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Dungeons & Dragons und der Cthulhu-Mythos – wie passt das zusammen? Spiele-Designer Sandy Petersen, der an zahlreichen Videospielen mitgearbeitet und die erste Version des Cthulhu-Rollenspiels mitentwickelt hat, will das erfolgreichste Rollenspiel der Welt mit dem kosmischen Schrecken verbinden. Die Teilzeithelden wagten einen Blick in seine Schriften.

Die fünfte Edition von Dungeons & Dragons erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Auch fünf Jahre nach ihrem Erscheinen werden immer noch zahlreiche Erweiterungen und alternative Settings veröffentlicht. Kein Wunder also, dass auch für den beliebten Spielhintergrund des Cthulhu-Mythos eine Regelergänzung erscheint. Verantwortlich dafür ist der Entwickler Sandy Petersen, der neben Rollenspielen wie Call of Cthulhu auch das Brettspiel Cthulhu Wars in seiner Vita stehen und an Videospielen wie Doom oder Age of Empires mitgewirkt hat. Dank eines erfolgreichen Crowdfundings konnte er schließlich seine Ideen einer Cthulhu-Erweiterung für Dungeons & Dragons umsetzen. Bei Ulisses Spiele ist inzwischen die deutsche Übersetzung des Bandes erschienen. Eine ähnliche Umsetzung auf Basis der Regeln von Das Schwarze Auge, hat Ulisses Spiele im August angekündigt und schließlich per Crowdfunding finanziert.

Neue Regeln, neue Schrecken

Wer einen ersten Blick in Sandy Petersen’s Cthulhu Mythos wirft, wird von der Menge an Inhalten zunächst fast erschlagen. Neue spielbare Rassen wie Ghoule und Traumlande-Katzen, entsprechend auch neue Klassenoptionen, Hintergründe und Talente, sind nur der Anfang eines umfangreichen Bandes, der mit 420 Seiten deutlich dicker, als das grundlegende Dungeons & Dragons Player’s Handbook ist.

Für die SpielerInnen ergeben sich dadurch ganz neue Möglichkeiten. Paladine, die zwischen Traumlanden und wacher Welt wandern, Zauberer, die von Tiefen Wesen abstammen und Druiden, die dem Zirkel der Tausend Jungen angehören, sind nur drei Beispiele für neue Klassenoptionen, welche die Spielercharaktere mit den Mythos-Elementen verknüpfen. Für alle bestehenden Rassen und Klassen gibt es kurze Hinweise, wie diese vom Mythos betroffen sein können. Seien es Zwerge, in deren verlassenen Minen etwas lauert oder Drachenblütige, die von Kultisten zur Auffrischung des Genpools der Tiefen Wesen verschleppt werden.

Allgemeine Hinweise zur Einbettung des Horrors am Spieltisch geben zusätzliche Impulse, wie sich der kosmische Schrecken mit einigen Kniffen in Fantasy-Settings einbinden lässt. Dabei sind vor allem die Hinweise auf die Eigenheiten der Geschichten von H.P. Lovecraft, auf denen der Cthulhu-Mythos basiert, hilfreich. Dank ihnen kann die Spielleitung selbst simple Zombies, die ansonsten bloßes Schwertfutter sind, unheimlich und bedrohlich erscheinen lassen. Dies gelingt, wenn man den Tipps zur Präsentation solcher Gegner und zur Darstellung der Umgebung folgt.

Der Weg in den Wahnsinn

Kapitel 4 beschreibt die Auswirkungen von Geistesgestörtheit und Furcht.

Natürlich ist eine wesentliche Voraussetzung, dass die SpielerInnen auch Lust auf Horror haben. Doch selbst, wenn dies nicht so sein sollte, beinhaltet Sandy Petersen’s Cthulhu Mythos auch viele blanke Regeln, welche das Spiel durchaus interessanter gestalten können. Eine zentrale Rolle nehmen dabei natürlich die neuen Regeln für Furcht und Wahnsinn ein. Mithilfe eines siebenstufigen Furcht-Barometers kann nachvollzogen werden, wie schlimm es gerade um die geistige Gesundheit eines Charakters bestellt ist. Dieser Zusatz dockt nahtlos an die bereits bestehenden Rettungswurf-Regeln an und sorgt für eine unkomplizierte Darstellung zunehmenden Wahnsinns auf dem Charakterbogen.

Ebenso schlüssig werden auch neue Zaubersprüche wie Kuss von Dagon oder Nebel von R´lyeh eingegliedert. Sandy Petersen und seinen Mitautoren ist in diesem Punkt eine stimmige Ergänzung zu bereits bestehenden Zaubern gelungen, die – zumindest auf dem ersten Blick – nicht unbalanciert erscheint. Die 28 neuen Sprüche fügen sich also gut in das Gesamtbild ein, beinhalten natürlich einige schaurige Rituale und decken alle Schulen der Magie ab.

Was ebenfalls nicht fehlen darf, sind Texte des Mythos, wie zum Beispiel das berüchtigte Necronomicon. Einst von H.P. Lovecraft für eine seiner Geschichten geschaffen, geistert es seitdem durch die Popkultur und ist auch in diesem Band zu finden. Weitere Artefakte, Folianten und Tränke, wie die heilsame Milch von Shub-Niggurath, sind auch im entsprechenden Kapitel zu finden und bieten zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten.

Der Cthulhu-Mythos von Sandy Petersen – ein Haufen Monster?

Den Großteil des Bandes nimmt jedoch eine umfassende Auflistung der Großen Alten, Äußeren Götter und anderer Monster des Mythos ein. In den Beschreibungen werden die kosmischen Wesenheiten ganz entmystifizierend mit detaillierten Regeln dargestellt. Da aber selbst das herkömmliche Cthulhu-Rollenspiel darauf nicht verzichtet, soll dies kein Vorwurf sein. Ganz im Gegenteil, denn wenn eine Gruppe am Ende einer nervenaufreibenden Kampagne auf den namensgebenden Großen Alten Cthulhu trifft, dann soll sie auch die Möglichkeit haben, ihn nach allen Regeln der Kunst umzuhauen. Letztlich basiert Sandy Petersen’s Cthulhu Mythos auf der fünften Regeledition von Dungeons & Dragons und ist kein reines Horror-Regelwerk wie Cthulhu, in dem ein heroischer Sieg oftmals schlicht unmöglich ist.

In diesem Punkt bleibt der Band bei seinen Stärken und stellt die Gegner zwar furchteinflößend, aber nicht unbezwingbar dar. Eine schöne Idee sind in diesem Zusammenhang die kleinen Kästen bei jeder Wesenheit, die in ein bis zwei Sätzen beschreiben, was die Spielercharaktere sehen. Die Spielleitung muss sich also keine überzogenen oder unzureichenden Beschreibungen überlegen, sondern kann auf einen vorgefertigten, in der Regel treffenden, Text zurückgreifen.

Erscheinungsbild

Die Illustrationen sind durchgehend gut, aber nicht herausragend. Hervorzuheben ist, dass es gelingt, stilistisch eine Verbindung zwischen Cthulhu und Dungeons & Dragons zu schaffen. Eine Darstellung des Großen Alten Cthulhu erinnert vom Stil her an die Bebilderung der entsprechenden Monster-Handbücher, sodass er als episches Tentakelmonster durchaus neben eine Tarraske passt. Dies ist im Gesamtkonzept des Bandes aber durchaus stimmig und lässt eine kämpferische Konfrontation als machbare Lösung eines Konflikts erscheinen.

Insgesamt ist das Layout von Sandy Petersen’s Cthulhu Mythos gut gelungen. Trotz einer großen Menge an Informationen verliert man nie komplett die Übersicht. Auch die zahlreichen Info-Boxen, wie zum Beispiel die weiter oben erwähnte Kurzbeschreibung der Monster, fügen sich nahtlos und selten störend ins Gesamtbild ein. Lediglich die Schrift wirkt etwas klein und zu eng gesetzt, was aber auch an der Darstellung im PDF liegen mag. Dort gibt es aber immerhin die Möglichkeit, durch Zoomen mehr zu erkennen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ulisses Spiele
  • Autoren: Sandy Petersen, James Jacobs, Arthur Petersen, Ian Starcher, David N. Ross
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover / PDF
  • Seitenanzahl: 420
  • ISBN: 978-3963312366
  • Preis: 59,95 EUR / 19,99 EUR (PDF)
  • Bezugsquelle: Amazon, DriveThruRPG, Ulisses Ebooks, Sphärenmeister

 

Fazit

Sandy Petersen’s Cthulhu Mythos ist, gemessen an seinen Ansprüchen, ein sehr gut gelungener Band. Die Hochzeit von Dungeons & Dragons mit dem Cthulhu-Mythos glückt in fast allen Aspekten. Eine schöne Ergänzung sind die allgemeinen Hinweise, wie man packenden Horror und kosmischen Schrecken an den Spieltisch bringen kann. Dank ihnen sollten selbst launige Runden schauriges Rollenspiel erleben können. In der Pathfinder-Kampagne Was ewig liegt hat die Annäherung von Mythos und Fantasy-Abenteuern bereits überzeugen können.

Ob es andersherum funktioniert, bleibt jedoch fraglich. Wer die erschütternde Schwere von Lovecrafts Geschichten schätzt, ist mit den üblichen Verdächtigen wie Cthulhu oder experimentellen Alternativen wie Dread besser bedient. Dieses Manko ausgeklammert, ist Sandy Petersen’s Cthulhu Mythos jedoch ein lohnenswerter, wenn auch relativ teurer Band – aber eben eher für Dungeons & Dragons-SpielerInnen, die einmal den Moder aus dunklen Tiefen schnuppern wollen. Was bereits dort unten liegt und sich dort wohl fühlt, bleibt besser wo es ist.

 

Artikelbild: © Ulisses Spiele, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos als PDF zur Verfügung gestellt.

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