Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Beliebte Superhelden bleiben nie lange tot. Als Wolverine vor vier Jahren das Zeitliche segnete, drangen gleich mehrere Helden als sein Ersatz in die Comics. Doch nachdem hartnäckige Fans niemals aufgaben, seine Rückkehr zu fordern, ist der wahre James Howlett wieder zurück im Marvel-Universum. Wir sagen, ob das wenigstens spannend ist.

Es ist gerade einmal vier Jahre her, als Wolverine in zwei Heften einen sehr empfehlenswerten Abschluss bekam. Alles, was man über die Figur erzählen konnte, war erzählt. Er hatte die Schatten seiner Vergangenheit gelüftet, hatte mit seinen Qualen abgeschlossen, die Mutantenschule geleitet und sogar eine Nachfolgerin ausgebildet. Mit X-23 und Old Man Logan sind auch direkt zwei erfolgreiche Nachfolgeserien gestartet über Figuren, die noch erzählerisches Potenzial haben. Doch keiner von ihnen hat die Hardcore-Fans überzeugt. Sie wollen die Figur, und zwar am besten gleich so, wie sie ihn aus den 80ern und 90ern kannten. Selbst wenn der Charakter einfach so zurückgeholt worden wäre, hätte er sich inzwischen zu sehr verändert. Also hat man sich nun für seine Rückkehr eine Möglichkeit überlegt, wie Logan wieder Teil der Welt werden kann. Dies aber als der biertrinkende Kampfzwerg, den wir alle kennen- und lieben gelernt haben. Doch war das wirklich eine gute Idee?

Handlung

Wolverine war tot. Doch seine Leiche ist verschwunden. In der Jagd nach Wolverine haben wir bereits erfahren, dass eine mysteriöse Organisation mit dem Namen Soteira dahinter steckt. Nun taucht James Howlett in einer geheimnisvollen Einrichtung dieser Organisation mit blutverschmierten Händen wieder auf. Seine Krallen glühen, und er weiß nicht mehr, wer er ist. In diesem Comic muss er erfahren, was mit ihm passiert ist, wer Soteira ist und was sie vorhaben. Dabei öffnet er immer mehr verschlossene Teile seiner Persönlichkeit, um wieder ganz er selbst zu werden.

Der Kniff mit dem verlorenen Gedächtnis ist klassisch, funktioniert aber soweit ganz gut. Letztendlich steht er vor einer ähnlichen Situation wie damals bei Weapon X. Jemand hat etwas mit ihm angestellt, und nun ist er sauer. Da Soteira natürlich andere Ziele hat als Weapon X, steht man als Leser wieder vor einem Geheimnis, das gelüftet werden muss. Letztendlich hat man aber das Gefühl, diese Geschichte schon gelesen zu haben.

Charaktere

Der Wolverine in diesem Band ist wieder ganz der alte. Er ist gleichzeitig ein Held, ein brutaler Mörder und eine nicht zu kontrollierende Waffe. Diese Kombination, mit seinem nüchternen Zynismus, hat ihn damals zu Marvels beliebtester Figur gemacht, die in jeder Serie einen Gastauftritt haben musste. Dadurch, dass Teile seiner Persönlichkeit verborgen sind, ist es möglich, nur die Figur wiederzuerwecken, die sich die Fans gewünscht haben. Das ist einerseits verständlich, aber auch in gewisser Weise enttäuschend. Denn so wird hier ein großer Teil der letzten 30 Jahre ignoriert. Dass sein Innerstes als Gefängnis inszeniert wird, in dem man ihn in den verschiedensten Kostümen und Zeiten sehen kann, kann als Verbeugung vor seiner langjährigen Historie gesehen werden. Es erinnert aber irgendwie auch an den Hulk, in dessen Comics Wolverine ja seinen ersten Auftritt hatte. Hier wird damit gespielt, dass ein Teil seiner Persönlichkeit ein wahres Monster ist, das nicht entfesselt werden sollte. Es ist fraglich, ob hiermit wirklich etwas Neues erzählt werden kann oder einfach nur Altbekanntes wiederholt wird.

Die anderen Charaktere haben in diesem Band wenig Bedeutung. Einzig Ana, eine Frau, die ihn nach seiner Flucht findet und ihm ein paar Fragen beantworten kann, wird konkreter charakterisiert. Sie fungiert als Plot-Device, aber auch als geheimnisvolle Fremde, hinter der mehr zu stecken scheint als es anfangs den Anschein macht. Die X-Men kommen genauso vor wie Wolverines Sohn Daken, ohne aber einen großen Einfluss auf die Handlung zu haben.

Zeichenstil

Das erste und das letzte Kapitel sind von Steve McNiven gezeichnet, der auch schon für Old Man Logan und den Tod von Wolverine verantwortlich war. Er gehört ganz klar zu den besten Zeichnern, die für Marvel arbeiten. Sein klarer Strich schafft es, dass man in jede Szene direkt eintauchen kann. Die Gesichter sind vielsagend. Der realistische Touch kommt von der Tusche von Jay Leisten, der immer mit starken Kontrasten arbeitet. Die mittleren drei Kapitel sind komplett von Declan Shalvey illustriert. Er liefert eine passable Leistung ab, kommt aber nicht an den Stil von McNiven heran. Die Bilder sind nichtssagend und schaffen es nicht immer, die nötigen Emotionen zu transportieren. Dazu ist seine Kolorierung weniger kontrastreich und einfarbiger. Es wirkt langweilig und austauschbar. Auch wenn beide Stile gut miteinander harmonieren, wäre es schöner gewesen, wenn sie den ganzen Band McNiven anvertraut hätten. Man kann nur vermuten, dass es hier Vertragsschwierigkeiten gab.

Erscheinungsbild

Wie für Panini-Paperbacks üblich, ist das Buch mit einem halbwegs festen Einband versehen, der zwar keinen Sturz aushält, aber sich dennoch wertig anfühlt. Das Titelbild von Steve McNiven gibt den bekannten Wolverine wunderbar wieder, und der Buchrücken passt gut zu anderen aktuellen Marvel-Publikationen. Der Preis entspricht dem inzwischen leider üblichen Wert. Doch das sind Comicleser schon gewohnt, und es fällt daher nicht besonders ins Gewicht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor: Charles Soule
  • Zeichner: Declan Shalvey, Steve McNiven
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 140
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, Panini-Comics

 

Fazit

Was soll man zu einem Band sagen, den man sich niemals gewünscht hätte? Wäre es nach mir gegangen, wäre Wolverine tot geblieben und Old Man Logan wäre weiter ausgebaut worden. Nun haben wir aber wieder die Figur, die ein so wichtiger Teil der Popkultur geworden ist, dass sie jeder kennt. Sie haben es geschafft, eine Geschichte zu schreiben, die sich stimmig anfühlt und die gewünschte Wirkung erzielt. Das Geheimnis um die mysteriöse Organisation Soteira ist spannend erzählt. Doch irgendwie fühlt sich das Gesamtpaket unrund an. Das liegt zum einen daran, dass der Mittelteil nur von Declan Shalvey statt Steve McNiven illustriert ist. Zum anderen daran, dass sich die ganze Geschichte anfühlt, als ob man sie schon kennen würde. Altbekannte Muster werden wiederholt. Nichts an diesem Band ist wirklich originell. Marvel betont immer wieder, dass ein Charakter nur stirbt und zurückgeholt wird, wenn dabei ein Mehrwert entsteht. Dieser Comic ist zwar nicht schlecht, doch er fühlt sich so an, als ob die Rückkehr der beliebten Figur um jeden Preis erzwungen werden muss.

 

 

Artikelbild: Panini Comics, Bearbeitet von Verena Bach,
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein