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Haltet Weihwasser, Holzpflock und Knoblauch bereit: Der bekannteste Vampir aller Zeiten treibt wieder sein Unwesen. Dracula von Panini Comics ist die in neuem Glanz erstrahlende Komplettsammlung der Graphic Novel zum gleichnamigen Film von Francis Ford Coppola. Begleitet uns auf einen Horrortrip durch das viktorianische London!

1992 kam mit Bram Stoker’s Dracula eine Verfilmung des bekannten Romans in die Kinos, die noch heute als eine der werktreuesten Adaptionen gilt. Unter Regie von Francis Ford Coppola (Der Pate, Apocalypse Now) erwachte die Geschichte des Blutsaugers mit Hollywood-Größen zu neuem (Un)Leben. Gary Oldman nahm es als titelgebender Graf auf der Suche nach seiner Liebe (Winona Ryder) mit dem Widerstand von Jonathan Harker (Keanu Reeves) und Abraham van Helsing (Anthony Hopkins) auf.

Parallel dazu wurde der Film als vierteilige Graphic Novel adaptiert. Verantwortlich sind für diese zwei Personen gewesen, die heutzutage Legendenstatus in der Comicbranche erreicht haben. Das Skript stammt von Roy Thomas, seines Zeichens Stan Lees Nachfolger als Chefredakteur von Marvel. Die Zeichnungen stammen von niemand Geringerem als Mike Mignola, dem Schöpfer von Hellboy.

Mit zusätzlichem Bonusmaterial in Form von Skizzen und einer neuen Kolorierung versehen, hat Panini Comics diesen Klassiker des Horrors als Sammelwerk veröffentlicht. Bekommen wir beim Lesen Gänsehaut, und falls ja, vor Begeisterung oder Abscheu?

Handlung & Charaktere

Benötigt die Handlung von Bram Stokers Klassiker noch eine Vorstellung? Denn dieser folgt die Graphic Novel mit Ausnahme einzelner Freiheiten sehr genau. Der Anwalt Jonathan Harker reist nach Transsilvanien, um den Verkauf einiger Londoner Grundstücke mit dem Käufer final zu besprechen. Doch auf der Burg von diesem, einem gewissen Graf Dracula, angelangt, fallen seltsame Ereignisse auf. Das Verhalten des Grafen ist exzentrisch und vielfach besorgniserregend. Harker wird gezwungen, fingierte Briefe an seine Verlobte Mina und seine Vorgesetzten zu schicken, während er sich im Schloss mehr und mehr als Gefangener sieht. Dabei stellt er auch fest, dass sich der Graf anscheinend auf eine Reise nach London vorbereitet.

Die Wahrheit ist schrecklicher, als es sich Harker vorstellen kann. Graf Dracula ist in Wahrheit ein Vampir. Nachdem er ein Bild von Mina gesehen hatte, sieht er in ihr seine wiedergeborene Frau Elisabeta. Deren Selbstmord hatte den Grafen einst vom Glauben abfallen lassen und zu einem Leben als Vampir verdammt. Nun setzt er alles daran, seine verloren gedachte Liebe wiederzugewinnen. Seine Reise nach London setzt Ereignisse in Gang, die in einem dramatischen Kampf gegen das untote Monstrum enden.
Wie die Verfilmung stellt die Graphic Novel im Gegensatz zum Original den Vampir als tragische Gestalt dar. Das Schicksal seiner geliebten Elisabeta und die darauf aufbauende „Liebe“ zu Mina sind die Hauptmotivatoren des Grafen. Dracula wird dadurch zu einer Kombination aus Horror und dramatischer Liebesgeschichte. Das stellt auch den größten Unterschied zur ursprünglichen Handlung von Bram Stokers Roman dar. Jedoch fügt sich das stimmungsvoll in die Handlung ein.

Der größte Kritikpunkt ist aus diesem Grund ein Faktor, der mir auch bei der Verfilmung missfällt: Sprünge in der Handlung. An einigen Stellen der Graphic Novel wirkt es so, als würden zwischen einigen Szenen Panels fehlen. Die Erzählung springt vereinzelt zu schnell von Ereignis zu Ereignis, was dem Lesefluss nicht hilft. Ähnlich verhält es sich bei Entscheidungen bezüglich der Visualisierung.

Zeichnungen & Kolorierung

Denn hier fällt mehrfach die Inspiration durch den Film auf. Allerdings muss auch erkannt werden, dass einige visuelle Kniffe im Bewegtbild besser funktionieren. Exemplarisch dafür steht eine Szene, in der Draculas Biss an einem seinem Opfer enthüllt wird. Die zugehörigen Panels nähern sich immer weiter der Kehle mit den beiden Einstichwunden an, bis diese blutroten Male in der nächsten Szene in eine Wolfsfratze mit Augen der gleichen Farbe übergehen. Im Film wird diese Verbindung klar: Dracula hat die junge Frau in Wolfgestalt gebissen und die beiden Male stehen nun stellvertretend für seine verheerenden Auswirkungen. Die Wirkung innerhalb der Graphic Novel ist ungleich schwächer.

Solche Fälle trifft man mehrfach in der Graphic Novel an. Es erweckt den Eindruck, dass die medienspezifischen Limitationen des gezeichneten Mediums nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Mike Mignolas typischer Zeichenstil eine unglaubliche Atmosphäre vermittelt. Der einfache Zeichenstil in Kombination mit der flachen Kolorierung von Mark Chiarello schafft eine unverkennbare Visualisierung.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor: Bram Stoker, Roy Thomas
  • Zeichner: Mike Mignola, Mark Chiarello
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 140
  • Preis: 29,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

Fazit

Als alleinstehende Graphic Novel ist Dracula zwiespältig zu betrachten. Auf der einen Seite weiß die Handlung mit einer großen Nähe zum Roman von Bram Stoker zu überzeugen. Die Qualität der visuellen Umsetzung, besonders durch die überarbeitete Kolorierung, sticht positiv ins Auge. Auf der anderen Seite leidet Dracula aber unter der sichtbaren Adaption seiner Hollywood-Vorlage. Schwächen dieser, wie Sprünge in der Handlung, bleiben bestehen. Gleichzeitig kommen noch Probleme hinzu, die das Medium Graphic Novel mit sich bringt. Visualisierungen, die auf der großen Leinwand funktionieren, können auf Papier nicht die gleiche Wirkung entfalten. Dadurch wirken einige der Szenen der Graphic Novel fehl am Platz.

Für Liebhaber des Films ist diese Graphic Novel mit Sicherheit eine sehr stimmige Ergänzung. Ist die Wahl zwischen einer der beiden Adaptionen zu treffen, so weiß ich jedoch, wofür ich mich entscheide.

Artikelbild: Panini Comics, Bearbeitet von Cora Otté
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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