Geschätzte Lesezeit: 14 Minuten

Boardwalk Empire, Peaky Blinders oder Babylon Berlin. Während die Zwischenkriegsjahre wieder aktuell werden, sind sie für Cthulhu-Spielende bereits ein Klassiker. Mit dem erschienen Berlin-Band soll das pulsierende Lebensgefühl der deutschen Hauptstadt in den Jahren 1918-1933 eingefangen werden. Wie die Zeit selbst, ist auch das Buch ein Tanz auf dem Vulkan.

In Welthaupstadt der Sünde sollen geneigte SL und Spielende alles finden, um tief in die Zeit der deutschen Zwischenkriegszeit abzutauchen. Dafür geht es nicht nur um die Geschichte der Stadt selbst und ihre Geografie, sondern auch interessante Lokalitäten, bekannte Gesichter sowie „Mythos-Hotspots“ der Vier-Millionen-Metropole.

Damit der Einstieg gelingt, finden sich in dem Werk außerdem drei vorgefertigte und äußerst detaillierte Abenteuer. Diese führen von den unruhigen Anfangsjahren über die kurze Zeit der vermeintlichen Stabilität sowie den schleichenden Abstieg in die NS-Diktatur, um somit die Weimarer Republik in ihrer Gesamtheit darstellen zu können.

Die Spielwelt – Das ist Berlin wie es weint und wie es lacht

Das erste Kapitel, „Die Stadt“, beschäftigt sich – wenig überraschend – mit Berlin und seinen Einwohnenden selbst. Das Werk gibt im selben Zug vier Hintergründe für berlinernde Investigator*innen mit, in welchen sie sich als Filmleute, okkulte Bürgerwehrler*innen, verzweifelte Mietende oder Jugendbande verdingen. Dies ermöglicht die schnelle Erschaffung eigener Charaktere, die bereits einen Teil des Flairs der 20er-Jahre in sich tragen.

Auf einer großen Stadtkarte lassen sich übersichtlich die verschiedenen Stadtviertel und ihre Sehenswürdigkeiten begutachten. Diese werden später auch weiter vorgestellt und geben in kleinen Tabellen wichtige Stichworte für die SL mit: Was ist die wichtigste Kirche am Potsdamer Platz? Welcher kriminelle Clan oder Ringverein „regiert“ am Tiergarten und welche sündigen Verlockungen erwarten die Besuchenden unter den Linden?

Das Buch präsentiert sich hier ganz klar als etwas mehr, als nur die Summe seiner Abenteuer und denkt auch immer an größere Sandbox-Kampagnen und die unzähligen Male in einer Runde, wo schnell improvisiert werden muss.

Der historische Stadtplan lädt zum Erkunden der Metropole ein.
Der historische Stadtplan lädt zum Erkunden der Metropole ein.

Allgemeine Geschichten und Berliner Besonderheiten, wie die berüchtigt klaustrophobischen Mietskasernen oder die berühmte „Berliner Schnauze“, werden hier genauso detailreich erläutert, wie die Wirkung der im Berliner Stadtgebiet verfügbaren Drogen. Wobei sich letzteres vor allem für die regelfreudigeren Gruppen von Nutzen sein dürfte, die wissen möchten, wie viele „Kurze“ es braucht, um genauso lange ausgeknockt zu sein wie nach einer ordentlichen Prise Kokain. Immerhin werden auch Folgen (natürliche wie übernatürliche) des Drogenkonsums behandelt, sodass dieser Abschnitt nicht vollends zur Karikatur verkommt.

Mit diesem Kapitel dürften sich vermutlich auch die letzten Berlin-Muffel in die Eigenheiten der Welthauptstadt der Sünde eingefühlt haben, bevor es von nun an vor allen Dingen um das Berliner Nachtleben und Mythos-Elemente geht.

Viertel für Viertel werden Sehenswürdigkeiten, Lokale und Probleme vorgestellt.
Viertel für Viertel werden Sehenswürdigkeiten, Lokale und Probleme vorgestellt.

Berliner Lokalitäten – Wo die Moral wohnt, wohnt auch gleich das Laster

Seit jeher war Berlin nicht nur das „Spree-Chicago“, also eine äußerst abwechslungsreiche Spielwiese für allerlei Nachtschwärmende, sondern ebenso ein „Spree-Athen“, ein Hort des Wissens und der Bildung. Der exemplarische Streifzug durch Berlin im zweiten Kapitel des Cthulhu-Bandes ist dementsprechend zweierlei.

Erläuterungen zu Bildungsstätten wie dem Museum für Völkerkunde, der preußischen Staatsbibliothek oder dem Institut für Sexualwissenschaft reihen sich an solche für Vergnügungspaläste wie das „Haus Vaterland“ sowie das Romanische Forum und unterstreichen so den Abwechslungsreichtum der Stadt.

Die offene Sexualität im Berlin der 1920er Jahr wird berücksichtigt und gefördert. Exkurse zu Investigator*innen des „dritten Geschlechts“ (heute der LGBTIAQ+-Gemeinschaft zugehörig) sind ebenso vorhanden, wie Erläuterungen der verschiedenen Formen von käuflicher Liebe. Beim Thema Prostitution zeigt das Werk die ungeschönte Realität und weicht auch vor überaus heiklen Themen wie etwa Kinder- oder Jugendprostitution nicht zurück. Inwiefern Gruppen das ausspielen oder einbinden möchten, bleibt selbstredend ihnen überlassen.

Es werden außerdem noch verschiedene andere soziale Aspekte behandelt, wie etwa die Wichtigkeit politischer oder krimineller Kontakte und detaillierte Beschreibungen der fiktiven Bar „Der blaue Strumpf“, welche mit bunten Persönlichkeiten aufzuwarten weiß.

Bei den Lokalitäten bleibend, liegt das Augenmerk dieses Kapitels sicherlich auf den mehrere Seiten umfassenden Tabellen für zufallsgenerierte Etablissements. Nebst sehr einfallsreichen Namen werden Atmosphäre, Klientel, Ausstattung, die Art der Unterhaltung und Ungewöhnliches beschrieben.

So kann mit wenigen Würfen ein „auf witzige Weise aggressives“ Lokal am Alexanderplatz in einem stickigen Kohlenkeller Raum für einige „Dragqueens“ und holländische Reisende bieten. Dort wird dann Jazz zum Besten gegeben oder schnulziger Schlager geträllert. Für den „Extra-Kick“ Berlin wird hier kein Alkohol, sondern nur ungarisches Gebäck serviert.

Die Tabellen, die es ebenso für Architektonisches oder (in deutlich kleinerem Umfang) für Pensionen oder Theater gibt, ermöglichen schnell das Entstehen eines ganz eigenen Berlins, ohne auf, mitunter ausgetretenen, Pfaden der diversen „El Dorados“ oder des „Moka Eftis“ zu wandeln. Sogar Investigator*innen können eine Bar besitzen.

Das „Haus Vaterland“ war in der Zeit der Weimarer Republik ein echter Tourist*innen-Magnet und hat auch auf Bildern nichts von seinem Charme verloren.
Das „Haus Vaterland“ war in der Zeit der Weimarer Republik ein echter Tourist*innen-Magnet und hat auch auf Bildern nichts von seinem Charme verloren.

Begegnungen – Du musst nach Berlin, wo die Verrückten sind

Das Berlin der 1920er-Jahre verfügte nicht nur über ein außerordentlich schillerndes und extravagantes Nachtleben, es beherbergte gleichermaßen schillernde und extravagante Persönlichkeiten, von denen im dritten Kapitel die Rede ist.

Die dabei vorgestellten Stars umfassen bekanntere Biografien wie etwa die von Berthold Brecht oder Marlene Dietrich sowie weniger bekannte, aber gleichwohl spannende wie etwa die der Tänzerin Lya de Putti oder der kommunistischen Funktionärin Ruth Fischer.

Die, meist nicht mehr als eine Seite umfassenden, Texte bieten kurze biographische Überblicke und beleuchten die Beziehung der jeweiligen Person zur Reichshauptstadt näher und auch den Zeitraum, in welchem sie in Berlin lebten.

Die Lebensgeschichten einer Claire Waldoff oder eines Magnus Hirschfeld sind zwar überaus interessant zu lesen, bei der Frage, wie diese Begegnungen mit (Wahl-)Berliner*innen in einem Abenteuer umgesetzt werden können, bleibt das Buch allerdings Antworten schuldig.

In einer Vier-Millionen-Stadt ist es gar nicht so ungewöhnlich, bekannte Persönlichkeiten zu treffen. Die Auswahl ist dabei überaus breit gefächert.
In einer Vier-Millionen-Stadt ist es gar nicht so ungewöhnlich, bekannte Persönlichkeiten zu treffen. Die Auswahl ist dabei überaus breit gefächert.

Mythos in der Stadt – Berlin, Berlin hier lebt der Mensch gefährlich

Rund um den Cthulhu-Mythos dreht sich das vierte Kapitel des Buchs. Zu Beginn werden exemplarisch vier Kulte, die im Großraum Berlin operieren, vorgestellt. Darunter befinden sich „Nyaralathotheps“ Zeremonienmeisterin „Nofretete“ und ihr exklusiver Party-Geheimbund, die hungrigen Anhänger des „Y’golonac“, die sich in einer eigenen Vereinskneipe treffen, die naturanbetenden Jugendlichen der „Schwarzen Ziege“ und das vom Bauhaus-Theater inspirierte kosmische Ballett.

Auch hier bleibt der Band seinem Motto treu und entführt Lesende mit den kultischen Organisationen in menschliche und nicht ganz so menschliche Abgründe aus Drogen, Lust und kreativem Wahnsinn.

Auf den restlichen sechs Seiten des Mythos-Abschnitts finden sich allerhand Szenario-Ideen, die kurz und knackig auf jeweils einer halben Seite Ort, Art der Entdeckung, mögliche Nachforschungen und Hinweise für die SL liefern. Die Möglichkeiten des „Großstadt-Sandkastens“ werden hier auf neue Höhen getrieben, da die Autor*innen keine definitive Auflösung des Übernatürlichen bieten und für eigene Abenteuer mehrere Enden denkbar sind.

Besonders schön ist die Einbindung der tatsächlichen Geschichte Berlins, wie sie vorher bereits ausführlich beschrieben wurde, bei den Abenteuer-Aufhängern. Es geht unter anderem um spukende Geister im Berliner Stadtschloss, wiederbelebte, verrücktgewordene Alchemisten aus der Neuzeit und die Einrichtung des Künstlerpaares Fritz Lang und Thea Harbou.

Die Inspirationen bieten sich wunderbar als „Lückenfüller“ zwischen den drei ausgearbeiteten Abenteuern an, bieten aber trotz ihrer Kürze nicht minder verstörende Geschichten.

Die Abenteuer – Rundumschlag in Weimarer-Geschichte

Die drei, dem Werk beigefügten, Investigativ-Abenteuer sind allesamt gut ausgearbeitet und nehmen satte 150 Seiten ein. Dabei wird besonderer Wert auf die Ausgewogenheit des Horrors und der angesprochenen Themen gelegt, die einmal quer durch die Zeit der Zwischenkriegsjahre führen.

Gerade um Alltagsszenen stimmig zu untermalen, werden der SL immer wieder Werkzeuge und Mechaniken an die Hand gegeben. Etwa, wenn sich in der Zeit der Hyperinflation bei jedem Kauf, den die Gruppe tätigt, die Preise exorbitant nach oben verschieben.

Ganz im Stile eines Film-Noir ist auch das Charakterbild des wiederkehrenden NSC Inspektor Krieg gezeichnet worden.
Ganz im Stile eines Film-Noir ist auch das Charakterbild des wiederkehrenden NSC Inspektor Krieg gezeichnet worden.

Der Teufel frisst Fliegen

In „Der Teufel frisst Fliegen“ geht es um die Faszination der Weimarer*innen für Serienmorde und das Leid sowie die Instabilität der frühen Jahre der Republik. Bei der Hatz auf den*die Täter*in und der Suche nach einer (vermeintlichen?) Erbin der Romanows kommen die übelkeiterregenden und mitunter sehr persönlichen Bodyhorror-Momente nicht zu kurz. Auch abseits davon weicht das Abenteuer nicht vor problematischen Themen zurück, etwa wenn es um die Kooperation der Investigator*innen mit Personen geht, die politische Extrempositionen besetzen.

Insbesondere zum Schluss vermischen sich historische Ereignisse und Personen überaus passend mit dem Übernatürlichen, wenn auch das regellastige Abschlussritual nicht für alle etwas sein dürfte.

Die schwarz-weißen Bilder in den Abenteuer-Beschreibungen triefen geradezu vor Film-Noir-Stimmung.
Die schwarz-weißen Bilder in den Abenteuer-Beschreibungen triefen geradezu vor Film-Noir-Stimmung.

Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase

„Tänze des Lasters des Grauens und der Ekstase“ zeigt das Berlin der 20er, wie es vor allem heute in Erinnerung geblieben ist. Wild, hedonistisch und vergnügungssüchtig. Dabei kreuzen sich die Wege der Investigator*innen mit denen der Tänzerin Anita Berber und einem Kult, der den Tanz auf dem Vulkan in ungeahnte Höhen treiben will.

Mit reichlich Handouts werden die SL vom Buch unterstützt. Trotzdem sind die Themen der drei Szenarien delikat und erfordern Fingerspitzengefühl.
Mit reichlich Handouts werden die SL vom Buch unterstützt. Trotzdem sind die Themen der drei Szenarien delikat und erfordern Fingerspitzengefühl.

Eine Besonderheit des äußerst komplexen Abenteuers: Es schreckt auch vor großen Veränderungen, wie etwa unerwarteten Zeitsprünge und Todesfällen nicht zurück, sollte die Gruppe scheitern.

Schreckfilm

Das dritte Abenteuer „Schreckfilm“ spielt am kalten Jahresanfang 1932 und zeigt, wie schnell sich Berlin in den wenigen Jahren nach der Weltwirtschaftskrise verändert hat. Die Nationalsozialisten sind auf dem Vormarsch und die finanziellen Verluste von 1929 treiben viel zu viele Menschen in Verzweiflung und Selbstmord.

Ausgerechnet hier soll nun das berüchtigte Necronomicon verfilmt werden. Leider kommt die faszinierende Welt des deutschen Stumm- und Sprachfilms erst gegen Ende des Abenteuers richtig in Fahrt. Abseits davon bleibt aber ein dennoch spannendes Ermittlungs-Abenteuer mit reichlich Verfolgung und noch mehr Wahn.

Berlin im Praxistest

Spielbericht

Für die Rezension wurde mit kleiner Gruppe von zwei Personen, einem Autor der Neuen Sachlichkeit und einer Journalistin, angefangen, das Abenteuer „Schreckfilm“ zu spielen.

Eine Welle von Selbstmorden erschüttert Berlin um Silvester 1931. Bei einem gemeinsamen Umtrunk im heruntergekommen Vergnügungsort „Lunapark“ gerät die Gruppe an die junge Enthüllungsjournalistin Lina Desmond, die im allgemeinen Trubel ihren Aktenordner fallen lässt.

Die erste Durchsicht zeigt, dass sich unter anderem ein Bild der Investigator*innen darin befindet, welches sie mit ihnen unbekannten Leuten in gelassener Atmosphäre zeigt. Für weiteres Grübeln bleibt keine Zeit, weil das Duo auf dem Ku’Damm in eine Straßenschlacht gerät. Die Investigatorin stürzt in der Massenpanik von der Brücke des Lunaparks ins eiskalte Wasser der Havel.

Auf der Flucht kreuzen die beiden Charaktere auf dem Nachhauseweg die Klingen ihrer Taschenmesser mit einer monströsen Mischung aus Katze und Mensch.

Im neuen Jahr gehen die Merkwürdigkeiten weiter; der Autor ist zu einer Vernehmung auf dem Polizeirevier geladen, dazu erhält er die Mitteilung, dass sich seine Lebensgefährtin das Leben genommen hat. Eine kurze, aber persönliche Szene bei den Schwiegereltern in spe beschäftigt sich mit der Trauerverarbeitung. Die Wohnung der Journalistin wird von einer „SA“-Rotte belagert, hier zeigt sich die Polizei überaus behindernd.

Über mehreren Schnäpsen in der erstellten Eckkneipe „Zum roten Strauß“, erscheint (und verschwindet) aus heiterem Himmel Lina Desmond. Sie muss die Investigator*innen erst überzeugen, dass sie es ist, da sie mittels einer merkwürdigen Prozedur ihr Gesicht ausgetauscht hat. Sie ist auf einen Hexenzirkel gestoßen, dessen Oberhaupt, die alternde Filmschauspielerin Agnes Esterházy nicht nur die Polizei, auch die Justiz und sogar die im Aufschwung befindliche NSDAP in ihrer Hand haben soll.

Kaum ist klar, dass der Okkultist Aleister Crowley mehr über den Zirkel und die Personen auf der Fotografie wissen könnte, erscheint Inspektor Krieg und führt die Investigator*innen wegen Ruhestörung ab.

Spielbarkeit aus Sicht der SL und der Spieler*innen

„Schreckfilm“ findet schnell seinen Ton, es geht um Verfolgungswahn und Verzweiflung. Dies zeigt sich exemplarisch am Mechanismus, die Spielenden jeden Tag auf Glück würfeln zu lassen, ob sich jemand aus ihrem näheren Umfeld das Leben genommen hat. Ebenso düster schaut es bei den Möglichkeiten der SL aus, die Spielenden durch Polizei, Justiz oder eben die nationalsozialistische „Sturmabteilung“ jagen zu lassen, damit diese sich nicht mal mehr in ihrem eigenen Heim sicher fühlen.

Hierbei ist es sehr gruppenabhängig, wie offensichtlich die Bedrohung zu sein hat. Kommt es zu nur wenigen Selbstmorden oder vereinzelten Vorfällen mit Polizei und Nazis, wird die Gefahr vielleicht gar nicht als solche registriert, in andere Richtungen ermittelt und die Polizei als helfende Institution immer wieder aufgesucht. Dies war bei unserer Gruppe der Fall. Ein weiterer angemerkter Kritikpunkt war, dass die Mechanik mit den Selbstmorden voraussetzt, die Charaktere für einen One-Shot soweit mit einer Vorgeschichte versehen zu haben, dass ein näheres Umfeld überhaupt existiert. Dies ist etwas, woran SL im Voraus denken sollten.

Das andere Extrem ist, dass diese Schlüsselereignisse so gehäuft vorkommen, dass sie mehr Karikatur als Bedrohung gleichen (wenn etwa der Briefkasten von Vorladungen überquillt).

Abseits davon lässt sich gut durch das Abenteuer navigieren, die verschiedenen Inhalte des Aktenordners können voneinander unabhängig untersucht werden und jeweils neue Lösungen bieten oder in der allgemeinen Ausnahmesituation völlig untergehen.

Die Handouts sind hilfreich für das Orientieren in Berlin und auch die Erstellung von eigenen Lokalitäten ließ sich einfach umsetzen und die Spielenden aktiv am Weltenbau teilhaben. Aufgrund der vielen historisch verbürgten Orte lassen sich nebst Handouts auch schnell Bilder der besuchten Orte raussuchen und die Immersion verstärken.

Die übernatürlichen Elemente sind anfangs angenehm dezent und bieten ausreichend Möglichkeit, den realweltlichen Horror der Weimarer Republik darzustellen.

[Einklappen]

Erscheinungsbild

Der Berlin-Band präsentiert sich in einem hochwertigen Hardcover mit knapp 280 Seiten. Der Druck wirkt wertig und ist im klassischen Cthulhu-Layout von Pegasus erschienen. Dunkelrote, schwarze, braune sowie beige Töne dominieren die Seiten. Sie sind gut lesbar und wirken aufgrund der zahlreichen Bilder nicht überfrachtet.

Die Illustrationen sind großteils farbig und eigens für das Buch gezeichnet worden; lediglich die historischen Fotografien von Orten und Persönlichkeiten sind in Schwarz-Weiß gehalten. Der starke Fokus auf Zeichnungen mag im ersten Moment ungewohnt erscheinen, jedoch sind die Bilder atmosphärisch und immer ihrer Stimmung entsprechend euphorisch-bunt oder düster-dunkel.

Ebenso wurde mit den Handouts nicht gegeizt, welche sich am Ende des Werkes für die Spieler*innen finden lassen. Eine doppelte Ausführung mit Zusatzinformationen für die SL befindet sich direkt in den Abenteuern.

Mit einem geradezu preußisch anmutenden Sinn für Ordnung ist Welthauptstadt der Sünde aufgebaut. Alle Informationen sind an ihrem vermuteten Platz, sind sie es dann mal doch nicht, wird auf die entsprechende Stelle sofort verwiesen. Die vielen zahlreichen Tabellen schaffen Überblick und verpacken selbst große Informationsbrocken in leicht verdauliche Texte.

Über einen Index verfügt der Cthulhu-Band nicht, dafür aber über ein Lesezeichen sowie ein gut aufgebautes Inhaltsverzeichnis.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pegasus Spiele, Chaosium Inc.
  • Autor*in(nen): David Larkins, Mike Mason, Lynne Hardy
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsche Übersetzung, Englisches Original
  • Format: Hardcover, PDF
  • Seitenanzahl: 278
  • ISBN: 978-3-96928-018-8
  • Preis: 29,95 EUR (Hardcover), 19,95 EUR (PDF)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon (Englisches Original), Amazon (Deutsche Ausgabe), idealo, PegasusDigital

 

Bonus/Downloadcontent

Wie für Pegasus üblich, finden sich alle dem Band beigelegten Handouts und Karten in digitaler Form auf der Verlags-Plattform Pegasusdigital, was das Online-Spielen deutlich erleichtert.

Fazit

Cthulhu: Berlin – Welthauptstadt der Sünde ist ein überaus gelungener Rundumblick in das Berlin der 20er Jahre geworden. Nicht nur werden die Stadt und ihre Bewohner*innen überaus detailliert beschrieben, sondern ebenso viel Wert auf Sandbox-Elemente gelegt. Ein eigenes Berlin mit selbsterstellten Kneipen, Klubs und Cafés ist schnell erstellt. Dazu kommen noch die zahlreichen offenen Plot-Hooks, womit der Spielspaß auch über die drei beigefügten Abenteuer hinaus gesichert ist.

Einige kleinere inhaltliche Fehler haben sich dennoch eingeschlichen, sind aber vielleicht der amerikanischen Perspektive geschuldet. Etwa, wenn Kriminalkommissar*innen durchgehend als „Inspektoren“ bezeichnet werden oder SA-Männer auf Bildern mit Mitgliedern der Polizei gleichgesetzt sind.

Dennoch warten die gut aufbereiteten drei Abenteuer mit gewichtigen Themen auf und betreiben keine falsche Romantisierung der Zeit, etwa was Armut, Prostitution oder Gewalt angeht. Dies macht die Szenarien aber nicht unbedingt für Neulinge geeignet. Kenntnis der persönlichen Grenzen der Mitspielenden sowie ein solides Allgemeinwissen über die Zeit der Weimarer Republik sollte bei allen vorhanden sein.

Wer sich damit anfreunden kann, dürfte bald schon selig im Sündenbabel versinken.

  • Starke, verstörende und gut ausgearbeitete Abenteuer
  • Stadtführer-Charakter und Zufallstabellen lassen ein eigenes Berlin lebendig werden
  • Bei den vorkommenden Gesichtern der Zeit wurde auf Diversität geachtet
 

  • Schwierige Themen verlangen erfahrene SL mit Vorwissen und Fingerspitzengefühl
  • Kleine historische Ungereimtheiten

 

Artikelbilder: © Pegasus Spiele
Titelbild: © Pegasus Spiele, PR Bebra Verlag (Auszug aus „Führer durch das lasterhafte Berlin“, Curt Moreck, 1931)
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo
Fotografien: Jonas Krüger
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein