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Simulatoren im Pixel-Stil sind nach den Erfolgen der letzten Jahre beliebter denn je. Das indonesische Entwicklerstudio MassHive Media hat im September ihre Antwort auf den Hype veröffentlicht. In Potion Permit übernehmen Spielende das Steuern eines Alchemiegenies, das die Inselbewohnenden von Mondburg mit Tränken gesund pflegt. Wir haben das Spiel getestet.

Wie wir schon in unserem Artikel über Farming-Simulatoren erklären, hat diese Art von Spielen eine große Anziehungskraft. Titel wie Harvest Moon und Stardew Valley ziehen Millionen von Spielenden an. Stundenlang können hier Erzeugnisse angebaut und mit NPCs interagiert werden. Das ist der besondere Reiz der sogenannten „cozy games“: Abschalten und unaufgeregt in eine andere Welt abtauchen.

Unsere Testplattform war die Nintendo Switch. Das Spiel lässt sich schnell und einfach über digitalen Download im Nintendo E-Store beziehen, ist aber auch als physische Version erhältlich. Wir haben bis zum Abschluss der Hauptstory gespielt.

Mit Rank und Trank

In Potion Permit steuern wir ein Alchemiegenie, welches aus der unbenannten Hauptstadt auf die Inselstadt Mondburg geschickt wird, um die Krankheit der Bürgermeistertochter zu heilen. Trotz des baldigen Erfolges wird klar, dass die Inselbewohnenden der modernen Medizin nicht trauen. Ein Geheimnis verbirgt sich hier – alles deutet auf ein verheerendes Ereignis hin, das das Verhältnis zwischen den Parteien getrübt hat. Nun liegt es also an uns, dieses Geheimnis aufzudecken und die Dorfgemeinschaft von den guten Seiten der Alchemie zu überzeugen.

Unser Alchemiegenie können wir individuell gestalten.
Unser Alchemiegenie können wir individuell gestalten.

Um herauszufinden, was damals passiert ist, müssen wir uns allerdings erst einmal Zutritt zu denjenigen Bereichen der Insel verschaffen, die Außenstehenden nicht zugänglich sind. Dafür braucht es Genehmigungssiegel, die nur dann erwerbbar werden, wenn man sowohl den Bürgermeister als auch die Ärztekammer in der Hauptstadt von dem eigenen Können überzeugt. Insgesamt gilt es, drei Siegel freizuschalten.

So richtig Fahrt nimmt die Geschichte jedoch leider nicht auf. Es ist sehr vorhersehbar, was passiert – zumal das Spiel auch keine wirkliche Gegenseite hat, obwohl es dafür durchaus Ansätze gibt. Vielmehr räumen wir mit einem Missverständnis auf, das nach drei größeren Aufgaben mit dem immer genau gleichen Ablauf erledigt ist. Nach etwa 20 Spielstunden waren wir „fertig“ – sichtbar dadurch, dass wir alle Tränke und Materialien freigeschaltet und die drei Regionen abgeschlossen haben – ohne dass wirklich spannende Dinge passiert sind. Nach dem versprochenen großen Geheimnis der Insel eher enttäuschend.

Sammler und Jäger

Um unsere Tränke überhaupt brauen zu können, müssen wir erst einmal Zutaten sammeln. Die beiden freundlichen Forstbeauftragten von Mondburg zeigen uns zu Beginn des Spiels den angrenzenden Wald, in dem es Kräuter, Pilze, Rohmaterialien und Monster zu finden gibt. Ausgestattet mit Hammer, Sichel und Axt ziehen wir also los – und stoßen prompt auf die erste Barrikade, die es mit einem Genehmigungssiegel zu überwinden gilt.

Das richtige Werkzeug ist wichtig – mit der Sichel lassen sich Kräuter und Pilze pflücken.
Das richtige Werkzeug ist wichtig – mit der Sichel lassen sich Kräuter und Pilze pflücken.

Der Einstieg in das Spiel ist wie ein für das Genre typisches Tutorial aufgebaut. Spielende werden langsam und exemplarisch in die verschiedenen Mechaniken eingeführt, stets in die Geschichte eingebunden. Die erste Diagnose, der erste Trank und das erste Treffen mit den wichtigsten Bewohner*innen sorgen zu Beginn für die nötige Linearität, um das Spiel kennenzulernen. Im Anschluss dürfen wir uns aber recht schnell frei über die Karte bewegen, um neue Aufgaben zu entdecken.

Diese Aufgaben zentrieren sich oft auf unser spezielles Können: Tränke brauen. Aber auch klassische Sammelaufgaben gehören zum Repertoire. Besonders schön ist es, dass das Städtchen mit der Zeit sichtbare Veränderungen durchmacht, je mehr wir helfen. Das dynamische „Stadtleben“ gibt dem Spiel viel Charme.

Ein Haus für Kranke

Neben dem eigenen Wohnhaus, in dem unser Braukessel steht, besitzt unsere Spielfigur die nahe gelegene Klinik. Bedarf ein*e Stadtbewohner*in medizinischer Behandlung, finden man die Figur in der Klinik vor. Die Anwesenheit von Kranken wird uns am Morgen mit einem akustischen wie auch einem visuellen Signal bekannt gegeben. Die stimmige, RPG-typische Musikuntermalung ist nett anzuhören, aber es ist durchaus lobenswert, dass das Spiel auch rein visuell spielbar ist, da so die Barrierefreiheit erhöht wird. 

An dieser Stelle hätte es eine hervorragende Möglichkeit gegeben, den Schwierigkeitsgrad des Spiels stufenweise anzuheben, indem sich Krankheitsfälle häufen und wir uns so ernsthafte Gedanken um Heiltränke, Materialbeschaffung und Zeitmanagement machen müssen. Diese Möglichkeit wurde leider nicht genutzt, die Frequenz der Heilungssuchenden bleibt zumindest bis zum Abschluss der Hauptquest sehr niedrig. Dass von den Heilungen auch die Zufriedenheit der Gemeinschaft und somit unser Weiterkommen in der Hauptquest abhängt, wirkte somit mechanisch obsolet.

Hundejahre

Unser Hund sucht für uns nach NPCs. Das ist überaus praktisch.
Unser Hund sucht für uns nach NPCs. Das ist überaus praktisch.

Unser Alchemiegenie ist in all diesen Aufgaben nicht allein. Uns zur Seite gestellt wird unser Hund, dem wir zu Beginn des Spiels natürlich auch einen Namen geben dürfen. Wenn man den Begleiter täglich streichelt und füttert, entsteht daraus eine gegenseitige Freundschaft. So kann der Hund uns zum Beispiel zu einem NPC führen – ein außerordentlich nützliches Feature, da die Charaktere sich viel über die Karte bewegen und somit an verschiedensten Orten anzutreffen sind. Außerdem gräbt er auch spezielle Materialien für uns aus.

Ein Alchemiegenie, das braucht Köpfchen

Viele Mechaniken und Aufgaben in Potion Permit werden für Kennende des Spielgenres nichts Neues sein. So lassen sich beispielsweise (freundschaftliche wie auch romantische) Beziehungen mit Dorfbewohner*innen aufbauen, die durch Geschenke gefördert und durch spezielle Events auf die nächste Stufe gehoben werden. Auch das Sammeln von Materialien und das Ausbauen von Haus und Klinik – inklusive Dekorationsmöglichkeiten – kommt uns allzu bekannt vor. Dabei sind die Optionen leider wenig innovativ.

Knobelfertigkeiten

In diesem Reaktionsspiel für die Diagnose muss der richtige Knopf zur richtigen Zeit gedrückt werden.
In diesem Reaktionsspiel für die Diagnose muss der richtige Knopf zur richtigen Zeit gedrückt werden.

Die wohl wichtigsten Aufgaben im Spiel – die Diagnose von Krankheiten sowie das Brauen von Tränken – sind als Minispiele aufgebaut. Um eine gute Diagnose stellen zu können, ist entweder Geschicklichkeit oder Gedächtnis gefragt: Zum Beispiel wird in einem Minispiel von Spielenden abverlangt, sich die Reihenfolge von Knöpfen zu merken und zu wiederholen. Dabei bleiben die Spiele aber überdurchschnittlich einfach. Wir hätten uns eine deutlich signifikantere Steigerung des Schwierigkeitsgrades gewünscht, da die Minispiele recht schnell langweilig bis nervig werden.

Um Tränke zu brauen, bedarf es wiederum Puzzlefertigkeiten. Tetris-Veteran*innen haben hier einen klaren Vorteil. Jedes sammelbare Material entspricht einem bestimmten Block. Diese müssen dann so angeordnet werden, dass die Blöcke zu dem Trank passen, den man brauen will. Dadurch gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, um einen Trank herzustellen – wenn man einmal ein Material nicht hat, lässt sich oft eine Alternative finden. Beschränkt wird das Brauen durch die Kapazität unseres Braukessels; zu Beginn kann man nur fünf Materialien gleichzeitig benutzen. Später lässt sich der Kessel ausbauen, um auch kompliziertere Tränke brauen zu können.

Die Puzzles für das Brauen von Tränken machen Spaß.
Die Puzzles für das Brauen von Tränken machen Spaß.

Die gesamte Braumechanik ist sehr gelungen – es macht Spaß, die Materialkombinationen auszuknobeln. Der Schwierigkeitsgrad erhöht sich mit der Zeit dadurch, dass für einige Tränke nur spezielle Materialien benutzt werden können (die Materialien sind den vier Elementen zugeordnet) und somit weniger Formen zur Verfügung stehen. Nach fünf erfolgreichen Versuchen lassen sich zudem bis zu drei Rezepte pro Trank speichern, um Repetition im Spiel zu verhindern. Gehen uns die dafür verwendeten Materialien jedoch aus, heißt es entweder Sammeln oder eine andere Kombination finden.

Ich und mein Holz

Materialien zu sammeln ist verbunden mit Exkursionen in die umliegenden Gebiete, für die es Schnellreisepunkte gibt. Unser Alchemiegenie hat RPG-typisch eine Lebenspunkte- sowie eine Ausdauerleiste, welche man mit gutem Essen auch unterwegs wieder befüllen kann. Sammeln und Kämpfen verbraucht dabei Ausdauer, wobei der Verbrauch pro Sammelpunkt durch Upgrades unserer Werkzeuge reduziert werden kann. Unsere Lebenspunkte werden durch die vielen Monster bedroht, die durch die Gebiete streifen und teilweise aggressiv sind. Hat man nichts mehr zu essen, braucht es eine Mütze voll Schlaf, um sich zu regenerieren.

Um Gebiete freizuschalten und unser Haus sowie die Klinik auszubauen, bedarf es unter anderem der Rohmaterialien Holz und Stein. Diese können in den gleichen Gebieten gesammelt werden wie die Trankmaterialien. Auch wenn der Bedarf stets höher wird, hatten wir nie wirklich Momente im Spiel, in denen wir ernsthaft farmen mussten.

So „genial“ ist die deutsche Version dann doch nicht

Die längeren deutschen Sätze werden leider teilweise vom Layout verschluckt.
Die längeren deutschen Sätze werden leider teilweise vom Layout verschluckt.

Einen wirklichen Dämpfer im Spielvergnügen hat uns die deutsche Lokalisation gebracht. Über die Übersetzung des englischen Worts „Chemist“ zu „Alchemiegenie“ lässt sich noch streiten. Zumindest können wir hier hier positiv über den Versuch berichten, einen neutralen Begriff beziehungsweise Titel zu finden, damit keine binäre Geschlechtszuweisung der Spielfigur erfolgen muss.

Manchmal – wie rechts im Bild – wurden Sätze gar nicht übersetzt.
Manchmal – wie rechts im Bild – wurden Sätze gar nicht übersetzt.

Wirklich zähneknirschend wird es beim Layout. Teilweise werden die längeren deutschen Wörter einfach von Bildern verschluckt und lassen sich gar nicht richtig lesen. Zudem fehlt an manchen Stellen schlicht und einfach die deutsche Übersetzung, was in einem Mischmasch aus Deutsch und Englisch resultiert. Wenigstens lässt sich die Sprachausgabe mit wenigen Klicks über das Menü ändern. Wir haben nach wenigen Stunden auf Englisch weitergespielt.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: MassHive Media
  • Publisher: PQube Ltd.
  • Plattform: Nintendo Switch, PC (Steam), Xbox, PlayStation 4 & 5
  • Sprache: Deutsch, Englisch und viele weitere Sprachoptionen
  • Mindestanforderungen (PC): Windows 10/ MacOS Sierra 10.22, 2 GB/ 1 GB Speicherplatz
  • Genre: Lebenssimulator
  • Releasedatum: 22. September 2022
  • Spielstunden: Offenes Ende
  • Spieler*innen-Anzahl: 1
  • Altersfreigabe: 0 Jahre
  • Preis (Switch): 19,99 EUR (Digitale Version), 29.95€ EUR(Physische Version; Stand 10. Oktober 2022)
  • Bezugsquelle: Amazon, Fachhandel, MMOGA, idealo

 

Fazit

Potion Permit ist, ähnlich anderen Vertretern seines Genres, ein Spiel mit offenem Ende. Im Vergleich zu seiner Konkurrenz hat man jedoch schnell das Hauptziel erreicht und kann sich im Anschluss „nur“ noch dem Stadtleben widmen. Um an diesen Punkt zu gelangen, werden Simulations-Elemente mit klassischeren RPG-Elementen vermischt und mit einer guten Prise Gedächtnis- und Knobelspielen gewürzt. In der Theorie ein gelungenes Konzept, das jedoch gerne mit einem höheren Schwierigkeitsgrad hätte verbunden werden können. Besonders die Minispiele für die Diagnostik werden nämlich so, wie sie aufgebaut sind, schnell langweilig und dadurch nervig.

Die Bewohner*innen von Mondburg kommen zwar mit viel Charme daher, bieten aber nur bedingt Abwechslung. Das Entwicklungsstudio von Potion Permit hat aber zumindest dafür gesorgt, dass typische „Langeweile-Aufgaben“ wie das ewige Suchen von NPCs und repetitive Aufgaben auf intelligente Art und Weise umgangen werden.

Negativ ins Auge fällt die deutsche Lokalisation. Diese macht Texte teilweise unverständlich und sorgte bei uns dafür, dass wir die Sprachausgabe gewechselt haben. Solange man relativ gut Englisch versteht, ist das kein Problem – diesen Luxus haben aber vielleicht nicht alle deutschen Spielenden. Das finden wir schade.

Alles in allem lassen sich viele Spielstunden in Potion Permit stecken, die den relativ geringen Preis durchaus rechtfertigen. Besonders schön ist es, in diesem Genre einmal etwas Abwechslung von Farming-Sims zu haben. So richtig mit anderen Vertretern mithalten kann das Spiel aber nicht, dazu ist es zu beschränkt in seinen Möglichkeiten – und die groß angeteaserte Geschichte rund um Mondburg unserer Meinung nach zu enttäuschend.

Sogenannte „cozy games“ werden immer beliebter und dadurch vielfältiger. Das finden wir super. Und für wen die Alchemie nichts ist, hat ja vielleicht Lust, sich einmal Bear and Breakfast anzuschauen.

  • Gelungene Puzzlemechanik
  • Spieloptimierung durch Vermeiden von Repetition
  • Charmantes Stadtleben
 

  • Deutsche Lokalisation ist mangelhaft
  • Zu niedriger Schwierigkeitsgrad
  • Geschichte stellt nicht zufrieden

Artikelbilder: © PQube Ltd.
Layout und Satz: Kai Frederic Engelmann
Lektorat: Alexa Kasparek
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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