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Gaming nach einem langen Arbeitstag darf auch mal entspannter ausfallen. Wir möchten einige Spiele für den Feierabend beleuchten, die euch abseits von hektischen Online-Shootern oder Sterbespiralen eines Dark Souls, den Feierabend versüßen wollen. Stattdessen wird rhythmisch gesprungen, entspannt gepflanzt und nett Briefchen geschrieben.

Als das Hobby, welches Film und Fernsehen beim Umsatz hinter sich gelassen hat, ist für zahlreiche Leute der Griff zum Smartphone oder Controller inzwischen das Mittel der Wahl, um nach einem langen Tag etwas verdienten Eskapismus zu erleben. Fernab der Alltagssorgen soll für ein paar Momente einfach nur abgeschaltet, ein paar Candys gecrushed oder eine tägliche Belohnung eingesammelt werden – bevor die Bettruhe und damit der nächste Tag ruft.

Um eine Schneise durch das Dickicht des Gaming-Dschungels zu schlagen, möchten wir euch hier fünf Kategorien vorstellen, die sich besonders gut für das erholsame Zocken am Ende des Tages eignen, jeweils mit einem Vertreter als klare Empfehlung. Da das Feld an möglichen Spielen für den Feierabend so vielfältig ist, wie jeder*jede Spieler*in, erheben wir hier natürlich nicht den Anspruch auf das finale Wort – sondern freuen uns stattdessen, als Ergänzung, auf eure Lieblingstitel für die ruhigen Abendstunden im Kommentarbereich.

„Entspannung“, was ist das überhaupt?

Hier sei noch kurz drauf eingegangen, dass die folgende Auflistung selbstverständlich nur mit einem dicken Augenzwinkern zu verstehen ist. Natürlich haben Spieler*innen völlig unterschiedliche Geschmäcker und Vorlieben, was den eigenen Feierabend tatsächlich entspannt gestalten kann. Den einen bringt das hektische Geballere eines Dooms zurück auf den Boden, andere schlagen sich auch nach einem langen Tag gerne noch durch ein Elden Ring oder versenken ihren Hirnschmalz in den Tabellen eines Eve Online.

Für die Auswahl und Vertreter der folgenden Kategorien galt grob die Idee kleinere Titel in den Fokus zu nehmen, die besonders mit kurzen Spielrunden, einladender Grafik sowie Musik und entspanntem Input von Spieler*innenseite punkten können. Einflüsse von Tower Defences, Idle-, Arcade und Puzzle-Spielen wurden hier in den Mittelpunkt gerückt. Um hoffentlich einige Kandidaten identifiziert zu haben, die es abseits der großen Gamingperlen noch nicht in eure Bibliothek geschafft hatten.

Immer noch der perfekte Zufluchtsort nach einem harten Tag – die Farmen Stardew Valleys. © Chucklefish

Vorweg: die Honorable Mentions

Keine Liste über Spiele zum Abschalten dürfte komplett sein ohne einmal den King of Cozy Gaming Stardew Valley erwähnt zu haben. Und das mit gutem Recht, war und ist Concerned Apes Meisterwerk immer noch die perfekte Mischung aus herzensguter Atmosphäre, motivierenden Gameplayschleifen und überraschender Langlebigkeit. Auch weil der Farm-Simulator über Jahre hinweg immer wieder neue Inhalte bis hin zu einem kooperativen Modus fürs gemeinsame Acker Beackern erhalten hat, ist Stardew Valley ein Brett, welches sich auch für zukünftige Feierabende nicht wird wegdenken lassen.

1. „Spielt sich fast von allein“ – Autobattler

Das vielen von uns nach einem langen Tag nicht mehr der Sinn danach steht jede einzelne Entscheidung selbst treffen zu wollen, hat sich in den letzten Jahren auch im Gaming hervorgetan. Der Aufstieg an Idle Games (man denke hier an den Wegbereiter Universal Paperclips) sowie der rasante Aufstieg von Auto-Chess Spielen wie Dota Auto Chess oder der Ableger Teamfight Tactics aus dem Universum der Riot Games dürften hierfür Zeuge sein.

Gekämpft wird von selbst, Spieler*innen sind für taktisch kluges Recruiting verantwortlich. © Ronimo Games

Spiele aus dieser Kategorie wollen es uns als Spieler*innen weg von vielen Mausklicks pro Sekunde oder der perfekten Hand-Auge-Koordination dennoch leicht machen, strategische Entscheidungen zu fällen. Dies kann an Knackpunkten der Partie geschehen, hier lockt ein Legion TD 2 beispielsweise mit einer Mischung aus Risiko und Belohnung. Etwa alle zwei Minuten steht eine Entscheidung darüber hinaus, ob ihr eurer aktuellen Verteidigung die kommende Gegnerwelle noch einmal zutraut und euer Einkommen erhöhen könnt oder ob es gleich hier und jetzt nachzubessern gilt. Ähnlich agiert auch die Swords and Soldiers HD-Reihe, versetzt das Ganze aber in eine knuddelige 2-D Side-scroll Optik. Auch das innovative Vampire Survivors soll hier kurz erwähnt sein, welches mit einer umgedrehten Bullethell für einen kleinen Eurobetrag zum Anspielen einlädt.

Klassische Spiele aus dem Genre der Tower Defences fordern hingegen kontinuierlichen Input und Anpassung der eigenen Strategie. Der große Reiz lag hier schon immer darin, die automatischen Pfade der Gegner möglichst effektiv zu blockieren und zu verlangsamen. Das Genre hat gerade im kostenlosen Sektor zahlreiche Ableger hervorgebracht, wer trotz später Abendstunden noch einen taktischen Tauchgang in die Tiefe machen will, dem sein die Titel der GemCraft-Reihe nahegelegt. Wer es optisch ansprechender möchte und Lust auf etwas beigemischte Helden und Spezialfähigkeiten hat, liegt mit den Kingdom Rush-Spielen goldrichtig!

Unser Tipp: Loop Hero

Eine Lanze brechen wollen wir hier aber für das innovative Loop Hero, welches die aufgeführten Stärken der anderen Vertreter aufgreift und selbstbewusst weiterspinnt. Euer*e Held*in dreht munter seine*ihre Runden auf einem festgelegten Pfad, Spieler*innen erhalten in Form von Kartensets Hindernisse, welche in den Weg gelegt werden wollen – vom sumpfigen Morast voller Zombies bis hin zum Dörfchen, dass von einem Vampir geplagt wird. Beim passieren eines Events liefert sich der*die Reck*in einen vollautomatischen Kampf mit dem Gesindel, erbeutet bei Erfolg Gegenstände, sammelt Erfahrung und Rohstoffe, um zwischen den Partien das eigene Dörfchen für Boni zu erweitern.

Anfangs noch nicht viel los, füllt sich die Heldenrennbahn schnell mit Gegnern. © Devolver Digital

Die Pixeloptik gibt Loop Hero ein Gefühl von einer Videospiel-Vergangenheit des „Was-hätte-sein-können“ während das Gameplay mit einer Mischung aus Deckbuilding und Roguelike-Elementen voll und ganz aus der heutigen Ära stammt und dank freischaltbaren Boni, unterschiedlichen Charakteren und einem knackigen, aber fairen Schwierigkeitsgrad, viele Sonnabende motivieren kann.

2. „Ganz ohne Zeitdruck“ – Rundenbasiertes

Wenig kann wohl entspannter sein als ein Spiel, das zwischen den Zügen auf die Entscheidung des Spielers wartet. Von den großen Rundenstrategiebrocken eines Panzer Corps oder auch den frustig-harten Gefechten eines X-Coms soll hier nicht die Rede sein. Mit genug Zeit zwischen den Zügen dürften besonders die puzzeligen Elemente eines Titels hervortreten und für einen ganz eigenen Charme sorgen. Die kleine Spieleperle Desktop Dungeons macht aus der Kellerhatz auf Monster eine Kopfnuss, welche es zu knacken gilt. Gegner blockieren feixend den Weg und müssen mit der richtigen Kombination aus Held*innen- und Itemfähigkeiten ausgeschaltet werden. Auch das fantastische Into the Breach schlägt in diese Kerbe: Mit riesigen Mechas müsst ihr gegen ebenso riesigen Arachniden ran, statt krawalligem Schlagabtausch eines Pacific Rims müssen hier aber Fähigkeiten der eigenen Einheiten genau abgestimmt und in perfekter Reihenfolge aufeinander ausgelöst werden.

Trotz simpler Optik bietet Desktop Dungeons eine erstaunliche Spieltiefe. © QCF Design

Aus dem Match-3 Genre sind die Spiele der Puzzle Quest-Reihe zu empfehlen, wer nicht längst einen eigenen präferierten Titel auf dem Smartphone zockt. Auch in Mini Metro dürfen dank Pausenfunktion in Ruhe Routen erdacht werden. Wer es etwas arcadiger mag ohne gleich in Hektik verfallen zu müssen, sollte einen Blick auf die Peggle-Spiele werfen. Ganz in Tradition des Spielhallenklassikers Breakout wollen hier Blocksteine per Murmel beseitigt werden, allerdings geht es bei Peggle dank Pause zwischen jeder Kugel, deutlich ruhiger und zielsicherer zu.

Unser Tipp: Dorfromantik

Gemütlicher und rührseliger als in Dorfromantik der hier in Deutschland ansässigen Toukana Interactive-Studios, dürfte es aktuell aber nirgendwo sonst zugehen. Wer Carcassone kennt wird sich sofort wie zu Hause fühlen, Plättchen mit Wäldern, Häusern und Flüssen wollen geschickt nebeneinander platziert werden, um eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen. Diese ist dank der Präsentation fast schon Nebensache, legt ihr doch nach und nach idyllische Landschaften zusammen, die mit der titelgebenden Landschaftsromantik die Abendstunden zu verzaubern weiß. Schnell landen Spieler*innen so in einem Groove der auch Fehlplatzierungen verzeiht und das ein oder andere Mal den perfekten Zug platzen lässt, weil das hübsche Flüsschen hier doch noch um ein paar Plättchen erweitern werden muss …

Plättchen legen, Punkte sammeln und Bötchen beim Fahren zuschauen – entspannender geht es nicht. © Toukana Interactive

3. „Alles rein positiver Stress. Wirklich!“ – Arcadiges

Wer es selbst am Ende eines langen Tages nicht ganz ohne Tempo und etwas Adrenalin aushält, muss sich nicht gleich in toxische Welten des Online-Multiplayers stürzen oder den zwanzigsten Tod gegen einen Boss der Souls-Spiele sterben. Der Hit Fall Guys schafft es Konkurrenzsituationen zu erzeugen, die Spieler*innen mit zusammengebissenen Zähnen durch den Parkour zum Etappenziel flitzen lassen, ohne, dass der Frust beim Scheitern durch die Schnelle der Partien all zu hoch ausfallen dürfte. Wer zu einem verdammt guten Soundtrack auf den Ohren mit Rhythmus im Ohr durch einen Dungeon hüpfen möchte, sollte Crypt oft he Necrodancer eine Chance geben, welches direkt einer japanischen Spielhalle entsprungen sein könnte – fehlt nur noch die Tanzmatte.

Wer noch ein paar zockerfreudige Freund*innen versammelt, dürfte in Nidhogg und Overcooked gut aufgehoben sein. Beide Titel lassen den Adrenalin- und Lautstärkespiegel zwar ordentlich nach oben schnellen, sind in ihren Partien aber kurz und knackig genug, dass Siege und Niederlagen nicht zu lange nachwirken und wunderbar als Spiele zum Smalltalk funktionieren.

Und wenn ihr schreien und schubsen müsst – der Zug darf nicht entgleisen! © Daedalic Entertainment

Unser Tipp: Unrailed

Wer es geschafft hat einige Mitspieler*innen trotz Streamingangebot und Smartphone zu versammeln, dem sei für das Trüppchen Unrailed ans Herz gelegt. Kooperativ gilt es hier einen unaufhaltsamen Zug sicher von einem Kartenende zum anderen zu befördern ohne, dass es zum Crash kommt. Das erledigt ihr indem ihr die Gleise mit eurer Spielfigur direkt vor den Zug legt, vorher müssen aber Eisen und Holz abgetragen und in einem Waggon erst zu Schienen verarbeitet werden. Selbst mit Aufgabenverteilung kommt man sich hier natürlich ständig in die Quere, was aber das große Spaßpotenzial birgt gemeinsam über einen gescheiterten Versuch zu lachen.

4. „Pflanzen und Basteln“ – Simulationen

Dieser Tage lässt sich ein langer Tag ja sehr gut mit einem Abenddrink in der Sonne ausklingen, wer ein paar Pflanzen im eigenen Blumentopf beherbergt erfreut sich dabei über sprießende Triebe und erhobene Köpfchen. Auch im Gaming haben sich einige Titel diesen Spaß am Wachstum zum Kern gemacht, in dem kostenlosen Among Ripples beispielsweise wird ein kleiner Waldteich zu einem Aquarium, wo ökologische Nischen mit Nagern und Wassergetier besetzt und die Wechselwirkungen studiert werden dürfen. Auch gemütliche Städtebauer wie ein Cities Skylines laden hier zum basteln und bewundern ein, der Klassiker Rollercoaster Tycoon verlagert den Spaß am wachsenden Gewusel in das immer noch frische Freizeitparksetting.

Das bildschirmeigene Biotop füllt sich mit nur wenigen Klicks mit Leben. © Eat Create Sleep

Unser Tipp: Reus

Wer Städtebau, Flora und Fauna dagegen in einem ganzheitlichen Ansatz spielerisch verbinden möchte, dürfte um die Göttersimulation Reus nicht herumkommen. Hier spielt ihr vier elementare Titanen, die einen brachliegenden Planeten mit Ozeanen und Sümpfen versorgen. Ein paar Jagdgründe und Obstbäume später siedeln sich schon erste Menschen an, errichten Gebäude und Tempel und begehren nach weiterem Wachstum. Spieler*innen wirken dabei immer nur passiv durch die vier Titanen auf die Welt ein, wobei „passiv“ auch einmal bedeuten kann per Erdbeben eine aufmüpfige Zivilisation wieder einzustampfen.

Die Göttertitanen können liebenswerte Helfer oder zürnende Richter sein. © Abbey Games

Denn in ihrem Wachstumsdrang belohnen euch die Siedlungen zwar mit neuen Jünger*innen und damit Fähigkeiten, beispielsweise eine Goldmine mit besonders wertvollem Erz auszustatten, werden aber auch expansiv, überfallen Nachbardörfer oder zerstören Tieransiedlungen auf dem benachbarten Hügel. Packt die wuseligen Menschen die komplette Hybris, gehen sie sogar auf eure Titanen los. So ist es eure Aufgabe zwar für Wohlstand und Prosperität auf dem Planeten zu sorgen, aber auch das Ökosystem im Gleichgewicht und den zivilisatorischen Expansionswillen im Zaum zu halten. Freischaltbare neue Fähigkeiten, sowie motivierende Nebenquests wie etwa eine legendäre Inselnation hochzuziehen halten dabei auch über zahlreiche Partien motiviert, die geerdete Präsentation und der bedachtsame Soundtrack tun ihr übriges.

5. … und zum Abschluss noch etwas ganz anderes

Als eskapistisches Hobby ist Gaming dafür gemacht, Stress und Sorgen auszublenden und uns in fremde, simplere Welten abtauchen zu lassen. Dabei ist Ablenkung vielleicht nicht immer das tatsächliche Bedürfnis, welches für einen erholsamen Abend erfüllt sein muss. Mitunter dreht sich der Kopf, trotz besiegter Bosse und gesammelter Erfahrungspunkte dennoch weiter. Auch auf solche Fragen versucht unser liebstes Hobby eigene Antworten zu finden.

Unser Tipp: Kind Words

Den Titel der Popcannibal Studios noch als „Spiel“ zu bezeichnen ist weiter gefasst, stattdessen darf Kind Words als heimelige Austauschplattform für große und kleine Sorgen, abseits der Social Media-Giganten, betrachtet werden. Zu meditativen Lo-Fi-Beats können hier kleine Briefchen an andere Teilnehmer*innen verschickt werden. Anlauf ist ein schwarzes Brett auf dem Personen ihre eigenen Sorgen niedergeschrieben haben; der anstehende Wechsel in einen neuen Job, ein Krankheitsfall in der Familie, Probleme in der Beziehung. Antworten haben dank Wortlimit die Kürze eines Tweets und natürlich könnt ihr auch eigene Themen an die Pinwand hängen.

Solch nette Nachrichten der anderen Spieler*innen kommen euch zugeflattert. © Popcannibal

Wer mit der Diskussionskultur in Reddit-Threads oder Foren bereits Bekanntschaft gemacht hat, würde jetzt erst einmal die Ohren spitzen, dass auch in Kind Words eine Menge Gift gespuckt wird. Allerdings erzeugt die Mischung aus Anonymität, die Atmosphäre und Aufmachung des Spiels, der Kaufpreis von ein paar Euro und gute Moderationstools dafür, dass das Konzept tatsächlich aufgeht, Trolle nicht vorhanden scheinen und der Austausch immer positiv, aufmunternd und empathisch bleibt.

Als Blick über den Tellerrand für Interessierte an Spielen für den Feierabend ist Kind Words ein wunderschönes Kleinod, welches das Gespräch mit Freund*innen und Familie natürlich nicht ersetzen kann und auch gar nicht will. Stattdessen findet sich hier auf Wunsch ein zusätzliches Werkzeug um in einer schnelleren Welt dennoch, genau dann, wenn man es vielleicht am dringendsten braucht, kurz in den Austausch mit der Welt da draußen zu treten. Wenn Einigeln mit Gamepad, Decke und einem guten Spiel alleine mal nicht reichen sollte.

Artikelbilder: © Chucklefish, © Ronimo Games, © Devolver Digital, © QCF Design, © Toukana Interactive, © Daedalic Entertainment, © Eat Create Sleep, © Abbey Games, © Popcannibal
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Sabrina Plote

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