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Corona hat das Hobby Larp besonders schwer getroffen. Kaum eine Con konnte stattfinden. Wir haben euch gefragt, was das für euer Hobby bedeutet. Dabei konnten wir spannende Informationen gewinnen, wie sich diese Pandemie auf Larp auswirkt und was das vielleicht für die Zukunft des Hobbys bedeuten könnte.

2020 wird uns allen zweifelsohne stark in Erinnerung bleiben. Kaum ein Ereignis der jüngeren Zeit hat so immensen Einfluss auf unseren Alltag und unsere Gesellschaft genommen wie die Corona-Pandemie. Trotz aller Hoffnungen war den meisten vermutlich klar, dass die Larp-Saison 2020 nur wenige Cons umfassen wird und besonders große Cons nicht stattfinden werden können. So kam es dann auch. Für uns alle eine unbekannte Situation. Aber was macht das mit einem Hobby und seinen Menschen? Mit welchen Veränderungen muss man rechnen? Wir haben versucht, diesen Fragen mit unserer aktuellsten Umfrage auf den Grund zu gehen.

Die Basics – Wer hat mitgemacht

An dieser Umfrage haben insgesamt 1462 Personen teilgenommen, davon haben 1212 Personen den Fragebogen vollständig ausgefüllt. Wo immer möglich und sinnvoll, haben wir auch Fragebögen ausgewertet, die nur zum Teil ausgefüllt wurden. Ausgehend von rund 30.000 Larper*innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, kommen wir auf eine Teilnahmequote von rund 4 % – weniger als bei der letzten Umfrage. 4% und über 1000 teilnehmenden Personen sind jedoch eine ausgezeichnete Basis für aussagekräftige Umfragen. Wie immer basiert die Annahme der Grundmenge an aktiven Larper*innen auf fundierten Schätzungen anhand von Zahlen der Großcons, Thilo Wagners Larp-Kalender und der relevanten sozialen Netzwerke. Aufgrund der Pandemie wurden jedoch nur die Zahlen von 2019 berücksichtigt. Wie zu erwarten stammt der größte Teil der ausgefüllten Fragebögen von deutschen Larper*innen. Ansonsten hat sich wenig geändert, die Verteilung der Geschlechter sind: männlich knapp 57 %, weiblich rund 42 % und Menschen, die sich als Divers identifizieren 1,4 %. Larper*innen sind im Schnitt Mitte 30, haben überwiegend ein Hochschulstudium abgeschlossen, sind in einem Angestelltenverhältnis und spielen am liebsten soziale Spielinhalte in Fantasysettings.

Larp während Corona – Wie kamen Larper*innen durch die Pandemie

Unser erster Fragenkomplex beschäftigte sich mit der aktuellen Situation, also wie Larper*innen die Lage aus Hobbysicht erlebt haben und wie sie damit umgegangen sind.

Wie wir Larp vermisst haben

Wenig verwunderlich dürfte sein, dass der überwiegende Teil, nämlich 73,4 %, Larp stark oder sehr stark vermisst. Kein Wunder, waren nämlich rund 60 % 2020 auf keinem einzigen Larp und weitere 33 % auf einem bis drei Larps. Ebenfalls rund 85 % der teilnehmenden Personen gibt zudem an, dass sie ihren Larp-Freundeskreis vermisst haben. Nur knapp 2 % gaben hingegen an, niemanden groß vermisst zu haben. Etwas über 60 % haben vermisst, in andere Realitäten und Rollen zu schlüpfen und 34% vermissten, sich kreativ zu beschäftigen.

Ein Blick auf die Geschlechterverteilung zeigt dabei, dass Männer tendenziell Larp weniger vermissen als Menschen, die sich als Divers identifizieren. Frauen und Diverse vermissen dabei signifikant häufiger als Männer, ihren Larp-Freundeskreis zu sehen und sich kreativ zu beschäftigen.

Wie wir die Lücke kompensiert haben

Eine wichtige Grundregel besagt, dass ein Vakuum nicht unbesetzt bleibt. Was also hat das Vakuum gefüllt?

Deutlich ist: Rund 40 % haben sich weniger mit dem Hobby beschäftigt als vor der Pandemie, aber immerhin 17,6 % haben sich sogar mehr mit dem Hobby beschäftigt. Auch konnten Onlineangebote für das Hobby wohl nicht überzeugen oder haben viele Menschen nicht erreicht, denn lediglich ein Viertel der teilnehmenden Personen hat die Möglichkeit genutzt, an einem Online-Larp teilzunehmen. Diejenigen, die sich mehr mit Larp beschäftigt haben, gaben an, vor allem neue Charaktere und Gewandungen erschaffen oder zumindest geplant zu haben. Allerdings hat fast die Hälfte aller Teilnehmenden entweder neue Hobbys begonnen oder andere Hobbys verstärkt, um Larp zu kompensieren. Wenig verwunderlich ist Pen and Paper weit vorne mit dabei.

Larp nach Corona – ein Blick in die Zukunft

Die gute Nachricht: 43,4 % der Umfrageteilnehmer*innen wollen sich nach der Pandemie mehr mit Larp beschäftigen und 22 % planen zudem auch, mehr zu larpen. Immerhin 8,6 % gaben an, nach der Pandemie weniger larpen zu wollen. In absoluten Zahlen wären das rund 2580 Larper*innen, die weniger Cons besuchen wollen. Würde man das visualisieren, würden zum Beispiel dem DrachenFest die Hälfte der Teilnehmer*innen fehlen. Freilich ist nicht damit zu rechnen, dass das DrachenFest plötzlich nur noch halb so groß ist. Betrachtet man auch, dass rund 32 % sich auch künftig verstärkt anderen Hobbys widmen wollen, dürfte die Zahl dennoch einen gewissen Einfluss auf die Szene haben. 2021 sehen Larper*innen hingegen eher unsicher, denn viele Teilnehmer*innen planen für das nächste Jahr, deutlich weniger Cons zu besuchen. Kein Wunder, betrachtet man die nach wie vor herrschende Unsicherheit für das kommende Jahr. Nur eine Gruppe lässt sich nicht abschrecken: Die Viellarper*innen. Wer vor der Pandemie mehr als einmal pro Monat eine Con besucht hat, plant das auch für 2021. Wer also das Hobby obsessiv betreibt, plant deutlich optimistischer und möchte Larp auch weniger durch andere Hobbys kompensieren. Dennoch macht diese Gruppe grade mal 3,8 % der Szene aus. Ob diese damit den Rückgang in den anderen Umfragegruppen kompensieren, bleibt mindestens fraglich.

Das liebe Geld

Die Corona-Pandemie hat auch erhebliche finanzielle Auswirkungen auf die Menschen. Über 15 Millionen Haushalte in Deutschland geben an, durch die Pandemie spürbare Haushaltseinbußen zu haben, sagt die Creditreform Wirtschaftsforschung. Da Larper*innen unseren Umfragen zufolge sehr gut den Querschnitt der Bevölkerung widerspiegeln, war natürlich auch das eine Frage, mit der wir uns beschäftigt haben.

Nicht überraschen dürfte die Feststellung, dass 2020 deutlich weniger für Larp-Ausrüstungen und ‑Gewandung ausgegeben wurde. Damit ist bewiesen, was offenkundig ist: Gibt es kein Larp, wird auch weniger für das Hobby ausgegeben, und zwar deutlich. Gaben vor der Pandemie rund 40 % der Larper*innen noch 150 bis 250 EUR pro Jahr, 32 % 250 bis 500 EUR pro Jahr und immerhin 12,3 % zwischen 500 EUR und 1000 EUR pro Jahr für Ausrüstung und Co aus, gingen die Zahlen 2020 überdeutlich zurück. Fast 50 % gaben an, unter 100 EUR in das Hobby investiert zu haben und nur 23,6 % gaben bis zu 250 EUR aus und noch 15,7 % bis zu 500 EUR. In diesen beiden sonst dominanten Gruppen haben sich die Zahlen fast halbiert und auch bei denen, die bis zu 1000 EUR bisher pro Jahr ausgegeben haben, geht es um immerhin vier Prozentpunkte zurück. Lediglich die Gruppe der Larper*innen, die stetig über 1000 EUR im Jahr in Ausrüstung investiert, bleibt konstant bei ihren hohen Ausgaben.

Um das nochmal zu verdeutlichen: Die Frage war nicht, wie viel Geld man für das Hobby gesamt ausgibt, sondern, wie viel pro Jahr in Ausrüstung und Gewandung fließt. Es fehlen also nicht nur massiv die Einnahmen von Orgas aus Cons, sondern ebenso deutlich die Einnahmen von Händler*innen, die mit Larp ihren hauptsächlichen Umsatz haben. Dies dürfte Auswirkungen auf die Szene haben. 

Die Einbußen für Orgas kommen hier noch dazu. Kommerzielle Orgas haben in der Regel laufende Kosten, die trotz Con-Ausfall gedeckt werden wollen, ehrenamtliche Orgas nutzen oft Con-Einnahmen, um den Fundus für kommende Cons immer besser auszustatten. Dieses Geld fehlt nun, und das dürfte insbesondere bei kommerziellen Orgas zu Schwierigkeiten führen.

Ausfallende Cons bedeuten daher nicht nur, weniger Endverbraucher*innen die Larp-Ausrüstung kaufe, sondern auch Orgas die weniger oder nichts einkaufen. Dieses Geld fehlt dem unternehmerischen Teil der Szene zusätzlich und hat spürbare Auswirkungen auf kleine wie große Händler*innen. Zumindest planen die Teilnehmer*innen 2021, oder sobald die Pandemie wieder vorbei ist, wieder mehr auszugeben. Zwar bleiben die Werte leicht unter den Jahren vor der Pandemie, aber zumindest der Anteil derjenigen, die über 500 EUR oder gar über 1000 EUR investieren wollen, steigt moderat an. Man darf also auf eine Erholung des Kaufverhaltens nach der Pandemie hoffen. Wenn die Consaison 2021 ebenfalls nur mit Handbremse durchführbar ist, bleibt abzuwarten, wie sich das auf die Szene auswirkt, denn Reserven für zwei Jahre massiven Umsatzeinbruch dürfte kaum jemand haben.

Alles sauber!

Was für Orgas ebenfalls nicht ganz unwichtig sein dürfte, ist die letzte Frage, der wir uns in diesem Artikel widmen: Die Hygiene! Selbige hat im Zuge der Pandemie erfreulich viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das macht sich auch für unsere Umfrage und Larp bemerkbar. Knapp 30 % waren schon vor der Pandemie wichtig, dass eine Con ein Hygienekonzept vorweist. Losgelöst von der Pandemie ein interessanter Wert, der aber vermutlich nur aussagt, dass Larper*innen saubere Locations mit entsprechenden sanitären Anlagen und reinlicher Küche zu schätzen wissen. Spannender ist hingegen, dass über 40 % der Teilnehmenden sich künftig ein Hygienekonzept wünschen. Im Kontext der Pandemie dürften hier die künftigen Erwartungen etwas höher sein. Grade in der üblichen Erkältungszeit könnte dies bedeuten, dass sich Orgas nochmal verstärkt Gedanken machen sollten. Aber auch Conteilnehmende sollten prüfen, ob man krank auf Con muss. Die Toleranz bei Mit-Larper*innen dürfte hier erstmal deutlich gesunken sein.

Zusammenfassung

Dass die Pandemie eine enorme Einwirkung auf das Hobby Larp hat, dürfte allen in der Szene klar gewesen sein. Doch nebst den offenkundigen Dingen, wie dem fast vollständigen Ausfall des Conjahres oder der Inaktivität fast aller großen Larp-Onlinegruppen, mit nur sehr wiegen Ausnahmen, waren die Auswirkungen nur schwer zu greifen – ebenso schwer wie der Ausblick auf die Zeit nach Corona oder 2021. Dank zahlreicher ausgefüllter Fragebögen konnten wir das schwammige Gefühl in ein paar harte Zahlen gießen. Klar ist: Die Menschen vermissen Larp und all seine Facetten. Ebenso klar wird auch: Larp ist ein soziales Hobby, denn immerhin wird am meisten vermisst, dass man seine Larp-Peergroup nicht sieht, erst mit deutlichem Abstand folgen alle anderen Fragestellungen, was man vermisst. Das bedeutet auch, dass Larp mitunter wegen den sozialen Kontakten betrieben wird und man dieses Vakuum so gut es geht füllen will. Viele Larper*innen werden alte und neue Hobbys daher auch in Zukunft stärker betreiben und es bleibt abzuwarten, ob sie Larp mehr Aufmerksamkeit widmen, wenn die Lage wieder normales Larp und große Cons erlaubt.

Ebenfalls lassen sich nun die wirtschaftlichen Folgen für das Hobby besser greifen, hier ist ein eindeutiger Lichtblick, dass bereits 2021 mit deutlich höheren Ausgaben geplant wird, sodass ein Vor-Pandemie-Niveau nicht weit entfernt sein dürfte.

2021 dürfte trotz aller positiver Nachrichten noch einmal fordernd für die Szene sein. Größenbeschränkungen, Hygieneauflagen, wirtschaftliche Unsicherheit werden nicht sofort verschwinden. Doch gründet das Hobby auf eine stabile Basis von langjährigen aktiven Larper*innen, die immer wieder neuen Spaß am Hobby gefunden haben und einen konstanten Zustrom neuer Hobbyist*innen. Bleiben wir also optimistisch für die Zukunft und versuchen wir, das Positive zu sehen.

Über den Co-Autor

Dr. Jeremias Weber war lange empirischer Bildungsforscher im Bereich Physikdidaktik an der Uni Frankfurt. Inzwischen setzt er als Lehrender seine Erfahrungen vor Schulklassen um. Im LARP ist er seit 2000 im Fantasy-Umfeld unterwegs, ein halbes Jahr länger im Tischrollenspiel und Vampire Live. Gerne verwirklicht er sich im Engonien e.V. als Organisator oder Spielleiter (beispielsweise Grenzwacht), aber oft ist er einfach nur Spieler mit einem Hang zu religiös angehauchten Rollen. 

Artikelbild: © bagiuiani|depositphotos

1 Kommentar

  1. Die Zahlen und Auswertungen sind schon recht interessant.
    Doch ein Punkt, der angesprochen wurde, ist mir bei seiner Wichtigkeit doch undefiniert geblieben und er ist es vielleicht auch wert durch eine Weitere Umfrage besser eingegrenzt zu werden.
    Ich rede von dem Punkt Hygienekonzept.
    Wenn man hier viele Menschen Fragt, wird man viele Antworten bekommen was sie als ein gutes Hygienekonzept auf einem Larp verstehen.
    Saubere Sanitäranlagen sind eine Grundvoraussetzung.
    Genau so eine Wasserleitung mit Trinkwasser.
    Wie aber soll eine Orga mit Spielern umgehen, die meinen krank auf ein con fahren zu müssen oder die im Verlauf des Spieles anfangen zu kränkeln?
    Was ist mit gespielten Institutionen wie Bade- und Massagehäuser, Taverenen und Teehäuser, also Orte, wo viele Menschen teils recht engen Kontakt pflegen.

    Ich finde, es wäre gut hier mal einen Durchschnitt der Meinungen zu kennen.
    Das wäre vor allem für Orgas einen interessante Info bevor es dann nach den ersten Con’s eine Welle von Beschwerden hagelt weil die Spieler ein Hygienekonzept für zu übertrieben oder für zu schlapp empfinden.

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