Geschätzte Lesezeit: 12 Minuten

Nach acht Staffeln endete das popkulturelle Massenevent Game of Thrones in einem für viele Fans enttäuschenden Finale. Der jähe Qualitätsabsturz lässt sich zum Teil auf den inkompetenten Umgang mit George R. R. Martins vielschichtigen Frauenfiguren zurückführen. Da lohnt es sich, die eigene Hassliebe noch einmal Revue passieren zu lassen.

Dieser Artikel, wie könnte es anders sein, enthält Spoiler für das Finale von Game of Thrones.

Game of Thrones, die Adaption von George R. R. Martins bislang tragisch unvollendeter Romanreihe A Song of Ice and Fire, hat über acht Jahre hinweg eine ganze Generation von Zuschauer*innen geprägt. Ob man wollte oder nicht, man konnte sich diesem Massenphänomen schwer entziehen, dem vielleicht letzten großen Serienspektakel, das auf wöchentlicher Basis geguckt werden musste – Relikt einer Zeit, bevor Streamingdienste, die inzwischen gern ganze Staffeln auf einen Schlag veröffentlichen, dem steigenden Bedarf nach Bingewatching entgegenkamen und unser Konsumverhalten dauerhaft veränderten.

Die Show schaffte es schnell aus der Genreecke ins Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit und löste so für eine Weile Harry Potter und Der Herr der Ringe als prominentestes Fantasyfranchise ab. Nun nahm das Spektakel nach einer auf sechs Episoden heruntergekürzten Staffel mit der finalen Folge The Iron Throne ein für viele Fans unbefriedigendes Ende. So unbefriedigend gar, dass inzwischen über eine Millionen Zuschauer*innen die Change.org-Petition unterzeichnet haben, in der die Macher der Serie zum Neudreh aufgefordert werden.

Wer die Serie länger verfolgt und mit den Büchern abgeglichen hat, kann von dem hastig zusammengeschriebenen Finale allerdings kaum überrascht sein. Und insbesondere als Zuschauerin, die großer Fan war und viel zu viel Zeit damit verbracht hat, die Lebens- und Leidenswege ihrer Lieblingsfiguren von Westeros bis Essos zu analysieren, muss ich gestehen: Ich bin einfach nur froh, dass es vorbei ist. Was bewegt mich zu so einem traurigen Resümee?

Cripples, Bastards, and Broken Things

Das Verhältnis der Zuschauer*innen zu der zeitgeistgerechten Saga um moralisch ambivalente und politisch komplexe Machtkämpfe wird gern als Hassliebe beschrieben – nicht nur wegen der aus anderen HBO-Serien wie Deadwood oder True Blood bekannten und für den Mainstream ungewöhnlich drastischen Gewaltszenen, sondern vor allem dank Martins hervorragend konzipierter Plotentwürfe, deren vermeintliche Unberechenbarkeit die Serie bereicherte.

Gängige, tief im westlichen kulturellen Gedächtnis verankerte Vorstellungen von strahlenden Helden und prophezeiten Erlösern werden gnadenlos entzaubert und mit einer beängstigend chaotischen Wirklichkeit kontrastiert, in der Figuren sich stets als Opfer ihrer Umstände erweisen, sodass von Shakespeare bis Dostojewski kein Name zu groß schien, um für Vergleiche herangezogen zu werden. In gewisser Hinsicht waren die ersten Staffeln Game of Thrones für die Fantasy das, was Filme wie Clint Eastwoods Unforgiven (1992, Deutsch: Erbarmungslos) für den Western waren: Ein Abgesang, das demonstrative Erwachsenwerden eines sonst oft als kindisch belächelten Genres.

Doch wo Eastwood und Drehbuchautor David Webb Peoples – bekannt für 12 Monkeys und Blade Runner – den Anti-Western im Kugelhagel an sich selbst scheiternder toxischer Männlichkeit enden lassen, sah es für lange Zeit so aus, als böten David Benioff und D. B. Weiss mit ihrem TV-Drama eine wirkliche Alternative: Martins Figuren sind nämlich keine edlen Recken, sondern, um es mit einem Folgentitel der ersten Staffel zu sagen, „Cripples, Bastards, and Broken Things“, die auf unterschiedliche Weise versuchen, in einer Gesellschaft zu überleben, die ihnen keine Chancen einräumt.

Der Titel bezieht sich natürlich auf die drei Außenseiter Brandon Stark, Jon Snow und Tyrion Lannister, die gegen ihren Willen in die Machtspiele ihrer Verwandten hineingezogen werden, und verstellt so bezeichnenderweise direkt den Blick auf das, was gerade weibliche Fans an Game of Thrones anspricht: die vielfältigen und extrem unterschiedlichen Frauenfiguren, die in jedem auf Realismus ausgerichteten mittelalterlichen Fantasynarrativ von Anfang an verloren haben. Ebenso wie ihre männlichen Pendants sind sie Machtgier, Rachedurst oder einfach nur Heimweh ausgesetzt, haben dabei aber noch weniger Handlungsoptionen und sind stets der Willkür ihres männlichen Umfelds ausgeliefert. Martin, das kann man nicht anders sagen, schreibt diese Figuren mit Bravour.

Opfer ihrer Umstände: Cersei Lannister zwischen inzestuöser Weinkönigin und Lady Macbeth
Opfer ihrer Umstände: Cersei Lannister zwischen inzestuöser Weinkönigin und Lady Macbeth

A Song of Ice and Fire erfüllt eine Sehnsucht nach komplexen Frauenfiguren in der Phantastik, von der manche vielleicht gar nicht wussten, dass sie überhaupt besteht, und auch die Serie lieferte in dieser Hinsicht über viele Staffeln hinweg ab. Die einzelnen Figuren sind dabei für sich genommen gar nicht so entscheidend. Das als Junge verkleidete Mädchen, das lieber ein Schwert als die Nähnadel führt, die intrigante Königin, die besorgte Mutter, die magische Prinzessin aus der Prophezeiung, all das sind Frauen, die die Fantasy seit jeher bevölkern.

Aber Martin versammelt sie in einer Geschichte, ohne sie dabei auf ihr Geschlecht zu reduzieren, und das in einem Genre, das selten mehr drei Frauen mit Sprechrollen duldet. Die Besetzung der Serie tat ihr übriges. Lena Headey machte aus Cersei Lannister, einer der komplexesten und auch abgründigsten Figuren der Romane, eine Ikone des verantwortungslosen Weinkonsums. Maisie Williams und Sophie Turner wuchsen gewissermaßen vor laufender Kamera in ihre Rollen hinein.

Von Gwendolyn Christies Brienne of Tarth über Diana Riggs herrlich resolute Olenna Tyrell bis hin zu Rose Leslies Ygritte gab es weit mehr weibliche Identifikationsfiguren, als man von seinen mainstreamtauglichen Medien gewohnt war. Ist es da ein Wunder, dass gerade Zuschauerinnen ihr Herz schon früh an die Serie hängten?

The Night is Dark and Full of Rape Scenes

Von all dem begriffen die Macher der Serie aber wenig. Dieser blinde Fleck fiel nicht so stark auf, solange sich die Handlung an der Romanvorlage orientierte, doch es gab durchaus erste Hinweise. Die allgegenwärtige Übersexualisierung, mit der Grimdark Fantasy allgemein kokettiert und die auch Martin gezielt einsetzt, wird in der Adaption auf eine neue Ebene gehoben.

Namenlose nackte Frauen, die allen realistischen Ansprüchen zum Trotz oft schlank, rasiert und normschön an moderne Vorstellungen angepasst bleiben, gehörten von Anfang an zur Requisite. Wie Filmkritikerin Caroline Siede bereits 2015 in einem ausführlichen Artikel erläuterte, hat dies auch wenig mit realistischer Darstellung zu tun, sondern ist eiskalte Kalkulation des Studios.

Die drei verbleibenden Stark-Sprösslinge sehen dem Staffelfinale auch eher skeptisch entgegen
Die drei verbleibenden Stark-Sprösslinge sehen dem Staffelfinale auch eher skeptisch entgegen

Deutlich schlimmer als die permanente Objektifizierung ist die Angewohnheit der Autoren, sexuelle Gewalt nicht nur als allgegenwärtige Bedrohung, sondern als konkrete Figurenmotivation zu nutzen. Nicht nur wurden im Verlauf der Serie, anders als in den Büchern, gleich drei der weiblichen Hauptfiguren vergewaltigt, die letzte Staffel legte diese Gewalterfahrung ausdrücklich als etwas aus, das zur Charakterbildung beiträgt.

Wer empört aufschreit, wenn Sansa Stark während einer Szene, auf die Fans lange gewartet haben und deren schlecht geschriebener Dialog sich dann leider anfühlt, als werde man bei lebendigem Leibe gehäutet, ihre vergangenen Missbrauchserfahrungen als Grund für ihre neuentdeckte Stärke darstellt, hat vermutlich die ersten Folgen erfolgreich verdrängt. Dort wird Protagonistin Daenerys Targaryen von ihrem Bruder verkauft und muss nach einer unfreiwilligen Hochzeitsnacht lernen, sexuell Gefallen an ihrem Gatten zu finden. Der Lernprozess, den eigenen Vergewaltiger zu lieben, wird aber nie als Stockholm-Syndrom inszeniert, sondern stellt den ersten Schritt ihrer Selbstfindung dar, die sie schließlich zur mächtigsten Frau der Serie machen soll.

Dass dieses ebenso uninspirierte wie schädliche Klischee die Figur von der ersten Staffel an begleitet und uns nun in der letzten Staffel noch einmal wiederbegegnet, macht das Abschiednehmen von der Serie geradezu unverschämt leicht, ist es doch Ausdruck eines generellen Missverhältnisses zwischen Adaption und Romanvorlage. Martin, der seinen Figuren bekanntlich einiges an Torturen zumutet, achtet bei expliziten Sexszenen nämlich durchaus auf Einvernehmlichkeit und nimmt sexuelle Gewalt als traumatische Erfahrung mit schlimmen psychischen Folgen ernst.

Wer sich als Frau in den Figuren der Serie wiederfinden will, muss hingegen immer ein wenig auf der Hut sein und darauf achten, sich nicht zu sehr mit ihnen zu identifizieren. Dieses latente Gefühl wurde vielen erst bewusst, als sich die Serie von der stützräderhaften Romanhandlung löste und Benioff und Weiss zunehmend auf sich gestellt waren. Spätestens Sansas Vergewaltigung, die zwar narrativ wenig Sinn ergibt, aber einer Staffel, die ansonsten wenig Schockmomente hatte, sehr gelegen kam, rief den Zuschauerinnen durch ihre ambivalente Inszenierung – offensichtliche Identifikationsfigur ist Theon als hilfloser Zuschauer, nicht etwa Sansa selbst – in Erinnerung, dass sie nie als primäre Zielgruppe gedacht waren.

Ein weißer Mythos

Andere wussten das von Anfang an. Game of Thrones prägte nämlich schon früh eine Ikonik des Rassismus, der in den Büchern zwar angelegt ist, aber erst in Bildsprache überführt werden muss, um richtig zum Tragen zu kommen. Neben der auffälligen Unterrepräsentation nicht-weißer Charaktere manifestiert sich dieses Problem in einer einzigen Figur und ihrer von rassistischen Kleinstmomenten durchsetzten Plotline: Daenerys Targaryen, die weiße Frau, die den wilden und exotischen Reiterkönig zähmt.

Die weiße Frau, die die dunkelhäutigen Sklaven befreit und von ihnen angebetet wird. Die weiße Frau, deren gesamtes nicht-weißes Umfeld sich um sie dreht, sie bedient, ja sogar für sie stirbt, ohne auch nur ansatzweise so viel Aufmerksamkeit zu bekommen wie sie.

Martins Plan für die Bücher mag gewesen sein, mit Daenerys ein weiteres klassisches Narrativ zu durchbrechen und sie an ihrem White Saviour Complex scheitern zu lassen; der Serie ist dies jedenfalls nicht gelungen. Doch selbst wenn: Die visuelle Darstellung zeigt nie eine junge Frau auf dem Holzweg, sondern setzt eine weiße Eroberin in Szene, mit Bildern, die vor kolonialistischen Phantasien triefen. Der Fehler ist so alt wie die Show selbst. Um acht Staffeln rassistischer Bildsprache zu vermeiden, hätte man Daenerys von Anfang an nicht als weiße Frau casten dürfen.

Daenerys Targaryen, Sprengerin der Ketten und Königin rassistischer Bildsprache
Daenerys Targaryen, Sprengerin der Ketten und Königin rassistischer Bildsprache

Auch in dieser Hinsicht ist die letzte Staffel weniger eine herbe Enttäuschung als eine konsequente Fortsetzung des bisherigen Kurses. Mit den Dothraki und den Unsullied werden die beiden Armeen nicht-weißer Krieger bereits früh verpulvert, ohne dass man noch einen von ihnen mit Namen kennt. Missandei muss als einzige verbleibende schwarze Frau für Daenerys stümperhaft nachgereichten Storybogen ihr Leben lassen.

Grey Worm wird als eigenständige politische Partei nicht einmal in Betracht gezogen und tritt lediglich als Bittsteller vor die Herrschenden der sieben Königreiche, nachdem er im Kampf um King’s Landing noch einmal das Klischee von der unbarmherzigen barbarischen Bedrohung aufleben lassen darf. Daenerys’ gesamte Charakterentwicklung in Essos bleibt weitgehend folgenlos, und so haben wir viele Staffeln lang umsonst einen Mythos von weißer Überlegenheit verfolgt, der bis zuletzt nicht kritisiert wird und mitunter geradezu peinlich anzusehen ist.

Das Lied von Inkompetenz und Königinnen

Bei all dieser berechtigten Kritik musste man sich doch gelegentlich selbst fragen, weshalb man die Serie eigentlich noch weiterschaut. Die Antworten darauf dürften von „Ich wollte Teil des Massenphänomens sein“ bis hin zu „Ich hab doch nicht die Stammbäume von sieben Großfamilien auswendig gelernt und schleppe dieses Wissen für immer mit mir rum, um jetzt auszusteigen, nur weil Benioff und Weiss auf billige Schockeffekte statt Substanz setzen“ reichen und sind alle absolut valide.

So hält selbst die letzte, völlig verunglückte Staffel noch einige besondere Momente bereit, wenn etwa Brienne of Tarth zur Ritterin geschlagen wird oder der Norden nach allen politischen Unruhen tatsächlich ein eigenständiges König- oder viel mehr Königinnenreich bleibt.

Doch das, was Game of Thrones ursprünglich groß gemacht hat, ist endgültig verflogen. Wie die Bücher zeigen die frühen Staffeln psychologisch determinierte Figuren, die keine andere Wahl haben als ihrer Persönlichkeit gemäß zu handeln, in einer Welt, die völlig unberechenbar ist. Kleine Zufälle wie eine plötzliche Infektion können ebenso ins Verderben führen wie das Aufeinandertreffen inkompatibler Charaktere. Ned Stark ist seiner Ehrenhaftigkeit ebenso ausgeliefert wie Joffrey seinem von dysfunktionalen Eltern vorgelebten Geltungsdrang.

Über all dem hängt der Zeitgeist wie eine Wolke krächzender Aaskrähen, denn während sich sieben Königreiche in politischen Machtkämpfen ergehen, wächst im Norden bereits die eigentliche Gefahr, welche Arm und Reich, Fürsten und Bauern gleichermaßen bedroht. So brachte Martins elaboriertes Setting bereits vor Jahren eben jene Frustration auf den Punkt, die sich aktuell in der Fridays-for-FutureBewegung manifestiert.

Ab der fünften Staffel verkehrt sich diese Erzählweise in ihr Gegenteil. Aus dem Motto „Valar morghulis“ – alle Menschen müssen sterben – wird zunehmend „Valar dohaeris“ – alle Menschen müssen dienen, und zwar dem vom Studio auf Biegen und Brechen festgelegten Plot. Das mag zum Teil der Tatsache geschuldet sein, dass die bis dahin konstant angestiegenen Einschaltquoten 2014 erstmals stagnierten und die Macher sich langsam entscheiden mussten, auf welches Ende sie mit den Figuren hinarbeiten.

Martins Rückzug aus der Produktion tat ihr übriges, und so wird aus einer chaotischen Welt zunehmend eine sehr zielstrebige Handlung, die Figuren ungeachtet ihres persönlichen Hintergrunds (und in geradezu humoristischer Missachtung aller geographischen Entfernungen) an den Orten versammelt, wo die Autoren sie gerade brauchen, um den Sack möglichst schnell zuzubinden. Lose Fäden nehmen Benioff und Weiss dabei gnadenlos in Kauf. – lebe wohl, Daario Naharis. Und an dieser Stelle auch einen herzlichen Gruß an Meera Reed, die über Jahre hinweg den zukünftigen König durch die Wildnis geschleift hat, ohne in der letzten Staffel auch nur vorkommen zu dürfen.

Besonders tragisch untergräbt Staffel acht die eigene Botschaft bezüglich sinnloser Machtkämpfe im Angesicht einer allumfassenden Bedrohung: Der Night King und seine Eiszombies werden bereits in der dritten Folge ohne größere Verluste seitens der Menschen ausgelöscht, damit sich das Finale ganz auf die Schlacht der zwei verbleibenden Königinnen von Westeros konzentrieren kann.

Vor so viel plumper Metaphorik wendet Jon Snow entsetzt den Blick ab.
Vor so viel plumper Metaphorik wendet Jon Snow entsetzt den Blick ab.

Spätestens hier holt die Serie ein, was Zuschauerinnen schon immer bemängelt haben. Wer eine emotional bedeutsame Schlacht zwischen Königinnen inszenieren will, muss den Kontrahentinnen eine glaubwürdige Motivation auf den Weg geben. Das geht aber nur, wenn sie komplexe Persönlichkeiten sind. Benioff und Weiss aber, die ihre Figuren seit Jahren immer weiter vereinfachen, reduzieren Cersei auf ihre Mutterrolle und gestehen Daenerys letztlich überhaupt kein Innenleben mehr zu, da dieses längst in deren Liebhaber/Neffen/untertänigen Diener Jon Snow ausgelagert wurde.

Das spiegelt sich auch darin, dass weder Cersei noch Daenerys sonderlich viele Dialoge haben (generell durften Frauen in der Staffel nur 22 % aller Dialogzeilen sprechen) und es zwischen ihnen, die sich aus dramaturgischer Perspektive als die beiden wichtigsten Figuren der Serie erweisen, zu keiner Begegnung kommt. Die absolute Hilflosigkeit des Autorenduos gegenüber Frauenfiguren macht aus dem Kampf der Königinnen letztlich die Geschichte der tragischen Liebe zweier Männer, die sich für ihre machtbesessenen Geliebten opfern müssen.

Das ist auch jenseits aller feministischen Kritik plump, uninteressant und in jeder Hinsicht absolut enttäuschend. Dass der letzte Drache der Welt in der letzten Folge der Serie aus einem plötzlichen Bewusstsein für plakative Metaphorik heraus den eisernen Thron in großkotzigen Bildern einfach wegschmilzt, nur damit in der nächsten Szene dann doch wieder ein neuer König ernannt wird, ist genau das eindimensionale Ende, das wir als Zuschauer*innen verdienen.

Lebe wohl, Game of Thrones, Du hättest so viel mehr sein können. Aber wir werden Dich nicht vermissen.

Artikelbilder: © HBO

28 Kommentare

  1. Spoiler obviously:

    „Um acht Staffeln rassistischer Bildsprache zu vermeiden, hätte man Daenerys von Anfang an nicht als weiße Frau casten dürfen.“

    Gucken wir mal wie Daenerys in den Büchern beschrieben wird.

    -> „A young woman in her early teens, Daenerys has the classical Valyrian look; She has violet eyes, pale skin, and long, pale silver-gold hair.“

    Umgekehrte Diskriminierung als Lösung für rassistische Bildsprache? Dunno. Ich glaube das Geschrei wäre auch groß, wenn die böse schwarze Frau auf ihrem Drachen die armen Zivilisten in King’s Landing töten lassen hätte bzw. getötet hätte.

    Ich verstehe die Punkte, die der Artikel grundlegend ansprechen möchte, halte sie aber für fraglich. Viele der genannten Aspekte basieren auf der Art wie die letzte(n) Staffel(n) geschrieben wurden und ziehen damit die ganze Serie über einen Kamm. Ich halte das persönlich für recht oberflächlich. Die Autorin merkt ja sogar selbst an, dass dies in den Büchern besser repräsentiert wird. Viele innere Monologe und Gedanken kann man nun mal nicht in einer Serie unterbringen und dann fehlen wichtige Informationen, zu denen man als Publikum normalerweise Zugang haben sollte.

    In der momentanen Form erinnert mich der Artikel eher an den reißerischen bento-Artikel von vor 2 Wochen: https://www.bento.de/politik/wie-game-of-thrones-seine-frauenfiguren-ruiniert-a-0f4eb28d-0c39-4dc1-8f69-b6dedb177a54

    • Sehe ich anders. Erstens einmal wäre recht unproblematisch, einer nicht-weißen Person helles Haar und helle Augen zu geben. Mit den Büchern ließe sich das sogar ganz gut vereinbaren, denn die Targaryens sind ein Adelsgeschlecht aus Valyria, das nicht in Westeros sondern in Essos liegt.

      Es ist aber auch keine umgekehrte Diskriminierung, in einer Serie, die fast nur weiße Figuren hat und viele schwarze Nebenfiguren aus den Büchern gezielt weglässt, für ein bisschen mehr Ausgleich zu sorgen. Es war ja z.B. auch kein umgekehrter Sexismus, als Battlestar Galactica damals Katee Sackhoff gecastet hat. :)

      Und wie alle Adaptionen setzt es sich die Serie zum Ziel, nicht Begleitprogramm zu den Büchern, sondern eigenständiges Medium zu sein. Das bedeutet, sie muss die Hintergrundinformationen irgendwie vermitteln. Dazu gehört eben auch, bewusste Änderungen vorzunehmen, wenn sich etwas schwer übertragen lässt. In den ersten Staffeln gelang ihr das ganz gut.

    • Was ich an den ganzen Diskussionen sowieso nicht verstehe. Warum ist es immer eine Schwarz/Weiß Diskussion. Ich meine das ist etwas, das sich in Amerika vielleicht anbietet. Aber ich finde erstaunlich wenige, die über einen Mangel an asiatischen Charakteren sprechen. Denn wenn wir ehrlich von Repräsentation spreche, ist es doch doof, wenn über 50% der Weltbevölkerung aus geklammert werden. Daenerys als Chinesin(oder ähnliches) zu Casten wäre vermutlich sogar von der Beschreibung die ideale Auflösung gewesen. So eine Michelle Yeoh(alters angepasst) würde als Herrscherin bestimmt eindruck auf der Leinwand machen :)

    • Die umgekehrte Diskriminierung liegt in der Aussage, dass man Daenerys nicht als Weiße hätte casten dürfen. Battlestar Galactica basiert auch nicht auf dem mittelalterlichen England bzw. Europa. Man kann gerne thematisch kritisieren, dass Daenerys weiß ist und Sklaven befreit, aber das hat nichts mit der Inszenierung der Serie zu tun. Die Targaryens sind schlichtweg keine POC. Was passiert dann mit Jon Snow? Wäre er dann der einzig „Schwarze“ im Norden? Und würde das nicht schon das Ende spoilern?

      Über die Punkte mit schwarzen Nebendarstellern, die weggelassen wurde, stimme ich dir ja auch zu. Aber manche Punkte im Artikel sind einfach weit hergeholt.

      Und man muss wirklich bedenken, dass die Reihe (trotz Fantasy) auf vielen Aspekten der Geschichte beruht. Und da gibt es nun einmal viel Diskriminierung etc.
      Berühmte Werke wie „Othello“ von Shakespeare basieren auch auf Rassismus und zeigen diesen zeitgenössisch auf. Man muss Diskriminierung nicht aus einem Medium entfernen, um sie zu kritisieren.

      Dass die beiden „Helden-Regisseure“ die ganzen letzten Staffeln verwurstet haben steht dabei gar nicht zur Debatte. Ich glaube nur der Kern der Debatte ist nicht der richtige.

    • Es gibt auch deutliche Abstufungen bei POC. Arabisches Aussehen zum Beispiel – da wäre Kit Harrington eventuell gar nicht so schlecht gecastet gewesen, hätte man das durchziehen wollen. Bisschen dunkleren Hautton und das hätte gepasst.

      Valyrier als asiatische Charaktere zu interpretieren, wäre aber auch interessant gewesen.

    • Die Schwierigkeit ist eher, dass die Bewohner Essos in den Büchern alle möglichen Hautfarben haben; also ist der Punkt insofern: man hätte entweder Daenerys auch dunkelhäutig machen müssen, oder man hätte die Sklaven, gerade in der Szene, nicht dunkelhäutig machen sollen.
      Besonders ärgerlich, da man Elric, die Vorlage für Valyria, durchaus als ein antikolonialistisches Werk verstehen kann.

    • Rick Davids Klar..und mehrere hundert Komparsen nach Marroko einfliegen lassen, damit das Gerechtigkeitsgefühl einiger Leute befriedigt ist ………………..und sich die nächsten darüber beschweren, dass man den armen Marrokanern die Jobs nicht gönnt und das irgendwie auch whitewashing ist…Bla.. und warum man hätte Daenerys hätte dunkelhäutig machen MÜSSEN, erschliesst sich mir nicht?…Warum ist Valyria ein antikolonialistisches Werk?

  2. Ein anderer, spannender Kritik-Ansatz bezieht sich darauf, dass die Martin seine Figuren immer im Kontext der Welt (und ihrer Soziologie) betrachtet, im Gegensatz zu der meisten anderen Fantasy, die eher vom individualistisch-psychologischen Ansatz rangeht.

    In den Staffeln ohne Buchvorlage sind Benioff und Weiss auf diesen zweiten, ausgelutschten Ansatz zurückverfallen – was man durchaus auf Unfähigkeit, die Einzigartigkeit von Martins Werk zu begreifen, zurückführen kann.

    Fand ich sehr spannend zu lesen:

    https://blogs.scientificamerican.com/observations/the-real-reason-fans-hate-the-last-season-of-game-of-thrones/?redirect=1

  3. Also ich bin der Meinung die Serie ganz gut. Es gab höhen und tiefen. Und jeder konnte raus ziehen was er wollte, oder einfach die Serie nicht gucken. Hat alles gepasst. Jetzt ist sie vorbei. Wer sich beschwert, soll am besten selbst was bessere schreiben :)
    Manchmal hab ich das Gefühl, Menschen sind viel zu sehr in das involviert, was ihnen vorgesetzt wird, statt einfach ihre eigene Fantasie spielen zu lassen. :)
    Aber das ist eben meine Meinung.

  4. Angefangen zu lesen, abgebrochen… man kann auch echt Kram mit Gewalt irgendwo reininterpretieren wollen.
    Ich bin geneigt ganz plump des Artikel in meine ‚feministische Kackscheiße‘ Ablage zu packen.
    Feminismus ist wichtig, das hier ist toxisch!

  5. Das Problem des Schreibenden (meinetwegen auch des Schaffenden ganz allgemein): Mann schickt sich an, seine Werke zu interpretieren. Dabei geht es in der Mehrzahl einfach nur darum, eine Geschichte erzählen zu wollen.

    • Chris H. Wege Der Imperator beschützt..die weisse Ripley führt ihren PoC Kapitän vor…der A-Sexuelle Androide ist ein Bösewicht und seine sexuelle Identiät wird nicht berücksichtigt und das Alien ist schwarz…. Hey, aber dafür bekommen wir solche Top-Chars wie Rey…

  6. Ein pointierter Artikel, der viele Probleme der Serie aufzeigt. Die Einzigartigkeit der Bücher verkümmert (vor allem, aber nicht nur) in den letzten zwei Staffeln zu einer mittelmäßigen Fantasyserie. Meiner Meinung nach haben sich Benioff und Weiss einfach so schnell wie möglich auf Star Wars konzentrieren wollen und daher nicht mehr so viel in GoT investiert, wie sie es hätten tun sollen. Zudem haben sie in trauriger Weise die Grenzen ihrer Fähigkeit, Drehbücher ohne konkrete Buchvorlage zu schreiben, gezeigt.

    Die kritischen (und teils polemischen oder wenig durchdachten) Kommentare hier finde ich oft schwer nachvollziehbar. Natürlich ist eine Serie, die eine Weiße als gefeierte Befreierin von nicht-weißen Sklaven zeigt, wenigstens auch latent rassistisch. Und natürlich ist es total anstrengend und nervig, sich damit zu befassen, das finde ich auch. Ich verstehe sogar sehr gut das Bedürfnis, dass einfach mit einer Polemik und einem Lachsmiley wegzuwischen – allein, es ändert nichts an den Bildern der Serie und damit den Tatsachen. Mal abgesehen davon ist der Artikel klar als Meinung und nicht als unumstößliche Tatsache gekennzeichnet und darf damit natürlich auch zuspitzen und provokativ sein und auch kontroverse Meinungen postulieren.

  7. Spannende Idee einen Nachruf aus feministischer Sicht zu schreiben, wenn man bedenkt, welche Bedeutung weibliche Charaktere, insbesondere am Ende der Serie, in GoT haben. In der der Erlösercharakter absichtlich offen im Geschlecht ist.
    Leider ist der Artikel durchsetzt von Voreingenommenheit, was unter dem Deckmantel des Feminismus leider zu oft auftaucht und so auch hier. Man fragt sich stellenweise, ob die Autorin ihren eigenen Artikel mal gelesen hat.
    „Namenlose nackte Frauen, die allen realistischen Ansprüchen zum Trotz oft schlank, rasiert und normschön an moderne Vorstellungen angepasst bleiben, gehörten von Anfang an zur Requisite. Wie Filmkritikerin Caroline Siede bereits 2015 in einem ausführlichen Artikel erläuterte, hat dies auch wenig mit realistischer Darstellung zu tun, sondern ist eiskalte Kalkulation des Studios.“
    Natürlich ist das Kalkulation. Hübsche Männer etwa nicht? Wenn Frauen schmachtend Jon Snow ansehen? GoT ist nun einmal keine heile Welt und wieso sollte es dann nur Zuschauer ansprechen, die „heil“ sind? Ist es nicht vielmehr sinnvoll und nötig alle mit einzubeziehen, gerade weil die Darstellung weiblicher Rollen nicht stereotyp ist? Mir ist auch nicht klar, warum sich angebliche Feministinnen darüber aufregen, wenn Frauen nackt als „Prop“ verwendet werden (Männer durchaus auch). Dürfen das die betroffenen Akteure nicht selbst entscheiden? Wieso meint die Autorin und Caroline Siede es besser zu wissen, was richtig für sie ist, als die Schauspielerinnen, die die Rollen gespielt haben. Das ist schon sehr unfeministisch. Wenn man den Betroffenen ihre Eigenverantwortung für ihre Darstellung abspricht, erst dann objektifiziert man sie.
    „…die letzte Staffel legte diese Gewalterfahrung ausdrücklich als etwas aus, das zur Charakterbildung beiträgt.
    Wer empört aufschreit, wenn Sansa Stark während einer Szene, auf die Fans lange gewartet haben und deren schlecht geschriebener Dialog sich dann leider anfühlt, als werde man bei lebendigem Leibe gehäutet“
    Als jemand, der selbst durch Gewalt traumatisiert wurde, finde ich es anmaßend zu behaupten, dass solche Gewalt, egal welcher Natur, nicht zur Charakterbildung beitragen soll. Wieso möchte die Autorin Sansa gerne als hilfloses Opfer sehen, das unter ihrer Erfahrung leidet, anstatt jemanden, der daraus Schlüsse gezogen und sein Handeln angepasst hat. Dessen Charakter durch diese Erfahrung geprägt wurde. Wieso sollte gerade sexuelle Gewalt den Charakter nicht beeinflussen? Wieso sollte man dem nichts Positives abgewinnen können und so letztlich dem Gewaltausübenden geradezu einmal mehr erfolgreich strotzen und die Opferrolle hinter sich lassen und das eigene Leben kontrollieren? Die Forderung der Empörten, dies wäre nicht angemessen, kann ich nicht nachvollziehen. Der Satz hat auch nicht gesagt, dass man, um stark zu werden, vergewaltigt werden muss, sondern nur, dass ihre vorgesehene Rolle – die der Prinzessin/ Königin, die Kinder für den König bekommt – und damit Erziehung durch die Gewalt in ihrem Leben verändert wurde. Sie wurde statt der Prinzessin und Gebärmaschine zu jemanden, der Verantwortung für sich übernimmt und für andere.
    Die Herausforderungen, denen wir im Leben begegnen, prägen uns nun einmal. Jemand der ständig mit schwerer körperlicher Arbeit konfrontiert ist, wird sicherlich muskulöser sein als jemand, der nur im Büro sitzt. Kann man das auch ohne diese Arbeit? Klar. Man kann in die Mukibude gehen. Aber Sansa war ja mit ihrer Rolle mehr als zufrieden zu Beginn.
    Aus der Rolle der Ehefrau für Joffrey, auf die sie sich gefreut hatte, wurde sie durch das Intrigenspiel verschiedener Menschen gerissen und sie hat mitgespielt und am Ende sogar gewonnen. Das hat sie geprägt und das ist ein Fakt. Wir wachsen mit Herausforderungen. Andere Herausforderungen hätten Sansa anders wachsen lassen, aber natürlich hat die Gewalt sie geprägt.
    „Dass dieses ebenso uninspirierte wie schädliche Klischee die Figur von der ersten Staffel an begleitet und uns nun in der letzten Staffel noch einmal wiederbegegnet, macht das Abschiednehmen von der Serie geradezu unverschämt leicht, ist es doch Ausdruck eines generellen Missverhältnisses zwischen Adaption und Romanvorlage. Martin, der seinen Figuren bekanntlich einiges an Torturen zumutet, achtet bei expliziten Sexszenen nämlich durchaus auf Einvernehmlichkeit und nimmt sexuelle Gewalt als traumatische Erfahrung mit schlimmen psychischen Folgen ernst.“
    Der Absatz macht irgendwie keinen Sinn. Wo genau ist der Sex zwischen Dany und Drogon in den Büchern einvernehmlich? Wieso wird das in der Serie anders dargestellt? Im Buch ist Dany 13 Jahre alt, als Drogon mit ihr Sex hat. Gibt sie ihm „ihr Einverständnis“? Ja. Die Frage aber ist, kann ein Kind das überhaupt? Zumindest unseren Gesetzen zufolge nicht. Es ist nicht so, dass wir in den Büchern eine Liebesszene erleben, habe ich jedenfalls nicht so empfunden. In der Serie fehlt das Einverständnis. Aber in meinen Augen macht das keine Veränderung, denn die Schauspielerin ist älter und erwachsen. Die Situation ist daher dadurch eigentlich besser wiedergeben, wenn sie kein Einverständnis gibt, denn formal kann ein Kind – egal, was es sagt – das auch nicht.
    „Der Lernprozess, den eigenen Vergewaltiger zu lieben, wird aber nie als Stockholm-Syndrom inszeniert, sondern stellt den ersten Schritt ihrer Selbstfindung dar, die sie schließlich zur mächtigsten Frau der Serie machen soll.“
    Tatsächlich kann man die Situation aber auch völlig anders interpretieren und die Darstellung als Stockholm-Syndrom ist schlichtweg falsch. Dieses beruht nämlich darauf, dass das Opfer Verantwortung abgibt und dadurch in eine Abhängigkeit gerät, die sich als Zuneigung ausdrückt. Das ist aber das genaue Gegenteil von dem, was wir bei Dany sehen. Sie übernimmt mehr und mehr Verantwortung für sich selbst und kann deswegen auch nach Drogons Tod ihr Handeln bestimmen. Schaut man sich Danys Hang zu Gewalt (schon lange vor King’s Landing) an, dann könnte dies durchaus mit den von der Autorin angesprochenen „schlimmen psychischen Folgen“ zusammenhängen. In jedem Fall ist dieses Handeln nicht der Serie eigen, sondern erscheint auch in den Büchern.
    Mir ist auch nicht klar, woher dieses Verlangen nach Stereotypen kommt. Wieso kann man nicht Opfer einer Gewalttat sein, aber trotzdem selbstbestimmt handelnd? Das Beste aus der Situation machen. Gerade was nach Drogons Tod passiert, passt jedenfalls nicht zur These des Stockholm-Syndroms und nicht jedes Opfer vergleichbarer Taten entwickelt ein Stockholmsyndrom. Drogons Rolle als Täter wird auch dadurch abgemildert, dass er aus einer Gesellschaft kommt in der nichts von dem, was er tut als verbrecherisch gesehen wird.
    Das Klischee des White Saviour Complex ist im weiteren Verlauf des Texts ähnlich falsch bemüht wie das Stockholm-Syndrom. Der White Saviour bezieht sich in der Regel auf Täter, die ebenfalls Weiße sind. Tatsächlich ist der White Saviour dann als Interpret zwischen Leser und Täter durchaus hilfreich. Er zeigt dadurch auf, dass das übliche Handeln, z.B. die Unterdrückung von Schwarzen durch Weiße, keineswegs die einzige Handlungsoption ist. Wenn dadurch eine Handlungsunfähigkeit aufgrund der Eigenschaften der Opfer suggeriert wird (und nicht z.B. ihrer Lebenssituation), mag das Klischee fraglich erscheinen, es entbehr aber nicht grundsätzlich einer Glaubhaftigkeit. Dies ist insbesondere so, da es reale Beispiele gibt, in denen z.B. befreite Sklaven mit ihrer geschenkten Freiheit gar nichts anfangen konnten (Selbstbestimmung als Ausdruck von Freiheit muss man nämlich lernen).
    „Die visuelle Darstellung zeigt nie eine junge Frau auf dem Holzweg, sondern setzt eine weiße Eroberin in Szene, mit Bildern, die vor kolonialistischen Phantasien triefen. Der Fehler ist so alt wie die Show selbst.“
    Die visuelle Darstellung zeigt nie eine junge Frau auf dem Holzweg? Ich kann mich an diverse Gewaltdarstellung durch die junge Frau erinnern, die sie sehr wohl sehr fragwürdig darstellt. Seien es „gekreuzigte“ oder „verbrannte“ Opfer ihres Zorns und einen eklatanten Hang zu Rachsucht vs. Praktikabilität und Moral. In jedem Fall hat sie ihre eigene Vorstellung von richtig oder falsch stets in den Vordergrund gestellt und hat mehr als einmal fragwürdig gehandelt.
    „Um acht Staffeln rassistischer Bildsprache zu vermeiden, hätte man Daenerys von Anfang an nicht als weiße Frau casten dürfen.“
    Als was dann? Als schwarze Barbarin, die in den Westen kommt, um dort alles niederzubrennen? Als asiatische Eroberin, die Menschen kreuzigen lässt? Gerade mit Blick auf die in ihr immer inhärente Gewalthaftigkeit wäre es schon sehr rassistisch gewesen sie nicht weiß zu machen. Nicht zuletzt mit Blick darauf, dass das Motiv von Dany eigentlich geradezu post-kolonial ist. Genau wie in der realen Welt der Westen sich ständig überall einmischt und dadurch keineswegs Lagen beruhigt, dies aber vorgibt, so ist es ja bei ihr auch. Und eines ist ganz klar: Es liegt ihr nichts an der angeblichen Befreiung, denn dabei handelt es sich eindeutig nur um eine vorgelogene Entschuldigung. Dies erkennt man daran, dass sie ihre befreiten „Kinder“ in Essos zurücklässt, um endlich den Thron in Westeros zu besteigen und zuletzt daran, wie sie in King’s Landing verfährt. Die Zerstörung von King’s Landing ist die perfekte Synthese ihrer vorherigen Charakterzüge und betont einmal mehr, dass sie eben kein „white saviour“ ist. Sondern einfach nur ein „White Besserwisserin und Mörderin“.
    „Mit den Dothraki und den Unsullied werden die beiden Armeen nicht-weißer Krieger bereits früh verpulvert, ohne dass man noch einen von ihnen mit Namen kennt“
    Na, ja, zumindest Grey Worm kennt man noch, oder? Und wieso verpulvert? Bis zuletzt spielen sie eine Rolle, insbesondere Grey Worm.
    „Grey Worm wird als eigenständige politische Partei nicht einmal in Betracht gezogen und tritt lediglich als Bittsteller vor die Herrschenden der sieben Königreiche“
    Wieso nicht in Betracht gezogen? Er diktiert, dass John nicht freigelassen werden darf und das obwohl die Unsullied anschließend Westeros verlassen. Er ist alles andere als ein Bittsteller, er setzt konsequent Danys Unbarmherzigkeit fort – als Soldat, der seine vermeintlich einzige Chance auf Glück verloren hat, ist das kaum verwunderlich.
    „seit Jahren immer weiter vereinfachen, reduzieren Cersei auf ihre Mutterrolle und gestehen Daenerys letztlich überhaupt kein Innenleben mehr zu, da dieses längst in deren Liebhaber/Neffen/untertänigen Diener Jon Snow ausgelagert wurde“
    Wo wird Cerseis Mutterrolle ausgespielt? Ihre Motivation als Mutter hatte doch nichts mehr mit Staffel 8 zu tun. Welche Mutter betrinkt sich ständig mit Wein, während sie schwanger ist? Daenerys hat kein Innenleben mehr? Sie zeigt sich als geltungsbedürftige Königin, die ihrem Bruder weit ähnlich war, als sie es zugeben würde. Sie wollte geliebt werden und als sie das nicht bekam (sich ganz ähnlich wie Viserys in Staffel 1 äußernd) wenigstens gefürchtet. Im Gegensatz zu Jon, der einfach nur mit ihre wegwollte, konnte sie den Thron nicht sein lassen.
    „Das spiegelt sich auch darin, dass weder Cersei noch Daenerys sonderlich viele Dialoge haben (generell durften Frauen in der Staffel nur 22 % aller Dialogzeilen sprechen) und es zwischen ihnen, die sich aus dramaturgischer Perspektive als die beiden wichtigsten Figuren der Serie erweisen, zu keiner Begegnung kommt.“
    Wieso sollten sie sich klischeehaft begegnen? Es gibt zwischen ihnen keinerlei persönliche Motivation, außer, dass sie beide Königin sein wollen. Eine Begegnung macht gar keinen Sinn im Kontext von GoT, wo die Motivation eben intrinsisch ist. Daenerys rächt sich für ein Unrecht, was sie nie erlebt hat und stellt sich die gesamte Serie über als Opfer an die Seite von anderen Opfern, dabei ist sie längst Täterin geworden und Cersei hat einfach jedweden Lebensinhalt verloren außer Rache. Deswegen nimmt sie es auch in Kauf, dass King’s Landing zerstört wird. Bei der Dialogbewertung unterschlägt die Autorin gleichwohl, dass die einzigen Führungsfiguren in Staffel 8 Frauen sind, Sansa, Cersei und Daenerys.
    „Die absolute Hilflosigkeit des Autorenduos gegenüber Frauenfiguren macht aus dem Kampf der Königinnen letztlich die Geschichte der tragischen Liebe zweier Männer, die sich für ihre machtbesessenen Geliebten opfern müssen“
    Jaime hat sich nicht für Cersei geopfert, sondern für sich selbst. Er wollte bei Cersei sterben als woanders zu leben. Und Jon hat genauso gehandelt wie sein Vater. In jedem Fall ist die Bewertung als „machtbesessene Geliebte“ schon sehr einseitig und zeigt bei weitem nicht die Entwicklung die sowohl Cersei als auch Daeny gemacht haben. Es ging um viel mehr als das. Es ging vor allem um Sinnlosigkeit des Krieges.
    „Dass der letzte Drache der Welt in der letzten Folge der Serie aus einem plötzlichen Bewusstsein für plakative Metaphorik heraus den eisernen Thron in großkotzigen Bildern einfach wegschmilzt, nur damit in der nächsten Szene dann doch wieder ein neuer König ernannt wird,“
    Welche plakative Methaphorik? Er hat den Grund für den Tod seiner „Mutter“ zerstört – das Objekt, dass Daeny so besessen gemacht hat, dass sie sich selbst vergessen hat und ihre einstigen Absichten, was letztlich zu ihrem Tod geführt hat.
    Die Interpretation der Autorin ist voller Widersprüche in die sie sich verstrickt, damit ihre Interpretation ins narrativ der frauenfeindlichen Serienschreiber passt. Fachbegriffe und Worte werden ohne Kenntnis ihrer eigentlichen Bedeutung verwendet und damit landet man nun einmal selten richtig. Auch wenn GoT sicherlich kein Kampfwerk für Feminismus ist, verwirklicht es an vielen Stellen, trotz der Einschränkung durch historische Vorlagen, gekonnt ein hohes Maß an Gleichstellung.
    Die 8. Staffel hat sicherlich auch ihre Schwächen, aber es ist schon bemerkenswert, dass die Hauptfiguren der Handlungsstränge allesamt Frauen sind, die Männer anführen und das sogar im Krieg. Das hätte man zumindest mal erwähnen können.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein