftigen Gegner nicht mehr nur irgendwelche Kultisten oder Monster waren, sondern Menschen (und anderes), die sich einem anderen, grausamen Weg der Drachen verschrieben hatten.

Geschickt manipuliert durch den Hexer entbrannte ein Bruderkrieg, der Nationen ebenso durchtrennte wie Familien. Doch wie es in so einem Bruderkrieg nun einmal ist, sind klare Feind-Freund-Verläufe nur kaum oder gar nicht zu erkennen. Eine gute Voraussetzung für ein Setting, welches Spielende zwischen Kampf und Kabale hin und her wirft.

Kampf und Kabale

Im letzten Jahr musste sich das Plot-Team noch den Vorwurf des Railroadings anhören. Bei manchen Plots konnte durchaus der Eindruck entstehen, und trotz aller Klärungsversuche hielt sich der Vorwurf. Dass sich die Kritik zu Herzen genommen wurde, konnte man dieses Jahr sehr deutlich spüren. Ein Blick ins Plotbuch verriet auch, dass es sich nicht nur so anfühlte, sondern auch so war. Sowohl Lösungswege als auch Ergebnisse waren nahezu überall offen. Bei manch einer Geschichte führte das auch zu großen Augen. Allgemein schienen die GSC und NSC viel freier in ihren Entscheidungen zu sein, was die Welt definitiv aufwertete, weil sie so lebendiger und viel dynamischer wirkte.

Die meiste Verwirrung stiftete aber zweifelsohne die Kabale der abtrünnigen Drachengläubigen, die in vielen Gesprächen durchaus plausibel ihren Sinneswandel erklären konnten. Dies ließ die Grenzen zwischen Freund und Feind teilweise sehr verschwimmen. Aber auch im Kampf, wo die Fronten eigentlich klar sind, gab es nicht selten Friendly Fire, weil man die Rechtgläubigen nur schwer von den Apostaten unterscheiden konnte. Bald überlegte man zweimal, wen man nun angriff oder mit wem man das Gespräch suchte.

So stellte sich eine durchaus beklemmende und manchmal auch ratlose Stimmung ein, die eine interessante Abwechslung zum bisherigen Konzept der Conreihe bot.

Plots gab es im Grunde für jeden genug, doch die eben genannte Ratlosigkeit bremste manch einen Spielenden auch schonmal aus. Auch Kämpfe gab es gefühlt weniger, was sicher auch daran lag, dass ein guter Teil des Waldes zur Heimat sehr niedlicher Mini-Kühe geworden war.

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Dass der Bruderkrieg auch sehr emotionale Seiten hatte, konnte man bei den Bewohnern dieser Welt spüren. Kaum eine vertretene Nation, die nicht ganz persönliche Schicksale im Gepäck hatte. Leider sind viele dieser Geschichten nur kleinen Kreisen erzählt worden, da die Anzahl von Spielern, die sich auch mit den Vertretern der Bewohner der Welt auseinandersetzten, überschaubar war. Dies lag aber auch sicher daran, dass ein guter Teil der Nationen etwas abseits der wichtigen Locations ihr Lager hatte. Wer den Weg dennoch auf sich nahm, wurde mit einer sehr lebendigen Welt belohnt, da die Fraktionen konstant untereinander spielten, um die großen und kleinen Probleme ihrer Welt zu lösen, und dabei vielfältige kulturelle Aspekte darstellten.

Ein bisschen Schatten gab es aber auch im Design der Apostaten. Mit dem Hexer gibt es bereits eine Figur, der physisch und magisch nicht beizukommen ist und die zudem auch noch intellektuell sehr fordert. Das regt sicher die Kreativität an, kann aber auch mal frustrierend sein. Mit seinen Obersten erhielt der Hexer aber sieben weitere Mitstreiter, gegen die man auch kaum etwas ausrichten konnte. Als dann bei der großen Schlacht am Ende auch noch ein Dämon mit ein paar Schergen auf Feld kam, hatte man zeitweise über zehn nur schwer oder gar unbesiegbare Gegner gegen sich, zusätzlich zu all den abtrünnigen Kabalisten. Da die Hauptschlachtwiese auch recht beengt war, litt die Schlachtdynamik doch sehr stark, obwohl sie dank der Vinland-Regeln eigentlich gut sein sollte. Es stellte sich oft das larptypische Schildreihengeschubse ein. Kleinere Scharmützel hingegen liefen gewohnt dynamisch, agil und vor allem spaßig ab.

Fazit

Das Zeit der Legenden 2018 hatte zwar ein paar kleinere Schwächen im Gamedesign, doch überwiegen ganz deutlich die positiven und schönen Erfahrungen. Emotional wurde reichlich auf die Tränendrüse gedrückt, aber auch die Halsschlagader zum Pulsieren gebracht. Die abtrünnigen Fraktionen waren spielerisch und optisch eine wunderbare Bereicherung für das Weltgefühl, und die offenen Plots gaben einem das Gefühl, wirklich Einfluss auf den Verlauf der Geschichte nehmen zu können. Wer zudem seinen Schwerpunkt nicht im Kampf hat, durfte sich schnell in Politik, Kultur und Kabalen der Welt verlieren. Zu Recht darf man gespannt sein, wie der Bruderkrieg in seine nächste Phase geht. Es ist wie bei einer guten Serie: Es ist schade, dass man ein Jahr auf die nächste Staffel warten muss.

Artikelbild: ©Wyvern e.K./Andreas Megens

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