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Seit 1993 wird der Bad Sex in Fiction Award verliehen und ehrt die schlechtesten Sexszenen in Büchern, die nicht zum Erotikgenre gehören. Doch es gibt auch einen entsprechenden Preis für Fantasy-Literatur: Das Goldene Glied. 2021 gebührt die Ehre, dies zu verleihen, uns von Teilzeithelden.

Auch abseits erotischer Literatur gibt es Sexszenen. Der Bad Sex in Fiction Award der britischen Zeitschrift Literary Review zeigt auf, dass diese nicht immer gelungen sind, und prämiert jedes Jahr Bücher mit besonders schlecht geschriebenen Sexszenen. Erotische Literatur ist dabei explizit ausgenommen. Oft bestechen die prämierten Titel besonders durch unpassende Vergleiche wie dem zwischen Vagina und Porzellanpfeffermühle oder einem Penis und einem in der Sonne quellenden Tierkadaver. Ziel des Preises ist es aufzuzeigen, wie geschmacklos, merkwürdig und oft auch überflüssig Sexszenen in der Literatur sein können, um diese in Zukunft zu verhindern.

Das Goldene Glied

Relativ unbekannt ist jedoch, dass auch in der Phantastik jährlich ein entsprechender Preis verliehen wird: der Bad Sex in Fantasy Award mit dem Namen Das Goldene Glied.

Die Zielsetzung ist ähnlich der beim Bad Sex in Fiction Award. Dabei obliegt es immer einer wechselnden Jury, mehrere Sexszenen in verschiedenen Kategorien zu küren. 2021 liegt diese Aufgabe bei Teilzeithelden.

Da Erotik explizit ausgenommen ist, haben wir Fesseln der Lust, die Anthologie zur Spielhilfe Wege der Vereinigung, nicht mitberücksichtigen können. Dort fänden sich jedoch ebenfalls mehrere heiße Kandidat*innen für Das Goldene Glied.

Vergeben wird Das Goldene Glied in den Kategorien: Situation, Vergleich, Vorspiel, Anatomie und Selbstständige Körperteile. Seit mehreren Jahren wird außerdem gefordert, endlich die sogenannte Spiegelszene, in der sich eine Hauptfigur vor einem Spiegel stehend selbst betrachtet, als eigene Kategorie aufzunehmen.

Die verschiedenen Preiskategorien

Situation

In der Kategorie Situation wird die absurdeste oder unpassendste Situation prämiert, um Sex zu haben. Hier war die Konkurrenz groß, durchgesetzt hat sich jedoch letztlich der Geschlechtsverkehr, der genutzt wird, um eine einfrierende Fee aufzutauen im ansonsten gelungenen Die dreizehnte Fee (an dieser Stelle bereits von uns rezensiert):

„Er rückt ab, um meinen Körper zu betrachten. Ich sehe jedes Hautpartikel tauen, das mit seiner Haut in Kontakt kommt. Rasch beginnt er, meine Beine zu reiben, die eiskalten Waden. Die blauen Adern verblassen, das Eis weicht vor seiner Nähe. […] Langsam, so als sei er sich selbst noch nicht sicher, zeichnet er mit seinen Fingern einen Kreis um meinen Bauchnabel. Eine sanfte Spur bleibt. Sein Blick gleitet zu meinen Brüsten, eine glänzt durchsichtig, die andere reckt sich ihm rosig entgegen.“
Julia Adrian: Die Dreizehnte Fee

 

Vergleich

Oldie but Goldie beim Bad-Sex-Vergleich – jetzt mit neuem Cover!

In dieser Kategorie wird der denkwürdigste Vergleich prämiert. Wie auch andere Jurys in den Jahren zuvor geben wir diesen Preis an die in Rollenspielkreisen berüchtigten Lachse:

„Inmitten des dunklen Pelzes blühten die Rosenblätter ihrer Lust. […] Instinktiv umklammerten mich ihre reiterprobten Oberschenkel. […] Es war, als ob Heilgard mich mit jeder Welle der Lust, die ich ihr bereitete, in ihren Körper hineinziehen wollte. Dann bäumte sie sich auf, mit einem Schrei, der kurz das Tosen des Wasserfalls übertönte. Wir wanden uns wie kämpfende Lachse …“
Hadmar von Wieser: Der Dämonenmeister

 

Vorspiel

Zu gutem Sex gehört auch ein Vorspiel, darum wird in dieser Kategorie das schlechteste Vorspiel gekürt. Hier setzte sich Das 7. Buch der Schatten durch, in dem die Hauptfigur aus einem Heilschlaf bei einem Unbekannten erwacht, der sie auf ganz besondere Weise gepflegt hat. Falls die Frage aufkommen sollte, ja, das denkwürdige Vorspiel endet auf seinen Wunsch hin mit ihrem ersten Mal Sex.

„Mit vor Entsetzen geweiteten Augen sah sie ihn an. „Ich … ich bin ganz nackt in meinem Schoß.“

Marosh schluckte. „Oh. War dir das nicht recht? […] Ich meine, ich musste dich doch waschen! Außerdem … alle Mädchen tun das doch, oder? […] Ich hätte dich immerzu nur ansehen können, hab dich gewaschen und gepflegt und ich wollte, dass du so schön aussiehst, wie es nur irgend geht. Deswegen hab ich dich …“ Er deutete in Richtung ihres Schoßes. „Und dann irgendwann hab ich dich geküsst. Weil du so wunderschön bist.“

Marie stieß ein Stöhnen aus. Diese ganze Angelegenheit war einfach ein Unding, eine bodenlose Frechheit, eine Gemeinheit und fast eine Vergewaltigung…

Aber irgendwie doch zauberhaft.“
Harald Evers: Das 7. Buch der Schatten. Das Amulett

 

Anatomie

Die Abenteuer eines jungen Mannes mit der Damenwelt.

Diese Kategorie prämiert anatomische Beschreibungen von Brüsten, Penissen, Vulven und anderen Körperteilen, die nicht ganz zutreffend scheinen.

„Die Kleine hatte Schneid, dachte er und blickte wieder auf ihre Brüste. Sie waren ganz, wie er sie mochte. Kaum eine Handvoll, aber straff und mit Knospen, fast so lang wie das oberste Glied seines kleinen Fingers.“
Bernhard Hennen: Die Chroniken von Azuhr – Der Verfluchte

 

Selbstständige Körperteile

Häufig machen sich Körperteile in Büchern ohne jede Magie selbstständig. Brüste, Penisse und andere sich selbstständig machende Körperteile werden in dieser Kategorie prämiert, von der in der Vergangenheit immer wieder gefordert wurde, sie mit Anatomie zusammenzulegen. Beim Goldenen Glied 2021 ist sie jedoch dabei und das Urteil der Jury fiel einstimmig auf Brüste und Penis im Urban-Fantasy-Roman Die Flüsse von Berlin:

„Mit seinen rauen Händen strich er über ihren schlanken Bauch, umkreiste den Nabel und neckte ihre nasse Perle. Sie keuchte auf wie ein altersschwaches Dampfschiff, das mit letzter Kraft auf einen Eisberg zuhielt. Ihre Brüste bebten und schrieben mit den Knospen ihre Erregung in die Luft und ihr Körper drückte sich ihm wie ein gespannter Bogen entgegen. […] Sie nickte und sein Schwert zuckte animalisch in ihre feuchte Lustgrotte vor.“
Nicole van Wall: Die Flüsse von Berlin

 

Für mehr bessere Sexszenen

Es war uns bei Teilzeithelden eine große Ehre, Das Goldene Glied 2021 verleihen zu dürfen. Wir hoffen, in Zukunft mehr gute Sexszenen zu lesen zu bekommen und weniger über krude Anatomie oder übergriffiges Vorspiel den Kopf schütteln zu müssen. Außerdem unterstützen wir den Vorstoß, die Spiegelszene endlich als eigene Kategorie aufzunehmen. Nächstes Jahr wäre dafür der passende Zeitpunkt!

 

Artikelbilder: © vicnt2815 | depositphotos.com, die jeweiligen Verlage
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Katrin Holst

6 Kommentare

  1. Und da heißt es immer Pornos vermitteln Jugendlichen eine falsche Vorstellung von Sex…
    Danke an die Jury die auf lustige Art auf große Misstände hinweist und sie nicht nur umkreist wie eine Zunge ein Lustknötchen, oder ein ausgehungerter Hai ein zartes ruderloses Boot… oder ein scharfes Kuchenmesser einen heißen, dampfenden Apfelkuchen ..

  2. Ich habe versucht Nicole van Wall und Die Flüsse von Berlin zu suchen, aber das einzige Ergebnis ist dieser Beitrag?
    Wo wurde die Geschichte denn veröffentlicht?

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