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Die Tactica in Hamburg gehört in Sachen Tabletop wohl zu den wichtigsten Veranstaltungen in Deutschland. Nach Corona-Pause und einer abweichend im Oktober organisierten Veranstaltung 2022 ist die Tactica nun wieder im gewohnten Rhythmus. Wir waren für euch vor Ort und haben die Augen nach Neuheiten und alten Bekannten offengehalten.

Auf ins Getümmel.
Auf ins Getümmel.

Bei typischem Hamburger Wetter machten wir uns auf, das Bürgerhaus im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg zu betreten. Dies ist immer ein wenig wie nach Hause kommen. Der Samstag war wie gewohnt der stärker besuchte Tag, was schon mit einer langen Schlange vor der Tür begann. Wer die Tactica schon einmal besucht hat, hatte keine Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Wie üblich gelangte man von der Eingangshalle mit Sitzgelegenheiten und Versorgung des leiblichen Wohls in die darum angeordneten Räumlichkeiten. Im unteren Geschoss befand sich wie gewohnt der Flohmarkt, zur Rechten gelangte man in die Verkaufshalle, in welcher die Gänge dieses Mal etwas breiter angelegt waren. Im Rest des Gebäudes verteilten sich die ausstellenden Spielclubs.

Altes und Neues – Die Verkaufshalle

In der Verkaufshalle hatten viele Hersteller und Händler ihre Stände aufgebaut und stellten auf Demoplatten ihre Spielsysteme vor. Im Übergang zwischen der Eingangs- und der Verkaufshalle hatten Freebooter Miniatures, wie gewohnt ihr Schiff vor Anker gelegt und viele neue Modelle im Verkauf. Neben dem bekannten Freebooter’s Fate hatten sie dieses Mal aber etwas Neues an Bord.

Mit Ascending Fate wagen die Freibeuter den Schritt ins Sci-Fi-Segment. Das Spiel ist noch nicht erhältlich und konnte erstmalig probegespielt werden, sofern man einen der begrenzten Demo-Spots im Vorfeld per Mail buchen konnte. Wir hatten leider kein Glück, konnten aber zuschauen und in einer Spielpause haben wir uns das System erklären lassen:

In einer nicht allzu fernen Zukunft haben die Menschen die umliegenden Systeme besiedelt. Da dies aber eine sehr lange Reisezeit benötigte, entwickelten sich die Siedlungen unabhängig. Nach einer längeren Zeitperiode kam es auf der Erde zu einem Entwicklungsschub, was schnelleres Reisen möglich machte. Die Erd-Menschen machten sich nun daran, die alten Siedlungen wieder einzugliedern. Nicht immer freiwillig.

Die Spielmechanik hat viel von Freebooter’s Fate. Das bekannte System der Trefferzonenkarten und der Einsatz von Schicksalskarten statt Würfeln sind geblieben. Neu ist die Verwendung von Aktionspunkten für Aktivierungen. Jede Einheit erhält drei Aktivierungspunkte und kann bis zu zwei davon im aktiven Zug einsetzen. Der übriggebliebene oder auch wahlweise zwei oder alle drei können reaktiv eingesetzt werden. Es kann beispielsweise auf einen Angriff mit einem Gegenangriff reagiert werden. Neu ist auch die Verwendung von Einheiten aus drei Modellen, welche wie ein Modell gespielt werden. Diese lassen sich darüber hinaus noch mit einem Aufwertungscharakter, welcher eines der Modelle ersetzt, verstärkt werden. Die dritte Neuerung sind Charaktere, welche nicht auf dem Spielbrett sind, sondern einer Art Taktikboard, über welches jede*r Spieler*in verfügt, gespielt werden. Dies verleiht dem Team weitere Boni. 

Die Modelle lagen als 3D-gedruckte, vorläufige Exemplare vor und haben viel Ausstrahlung. Die Verkaufsversionen können sich aber noch ändern.

NeverRealm Industry hatten neben Summoners auch ihr neues Spiel Deathmatch dabei und wir konnten eine Testpartie spielen. Das System funktioniert wie ein klassischer Arena-Shooter. Zwei Teams aus Modellen mit verschiedenen Aufgabenbereichen stehen sich gegenüber und versuchen sich gegenseitig auszuschalten und/oder Punkte entsprechend der Szenarioregeln zu machen. Fallen die Lebenspunkte eines Modells auf null, bedeutet das nicht das Ende. Stattdessen respawnt das Modell entweder in der eigenen Aufstellungszone oder beim Kommandanten. Das Spiel, für welches die Beta-Regeln kostenlos im Netz zu finden sind, hat wirklich schöne Modelle und auch zusätzliche Terrain-Features wie Missionsziele, Teleporter und Power-Ups. Deathmatch macht sehr viel Spaß und wir werden euch in Zukunft noch genauer darüber berichten.

Ära des Alexander war auf der Tactica erstmalig erhältlich.
Ära des Alexander war auf der Tactica erstmalig erhältlich.

Stronghold Terrain, welche unter anderem für die deutschen Fassungen von SAGA und Dead Man’s Hand verantwortlich sind, hatten neben Demoplatten für ihre Systeme und jeder Menge schöner Miniaturen natürlich auch ihre Bücher eingepackt. Neu erhältlich war erstmalig die neue Erweiterung für SAGA, Ära des Alexander, welches Schlachten in der vorrömischen Antike ermöglicht. Hierzu wird es von uns noch einen eigenen Artikel geben.

Das vorbemalte Gelände von Micro Art Studio weiß zu überzeugen.
Das vorbemalte Gelände von Micro Art Studio weiß zu überzeugen.

Auch Micro Art Studio war wieder mit von der Partie und hatte die neuen, vorbemalten MDF-Bausätze für Infinity-Gelände mit dabei. Man erklärte uns, dass die stimmigen Designs dadurch zustande kommen, dass sie auf wirklich bemalten Modellen beruhen. Nebenan hatten Warlord Games ihren Stand aufgebaut, wo wir zwar noch keinen Blick auf das angekündigte Pike & Shotte Epic Battles im 13,5-mm-Maßstab werfen, aber trotzdem einen freundlichen Plausch halten konnten.

Bei PK-Pro haben wir das im Vorfeld angekündigt Synthetik-Haar-Pinselset mitgenommen, welches sehr nah an Kolinsky-Haar-Pinsel herankommen soll. Wir sind gespannt.

War Scenery ist ein Anbieter von Geländestücken. Diese können wahlweise als STL-Datei für den heimischen Drucker gekauft werden oder auch als fertig gedruckte Gebäude. Die Designs wissen wirklich zu überzeugen und alle Gebäude sind auch von innen gestaltet, sodass sie voll bespielbar sind. Glatte Wände im Innenraum haben ein Ende. Die Gelände-Range bietet Möglichkeiten für Star Wars, Infinity, Warhammer 40000 und andere Systeme.

Auch Conquest konnte auf mehreren Demo-Platten angespielt werden. Am interessantesten waren jedoch die vorab ausgestellten Modelle der neuen Fraktion der City States. Hier konnte deutlich gesehen werden, wie sehr sich die Qualität der Modelle verbessert hat.

Gravity Bay hatten ihr erfolgreich über Kickstarter finanziertes System Rapture dabei und dafür eine wirklich tolle Kaufhaus-Platte gebaut. Diese konnte problemlos mit den tollen Modellen Schritt halten.

Engel im Kaufhaus.
Engel im Kaufhaus.

Auch andere Medienvertreter aus der Szene waren anwesend. Bei NetherRealm Industry konnte der Brückenkopf angetroffen werden. Im Eingangsbereich konnte man mit Denis von DICED in Kontakt treten und unter anderem zwei Mini-Denis als Resinmodell kaufen. Stefan aka Steffbert, vielen wohl noch aus alten Magabotato-Zeiten bekannt, präsentierte das Denis-Spiel, bei dem man Denis helfen musste, aus einem dunklen Lagerhaus zu entkommen. Auch das neue Team von Magabotato war zugegen und bot auf einem schönen Spielfeld Demos für das kostenlose System Brawl Arcane 28 an, bei welchem sich Magier zur Volksbelustigung in einer Arena bekämpfen.

Auch Michael vom Tabletop Workshop war vor Ort und bot seinen Modular Dungeon und mehr an.

Wo sind eigentlich die Perrys?

Alan und Michael Perry von Perry Miniatures gehören eigentlich zur Tactica dazu. Jedes Jahr sitzen die beiden an ihrem Stand und modellieren live ihre tollen Modelle. Dieses Jahr suchte man sie allerdings vergeblich. Geschuldet war dies dem Streik am Hamburger Flughafen, weswegen der Flug der Brüder gecancelt wurde und eine Anreise aus England leider nicht mehr realisiert werden konnte.

Die Platten

Das Thema der Tactica lief dieses Jahr unter dem Motto Best of Tactica. Spieleclubs hatten ihre besten Showstücke aus der Vergangenheit der Tactica wieder hervorgeholt, um sie ein weiteres Mal zu präsentieren. Und erwartungsgemäß gab es hier viele atemberaubende Platten zu begutachten. Die epischen Schlachten im historischen Bereich, wie beispielsweise die Boxer-Rebellions-Platte wussten zu überzeugen. Auch der Angriff auf die Hammaburg, welcher mit zwei Systemen parallel bespielt werden konnte, machte ordentlich was her. Außerhalb der Mauern ging es mit Swordpoint zur Sache, in der Hammaburg versuchte der Burgherr zu fliehen, wofür SAGA verwendet wurde. Einen Tisch weiter konnte in einer riesigen Samurai-Burg nach den Regeln für Test of Honor gespielt werden.

 

Es gab aber auch viel Phantastisches zu begutachten. So gab es beispielsweise eine sehr bunte Platte für The Drowned Earth, welche sich sehr dreidimensional bespielen ließ. Da macht das wirklich schöne System noch viel mehr Spaß. Auch der eindrucksvolle Luftschiff-Anlegeplatz für Rangers of the Shadow Deep war sehr dreidimensional und war ein echter Augenschmaus. Auch die runde Kill-Team-Platte, auf welcher Catachaner gegen Tyraniden kämpften, steckte voller schöner Details. Der besondere Clou war, dass sich die Platte drehen ließ, so dass jede*r Spieler*in problemlos an die zu spielenden Modelle herankam.

Die Stalingrad-Platte für Dust 1947 war überragend gestaltet. Neben Häuserruinen und Wasserkanälen gab es auch ein U-Boot im Hafen. Etwas lustiger ging es beim Kampf der Häuptlinge zu. Hier wurde mit Congo-Regeln in einem berühmten gallischen Dorf gekämpft. Und auch Freunde flauschiger Fellknäule kamen auf ihre Kosten. Auf einem Szenario auf Endor konnten Ewoks imperiale Sturmtruppen vermöbeln.

Monströs wurde es dann wieder bei God of Monsters. Hier zogen riesige Unwesen in bester Godzilla-Manier durch eine Stadt und hinterließen eine Spur der Verwüstung.

Man lernt nie aus – Vorträge der Pigment Pirates

Auch die Pigment Pirates aus Hamburg hatten wieder eigene Räume, in denen man ihnen beim Bemalen von Miniaturen über die Schulter sehen und ihren Vorträgen zu verschiedenen Themen der Miniaturenbemalung lauschen konnte. Im hinteren Raum wurde aktiv gemalt und viele Miniaturen konnten in den Vitrinen begutachtet werden. Egal ob Anfänger*in oder Profi, hier konnte sich jede*r in freundlicher Atmosphäre austauschen. Auf einem viergeteilten Demotisch von den Tabletop Freibeutern konnte außerdem Grimdark Future Firefight von one page rules getestet werden.

 

Im Nebenraum fanden die Vorträge statt. Nach eine Speedpaint-Wettbewerb und einer Malaktion für Kinder stellte Alek eine schnelle Möglichkeit des Malens von Non-Metallic-Metal-Effekten vor. Dank Übertragung auf dem Beamer entgingen einem keine Details.

Aber auch über das Malen mit Ölfarben und verschiedene Möglichkeiten des Blendings konnte man sich am Samstag informieren. Am Sonntag folgten weitere Vorträge über Comicstyle-Bemalung, Showcase-Bases, Leberbemalung und Airbrushreinigung.

Alles wie immer?

Die Tactica war wie gewohnt eine gelungene Veranstaltung. Am Samstag war wieder der stärker besuchte Tag, doch durch die weiteren Gänge war es nie zu eng und man konnte sich gut bewegen. Die Aussteller haben sich erneut viel Mühe mit ihren Platten gegeben und auch die Händler hatten viele Neuheiten und attraktive Deals im Gepäck. Nach wie vor kann die Tactica jedem Menschen empfohlen werden, der sich für Tabletop, Miniaturenspiele und/oder das Bemalen von Miniaturen, sowie dem Bau von Spielplatten oder Dioramen interessiert. Wer auf das Gedränge verzichten möchte, sollte am Sonntag kommen. Dort kommt man auch schneller dazu, ein Spiel zu machen und besonders für Familien ist dies wohl der bessere Tag. Allerdings kann es sein, dass der eine oder andere Händler dann nicht mehr alles vorrätig hat.

Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Norman Jäger, Dennis Rexin

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