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Mit dem Sturmwacht hat Live Adventure eine vierte Conreihe in der Welt des ConQuests eingeführt. Die Skepsis war sehr hoch, und viele alteingesessene Mythodea-Spieler lehnten die Veranstaltung allein wegen des hohen Preises ab. Hat sich die Con ausgezahlt oder führt die Entwicklung in die falsche Richtung?

Mit dem Ende der Spiegelwelt-Kampagne 2018 und der Fusion mit Burgschneider gab es einen spürbaren Umbruch bei Live Adventure. Neben der Umformung zu einem gemeinnützigen Verein gehören ein paar zusätzliche Veranstaltungen zu dem Plan, aus der Firma ein tragfähiges Unternehmen zu machen. Die erste der neuen Veranstaltungen ist das Sturmwacht. Zu einem normalen Spielerpreis von 249 Euro wird dem Teilnehmer einiges geboten: drei Übernachtungen in einem Schloss, üppige Vollverpflegung, Tanzunterricht, Musiker, interessante NSCs, eine Belagerung und ein Maskenball inklusive Masken.

Dazu hat sich Live Adventure von einigen Grundfesten ihrer Großveranstaltungen verabschiedet: Es gab weder ein festes Regelwerk (abseits von „Du kannst, was du darstellen kannst“), noch eine Spielleitung, die aktiv ins Spielgeschehen eingreift. Der Plot wurde über die NSCs vermittelt und Effekte von den Spielern bestimmt. Ob das alles funktioniert hat, lest ihr in unserem Bericht.

Ist das noch Mythodea?

Die Gäste bekamen eine Einladung von Prinz Aenwynn von Atteron auf die Feste Sturmwacht. Zusammen sollte das Fest des Glücks gefeiert werden, eine atteronische Tradition mit Tanz, Gesang und Masken. Doch gleich nach der Begrüßung ertönten Knalle, und aus dem Nebel erschienen die Skargen, wilde Nordmänner, die seit dem ConQuest 2019 als Antagonisten auftreten. Sie brachten Geiseln mit, die mit einer Rune im Gesicht von einem Teil ihrer Kraft abgeschnitten wurden. Schnell wurde ein Burgfrieden ausgehandelt, doch der Anspruch der Skargen auf die Burg und ihre Belagerung blieben bestehen.

Gleichzeitig wurde durch Steintafeln, die mit unbekannten Schriften beschrieben wurden, langsam das Geheimnis der Burg offenbart. Diese wurde auf der Brutstätte eines Terra-Keimlings errichtet, der möglicherweise die Waffe ist, mit welcher der Untod endgültig vernichtet werden kann. Der Keimling musste befreit werden, während man die Kulturen der Atteroner und Skalden kennenlernen konnte. Daneben wurde Atterons Unterstützung für den Sommerfeldzug gefestigt, der dieses Jahr gegen Ankor Mortis, die Hauptstadt des Untods, gehen soll.

Auffällig ist die Abwesenheit von klassischen mythodeanischen Völkern. Die einzige Bedrohung waren die mystischen, an Wikinger erinnernden Skargen. Beim Maskenball war es noch möglich, von einer Fee verflucht zu werden, wenn man sich nicht an ihre Spielregeln hielt. Atteron selbst ist von Feenglauben geprägt und erinnert an den Film Excalibur aus dem Jahr 1981. Eine mystische Version Irlands mit Hexen, welche Herrscher beraten, und Rittern, die erst durch einen gemeinsamen Feind geeinigt wurden. Dieser Grundaufbau machte die Veranstaltung grundsätzlich zugänglicher als jede bisherige Live Adventure-Veranstaltung und zog auch Spieler an, die sonst einen großen Bogen um Mythodea machten.

Wer mit der falschen Erwartung an das LARP gegangen ist, konnte das typische Mythodea-Gefühl vermissen. Falls sich der eroberte Keimling als die Waffe herausstellt, mit welcher das Untote Fleisch endgültig vernichtet werden kann, wirkt das ein wenig wie ein Deus Ex Machina, der frühere Erfolge in den Schatten stellt. Aber eventuell ist das ein Schritt, der nötig ist, um mit Altlasten aufzuräumen.

Location, Organisation und Ablauf

© Live Adventure

Mit ungefähr 280 Spielern lief der Check-In reibungslos. Die Parkplätze waren gut erreichbar und man wurde schnell zu seinem Zimmer geleitet. Die Herbergszimmer waren dabei relativ eng und die Betten mit einer Länge von 1,80m für große Spieler etwas unbequem. Die 100 Euro teureren Hotelzimmer waren schnell ausgebucht, aber um einiges geräumiger.

Das Schloss Altenhausen in Sachsen-Anhalt lud zum Erkunden ein. Es gab den schön hergerichteten Kartensaal, der für die diplomatischen Gespräche diente, die große Halle, in der auch der Maskenball stattfand, zwei Tanzsäle, einen mysteriösen Keller und ein paar schwer zu findende Ecken, in denen man sich zurückziehen konnte. Dazu wurde in einem Zelt noch eine Taverne angerichtet und der Burghof lud neben ein paar Außenaufbauten zum Spielen ein.

Die Angestellten des Hotels traten in passender Gewandung auf und servierten durchgängig gute Speisen, sodass man niemals Hunger oder Durst leiden musste. Zum Freitagabend gab es ein großes Festmahl, das in zwei Gruppen serviert wurde. Zunächst bekam der Adel und später das Volk die Speisen. Interessanterweise war die erste Gruppe größer als die zweite. Die Verpflegung war sehr fleischlastig, und gerade für Vegetarier wäre es schön gewesen, wenn Speisen wie Grünkohl oder Sauerkraut ohne Speck zubereitet worden wären. Diese zusätzliche Fleischquelle und minimale Veränderung des Geschmacks war bei der üppigen Auswahl gar nicht nötig. Das Frühstück war umfangreicher als ich es aus einigen anderen Hotels gewohnt bin. Gespeist wurde in der großen Halle, die aber für die Anzahl der Spieler nicht genug Platz bot.

Der mangelnde Platz in der großen Halle wurde auch am Samstagabend offenbar, als alle Spieler gleichzeitig zum Maskenball erschienen und ein paar höfische Tänze getanzt werden wollten. Schnell verteilten sich die Spieler hier wieder auf den Vorbereich und die Taverne. Die Plätze draußen an den Feuerschalen waren auch stets gut besucht. Es wurde dafür gesorgt, dass die Feuer niemals ausgingen. Das Wetter war windig, aber bis auf den letzten Abend trocken. Am regnerischen Abbautag merkte man schnell, dass sich das als Glücksgriff erwies, da die Wiesen sehr schnell schlammig und rutschig wurden. Es wäre aber vermutlich auch kein Problem gewesen, wenn sich das Spiel allein auf die Burg verteilt hätte.

Der Check-Out lief ohne große Probleme. Auch internationale Spieler, von denen viele anwesend waren, wurden sehr gut eingebunden. Hier konnte man schnell sehen, dass Live Adventure gut genug aufgestellt ist, um auch eine kleinere bis mittelgroße Veranstaltung stemmen zu können.

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© Live Adventure

Das Fehlen der Spielleitung hat nicht gestört. Das Spiel wirkte dadurch viel flüssiger und die Spieler haben häufiger improvisiert, anstatt im Zweifel nach einem Wölkchen Ausschau zu halten. Ein positiver Effekt war auch, dass nahezu keine Rituale stattgefunden haben. Denn wenn wir ehrlich sind, mag eigentlich niemand diese langwierigen Rituale, bei denen man darauf wartet, dass die SL den gewünschten Effekt ins Spiel bringt.

Der Plot entstand aus der Interaktion mit den Nebenrollen. Da waren zunächst ganz klassisch einige Geister, deren letzter Wille erfüllt werden musste, damit sie einen Kristall abgaben, der zur Befreiung des Keimlings diente. Diese Geister stammten übrigens von der Morgenröte, einem Schiff, das damals neben Paolo Armatio Mitraspera erreichte. Daneben gab es viele Atteroner, die alle persönliche Geschichten hatten. Wer nicht auf diese zugegangen ist, wird von den kleinen Dramen wenig mitbekommen haben. Spiel in die Hände der NSCs und Spieler zu legen, funktioniert wie immer ganz gut. Es gibt dadurch wenig spielfreie Zeiten, da der Plot automatisch weiterkommt, wenn die Spieler selbst danach suchen.

Ein wenig schade ist, dass es zu keinen großen Gruppendynamiken kam. Das ganz große Drama oder das emotionale Zerwürfnis fand man immer nur im Kleinen. So war das Spielerlebnis für jeden Teilnehmer gänzlich anders. Da aber Kampf, Diplomatie, Hofhaltung, Wissenssuche und Plotjagd gleichzeitig angeboten wurden, sollte jeder hier das Spiel gefunden haben, dass er sich wünschte. Das Verhältnis zwischen den Bestandteilen war gut austariert. Nur schade ist, dass beispielsweise Tanzübungen und Kriegsbesprechungen zur gleichen Zeit stattfanden. Einige Spieler hatten persönliche Plots, diese waren aber gefühlt recht selten und meistens nicht direkt auf die Figuren zugeschnitten.

Fazit

Man kann sagen, dass das Experiment Sturmwacht geglückt ist. Die Veranstaltung hat größtenteils das erreicht, was sie wollte. Es gab eine wohl dosierte Menge an Plot, der aber auch sehr klassisch und wenig überraschend war. Das große Charakterspiel war möglich, hätte aber mehr gefördert werden können. Die Atmosphäre war wunderbar und die Location einen weiteren Besuch wert. Kämpfe gab es in guter Dosierung, sodass sie nicht zu sehr das Spiel störten, aber diejenigen, die dazu bereit waren, konnten sich ins Getümmel stürzen.

Ein paar der Aktivitäten, wie Baumstamm-Werfen, Tauziehen oder Bogenschießen, wirkten ein wenig wie in einem Freizeitpark, aber passten irgendwie in das an König Arthus erinnernde Setting. Gerade wenn man bedenkt, dass diese Veranstaltung das erste Mal stattfand, kann man insgesamt zufrieden sein. Es gibt überall kleinere Stellschrauben (vegetarische Mahlzeiten, zu wenig persönliche Plots, Platzprobleme etc.), die aber beim nächsten Mal ausgebessert werden können. Man darf gespannt sein, welchen Weg Live Adventure in Zukunft nehmen wird, aber wenn das der neue Standard ist, sollte es wenig Bedenken geben.

 

Artikelbild: © Live Adventure, Bearbeitet von Verena Bach
Das Ticket wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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