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Sie sind mächtig, sie sind schön – und sie sind nicht die guten Feen, die man erwartet. Julia Adrian schreibt in ihrem Roman über das, was hinter dem Happy End liegt. Eine ungewöhnliche Märchengeschichte und eine komplizierte Liebesgeschichte warten auf den Leser.

Märchen begeistern uns seit jeher. Als Kind lauscht man ihnen zum Einschlafen, später erzählt man sie womöglich selbst. Die in ihnen verpackte Grausamkeit, die zwar heute nicht mehr in jedem Märchen zu finden ist, die aber viele kennen, fasziniert. Tanzen in heißen Schuhen, die Hexe im Ofen – am Ende gewinnen allerdings immer die Guten.

Doch was kommt hinter dem „Wenn sie nicht gestorben sind …“ oder was ist, wenn die Märchen gar nicht so enden, wie es üblich ist? In Die dreizehnte Fee erwarten uns keineswegs dreizehn gute Feen, sondern das genaue Gegenteil. Im Mittelpunkt stehen die Antagonisten der Helden aus den Märchen und sie sind zum Teil enger mit den eigentlichen Protagonisten der Märchenwelt verwoben, als anzunehmen ist.

Story

Eine Illustration aus dem Roman
Eine Illustration aus dem Roman

Zwölf Feen regieren über die Welt, manche von ihnen üben mehr Einfluss aus, so zum Beispiel die Giftmischerin oder die Eishexe, andere eher weniger, wie das Orakel oder die Brunnenhexe. Doch sie sind gefürchtet und keiner nennt sie mehr Feen – es sind Hexen. Einst herrschte eine Fee über alle von ihnen. Sie war die dreizehnte und die Königin des gesamten Landes. Doch ihre Schwestern betrogen sie, lockten mit dem Einzigen, das sie immer wollte: mit der wahren Liebe. Durch einen Zauber in einen tiefen Schlaf versetzt, verborgen hinter einer undurchdringlichen Dornenhecke, auf dass niemals jemand zu ihr gelangen könnte, wartete sie. Nur der Kuss der wahren Liebe würde die Fee befreien können.

Viele hundert Jahre später ist der Zauber schwächer geworden. Durch den Kuss eines Prinzen, der sich einen Weg durch die Dornenhecke bahnen konnte, erwacht sie. Doch die Fee kann nicht glauben, dass er ihre wahre Liebe sein soll, und als er kurz darauf stirbt, scheint jegliche Hoffnung auf die Erfüllung ihres tiefsten, sehnlichsten Wunsches verloren. Oder vielleicht auch nicht?

Der Prinz war in Begleitung eines Hexenjägers unterwegs, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, alle Hexen zu vernichten. Die Fee erkauft sich ihr Leben, indem sie dem Hexenjäger anbietet, ihm im Kampf gegen ihre Schwestern zu helfen, denn niemand kennt die Hexen dieser Welt besser als ihre einstige Königin. Er willigt ein, jedoch stellt er von Anfang an klar, dass auch sie eine Hexe ist und ebenso auf seiner Liste steht wie ihre Schwestern.

Diese Geschichte, die zunächst sehr nach Dornröschen klingt, ist spannend, spielt mit typischen Aspekten eines Märchens und versucht, sie in ein anderes Licht zu rücken. Immer wieder werden einzelne Charakteristika der bekannten Märchen aufgegriffen und mit den dreizehn Feen in Verbindung gebracht. Die Giftmischerin verteilt zum Beispiel die aus Schneewittchen bekannten giftigen, roten Äpfel. Die Kinderfresserin hält Kinder in Käfigen wie die Hexe in Hänsel und Gretel. Und oft fragt man sich, für welches Märchen dem Leser noch ein anderer Blickwinkel durch diesen Roman eröffnet wird.

Der Leser entwickelt schnell eine Bindung zur Fee und hofft, dass sie doch noch die wahre Liebe finden wird. Durchbrochen wird dies nur durch ab und an angedeutete erotische Intermezzos zwischen der Fee und dem Hexenjäger, die manchmal etwas erzwungen wirken. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen der Hexenjäger und die Fee mit ihrer komplizierten Beziehung zueinander, die im Verlauf der Geschichte sogar noch komplexer wird.

Schreibstil

Der Uhrmacher
Der Uhrmacher

Julia Adrians Schreibstil zeichnet sich stark durch kurze, prägnante Sätze aus. Doch wirken sie keineswegs abgehackt. Vielmehr ist es sogar angenehm, keine ausufernden Schachtelsätze vor sich zu haben, die man dreimal lesen muss. Es gelingt der Autorin dadurch, einen sehr guten Einblick in die Gefühlswelten und die Umgebung der Charaktere zu geben. Sie geht zwar nur auf das Wichtigste ein – gerade bei der Umgebung geht sie selten in die Tiefe – doch das stört rein gar nicht. Die Atmosphäre wird auch ohne lange Beschreibungen sehr gut transportiert.

Der Roman liest sich sehr flüssig. Durch die gerade einmal 212 Seiten kommt man beinahe gar nicht dazu, ihn aus der Hand zu legen. Die Geschichte ist spannend, die Figuren gut beschrieben und die Handlung so dicht, dass es nicht langweilig wird. Der Roman ist aus der Sicht eines personalen Erzählers geschrieben, die dreizehnte Fee steht im Mittelpunkt. Der Konflikt zwischen ihrer bösen Vergangenheit und ihrem Sehnen nach Liebe, welches nicht im mindesten kitschig wirkt, begleiten den Leser durch die Geschichte. Die Verzweiflung, die Trauer über den Verrat ihrer Schwestern und ihr Zorn, aber auch ihre sanfte Seite, ihr Sehnen danach, mehr zu sein als nur die böse Königin, zeichnen ein sehr gutes Bild der Protagonistin und geben ihr Tiefe.

Fast keine der Figuren erhält einen Namen, die meisten werden stattdessen mit ihren markantesten Eigenschaften betitelt. So gibt es die Giftmischerin, die Eishexe, die Meerhexe, den Hexenjäger oder etwa den Uhrmacher. Dies führt auch dazu, dass die Figuren auf Anhieb gut im Gedächtnis bleiben. Hierzu passt, dass die einzige Figur, die mit ihrem Namen länger im Gedächtnis bleibt, ein Kind ist, das einfach noch zu jung ist, um einen solchen Titel zu erhalten.

Die Autorin

Julia Adrian wurde vor 27 Jahren in Bonn geboren, ist aber an der Nordsee aufgewachsen, wo sie auch heute noch mit ihrem Mann und den drei Kindern lebt. Der Roman Die dreizehnte Fee war ihr Debüt, das sie zunächst in kleiner Auflage in einem eigenen Verlag veröffentlicht hat. Nach wenigen Monaten wurde die Geschichte aber erneut vom Drachenmond Verlag veröffentlicht. Für ihr Debüt erhielt sie sogar den Skoutz-Award als bester Fantasy-Roman 2015.

Darauf folgten mittlerweile bereits Band 2 und 3 der Feen-Trilogie, womit der Zyklus abgeschlossen ist. Inzwischen hat sie auch einige Romane abseits der Feen-Trilogie veröffentlicht, die aber alle auf dem Hintergrund der Märchenwelt ein Zuhause finden. Auf ihrer Autoren-Seite bei Amazon erhält man einen Überblick über ihre Werke. 

Erscheinungsbild

Das Cover ist in dunklen Grün- und Blautönen gehalten. Der Titel der Geschichte dominiert den Einband, umrahmt von der Zeichnung eines gerahmten Spiegels, um den sich eine Brombeerhecke rankt. Das Motiv der Brombeerhecke zieht sich weiterhin durch den Rest des Buchs, sie findet sich auf jeder Seite in Form schöner Verzierungen wieder. Ergänzt wird dieses Layout durch einzelne Illustrationen vor dem ein oder anderen Kapitel. Sie zeigen den Uhrmacher, die Giftmischerin oder auch die Kinderfresserin und erweitern das geschriebene Wort.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Drachenmond Verlag
  • Autorin: Julia Adrian
  • Erscheinungsdatum: 15. Oktober 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 212
  • ISBN: 978-3-95991-131-3
  • Preis: 12,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Im Buch befindet sich ein Inhaltverzeichnis und einige wirklich schöne Illustrationen, die ein wenig die Stimmung und Atmosphäre des Buchs vermitteln. Am Ende des Romans folgt eine kleine Danksagung und eine Vorschau auf weitere Veröffentlichungen von Julia Adrian. Auf Amazon kann zudem ein Blick ins Buch geworfen werden.

Fazit

Die dreizehnte Fee – Erwachen ist ein wirklich guter Auftakt der Feen-Trilogie. Die Figuren erhalten Tiefe, Motive und eine nachvollziehbare Gefühlswelt. Man möchte es kaum weglegen und durch die Kürze kann es auch gut in einem Rutsch durchgelesen werden. Bereits durch den Klappentext wird eine ungewöhnliche Märchen-Geschichte erwartet und genau das wird auch abgeliefert. Die Wendungen sind zwar nicht immer vollkommen unerwartet, aber auch nicht langweilig, und nach dem Ende bleibt die Spannung darum, wie es mit der dreizehnten Fee wohl weitergehen mag, erhalten.

Einzig störend waren manchmal die angedeuteten erotischen Intermezzos zwischen den beiden Hauptcharakteren. Sie wirkten teilweise sehr gestellt und vermittelten den Eindruck, als würde es fast nebenbei passieren. Es wäre schöner gewesen, wenn sich diese Beziehung etwas langsamer aufgebaut hätte. Andererseits unterstreicht dies die fehlende Romantik zwischen den Protagonisten. Als Leser ist man sich nie sicher, wie viele Gefühle wirklich dahinterstehen, denn der Hexenjäger ist diesbezüglich nur schwer zu durchschauen.

Preislich liegt das Taschenbuch mit 12,00 EUR im mittleren Feld. Doch dieser Preis ist durchaus angemessen, denn das Buch ist wirklich schön gestaltet und macht sich zu Hause im Regal besser als nur auf dem E-Reader.

mit Tendenz nach oben

Artikelbild: © Drachenmond Verlag, Bearbeitet von Verena Bach

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