Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Dorfromantik begeistert als digitales Cozy-Game und hat dabei so einiges an Awards abgeräumt – dabei spielt sich die Mechanik, Hex-Plättchen zu legen, sowieso wie ein Brettspiel. Der logische Schritt in die kooperative Analog-Variante hat nicht lang auf sich warten lassen. Für wen lohnt sich das kooperative Plättchen-Legespiel mit Idyll-Charakter?

Plättchen für Plättchen eine Landschaft bauen. Spätestens Carcassonne hat dem Genre ordentlich eingeheizt und einen festen Platz in den beliebtesten Brettspiel-Mechaniken gesichert. In Zeiten, in denen immer mehr Brettspiele eine Online-Umsetzung bekommen, finden auch immer häufiger rundenbasierte Brettspiel-Elemente Einzug in digitale Spiele. So hat zum Beispiel Deck-Buildung mit Spielen wie Slay the Spire, Across the Obelisk, Monster Train und Konsorten ein neues digitales Genre definiert. Slay the Spire wiederum hat mit seiner Brettspielumsetzung im Februar 2023 auf Kickstarter immerhin fast vier Millionen Euro eingefahren.

Was liegt da näher, als andere erfolgreiche digitale Brettspiele ebenfalls auf den Tisch „zurück“ zu holen, wie beispielsweise Dorfromantik. Als Computerspiel klicken sich überall auf der Welt Leute entspannt durch den Deutschlandexport, und bauen ganz entspannt Landschaften, ganz ohne großen Zeitdruck. Die Brett-Umsetzung transportiert das gleiche Gefühl, lässt sich aber auch gemeinsam spielen.

 

Spielablauf

Das Spiel ist schnell erklärt:

In jedem Spielzug decken wir ein sechseckiges Plättchen auf und legen es an. Es darf diskutiert werden, aber die finale Entscheidung obliegt reihum der Person, die aufgedeckt hat. Auf diesen Plättchen gibt es Wälder, Felder und Dörfer, die durch entsprechendes Anlegen größer werden können, aber ebenso gut abgeschlossen werden dürfen, wenn eine Wald-Kante an eine Dorf-Kante angelegt wird.

Einzig Bahnstrecken und Flussläufe dürfen nicht hart abgeschnitten werden. Die müssen aneinandergesetzt werden oder laufen eben ins Leere.

Start-Set-Up: Immer drei Aufträge müssen ausliegen.
Start-Set-Up: Immer drei Aufträge müssen ausliegen.

Sind alle Plättchen gelegt, gibt es Punkte: Klassisch für die längste Fluss- bzw. Bahnstrecke sowie für große, abgeschlossene (wie Dörfer bei Carcassonne) Wald-, Feld oder Dorf-Flächen, in denen wir ein Fahnenplättchen inkludiert haben. Ein Teil der Plättchen jedoch kommt mit Aufträgen. Von diesen liegen immer genau drei aus, also müssen wir auch erst einmal drei Auftragsplättchen ziehen, bevor die nächste Person mit normalen weiter macht. Ist ein Auftrag erfüllt, wird dieser für die Wertung beiseitegelegt und die nächste Person zieht einen neuen.

Diese Aufträge erfüllen wir, wenn wir ein/en Wald/Feld/Dorf von genau der geforderten Größe (vier, fünf oder sechs) zusammengelegt haben. Sie sind auch das spieltreibende Element, weil wir nur neue Aufträge erhalten und damit die Chance alle zu erfüllen, wenn wir an den aktuell ausliegenden weiterarbeiten.

Das war auch eigentlich schon alles – zumindest für die erste Partie. Denn je nach Punktestand, den wir am Ende erreicht haben, dürfen wir auf unserem Kampagnenblatt Kreise ausmalen und damit sukzessive neue Spielmaterialien freischalten. Die ersten beiden der fünf Schachteln kommen dabei recht schnell ins Spiel. Ohne in Spoiler-Territorien vorzudringen, sei verraten, dass darin neue Mechaniken und weitere Aufgaben/Erfolge auf uns warten. Diese machen das Spiel nicht nur schrittweise komplexer und erhalten den Innovationsspaß, sie bringen auch mehr Gelegenheiten an noch mehr Punkte zu gelangen und damit wiederum weitere Spielinhalte freizuspielen.

Was einige verblüffen dürfte: Es gibt kein finales Spielziel, außer den eigenen Highscore zu überbieten und je nach Punktestand schneller oder langsamer alles freizuspielen. Nach wie vielen Partien letzteres geschieht, ist ganz ohne Zeit- oder Punktedruck der eigenen Spielgruppe überlassen. Es gibt keine Vergleichstabellen oder sonstige Bewertungen des eigenen Fortschritts. So können wir analog wie digital fröhlich-entspannt vor uns hinbauen.

 

Ausstattung

Das Spiel wird in Standardspielgröße angeboten mit einem recht aufgeräumten und zweckmäßigen Insert. Vor allem besteht das Spiel aus den zunächst 73 stabilen Landschafts-Plättchen aus Pappe, die bei uns selbst nach einigen Spielen keine relevanten Gebrauchsspuren aufgewiesen haben. Auch die anderen, ja noch verborgenen Materialien machen einen hochwertigen Eindruck.

Alles hat seinen Platz, auch wenn es mehr wird.
Alles hat seinen Platz, auch wenn es mehr wird.

Die achtseitige Anleitung erfüllt ihren Zweck gut und anschaulich mit vielen Bildern und Beispielen. Die bereits in der Anleitung angekündigten Erfolgskarten sind gut verständlich und die neuen Regeln auf den Landschafts-Plättchen mit guten Icons größtenteils eingängig. Einzig eine Trennung von einerseits aktuell freigespielten, aber noch nicht erledigten Erfolgen und andererseits erledigten Erfolgen, um sie als Regelhilfen bereit zu legen, fehlt. So muss sich eine Person beim Aufbau ein wenig reindenken. Aber hierzu gibt es beim Kampagnenblatt Ankreuzfelder für die Erfolge, die bei der Orientierung helfen.

Auf den ersten Blick erinnert eine Auslage vielleicht schon zwangsläufig etwas an die geistige Mutter Carcassonne, aber bei jedem Spiel haben wir noch neue, liebevolle Details entdeckt. Tiere, Menschen, Vogelscheuchen, fast überall gibt es etwas zu entdecken.

 

Die harten Fakten:Dorfromantik Box

  • Verlag: Pegasus Spiele
  • Autor*in(nen): Michael Palm, Lukas Zach
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 30-60 Minuten pro Partie in einer längeren Kampagne
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4 (5) (6)
  • Alter: 8+
  • Preis: ca. 35 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Pegasus Spiele hält die Regeln, das Wertungsblatt und das Kampagnenblatt zum Download auf ihrer Seite bereit.

Im ersten Spiel gibt es vor allem Punkte für Aufträge.
Im ersten Spiel gibt es vor allem Punkte für Aufträge.

 

Fazit

Anfängliche Befürchtungen, dass das doch sehr einfache Spielprinzip vielleicht nicht reicht, wurden bei uns schnell zerschlagen. Das Spiel nimmt Gruppen gut an die Hand und die steigende Komplexität sorgt immer wieder für spannende Momente, in denen wir zwischen sichereren und vielversprechenderen, aber risikoreicheren, Optionen wählen müssen. Das führt manchmal schon zu ein wenig Frust, aber oft genug eben zu wirklich befriedigenden gemeinsamen Erfolgserlebnissen.

Auch geübte Vielspielenden-Gruppen brauchen schon einige Runden, bis wirklich alles freigespielt ist und werden auf jeden Fall mindestens so lange Spaß haben. Und vielleicht will man dann mit einer anderen Gruppe noch mal eine neue Kampagne anfangen.

Ergebnisse links erlauben Fortschritte, rechts werden Erfolge abgetragen.
Ergebnisse links erlauben Fortschritte, rechts werden Erfolge abgetragen.

Wer sich überlegt hat, fünf oder gar sechs als Spielenden-Anzahl anzugeben, hat das Spiel vermutlich selbst nicht gespielt. Natürlich sind kooperative Spiele am Ende theoretisch mit beliebig vielen Personen spielbar. Aber wenn die Person am anderen Ende des Tisches ein Plättchen in den Händen hält, will man nicht, wenn man es endlich gesehen hat, mit fünf anderen über jede Platzierung diskutieren. Wenn man aber mit zwei bis vier Personen gemeinsam grübelt, bleiben alle am Ball. Zu dritt hat man den Vorteil, auch Mehrheitsentscheidungen zu fällen, als Alternative zur Regel, dass die aktive Person letztlich entscheidet.

Für manche löst der Titel idyllische Assoziationen aus, andere denken eher an Reminiszenzen ewig gestrigerer Kleingeistiger in politisch abgeschlagenen Landesregionen – aber der Titel selbst ist ja bereits der digitalen Mutter zu eigen. Am Ende sind Dörfer aber auch nur Teil des Spiels, in dem wir ganze Landschaften bauen. Nicht nur für eingefleischte Carcassonne-Erweiterungs-Fans, sondern auch wer beispielsweise große Freude an Rainer Knizias My City hatte, macht hier sicher nichts verkehrt.

In Summe gibt das von uns vier von fünf gemütlichen Waldeslichtungen.

 

  • Schnell erklärt
  • Motivierendes Freispielen
  • Gut für gemischte Runden (Einstieg bis Profis)
 

  • Maximal zu dritt oder viert

 

Artikelbilder: © Pegasus Spiele
Layout und Satz: Norbert Schlüter
Lektorat: Denise Hollas
Fotografien: Daniel Hoffmann
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein