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Kunterbunte Kopfnuss: Wir brechen als künstliche Intelligenz (KI) des spielnamensgebenden Kolonie-Raumschiffs Black Angel zu einer neuen Heimatwelt für die Menschheit auf. Klingt simpel, doch die Weltraum-Expedition verlangt einiges an Denkarbeit. Wir verraten euch, wieviel Potenzial Black Angel zu bieten hat.           

Es war einer der Hype-Titel der Spielemesse 2019, sicherlich nicht zuletzt wegen der hervorstechenden farblichen Gestaltung. Grelles Türkis geht in schrilles Pink über, ein buntes Universum, durch das unser schwarzer Engel fliegt.

Die Story ist dabei nicht weltbewegend neu. Ähnlich wie im erzählorientierten Spiel Gen7 schaukeln wir in einer intergalaktischen Arche durch den Weltraum: Die Ressourcen der Erde sind erschöpft und der Planet ist unbewohnbar. So wird das riesige Kolonieschiff Black Angel ins Leben gerufen und soll menschliches Erbgut zum bewohnbaren Zielplaneten Spes transportieren – was mehrere tausend Jahre dauern wird! Die Besatzung, die das Schiff steuert, besteht daher nicht aus Menschen, sondern aus Robotern. Unterteilt in mehrere künstliche Intelligenzen der ursprünglichen Erdennationen, teilen sie sich die Steuerung der Black Angel.

Jeder Mitspieler übernimmt hierbei die Rolle einer dieser künstlichen Intelligenzen, mit dem Ziel, die zielführendsten Entscheidungen von allen zu treffen und auf Spes die führende KI zu sein, die die Menschheit zu neuem Leben erweckt.

Doch es muss mehr getan werden, als nur den richtigen Kurs aufrechtzuerhalten: Missionen müssen erfüllt, Beziehungen zu hilfreichen, wohlgesonnenen Alienvölkern gepflegt werden. Und ganz nebenbei will uns die aggressive Kriegerspezies der Verwüster das Leben schwer machen, so dass die Black Angel gelegentlich auch zur Aufrechterhaltung aller Systeme repariert werden muss. Man muss seine Aufgaben besonders gut erledigen, um die KI aller KIs zu werden!

Spielablauf

Spielmechanisch ist die Story des Ausgangssettings eher wenig relevant. Um den Sieg zu erringen, muss man schlicht die meisten Siegpunkte sammeln. Dies funktioniert hauptsächlich über zwei Wege: Das Erfüllen von Missionen im Weltraum und das Sammeln von Technologien auf dem eigenen Spielertableau.

Black Angel ist ein Worker-Placement-Spiel. Unsere Arbeiter sind in diesem Fall Roboter, die geschickt eingesetzt werden müssen, und zwar sowohl auf der Black Angel selbst, deren Steuerungskonsole den flächenmäßig größten Spielbereich darstellt, den sich alle Mitspieler teilen, als auch im Weltraum, durch den die Black Angel sich bewegt. Übrigens sehr nett gemacht: Die aufrecht stehende Miniatur des Schiffes steht stets auf dem mittleren von mehreren Weltraumspiel-Planteilen und rückt an bestimmten Punkten im Spiel weiter nach vorne. Dabei wird ein auf diese Art und Weise zu weit vom Schiff entferntes Weltraumteil von hinten wieder zurück nach vorne gelegt, damit die Black Angel wieder mittig steht. Auf diese Weise entsteht auch spielmechanisch der Eindruck von Bewegung durch den Raum. Eine ähnliche Methode, die auch schon bei Asmodees Solenia verwendet wurde.

Neben diesen beiden Spielbereichen hat jeder Mitspieler ein eigenes Spieltableau, auf dem er seine verfügbaren Ressourcen (Schrott und Diamanten) sowie Technologieplättchen aufbewahrt. Man kann erahnen: Man sollte viel Platz zur Verfügung haben, um Black Angel spielen zu können.

Jeder Spieler startet mit vier verschiedenfarbigen Auftragskarten auf der Hand sowie einem Start-Ensemble an Technologien, Robotern und Ressourcen als Basis für die ersten Züge. Diese gilt es weiter auszubauen. Die Technologien sind hierbei ein wesentlicher Bestandteil der Spielmechanik, nicht nur relevant für das Erringen von Siegpunkten, sondern auch, um die Handlungsfähigkeit während des eigenen Zugs zu erhöhen.

Eine Beispielmission im Weltraum

Neben den Robotern verfügt man außerdem über Würfel in drei verschiedenen Farben, gelb, grau und grün, die insgesamt eine große Rolle im Spiel spielen. Diesen sind entsprechend auch drei Farben der Arbeitsbereiche auf der Steuerungskonsole des Schiffs sowie den Auftragskarten zugeordnet, aber dazu später mehr. Die Würfel haben jeweils nur vier Werte, einen Stern (steht für den Wert 0) und dann 1, 2 und 3 Augen. Dies ist vor allem relevant dafür, wie oft man eine Aktion durchführen darf.

Bei Missionen symbolisieren die Farben die drei Alienvölker Melurianer, Xhavits und Tsoths, die friedlich gesonnen sind und mit denen man zu seinem Vorteil interagieren kann. Weniger friedlich gesonnen sind die Verwüster, in Form von zufällig aufgedeckten und auf der Steuerungskonsole der Black Angel ausgelegten feuerroten Karten, die Spielstationen beschädigen und einen so behindern können. Auf der Kartenhand jedoch helfen die roten Verwüsterkarten ganz enorm beim eigenen Spielfortschritt.

Außerdem wird Black Angel semikooperativ gespielt. Das bedeutet, dass wir den erwähnten gemeinsamen Feind, die Verwüster, alle zusammen im Auge behalten sollen. Zuviel Schaden und zu viele Verwüsterkarten sollten sich nicht an Bord ansammeln, da dies alle Spieler behindert. Auch kann und muss man an bestimmten Stellen mit Mitspielern interagieren, wenngleich jeder seine eigenen Ziele verfolgt. Jedoch ist es nicht möglich, das Spiel in diesem kooperativen Sinne gemeinsam zu verlieren, da nach Siegpunkten ausgewertet wird.

Eine Beispielmission im Weltraum

Allein dieses kurze Umreißen des Grundprinzips hört sich nach viel an. Wie konkret spielt man es? Eine Partie besteht aus mehreren Runden, in denen die Spieler nacheinander an der Reihe sind. Es gibt zwei unterschiedliche Zugsequenzen, aus denen der Spieler an der Reihe eine auswählt und drei Punkte nacheinander durchführt. Hauptsächlich ist das Zugsequenz A, jedoch muss man spätestens, wenn man nicht mehr in der Lage ist, Sequenz A durchzuführen, die B-Variante wählen.

Eine Spielhilfe für die Zugsequenzen

Zugsequenz A:

Man muss

  • mit einer Handkarte eine Reihe des Technologierasters auf dem eigenen Spieltableau aktivieren.
  • mit einem Würfel eine Aktion auf der Black Angel oder im Weltraum durchführen.
  • eine Karte der Farbe nachziehen und auf die Hand nehmen, die der Farbe des im vorigen Schritt benutzten Würfels entspricht.

Zugsequenz B:

Man muss

  • alle verfügbaren Würfel neu würfeln.
  • das eigene Spieltableau zurücksetzen, also entsprechende Karten und Schrottmarker entfernen.
  • die Black Angel ein Spielplanteil weiter bewegen und das hinterste Spielplanteil ganz an den Anfang versetzen

Während des Spiels verdiente Siegpunkte werden auf eine Leiste am Spielbrettrand gesetzt. Die Spieler sind so lange an der Reihe, bis die Black Angel den Zielplaneten Spes erreicht hat oder keine Verwüsterkarten mehr nachgezogen werden können. Am Spielende erfolgt die Schlusswertung, bei der es für Technologien, Ressourcen und Aufträge noch einmal Siegpunkte gibt.

Aktionen werden mit den farbigen Würfeln durchgeführt, können jedoch unterschiedlich sein und fächern sich in mehrere Einzelschritte auf.

In aller Kürze:

  • Gelb: Es wird eine neue Technologie für das eigene Spielertableau erworben.
  • Grau: Es werden einer oder mehrere Schadensmarker von der Steuerungskonsole entfernt und in den eigenen Vorrat gelegt.
  • Grün: Es werden eine oder mehrere Verwüsterkarten von der Steuerungskonsole entfernt und auf die eigene Hand genommen.

Außerdem kann man die Aktionen im Weltraum, welche die bemannten Schiffe für Missionen im Umfeld der Black Angel kontrollieren, mit einem Würfel beliebiger Farbe durchführen. Auch wenn es ziemlich bunt in Black Angel zugeht, hängen die Farben doch sinnvoll miteinander zusammen, zumindest bei den Würfeln und Missionskarten. Wenn man etwa eine gelbe Würfelaktion durchgeführt hat, darf man nur eine Missionskarte der entsprechenden Farbe im Weltraum platzieren und die so gefärbte Karte am Ende seines Zugs nachziehen.

Das Spieltableau gegen Spielende

Das Spielerlebnis von Black Angel versetzt uns von einem Dilemma ins nächste. Dies ist nicht untypisch für Worker-Placement-Spiele, und dieses macht keine Ausnahme. Setzt man seine gelbe Auftragskarte für die Aktivierung des Spielertableaus ein oder möchte man den Auftrag lieber demnächst in den Weltraum legen, um die Fähigkeiten zu nutzen?

Und nicht zuletzt muss man auch ständig im Auge behalten, was der Gegner als Nächstes tut. Außerdem gibt es unzählige Wechselwirkungen und Möglichkeiten, so dass man keine Sekunde unkonzentriert sein darf, um nicht eine davon zu übersehen. Allerdings stellt sich nach einigen Partien hierbei Routine ein. Ebenfalls worker-placement-typisch kommt das Spiel erst langsam in Fahrt. Spielt es sich am Anfang zäh, kann man am Schluss bei geschicktem Taktieren Kettenreaktionen nutzen.

Das umfangreiche Spiel braucht jedoch seine Zeit, weswegen es auf vier Spieler begrenzt ist. Bei mehr Spielern würde zu viel Zeit vergehen, bis man wieder an der Reihe ist. Auch wenn es sich sowohl mit zwei als auch mit vier Spielern solide spielt, sind drei Spieler für ein gutes Maß an Interaktion und Spieldauer zu empfehlen. Beim Spielaufbau wird die unterschiedliche Spielerzahl mit einer Anpassung der Kartenmenge oder Spielplanteile berücksichtigt. Black Angel bringt auch eine Solospielerkampagne mit, in der man gegen eine fiktive gegnerische KI namens Hal (eine nette Anspielung!) antritt.

Wiederspielbarkeit ist bei Black Angel nicht nur gegeben, sondern ein Muss, um das volle Potenzial auszuschöpfen. Das Spielerlebnis wird erst richtig gut, wenn man den Bogen raus hat. Es macht erst Laune, Strategien auszutüfteln, sobald man das Prinzip vollkommen verinnerlicht hat. Definitiv also kein No-Brainer-Spiel für eine übermüdete Spielrunde.

Ausstattung

Der Inhalt von Black Angel lässt sich sehen. Nicht nur das bereits erwähnte, äußerst farbenfrohe Cover ist ein Blickfang, auch der weitere Spielumfang ist sehr schön gestaltet. Die Materialqualität ist durchgehend solide. Das betrifft nicht nur das Zubehör an sich, sondern auch Verpackung und Inlay der Spielepackung. Gerade bei einem Spiel mit derart viel Material ist die feste, in vier Bereiche aufgeteilte Einlage sehr zu loben. Ebenso robust ist auch die Beschaffenheit der Spielbox.

Was bringt das Spiel nun im Einzelnen mit? Da wären zunächst das Spielfeld für die Raumschiffkonsole sowie der siebenteilige Spielplan, auf dem unser Schiff fliegt, und die Spielertableaus. Jede Menge Figuren sind mit dabei, allen voran die Black Angel selbst, zahlreiche Roboter- und Raumschiffmeeples (sehr niedlich sind die Minibeiboote mit Minirobotern zum Bemannen), Marker für die Spieler, Ressourcensteine und Schrottmarker sowie insgesamt 18 Würfel in drei verschiedenen Farben. Hinzu kommen verschiedene Arten von Plättchen für die Technologien, zugeordnet nach Farbe. Zu guter Letzt gibt es eine ganze Reihe Karten, vor allem Auftrags- und Verwüsterkarten. Für die bereits erwähnte Solo-Variante liegen für die künstliche Intelligenz Hal zudem zwölf Extra-Karten bei. Um alles sauber einzusortieren sind zahlreiche Plastikbeutelchen enthalten.

Der Preis ist mit etwa 70 Euro gerechtfertigt. Viel Material von guter Haptik und atemberaubender Optik. Das leicht psychedelisch anmutende Artwork wird nicht jeden überzeugen, schön anzusehen ist es aber allemal. Einziger Kritikpunkt: Farbenfroh ist schön und gut, leider hätte einem derart komplexen Spiel wie Black Angel gerade auf dem Spielfeld anstatt des bunten Durcheinanders mehr Übersichtlichkeit gut getan. Die Farbverteilung des Spiels ist nicht optimal gelöst.

Und warum ist in der Anleitung immer die Rede vom orangenen Bereich, obwohl diese Farbe auf Karten und Würfeln definitiv gelb ist?

Apropos Anleitung: Erklärt wird das Ganze recht ausführlich in der beiliegenden Spieleanleitung samt Anhang – ebenso bunt gestaltet wie das ganze Spiel. Da die Regeln komplex sind, liegt allerdings auch für jeden Mitspieler eine Übersichtskarte bereit, welche die Zugsequenzen und Aktionen kurz zusammenfasst. In den ersten Partien wird man dennoch nicht umhinkommen, regelmäßig in Spielanleitung und Anhang nachzublättern, da es eine ganze Reihe an Symbolen und deren Bedeutungen zu lernen gibt. Insgesamt ist die Anleitung verständlich und gut erklärt, obwohl Einzelheiten wie die Schlusswertung unnötig kompliziert vermittelt werden.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Asmodee Deutschland/Pearl Games
  • Autor(en): Sébastien Dujardin, Xavier Georges und Alain Orban
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 60-120 Minuten
  • Spieleranzahl: 1 2 3 4
  • Alter: Ab 12 Jahren
  • Preis: ca. 60-70 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Asmodee bietet auf der Landingpage zu Black Angel die vollständigen Spielregeln als PDF sowie den Regel-Anhang mit Erläuterungen zu den Auftragskarten und einen FAQ als Web– und Printfassung.

Fazit

Black Angel ist ein sehr schönes Taktikspiel, aber keine Liebe auf den ersten Blick. Auf der einen Seite ist es ein absoluter Hingucker, auf der anderen bestehen jedoch deutliche Defizite in der Übersichtlichkeit. Zu bunt ist nicht gut. So gestaltet sich der Einstieg schwierig, die Wechselwirkungen der verschiedenen Aktionen sind groß, ebenso wie die Spielerinteraktion. Das überfordert am Anfang selbst erfahrene Strategen.

Trotz der hohen Einstiegshürde macht es umso mehr Spaß, wenn man sich reingefuchst hat. Insgesamt ist Black Angel ein schönes Weltraumspiel mit hohem Potenzial und vielen strategischen Möglichkeiten, aber nicht für jeden etwas, sondern nur empfehlenswert für Fortgeschrittene und vielspielende Kenner. Wer viel Platz und Spaß an der wirklich ausgeklügelten Spielmechanik hat, wird sehr viele schöne Stunden auf der Black Angel verbringen.

 

Artikelbild: © Asmodee, Fotografien: Thekla Barck, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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