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Der erste Band von A Walk through Hell hat hochgradiges Suchtpotenzial und ist ein Paradebeispiel für gelungenen Spannungsaufbau und Erzählstil. Folglich erreichte er bei uns die Bestnote. Warum der zweite Band darauf leider nicht aufbauen kann und am Ende enttäuscht, erfahrt ihr in unserem Kurzcheck.

Garth Ennis ist spätestens durch die Adaption seiner düsteren Superhelden-Geschichte The Boys durch Amazon zuletzt wieder ins Rampenlicht gerückt. Jedoch hat er der Comic-Branche bereits viel früher seinen Stempel aufgedrückt. Zu einem seiner bekanntesten Werke gehört die übernatürliche Reihe Preacher, die ebenfalls für das Fernsehen umgesetzt wurde. Weitere nennenswerte Marken mit Ennis‘ Beteiligung sind Judge Dredd, Hellblazer oder Punisher.

Der erste Band von A Walk through Hell (Untertitel: Das verlassene Lagerhaus) konnte ebenfalls Eindruck hinterlassen. Dank einer spannenden Geschichte mit sorgfältigem Spannungsaufbau vergaben wir in unserem Kurzcheck die Bestnote. Besonders gelungen ist die schwierige Balance, den Leser sowohl im Unklaren zu lassen, aber auch immer mehr von der Handlung aufzudecken. Glaubwürdige Charaktere mit Ecken und Kanten runden den Erzählstil ab.

Nach der Lektüre des zweiten Bandes (Untertitel: Die Kathedrale) stellt sich mir eine Frage: Wieso wurde das im zweiten Band nicht fortgesetzt?

Handlung & Charaktere

A Walk through Hell folgt den FBI-Agenten Shaw und McGregor. Ihr Zusammenhalt wird auf eine intensive Probe gestellt, als sie bei der Untersuchung einer Lagerhalle in eine psychologische Hölle geraten. Die Anzeichen verdichten sich, dass ihr letzter Fall eine Rolle bei diesem Alptraum spielt. Denn dieser betraf einen gewieften Kindermörder und belastete die beiden Agenten auf extreme Weise.

Der erste Band profitierte von dem Talent von Ennis, Leser(innen) permanent im Ungewissen zu lassen. Stets stellt man sich die Frage, ob das Erlebte tatsächlich real ist oder nur in den Köpfen der beiden Agenten stattfindet. Diese offene Fragestellung sorgt für Spannung und Nervenkitzel. Durch Rückblenden wird nach und nach ein Puzzlestück nach dem anderen zugefügt, um Shaw und McGregor sowie ihre aktuelle missliche Lage besser zu verstehen. Auch im zweiten Band tragen solche Rückblenden maßgebend zum besseren Verständnis der Charaktere bei. Besonders zum Tragen kommen diese Rückblenden beim augenscheinlichen Gegenspieler, dessen Natur in Die Kathedrale genauer beleuchtet wird.

Doch damit enden bereits die Parallelen zum Vorgänger. Denn während Ennis die Balance zwischen Ungewissheit und Antworten in Das Lagerhaus perfekt gelang, neigt sich die Waagschale in Die Kathedrale extrem zum Erstgenannten. Es gibt zu viele Andeutungen und ambivalente Szenen. Ein Großteil der Ungewissheit wurde im ersten Band aufgebaut, sodass man im Nachfolger mit Antworten rechnete.

Doch selbst am Ende ist man nicht klüger als zu Beginn der Lektüre. Ehrlicherweise denke ich sogar, dass das die Absicht von Garth Ennis gewesen ist. Besonders diesem zweiten Band merkt man an, dass der Autor eine sozialkritische Nachricht in sein Werk eingebunden hat. Kurz zusammengefasst lautet diese, dass die Menschheit aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre dem Bösen wieder Macht über ihren Werdegang gegeben hat.

Daran ist prinzipiell auch nichts auszusetzen. Allerdings muss man in Kauf nehmen, dass die Handlung aufgrund der gewählten Erzählweise unvollendet wirkt. Denn Die Kathedrale stellt tatsächlich den vorläufigen Abschluss von A Walk through Hell dar. Dafür ist er mir aber entschieden zu unbefriedigend und lässt wichtige Fragen unbeantwortet.

Zeichnungen & Kolorierung

Auch der zweite Band wird von den Zeichenkünsten von Goran Sudžuka komplementiert. Zu dessen bekanntesten Werken gehören Y – The Last Man und Hellblazer, sowie Wonder Woman. Entsprechend seiner Erfahrung ist die Qualität der Zeichnungen außerordentlich hoch. Mimik und Gestik der Akteure sind eindringlich und der mental verstörenden Handlung angemessen.

Passend zur Handlung dürfen auch einige verstörende Szenen nicht fehlen – nicht umsonst ist das empfohlene Lesealter dieser Graphic Novel 16+. Allerdings schaltet Die Kathedrale im Vergleich zum Vorgänger hier einen Gang zurück. Die visuell am meisten verstörende Szene dreht sich um die Vorgesetzte von Shaw und McGregor. Ansonsten setzt dieser zweite Band mehr auf Andeutungen, die mitunter aber ebenso unangenehme Gefühle auslösen können. Die Kolorierung vermittels abermals die düstere Atmosphäre sehr gekonnt und kann durch kluge Kontraste die Charaktere in den Vordergrund rücken.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cross Cult
  • Autoren: Garth Ennis
  • Zeichner: Goran Sudžuka, Ive Svorcina
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 176
  • Preis: 25,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon

Fazit

A Walk through Hell als Gesamtwerk ist eine schwierig zu bewertende Graphic Novel. Nach dem grandiosen ersten Band schafft es der zweite Band leider, viel der geschaffenen Begeisterung wieder zu zerstören. Zu viele Fragen bleiben offen und hinterlassen den Eindruck einer unvollendeten Geschichte. Zugegeben denke ich, dass genau das die Absicht des Autors gewesen ist: Ein Ende zu schreiben, das den Leser zum Nachdenken und Vermuten anregen soll. Allerdings ist selbst der Weg zu diesem Ende in Die Kathedrale bei weitem nicht so unterhaltsam, wie es noch der Vorgänger gewesen ist. Zu viele Fragen und Unklarheiten bleiben bestehen. Man fühlt sich am Ende vom Autor im Stich gelassen.

Keine Kritik kann jedoch an der visuellen Gestaltung geäußert werden. Sowohl Zeichnungen als auch Kolorierung sind auf hohem Niveau, so wie man es von den verantwortlichen Künstlern erwarten kann. Die verstörende Bildwelt des Vorgängers taucht in Die Kathedrale stellenweise noch auf, wurde aber merklich reduziert. Die ausdruckstarke Mimik und Gestik wurden beibehalten.

Artikelbild: Cross Cult
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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