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Conan als König? Diese für den Cimmerier ungewöhnlich erscheinende Berufung liefert überraschenderweise eine der stimmungsvollsten Interpretationen der von Robert E. Howard geschaffenen Figur. Wir haben uns angeschaut, wie der als Barbar verschriene Kämpfer in Die scharlachrote Zitadelle uralte Herrschaftsregeln in Frage stellt.

Die Abenteuer des Cimmeriers Conan wurden von Robert E. Howard ursprünglich in zwanzig Novellen und einem Roman erzählt. Die in Deutschland beim Splitter Verlag erscheinende Reihe greift diese auf, wobei für jeden Titel ein anderes Team verantwortlich ist. Die scharlachrote Zitadelle ist hierbei der fünfte vom Verlag veröffentlichte Text von Howard zu seinem heute weltberühmten Barbaren.

Im Vergleich zu den bisher erschienen Bänden entspricht Die scharlachrote Zitadelle mehr klassischer, mittelalterlicher Epik. Es geht um Könige, Armeen und große Schlachten: ein Motiv, das zuvor nur in der Graphic Novel von Natohk, der Zauberer so explizit aufgegriffen wurde. Doch blickt man tiefer, geht es um viel mehr. Es wird die grundlegende Frage gestellt, was den Herrschaftsanspruch einer einzelnen Person ausmacht. Ist es eine hunderte von Jahren nachvollziehbare Erbfolge? Oder ein aus harter Arbeit und Klugheit geschaffenes Recht? Kenner des Cimmeriers werden die Antwort auf diese Frage bereits wissen!

Handlung & Charaktere

Ein sichtlich gealterter Conan ist König von Aquilonien. Dies erreichte er laut eigener Aussage mit Faust und Schwert in der Hand: Auf dem Weg zum Thron hat er nicht nur fremdes Blut vergossen, sondern auch sein eigenes. Seiner Ansicht nach ist seine Herrschaft geprägt durch ein Brechen alter Machtgefüge, die den Großteil des Volkes unterdrückt und kleingehalten haben.

Das erregt nicht nur bei der alten Elite von Aquilonien Unmut, sondern auch bei den Nachbarreichen. Ein barbarischer Emporkömmling als Muster einer funktionierenden Herrschaft – unvorstellbar! Somit setzen sie eine Verschwörung in Gange, um Conan zur Abdankung zu zwingen. Doch mit seiner Entführung in die scharlachrote Zitadelle haben sie einen gewaltigen Fehler begangen. Denn nun ist Conan über ihre Pläne informiert und entschlossener denn je, sein erkämpftes Recht zu verteidigen.

Die scharlachrote Zitadelle kombiniert machtpolitische Spiele auf großer und kleiner Ebene, daher mangelt es der Geschichte nicht an Intrigen und Schlachten um die Herrschaft von Aquilonien. Doch gleichzeitig kommt Conans individueller Kampf um Freiheit und seinen Herrschaftsanspruch nicht zu kurz. Seine ganze Philosophie ist es, dass er sein eigenes Schicksal in der Hand hat, und deswegen ist klar, dass er sich bei der Verteidigung seines Reiches nicht nur auf seine Soldaten und Verbündeten verlässt. Vielmehr bringt er seine gesamte Entschlossenheit und Stärke auf, um dem Gefängnis zu entfliehen und seinen Feinden persönlich das Herz aus der Brust zu reißen.

Dadurch ist diese Geschichte trotz ihres epischen Ausmaßes nach wie vor eine typische Conan-Erzählung. Tatsächlich wage ich zu behaupten, dass Conans Lebenseinstellung von keiner Graphic Novel mit Ausnahme von Jenseits des schwarzen Flusses bisher so gut widergespiegelt wurde. Die Originalerzählung leidet jedoch unter den einfallslosen Gegenspielern und einer vorhersehbaren Handlung – dem gegenüber steht die nahezu perfekte Einbindung der zentralen Persönlichkeitszüge von Conan mit dem epischen Hintergrund eines mittelalterlichen Krieges. Im Gesamtbild ist Die scharlachrote Zitadelle deswegen eine runde Erzählung.

Zeichnungen & Kolorierung

Zeichner Ètienne Le Roux liefert eine visuelle Umsetzung mit gewohnt hoher franko-belgischer Qualität. Seien es die Emotionen einzelner Charaktere oder Schlachtenszenen: Beides versteht er geschickt in Szene zu setzen. Besonders glänzen kann er bei der Darstellung verschiedener Wesenheiten und magischer Elemente. Diese liefern optische Höhepunkte in einer ansonsten beinahe historisch angehauchten Graphic Novel.

Auffallend ist die wenig farbenfrohe Kolorierung, besonders im Vergleich zu den vorangegangenen Bänden. Der Eindruck einer realistischen Graphic Novel wird dadurch verstärkt. Gleichzeitig hat das jedoch zur Folge, dass Die scharlachrote Zitadelle optisch weniger ansprechend ist als beispielsweise Ymirs Tochter oder Die Königin der schwarzen Küste.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Splitter
  • Autoren: Robert E. Howard, Luc Brunschwig
  • Zeichner: Ètienne Le Roux
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 64
  • Preis: 16,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Die scharlachrote Zitadelle erzählt eine Geschichte aus Conans Leben als König und greift zeitgleich die zentralsten Aspekte des Cimmeriers auf. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied und muss in einer erbarmungslosen Welt stets um sein Wohl kämpfen. Eingebettet in ein episches Setting mit geschichtlichem Flair und durch hochwertige Zeichnungen umgesetzt, hätte diese Graphic Novel die Bestnote erlangen können.

Dem stehen jedoch die Schwächen der inspirierenden Kurzgeschichte von Schöpfer Robert E. Howard im Weg, denn schlussendlich leidet Die scharlachrote Zitadelle unter einer sehr vorhersehbaren Handlung und einfarbigen Gegenspielern. Aufgrund der starken Darstellung des weltbekannten Barbaren erhält dieser fünfte Band der Splitter-Reihe um Conan dennoch eine Leseempfehlung.

Artikelbilder: © Splitter
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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